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Denkwürdigkeiten vom Hubertusburger Frieden bis zum Ende der Polnischen Teilung

Vorwort

Ich hatte allen Grund zu der Annahme, daß das letzte politisch-militärische Werk, das ich der Nachwelt zu geben hätte, die Darstellung der europäischen Ereignisse von 1756 bis 1763, d. h. bis zum Hubertusburger Frieden sein würde. Sieben mühselige Feldzüge hatten meine Lebenskraft verbraucht, und mein zunehmendes Alter ließ mich alle von ihm unzertrennlichen Gebrechen fühlen. Alles zeigte mir das baldige Ende meiner Laufbahn und ließ mich voraussehen, daß ich dem Staate keine anderen Dienste mehr leisten könnte, als durch weise und tatkräftige Verwaltung die zahllosen Wunden zu heilen, die der Krieg allen preußischen Landen geschlagen hatte.

Man durfte hoffen, daß auf so heftige Erschütterungen, wie Europa sie im letzten Kriege durchgemacht hatte, auf so viel Stürme ruhiges und heiteres Wetter folgen würde. Die Großmächte waren erschöpft durch die ungeheuren Anstrengungen, die sie hatten machen müssen. Auch die Zerrüttung ihrer Finanzen erlegte ihnen Mäßigung auf und erstickte die Erbitterung, der sie sich nur zu lange überlassen hatten. Kurz, sie waren so vieler vergeblicher Anstrengungen müde und wünschten nichts sehnlicher als die Befestigung der öffentlichen Ruhe.

Preußen hatte diese Ruhe noch nötiger als das übrige Europa; hatte es doch fast allein die ganze Last des Krieges getragen. Der preußische Staat glich einem von Wunden bedeckten, von Blutverlust geschwächten Kämpfer, der unter der Bürde seiner Leiden fast zusammenbrach. Er bedurfte eines geregelten Lebens, um sich zu erholen, stärkender Mittel, um wieder zu Kräften zu kommen, und heilenden Balsams, um von seinen Wunden zu genesen. Unter diesen Umständen durfte die Regierung nur das Beispiel eines guten Arztes befolgen, der einem erschöpften Körper mit Hilfe der Zeit und lindernder Mittel wieder emporhilft.

Diese Gründe waren so zwingend, daß die innere Verwaltung des Staates meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Der Adel war erschöpft, das niedere Volk<4> ruiniert, viele Dörfer in Asche gelegt, zahlreiche Städte teils durch Belagerungen, teils durch vom Feinde gedungene Brandstifter zerstört. An Stelle geordneter Verwaltung in Stadt und Land war völlige Anarchie getreten; die Finanzen waren in der größten Verwirrung; kurz, das Elend war allgemein. Zu all diesen Mißständen kam noch, daß die alten Räte und Finanzminister während des letzten Krieges gestorben waren. Ich stand sozusagen allein und ohne Hilfskräfte. Ich mußte mir neue auswählen und sie zugleich für die Ämter ausbilden, für die ich sie bestimme.

Die Armee befand sich in keinem besseren Zustande als das Land. Siebzehn Schlachten hatten die Blüte der Offiziere und Soldaten dahingerafft. Die Regimenter waren zusammengeschmolzen und bestanden zum Teil aus Kriegsgefangenen und Überläufern. Die Ordnung war fast verschwunden und die Mannszucht derart erschlafft, daß unsere alte Infanterie nicht mehr taugte als neu ausgehobene Miliz. Es galt also, Rekruten zu beschaffen, wieder Zucht und Ordnung in die Regimenter zu bringen, vor allem die jungen Offiziere durch den Stachel der Ehre anzuspornen, um dieser heruntergekommenen Masse die alte Tatkraft wiederzugeben.

Auch die Politik bot kein erfreulicheres Bild als das eben entworfene. Durch Englands unwürdiges, treuloses Benehmen am Ende des letzten Krieges war das Bündnis mit ihm zerrissen. Der Separatfriede, den England mit Frankreich geschlossen, die Unterhandlungen, die es mit Rußland angeknüpft, um mich mit dem Zaren Peter III. zu entzweien, die Anträge, die es dem Wiener Hofe gemacht hatte, um ihm meine Interessen zu opfern4-1 — alle diese Schändlichkeiten hatten die Bande zwischen Preußen und Großbritannien zerschnitten, und so stand ich nach dem allgemeinen Friedensschluß allein und ohne Bundesgenossen in ganz Europa.

