<173> Freunde wie als erklärte Feinde. Die Türken waren durch die zahlreichen Umwälzungen in Rußland verblüfft und wußten nicht, was sie tun sollten. Sie lehnten das ihnen seit Jahren vorgeschlagene Defensivbündnis ab, und selbst der Tartaren-Khan nötigte in diesem Augenblicke den preußischen Residenten an seinem Hofe1 zur Abreise. Außer all diesen widrigen Umständen war sehr zu befürchten, daß bei der Fortsetzung des Krieges die Pest in Sachsen, Schlesien und Brandenburg aufträte; denn die meisten Felder lagen brach, die Lebensmittel waren rar und unerschwinglich und das flache Land von Menschen und Vieh entblößt. In all diesen Ländern sah man nur die furchtbaren Spuren des Krieges und die Vorboten größeren Elends für die Zukunft. Unter so schrecklichen Umständen war bei der Fortsetzung des Krieges alles zu befürchten. Hätte man auch den bevorstehenden Feldzug begonnen, so hätte man dadurch keine besseren Bedingungen erlangt. Nach vergeblichem Widerstande hätte man sich doch nur im Kreise herumgedreht und zu denselben Bedingungen zurückkehren müssen, über die man sich bereits einig war.

Die Österreicher schlugen einen Kongreß vor, was der König sogleich annahm. Sie schickten als Bevollmächtigten Collenbach2 und der König seinen Legationsrat Hertzberg3. Man kam überein, die Verhandlungen in Hubertusburg zu führen. Ort und Umgebung wurden öffentlich für neutral erklärt. Nach den üblichen Formalitäten begannen die Unterhandlungen am 30. Dezember.

In diesen glücklichen Tagen beruhigten sich die erhitzten und durch den Krieg aufgebrachten Geister plötzlich vom einen Ende Europas bis zum andern. Wie schon gesagt, waren die Präliminarien zwischen Frankreich und England unterzeichnet4. Das Versailler Ministerium hatte sich nach den Mißerfolgen seiner Waffen in Indien und Europa dazu bereit gefunden; denn im letzten Frühjahr hatten die Engländer Martinique erobert und im Sommer den Spaniern Havanna fortgenommen und ihre Flotte ganz vernichtet. Diese Unglücksfälle, die ungeheuren Ausgaben Frankreichs und die Unmöglichkeit, neue Geldquellen zu erschließen, hatten den Staatsrat endlich zum Frieden bewogen. Die Engländer konnten ihren Feinden die Friedensbedingungen diktieren und einen ruhmvollen Frieden schließen. Statt dessen gaben sie auf Butes Antrieb die Interessen ihrer Bundesgenossen preis. Sie gestatteten den Franzosen, nach dem Friedensschluß im Besitz von Wesel und Geldern und der umliegenden Gebiete zu bleiben5. Aber nicht zufrieden, ihre Verpflichtungen und die Heiligkeit der Verträge mit Füßen zu treten, intrigierte Bute auch noch am Petersburger Hofe und streute Mißtrauen und Argwohn gegen den König aus, sodaß dieser auf keine europäische Macht rechnen konnte, ja neue Zwistigkeiten mit Rußland befürchten mußte.


1 Boscamp (vgl. S. 118 f.).

2 Heinrich Gabriel von Collenbach.

3 Ewald Friedrich von Hertzberg, seit 5. April 1763 Staats- und Kabinettsminister.

4 Vgl. S. 167.

5 Zwar mußte Frankreich die preußischen Rheinlande räumen, bot aber ihre Besetzung dem Wiener Hofe an.