<4> ruiniert, viele Dörfer in Asche gelegt, zahlreiche Städte teils durch Belagerungen, teils durch vom Feinde gedungene Brandstifter zerstört. An Stelle geordneter Verwaltung in Stadt und Land war völlige Anarchie getreten; die Finanzen waren in der größten Verwirrung; kurz, das Elend war allgemein. Zu all diesen Mißständen kam noch, daß die alten Räte und Finanzminister während des letzten Krieges gestorben waren. Ich stand sozusagen allein und ohne Hilfskräfte. Ich mußte mir neue auswählen und sie zugleich für die Ämter ausbilden, für die ich sie bestimme.

Die Armee befand sich in keinem besseren Zustande als das Land. Siebzehn Schlachten hatten die Blüte der Offiziere und Soldaten dahingerafft. Die Regimenter waren zusammengeschmolzen und bestanden zum Teil aus Kriegsgefangenen und Überläufern. Die Ordnung war fast verschwunden und die Mannszucht derart erschlafft, daß unsere alte Infanterie nicht mehr taugte als neu ausgehobene Miliz. Es galt also, Rekruten zu beschaffen, wieder Zucht und Ordnung in die Regimenter zu bringen, vor allem die jungen Offiziere durch den Stachel der Ehre anzuspornen, um dieser heruntergekommenen Masse die alte Tatkraft wiederzugeben.

Auch die Politik bot kein erfreulicheres Bild als das eben entworfene. Durch Englands unwürdiges, treuloses Benehmen am Ende des letzten Krieges war das Bündnis mit ihm zerrissen. Der Separatfriede, den England mit Frankreich geschlossen, die Unterhandlungen, die es mit Rußland angeknüpft, um mich mit dem Zaren Peter III. zu entzweien, die Anträge, die es dem Wiener Hofe gemacht hatte, um ihm meine Interessen zu opfern1 — alle diese Schändlichkeiten hatten die Bande zwischen Preußen und Großbritannien zerschnitten, und so stand ich nach dem allgemeinen Friedensschluß allein und ohne Bundesgenossen in ganz Europa.

Indes war diese kritische Lage nicht von Dauer, sondern nahm gegen Ende des Jahres 1763 wieder günstigere Gestalt an. Der russische Hof war wie betäubt durch die plötzliche Umwälzung2 und bedurfte einiger Zeit, um wieder zur Besinnung zu kommen. Kaum hatte die neue Zarin ihre Stellung im Innern befestigt, so schweiften ihre Blicke weiter, und sie näherte sich Preußen. Zu Anfang suchte man sich nur zu verständigen, bald aber erschien das gegenseitige Bedürfnis einer Einigung nicht mehr problematisch. Gerade zu der Zeit, wo die Unterhandlungen lebhafter wurden, starb König August III. von Polen3. Dies unerwartete Ereignis reichte hin, um den Abschluß eines Defensivbündnisses zwischen Rußland und Preußen zu beschleunigen. Katharina II. wollte über den erledigten Thron nach ihrem Gutdünken verfügen: zu dem Zweck schien ihr Preußen der passendste Bundesgenosse, und so wurde denn Stanislaus Poniatowski bald zum König von Polen gewählt, well es die Zarin so wollte. Seine Wahl wäre auch ohne schlimme Folgen geblieben, hätte es die Zarin dabei bewenden lassen. Aber sie verlangte auch noch, daß die Republik den Dissidenten beträchtliche Vorrechte einräumte. Diese neuen Forderungen empörten


1 Vgl. Bd. IV, S. 125 f.

2 Der Sturz Peters III.

3 5. Oktober 1763.