Indes war diese kritische Lage nicht von Dauer, sondern nahm gegen Ende des Jahres 1763 wieder günstigere Gestalt an. Der russische Hof war wie betäubt durch die plötzliche Umwälzung4-2 und bedurfte einiger Zeit, um wieder zur Besinnung zu kommen. Kaum hatte die neue Zarin ihre Stellung im Innern befestigt, so schweiften ihre Blicke weiter, und sie näherte sich Preußen. Zu Anfang suchte man sich nur zu verständigen, bald aber erschien das gegenseitige Bedürfnis einer Einigung nicht mehr problematisch. Gerade zu der Zeit, wo die Unterhandlungen lebhafter wurden, starb König August III. von Polen4-3. Dies unerwartete Ereignis reichte hin, um den Abschluß eines Defensivbündnisses zwischen Rußland und Preußen zu beschleunigen. Katharina II. wollte über den erledigten Thron nach ihrem Gutdünken verfügen: zu dem Zweck schien ihr Preußen der passendste Bundesgenosse, und so wurde denn Stanislaus Poniatowski bald zum König von Polen gewählt, well es die Zarin so wollte. Seine Wahl wäre auch ohne schlimme Folgen geblieben, hätte es die Zarin dabei bewenden lassen. Aber sie verlangte auch noch, daß die Republik den Dissidenten beträchtliche Vorrechte einräumte. Diese neuen Forderungen empörten<5> ganz Polen. Die Großen des Reiches suchten Hilfe bei den Türken. Bald danach brach der Krieg aus, und die russischen Heere brauchten sich nur im Felde zu zeigen, um die Muselmanen bei jedem Gefecht zu schlagen.

Dieser Krieg veränderte das ganze politische System Europas. Neue Perspektiven eröffneten sich, und man hätte schon ganz ungeschickt oder in dumpfe Starre versunken sein müssen, um die günstige Gelegenheit nicht zu benutzen. Ich hatte das schöne Gleichnis von Bojardo5-1 gelesen. Ich ergriff also die Gelegenheit, die sich darbot, beim Schöpfe, und durch Unterhandlungen und Intrigen gelang es mir, unsere Monarchie durch die Einverleibung Westpreußens für ihre früheren Verluste zu entschädigen. Diese Erwerbung war eine der wichtigsten, die wir machen konnten; denn dadurch erhielt Pommern Verbindung mit Ostpreußen, und als Herren der Weichsel erlangten wir den doppelten Vorteil, daß wir Ostpreußen verteidigen konnten und die bedeutenden Weichselzölle erhielten, da der ganze polnische Handel über diesen Fluß geht.

Diese Erwerbung schien mir in den preußischen Annalen Epoche zu machen und bedeutsam genug zu sein, um ihre Einzelheiten der Nachwelt zu überliefern, zumal ich bei jenem Ereignis Augenzeuge und Mitwirkender zugleich war.

Die Originalakten der Unterhandlungen, über die ich in diesem Werke berichte, befinden sich sämtlich im Staatsarchiv. Ich habe diese Denkwürdigkeiten in drei Kapitel eingeteilt. Das erste umfaßt die Unterhandlungen und die politischen Vorgänge vom Hubertusburger Frieden bis zur Pazifizierung Polens, das zweite die Finanzwirtschaft, die neuen Handelszweige, die eingeführt wurden, die Urbarmachungen in verschiedenen Provinzen, die Erträge Westpreußens und die Verbesserungen, die dort möglich sind. Das dritte enthält alles auf die Armee Bezügliche: ihre Reorganisation und Vermehrung, die seit der Erwerbung Westpreußens aufgestellten neuen Truppenteile, den Präsenzstand der Armee, der im Frieden auf 186 000 Mann festgesetzt ist, die Artillerie, alle Vorkehrungen, die zur Mobilmachung dieser Massen nötig sind, endlich einen defensiven Feldzugsplan, der lediglich zur Verteidigung von Ost- und Westpreußen gegen den Einfall jedwedes Feindes bestimmt ist.

Zugleich muß ich den Leser darauf hinweisen, daß es mir widerstrebte, in einer so langen Darstellung stets von mir selber zu reden. Solch Egoismus stößt mich ab, und so zog ich es vor, in der dritten Person zu sprechen. Ich beschränke mich also einfach auf das Amt eines Historikers, der die Ereignisse seiner Zeit wahr und klar beschreiben will, ohne das Geringste zu übertreiben oder zu fälschen. Ich habe zeitlebens keinen Menschen betrogen; noch weniger will ich die Nachwelt betrügen.

