<187> die Entscheidung in die Hand legte? Ihre zweideutige Antwort jedoch, die alle möglichen Auslegungen zuließ, und die beständige Verweigerung der einzigen Erklärung, die den König beruhigen konnte, ist in der Tat nichts als das schweigende Eingeständnis der gefährlichen Absichten, die man ihr vorwirft. Dies Verhalten von seiten des Hauses Österreich gibt dem König keine Sicherheit für die Zukunft. Im Gegenteil! Seine Majestät hat das Benehmen des Wiener Hofes bei all seinen Unterhandlungen klargelegt und ist unterrichtet von dessen Umtrieben und Einflüsterungen an allen europäischen Fürstenhöfen, wo er gegenwärtig an einem Bündnis gegen Preußen arbeitet. Die Kenntnis dieser schlimmen Absichten zwingt den König, das Prävenire zu spielen.

Gewiß beginnt der König die Feindseligkeiten. Da aber dieser Ausdruck häufig mit dem des Angriffs verwechselt wird und der Wiener Hof stets geflissentlich darauf ausgeht, Preußens Schritte zu verleumden, so hält man es für angezeigt, den Sinn beider Worte zu unterscheiden. Unter Angriff versteht man jeden Akt, der dem Sinn eines Friedensvertrages strikt zuwiderläuft. Ein Offensivbündnis, Feinde, die man einer andern Macht erweckt und zum Kriege mit ihr drängt, Pläne zum Einmarsch in die Staaten eines andern Fürsten und zu plötzlichem Überfall — das alles sind lauter Angriffe, obwohl nur das letzte zu den Feindseligkeiten gehört.

Wer diesen Angriffen zuvorkommt, kann Feindseligkeiten begehen, ist aber nicht der Angreifer. Im Spanischen Erbfolgekriege, als die savoyischen Truppen im französischen Heere in der Lombardei fochten, schloß der Herzog von Savoyen1 ein Bündnis mit dem Kaiser gegen Frankreich (1703). Die Franzosen entwaffneten seine Truppen und trugen den Krieg nach Piemont. Hier war also der Herzog von Savoyen der Angreifer, und die Franzosen begingen die ersten Feindseligkeiten. Die Ligue von Cambrai2 war ein Angriff. Wären die Venezianer damals ihren Feinden zuvorgekommen, so hätten sie die ersten Feindseligkeiten begangen, wären aber nicht die Angreifer gewesen.

Da also der Wiener Hof die von allen europäischen Mächten garantierten Verträge brechen will, da sein Ehrgeiz ungestraft die heiligsten Schranken umstürzt, die der menschlichen Begehrlichkeit gesetzt sind, da er sich den Weg zum Despotismus im Deutschen Reiche bahnen will und seine weitausschauenden Pläne auf nichts Geringeres abzielen als auf den Umsturz dieser Republik von Fürsten, die zu erhalten die Pflicht der Kaiser ist, so hat der König beschlossen, sich den Feinden seines Vaterlandes hochherzig zu widersetzen und den verderblichen Folgen dieses gehässigen Planes vorzubeugen.


1 Viktor Amadeus II.

2 Geschlossen 1508 zwischen Kaiser Maximilian, Ludwig XII. von Frankreich, Papst Julius II. und Ferdinand dem Katholischen gegen Venedig.