<29> seien. Obwohl Fürst Kaunitz bisher vermieden hätte, sich darüber auszusprechen, könnte man nichtsdestoweniger voraussehen/ daß er gern die Hand dazu reichen würde, sobald die beiden anderen Mächte sich über ihre gegenseitigen Interessen verständigt hätten. Der König bediente sich dieses Hinweises, um den Abschluß zu beschleunigen, da kein Augenblick zu verlieren war.

Vielleicht hätte die gewohnte Langsamkeit und Trägheit der Russen den Abschluß des Vertrages noch in die Länge gezogen, hätten die Österreicher dem König nicht ungewollt gute Dienste geleistet. Täglich bereiteten sie durch ihre Vermittlungstätigkeit dem Frieden neue Hindernisse. Oft warfen sie dem Petersburger Hof seine maßlosen Forderungen vor, ließen sich in herrischem Ton über die Friedensartikel aus, die sie verwarfen, und nahmen die Türken, soweit sie vermochten, in Schutz. Vollends aber machten die Bewegungen der Armee in Ungarn die Österreicher am Petersburger Hofe verdächtig. Zugleich verbreitete sich das Gerücht, die Kaiserlichen verhandelten wegen eines Subsidienvertrages in Konstantinopel1. Die letztere Nachricht versetzte den Petersburger Staatsrat in Besorgnis, und dem König, der den Russen alles mW teilte, was zur Aufdeckung der österreichischen Intrigen führen konnte, gelang es endlich, den Petersburger Hof aus seiner Lethargie aufzurütteln. Da die Zarin die Notwendigkeit des preußischen Beistandes fühlte, meinte sie, man müsse dem König Vorteile verschaffen, um sich seiner zu versichern. Infolgedessen erklärte Graf Panin dem Grafen Solms, er erwarte nur den Teilungsplatt aus Berlin, um mit ihm in Unterhandlungen über den Gegenstand einzutreten.

Der Plan wurde schleunigst nach Petersburg gesandt (14. Juni). Er stellte Rußland frei, sich in Polen die Provinz auszusuchen, die ihm am geeignetsten erschiene. Für sich verlangte der König Pomerellen, das Gebiet von Großpolen diesseits der Netze, das Bistum Ermland, die Woiwodschaften Marienburg und Kulm und überließ den Österreichern, dem Vertrag beizutreten, wenn sie es für vorteilhaft hielten.

Aber alle Maßnahmen, die man in Berlin und Petersburg traf, hinderten den Fürsten Kaunitz nicht, seinen Weg zu gehen. Er war anmaßlicher denn je, hielt durch tausend Schwierigkeiten, die ihm sein Mittleramt gestattete, die Friedensverhandlungen mit den Türken auf und verwarf besonders den Artikel der Abtretung der Moldau und Walachei, die die Russen von der Pforte verlangten. Stolz auf die Anerbietungen, die der Sultan ihm machte, und in der Meinung, die in Ungarn versammelten Truppen könnten sowohl den Preußen wie den Russen imponieren, ließ er dem König erklären, die von Rußland vorgeschlagenen Friedensbedingungen liefen den Interessen der österreichischen Monarchie stracks zuwider und drohten das Gleichgewicht im Orient zu zerstören. Falls der Petersburger Hof sie also nicht mildern wolle, wären Ihre Kaiserlichen Majestäten gezwungen, sich an diesem Kriege zu be-


1 Das Bündnis zwischen der Pforte und Österreich wurde in der Nacht zum 7. Juli 1771 in Konstantinopel unterzeichnet, Doch von Maria Theresia nicht ratifiziert.