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1. Kapitel
Die Politik von 1763 bis 1774

Um sich ein rechtes Bild von der politischen Lage Europas nach dem Frieden von Hubertusburg zu machen, muß man sich vergegenwärtigen, daß alle Mächte fast gleich erschöpft waren. Frankreich hatte mit England Frieden geschlossen, weil es keine hinreichenden Mittel für den Feldzug von 1763 mehr aufbringen konnte. Auch die Kaiserin-Königin hätte den Hubertusburger Frieden nicht geschlossen, wären ihre Geldquellen nicht völlig versiegt. Nur der König von Preußen hatte noch bares Geld, weil er so vorsichtig gewesen war, stets für ein Jahr im voraus zurückzulegen.

Dieser Geldmangel beherrschte auch weiterhin die politischen Pläne. Jede Macht wünschte die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, um Zeit zu finden, sich zu erholen und Kräfte zu sammeln. Das hat wahrscheinlich am meisten zur Fortdauer des Versailler Bündnisses beigetragen, das zwischen dem Kaiser, Frankreich und Spanien geschlossen worden war. Das Haus Österreich hatte zweifellos den größten Vorteil davon; denn wenn es vor Frankreich sicher war, brauchte es sich um Flandern und Italien nicht zu sorgen und konnte, falls es nötig wurde, all seine Kräfte ungehindert gegen Preußen aufbieten. Andrerseits hatte Frankreich nichts von Österreich zu fürchten und sah seine Grenzen vor jeder Bedrohung geschützt. Da außerdem ein Kontinentalkrieg nicht vorauszusehen war, vermochte Frankreich, sage ich, seine ganze Kraft auf die Verstärkung seiner Flotte zu verwenden, die, mit der spanischen vereint, der englischen Seemacht eines Tages imponieren konnte. Diese Kombination beruhte auf triftigen Gründen. Der Abschluß des Aachener Friedens war überstürzt<7> worden7-1. Viele Punkte, die einer klaren Fassung bedurft hätten, waren nur obenhin erledigt worden, so der den Franzosen bewilligte Fischfang in Neufundland, das Lösegeld für Manila, das England von den Spaniern forderte, und andere in Wahrheit geringfügige Dinge, die aber unruhigen Köpfen, die Zwist stiften wollen, den gewünschten Vorwand hätten liefern können.

Diese gegenseitigen Vorteile waren nicht die einzigen Gründe, die die beiden Zweige des Hauses Bourbon mit öem neuen Hause Österreich verbanden. Auch Charakter und Denkart der Versailler und Wiener Minister trugen das ihre dazu bei. Fürst Kaunitz7-2, ein Mann von hochmütigem, anmaßlichem und herrischem Wesen, betrachtete den Versailler Vertrag als das Meisterstück seiner Politik. Er rühmte sich, den Erbfeind des Hauses Österreich entwaffnet und ihn so weit gebracht zu haben, dem Kaiser gegen Preußen beizustehen. Der Herzog von Choiseul war ein geborener Lothringer; sein Vater; Graf Stainville, war österreichischer Gesandter in Paris gewesen. Choiseul fühlte sich also noch als Vasallen des Kaisers und hing im Herzensgrunde mehr an Österreich als an Frankreich. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Versailler Vertrag durch die Parteilichkeit der beiden Premierminister aufrechterhalten blieb. Er wird so lange dauern, als seine Urheber ihren Einfluß auf ihre Gebieter bewahren.

