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Entwurf zur „Darlegung der Gründe, aus denen der König in Schlesien eingerückt ist“1
(Dezember 1740)

Die Ansprüche des Königs auf die meisten Herzog- und Fürstentümer Schlesiens sind unbestreitbar. Die Besitzer dieser Provinz haben dies selbst so sehr zugegeben, daß sie einen Vertrag mit Kurfürst Friedrich Wilhelm abschlossen, kraft dessen der Kurfürst für den Kreis Schwiebus seinen Rechten auf die anderen schlesischen Herzog- und Fürstentümer entsagt hat. Dieser Verzicht wäre gültig, hätte Kaiser Leopold I. den Kreis Schwiebus nicht mit schwärzester Treulosigkeit dem König Friedrich I. entrissen2.

Da somit das Äquivalent für den Verzicht zurückgegeben ist, tritt Preußen wieder in den Vollbesitz seiner Rechte, und das ganze Abkommen mit Kurfürst Friedrich Wilhelm wird null und nichtig.

Auf Grund dieser Rechte und eines Anspruches auf mehrere Millionen Taler ist der König in Schlesien eingerückt, um seinen Besitz und seine Rechte aufrechtzuerhalten. Zu Lebzeiten des Kaisers wäre ein solcher Schritt unangebracht gewesen; denn der Kaiser ist das Reichsoberhaupt, und der Angriff eines Reichsstandes gegen ihn hätte gegen die Reichsgesetze verstoßen.

Außerdem läuft dieser Schritt der Pragmatischen Sanktion nicht zuwider; denn der König will kein Erbe antreten, sondern nur seine besonderen Rechte wahren. Da der Kaiser selbst keinerlei Anrecht auf die ihm strittig gemachten schlesischen Herzogtümer besitzt, mit welchem Recht kann seine Tochter3 sie dann beanspruchen? Man kann doch nichts erben, was den Eltern nicht gehört hat!

Nehmen wir aber den schlimmsten Fall an, daß man das Vorgehen des Königs als Verstoß gegen die Pragmatische Sanktion betrachtet, so ist hervorzuheben, daß der König von Preußen dem Kaiser die Pragmatische Sanktion durch den Vertrag


1 Vgl. Bd. II, S. 59 ff. Die Denkschrift, deren eigenhändig vom König verfaßter Entwurf oben mitgeteilt wird, war anfänglich nur zur Instruktion der preußischen Vertreter im Ausland bestimmt, gelangte dann aber auch zur Veröffentlichung in der Presse.

2 Vgl. Bd. I, S. 87.100.

3 Maria Theresia.