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Schreiben eines österreichischen Offiziers an einen Freund in der Schweiz1
(Frühling 1761)

Lieber Freund! Sie fragen mich, was es Neues bei uns gibt, und sehnen den Frieden herbei. Ich glaube Sie mit der Nachricht zu erfreuen, daß mitten in unseren militärischen Operationen, während unsere Alliierten kräftig gegen den König von Preußen vorgehen, Unterhandlungen gepflogen werden, die, wie Eingeweihte versichern, schon ziemlich weit gediehen sind. Anscheinend fangen unsere Herrscher an, des Mordens, der Räubereien und Grausamkeiten müde zu werden, die der Krieg mit sich bringt. Fühlt man Europa den Puls, so sieht es fest, daß der Anfall von Tobsucht nachläßt. Vielleicht bedarf es noch eines Aderlasses, damit die Vernunft wieder völlig die Oberhand gewinnt. Angeblich wird über folgende Präliminarien verhandelt. Ich war vor einigen Tagen zum Essen beim General Spada, wo er es mir selber versicherte. Ich schicke Ihnen das Ganze, so wie ich es erhielt.

Präliminarartikel des allgemeinen Friedensschlusses zwischen den hohen Verbündeten und Ihren Majestäten, den Königen von Preußen und Großbritannien.

Artikel 1

Zwischen den vertragschließenden hohen Mächten soll ewiger Friede herrschen. Sie werden sich mit ruchloser Falschheit gegenseitige Freundschaft schwören und beständig daran arbeiten, sich zu schaden, bis Neid, Eifersucht und Ehrgeiz Mittel zum abermaligen Ausbruch finden.


1 Am 31. März 1761 hatte der russische Gesandte, Fürst Galizin, in London im Namen Rußlands und seiner Verbündeten den Vorschlag der Berufung eines Friedenskongresses nach Augsburg überreicht, mit der Aufforderung an England und Preußen, Bevollmächtigte für den Kongreß zu ernennen. König Friedrich zweifelte an der Aufrichtigkeit des Wiener Hofes und hielt daher den Kongreß, der in der Tat auch nicht zustande kam, von vornherein für aussichtslos (vgl. Bd. IV, S. 84 f. und 200 ff.). Diese Stimmung spiegelt sich in der obigen Satire wieder, die jedoch nicht zur Veröffentlichung gelangte.