Werfen wir andrerseits einen Blick auf Preußen, so finden wir es gleichsam isoliert und ohne jeglichen Bundesgenossen. Der Grund ist dieser. Als Pitt aus dem englischen Ministerium ausschied, trat der Schotte Bute an seine Stelle. Dieser brach sofort alle Beziehungen zwischen beiden Höfen ab. Bei seinem Friedensschluß mit Frankreich opferte England, wie berichtet, schamlos die Interessen Preußens. Dann beging es eine noch unerhörtere Treulosigkeit. Es bot dem Hause Österreich die Eroberung Schlesiens an; für diesen Liebesdienst sollte der Wiener Hof seine alten Beziehungen zu England wieder aufnehmen. Ja, als ob der Niedertrachten noch-nicht genug wären, setzte Bute in Petersburg alles in Bewegung, um den König von Preußen mit dem Zaren Peter III. zu verfeinden7-3. Das aber sollte ihm nicht gelingen! Durch soviel Übelwollen im Verein mit so offenbaren Verrätereien waren alle Bands zwischen Preußen und England zerrissen, und auf das Bündnis, das gemeinsame Interessen geknüpft hatten, folgte die erbittertste Feindschaft und der glühendste Haß. Der König blieb also allein auf dem Kampffelde, zwar ohne daß ihn jemand angriff, aber auch ohne daß jemand zu seiner Verteidigung auftrat. Diese Situation, die nur vorübergehend zu ertragen war, änderte sich glücklicherweise bald.

Gegen Ende des Jahres 1763 begannen die Unterhandlungen mit Rußland über ein Defensivbündnis7-4. In Petersburg war damals nur Graf Panin für Preußen. Der alte Feind des Königs, Kanzler Bestushew, der Urheber all des Haders, der<8> zwischen beiden Höfen geherrscht hatte, wirkte ihm heimlich entgegen und wurde darin bei der Kaiserin durch den Grafen Orlow unterstützt, der damals ihr erklärter Günstling war. Der Wiener und Dresdener Hof intrigierten unter der Hand, soviel sie vermochten, um die Unterhandlungen des Grafen Solms8-1 zu durchkreuzen. Die Österreicher stellten der Zarin vor, daß ihre Macht die einzige sei, mit der ein Bündnis für Rußland vorteilhaft sein könne, weil nur der Wiener Hof ihr gegen ihren gemeinsamen Feind, die Türken, beizustehen vermöchte. Die Sachsen hatten andere Gründe, die Unterhandlungen des Grafen Solms zu hintertreiben. Sie be-warben sich um den Schutz und Beistand der Zarin, um sich im Falle des Ablebens Augusts III. den Weg zum polnischen Throne zu ebnen. Überhaupt waren die Sachsen unter Brühls Regiment von jeher Preußens Feinde gewesen und bereit, sich den Umtrieben aller Mächte anzuschließen, die den Einfluß des Königs von Preußen auf die Geschicke Europas durchkreuzen oder vermindern wollten.

Um diese Krisis zu beenden und die Spannung zu lösen, bedurfte es eines unverhofften Ereignisses. Es traf zur rechten Zeit ein: König August III. von Polen starb zu Dresden am 5. Oktober desselben Jahres. Sein Sohn, der Kurfürst von Sachsen, folgte dem Vater bald ins Grab8-2; Augusts Enkel, der nunmehrige Kurfürst, war noch nicht großjährig. Diese beiden Todesfälle hintereinander und die Minderjährigkeit des Nachfolgers gaben den Dingen plötzlich eine andere Wendung. Fortan blieben die Ränke und Kabalen der Franzosen, Sachsen und Österreicher in Petersburg wirkungslos.

Graf Panin gewann die Oberhand und wurde Großkanzler des Reiches. Dank dem Einfluß, den er auf die Zarin ausübte, überredete er sie, einen Piasien auf den polnischen Thron zu setzen. Um sicher zu gehen, teilte Katharina ihre Pläne dem König von Preußen mit. Der versprach sie zu unterstützen. Ohne die Unterzeichnung des Vertrages abzuwarten, über den er in Petersburg verhandeln ließ, beauftragte er seinen Gesandten in Warschau8-3, den dortigen russischen Gesandten8-4 zu unterstützen und für die bevorstehende Königswahl sowohl dem Primas wie den angesehensten polnischen Großen die stärksten und nachdrücklichsten Vorstellungen zu machen. Dieser wohlberechnete Schritt besiegte endlich die Unentschlossenheit des Petersburger Hofes. Die russischen Minister stellten ihrer Herrin vor, wie sehr der Beistand des Königs von Preußen ihre Unterhandlungen erleichtert hätte, und so entschloß sich die Zarin denn endlich zum Abschluß des angetragenen Bündnisses. Im Januar 1764 wurde das Contreprojekt von Berlin an den Grafen Solms geschickt, und nach Beseitigung einiger Schwierigkeiten, die sich auf den von der Zarin geforderten Beistand des Königs bezogen, wurde der wichtige Vertrag im Laufe des Monats März unterzeichnet8-5.

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Um nicht zu weitschweifig zu werden, will ich mich mit kurzer Wiedergabe seines Inhalts begnügen. Der Vertrag war begrenzt und sollte nur acht Jahre dauern. Beide Mächte garantierten sich darin ihren Besitzstand. Ohne gegenseitige Zustimmung sollte weder ein Waffenstillstand noch ein Friede abgeschlossen werden. Beide Mächte sagten sich gegenseitig ein Hilfskorps von 10 000 Mann Infanterie und 2 000 Reitern zu. In einem Geheimartikel ward ausgemacht, daß, falls der König am Rhein oder die Zarin in der Krim angegriffen würde, an Stelle dieser Truppen eine jährliche Subsidienzahlung von 400 000 Rubeln oder 480 000 Talern preußischer Währung treten sollte. Was Polen betraf, so verpflichteten sich beide Kontrahenten, nicht zu dulden, daß die Krone erblich würde, und allen Versuchen entgegenzutreten, durch Änderung der Verfassung die Monarchie in Polen einzuführen. Ferner versprach man die Dissidenten9-1 gegen Bedrückungen der herrschenden Kirche zu beschützen. Schließlich verpflichtete man sich durch eine am gleichen Tag unterzeichnete geheime Konvention, dafür zu sorgen, daß die Wahl auf einen Piasten fiele.

Dieser Piast war Stanislaus Poniatowski, Stolnik von Litauen, der der Zarin seit lange bekannt und dessen Person ihr angenehm war9-2. Alsbald rückten 10 000 Russen auf Warschau, während preußische Truppen an der polnischen Grenze Demonstrationen machten, die den Republikanern wie den fremden Mächten zeigten, daß jeder, der sich gegen Rußlands und Preußens Willen in die Königswahl einmischen wollte, es mit ihnen zu tun bekäme und daher gut täte, sich die Sache zweimal zu überlegen.

Die Zeit zum Zusammentritt des Konvokationsreichstages rückte heran9-3. Die Würde beider Mächte erforderte, einen Gesandten ersten Ranges hinzuschicken. Der König bestimmte dazu den Fürsten Schönaich,Carolath9-4, der sich sofort nach War, schau begab. Die Form des Reichstages wurde verändert: er tagte in den Formen eines Konföderationsreichstags, um das liberum veto, das niepozwalam der Gegenpartei auszuschalten, sodaß die Stimmenmehrheit zur Gültigkeit der Beschlüsse der von den Woiwodschaften entsandten Landboten hinreichte9-5. Auf diesen Reichstag folgte im August ein zweiter, der gleichfalls die Form einer Konföderation annahm. Dieser Reichstag wählte dank der Unterstützung und der nachdrücklichen Empfehlungen der preußischen und russischen Gesandten am 7. September ein<10>stimmig Stanislaus Poniatowski zum König von Polen. Er wurde von allen europäischen Mächten anerkannt.

Zur Krönung mußte noch ein dritter Reichstag zusammentreten. Die Czartoryski, Oheime öes neuerwählten Königs, wollten unter Benutzung der noch bestehenden Konföderation die völlige Abschaffung des liberum veto herbeiführen, wodurch sie absolute Herren der Beratungen der Republik geworden wären. Der König von Preußen fürchtete die schwerwiegenden Folgen einer so einschneidenden Verfassungsänderung der Republik, die seinen Staaten so nahe lag. Er wies den Petersburger Hof darauf hin, und dieser schloß sich seiner Meinung an. Gleichwohl ließ man die Form der Konföderation bis zum nächsten Reichstag bestehen.

Hierauffanden nur fruchtlose Unterhandlungen zur Abschaffung eines allgemeinen Zolles statt, den der Konvokationsreichstag an Stelle öes vom Adel erhobenen Zolles eingeführt hatte. Diese neue Einrichtung, die dem Wehlauer Vertrage zuwiderlief, ermächtigte den König zu Repressalien gegen die Republik. Goltz10-1 ward nach Warschau gesandt, um den Streit zu schlichten; man rief die Entscheidung der russischen Zarin an, und die neuen Zölle wurden beiderseits abgeschafft.

Der Petersburger Hof war unzufrieden mit dem Verhalten des Königs von Polen und mehr noch mit dem der Czartoryski, seiner Oheime, die ihn regierten. Er schickte Saldern nach Warschau, um sie zu beobachten und ihnen geeignete Vorstellungen zu machen, damit sie sich etwas klüger und maßvoller betrügen.

Von Warschau kam dieser Diplomat mit weitgreifenden Plänen nach Berlin (Mai 1766). Sie stammten vom Grafen Panin, der zu allem neigte, was Aufsehen erregt und in die Augen sticht. Saldern, dem es an äußeren Formen und Geschmeidigkeit fehlte, schlug den Ton eines römischen DMators an, um den König zu zwingen, in den Beitritt von England, Schweden, Dänemark und Sachsen zum Petersburger Bündnis zu willigen. Da dies Projekt den preußischen Interessen stracks zuwiderlief, so konnte der König nicht die Hand dazu bieten. Wie durfte man verlangen, daß er nach all den Treulosigkeiten, die er von England erfahren hatte, eine Verbindung mit dieser Macht einging? Auch der Beistand von Schweden, Dänemark und Sachsen war wertlos; denn man konnte sie nur durch Zahlung großer Subsidien zum handeln bestimmen. Außerdem konnten sie im Bunde mit Rußland zu sehr den Einfluß teilen, den der König in jenem Lande für sich zu gewinnen hoffte. Es war also besser, sie beizeiten fernzuhalten, zumal man ohne Not keine Komplikationen schaffen soll.

Alle diese Gründe bewogen den König zur Ablehnung der Saldernschen Anträge. Der Gesandte war wütend, denn er hielt sich für den Prätor Popilius und den König für Antiochus von Syrien10-2. Er wollte einem Souverän Gesetze vorschreiben; aber der König, der sich durchaus nicht für Antiochus hielt, verabschiedete den Minister<11> sehr kühl, indem er ihm versicherte, er werde stets der Freund der Russen, nie aber ihr Sklave sein.

Saldern war erbost, einen Fürsten angetroffen zu haben, der sich seinen Befehlen so wenig fügte, und reiste von Berlin nach Kopenhagen, wo er nach Herzenslust seinem Despotismus und seiner grenzenlosen Anmaßung freien Lauf ließ. Er schüchterte den König von Dänemark derart ein, daß dieser die ihm mißfälligen Minister und Generale entließ und sie durch seine Kreaturen ersetzte. Darauf schloß er einen Eventualvertrag11-1, durch den das Herzogtum Holstein an Dänemark überging. Als Entschädigung dafür erhielt das Haus Gottorp die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst.

Gegen Ende des Jahres 1766 versammelte sich wieder ein polnischer Reichstag. Die Zarin hatte sich zur Beschützerin der Dissidenten erklärt, die zum Teil griechischkatholisch waren. Sie verlangte für sie freie Religionsübung und das gleiche Recht zur Bekleidung von Ämtern, wie es die Römisch-Katholischen besaßen. Diese Forderung barg den Keim aller folgenden Unruhen und Kriege. Der preußische Gesandte überreichte dem Reichstag eine Denkschrift des Inhalts, daß sein Herr die Abschaft fung des liberum veto, die Auflage neuer Zölle und die Vermehrung der Krontruppen nicht gleichgültig ansehen könne, und die Republik berücksichtigte diese Vorstellung. Minder nachgiebig zeigte sie sich in betreff der für die Dissidenten geforderten Rechte. Weit entfernt, darauf einzugehen, bestätigte der Reichstag in einer Art von fanatischer Begeisterung die Bestimmungen, über die sich die Dissidenten am meisten zu beschweren hatten. Das einzige, was der russische Hof durchsetzen konnte, war die Auflösung des Reichstages und der Konföderation, die ihn gebildet hatte. Die Zarin war tief beleidigt über die unverschämte Grobheit der Polen gegen sie und beschloß, die Sache der Dissidenten mit offener Gewalt durchzusetzen. Sogleich lud sie den König zur Mitwirkung an den von ihr beabsichtigten Maßregeln ein, wozu er Kraft seines Bündnisvertrages ohnedies verpflichtet war.

Während all dieser Unruhen in Polen ward die Ehe des Prinzen von Preußen mit der Prinzessin Elisabeth von Braunschweig, der vierten Tochter des Herzogs, geschlossen11-2. Die Thronfolge ruhte damals nur auf acht Augen, dem Prinzen von Preußen und dem jüngeren Prinzen Heinrich; der letztere war sehr begabt und versprach ungleich mehr als sein Bruder, wurde aber bald darauf durch die Blattern hingerafft11-3. Prinz Heinrich, des Königs Bruder, und Prinz Ferdinand hatten damals keine männlichen Erben.

Doch kehren wir zu Polen zurück, von dem wir uns entfernt haben. Der Despotismus, mit dem der Petersburger Hof in der Republik austrat, brachte die Sarmaten<12> und einen Teil Europas gegen Rußland auf. Der Wiener Hof verbarg seine Eifersucht und Unzufriedenheit nur mit Mühe. Frankreich, das noch einen Rest jener Herrschsucht bewahrte, die sich zur Zeit Ludwigs XIV. so sehr offenbart hatte, konnte es kaum ertragen, daß sich in Europa ein großes Ereignis ohne seine Teilnahme vollzog. Der Herzog von Choiseul, der ohne den Königstitel die Königsmacht ausübte, war der unruhigste und ungeduldigste Geist, der je in Frankreich geboren ward. Er betrachtete die Wahl eines Königs von Polen ohne die Mitwirkung seines Herrn als einen Frankreich zugefügten Schimpf. Um diese eingebildete Beleidigung zu rächen, hätte er sein Land ungesäumt in einen neuen Krieg verwickelt, hätte ihn nicht die Erschöpfung der Finanzen und die Abneigung Ludwigs XV. gegen dergleichen Unternehmungen davon abgehalten. Er entschädigte sich für seine Ohnmacht, indem er die Russen bei jeder Gelegenheit ärgerte. So nahm er, um der Zarin den Titel „Kaiserliche Majestät“ zu versagen, seine Zuflucht zur französischen Akademie, die entscheiden mußte, daß dieser Titel unfranzösisch sei. Solche kleinlichen Racheakte sind eines großen Herzens unwürdig. Ich würde diese Erbärmlichkeiten auch garmcht erwähnen, wenn sie nicht den Charakter der Menschen kennzeichneten.

Im Jahre 1765 war Kaiser Franz l. zu Innsbruck gestorben12-1. Sein Sohn Joseph, der zum römischen König gekrönt worden war, folgte ihm ohne Schwierigkeit. Der junge Kaiser wachte eine Reise durch Böhmen und Sachsen zur Besichtigung der Gegenden, die den Schauplatz des letzten Krieges gebildet hatten. Da er durch Torgau kommen mußte, ließ der König ihm eine Zusammenkunft vorschlagen, der sich aber die Kaiserin und Fürst Kaunitz widersetzten (Juni 1766). Der Kaiser war etwas ungehalten über dies Verbot und ließ den König von Preußen wissen, er werde schon Mittel und Wege finden, um die Unhöfltchkeit, die ihn seine Hofmeister begehen ließen, wieder gutzumachen.

Unterdessen wurde die Unzufriedenheit in Polen fast allgemein. Die ganze Nation erhob ein Geschrei, als wollten die Russen die katholische Religion ausrotten und als hätte jeder im Schoße der apostolischen römischen Kirche geborene Fürst die Gewissenspflicht, Polen beizustehen. Dies oft wiederholte Geschrei begann Eindruck auf den Wiener Hof zu machen, aber noch mehr der Despotismus, den sich die russische Zarin den Polen gegenüber anmaßte. Der Hochmut der Kaiserin Maria Theresia bäumte sich gegen den Stolz der Zarin auf. Infolge des Grolls, der sich der Kaiserin bemächtigt hatte, fanden in den österreichischen Provinzen einige Truppenbewegungen statt. Man begann militärische Anstalten zu treffen, nicht derart, wie sie nötig sind, um sofort ins Feld zu rücken, wohl aber solche, die als Vorbereitung eines großen Unternehmens dienen.

Das Gerücht von diesen Rüstungen, das sich rasch überall verbreitete, verursachte einige Besorgnis am Petersburger Hofe. Die Befürchtungen der Zarin gaben Anlaß

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zu einer geheimen Konvention zwischen Rußland und Preußen, die schnell zum Abschluß kam (4. Mai 1767). Sie besagte im wesentlichen, daß die Zarin zur Unterstützung der. Dissidenten Truppen in Polen einrücken lassen werde. Um dem Wiener Hofe neue Besorgnis zu ersparen, sollte der König sich darauf beschränken, die Unternehmungen der Russen durch nachdrückliche Erklärungen zu unterstützen, die geeignet wären, die Unzufriedenen einzuschüchtern. Immerhin wurde ausgemacht, daß der König, falls der Wiener Hof Truppen nach Polen schickte, um feindlich gegen die Russen vorzugehen, den Österreichern den Krieg erklären und offen gegen sie vorgehen, ja eine kräftige Diversion in ihre Staaten machen sollte. Angesichts des Umstandes, daß der König diesen Krieg nur im Interesse der Russen zu führen habe, wurde ferner bestimmt, daß die Zarin ihn mit einem Korps ihrer Truppen unterstützen und ihm beim Friedensschluß eine angemessene Entschädigung auswirken sollte. Die von Tag zu Tag enger werdende Verbindung zwischen dem König und Rußland imponierte dem Wiener Hofe, und da die Gefahren, denen er sich aussetzte, größer waren als die Vorteile, die er ernten konnte, so entschloß er sich, den Ereignissen ruhig zuzuschauen.

Im selben Jahre wurde die Ehe zwischen Prinzessin Wilhelmine, der Nichte des Königs, und dem Prinzen von Oranien geschlossen13-1. Das konnte die Politik in keiner Weise beeinflussen. Die Heirat beschränkte sich darauf, einer Prinzessin seines Hauses eine anständige Versorgung zu schaffen.

Doch kommen wir zu den polnischen Angelegenheiten zurück. Auf Anstiften der Russen bildeten die Dissidenten eine Konföderation13-2. Sie wurde von den russischen Truppen beschützt, die soeben in Polen eingerückt waren. Zugleich erklärte der preußische Gesandte in Warschau, der König betrachte die Wiedereinsetzung der Dissidenten als eine Bestimmung des Vertrages von Oliva und seines Bündnisses mit der Kaiserin von Rußland und ersuche die Republik, die Beschwerden der Dissidenten zu berücksichtigen. Der König von Polen gab den Deputierten der Dissidenten eine Audienz, was eine Tagung des Senates zur Folge hatte, der einen außerordentlichen Reichstag berief. Dieser Reichstag versammelte sich unter dem Schutze der russischen Truppen, die Warschau einschlossen (5. Oktober). Fürst Repnin, der Gesandte Katharinas, ein ebenso heftiger wie verwegener Mann, wandte nur Gewaltmittel an, um den Reichstag einzuschüchtern. Er ließ Kanonen gegen den Sitzungssaal der Landboten richten, ließ die Bischöfe von Krakau und Kiew13-3, sowie den Kron-Unterfeldherrn Rzewuski, lauter erklärte Feinde der Dissidenten, gefangen nehmen, und sie wurden über Moskau hinaus nach Sibirien verbannt. Die übrigen Landboten mußten sich bis zum 1. Februar 1768 vertagen, und es wurden Kommissare ernannt, die bevollmäch<14>tigt wurden, im Namen der Republik endgültige Beschlüsse zu fassen. Der russische und preußische Gesandte, die Gesandten der protestantischen Höfe und die Marschälle der Dissidenten wohnten den Sitzungen der Kommission bei. In ihr wurde eine Akte unterzeichnet, kraft deren die Dissidenten in alle ihre Rechte wiedereingesetzt wurden (24. Februar 1768). Kurz darauf schritt man zur Unterzeichnung der Grundgesetze der Republik, die die Macht der ersten Würdenträger, insbesondere die des Großfeldherrn, beschränkte. Der Reichstag wurde zur Bestätigung dieser neuen Gesetze gezwungen, worauf er auseinanderging (5. März 1768).

So viele Gewalttaten, die eine fremde Macht sich in der Republik erlaubte, empörten schließlich alle Gemüter. Der Stolz, der Hochmut und die Härte des Fürsten Repnin taten ein übriges. Die ersten Würdenträger waren erbittert über die Verminderung ihrer Macht und ertrugen jene Veränderungen nicht, die für ihr Ansehen so nachteilig wie demütigend waren. Die Bischöfe, deren halbe Diözesen aus Dissidenten bestanden, durch deren Bekehrung sie ihren Zehnten zu erhöhen gedacht hatten, sahen ihre Hoffnungen durch die neuen Gesetze vernichtet. Sie verbanden sich aus Eigennutz, und in der Voraussicht, daß das Volk wegen einiger Schädigungen, die sie erlitten, nicht aufzurütteln sein werde, beschlossen sie, den Fanatismus zu benutzen, um diese stumpfen Seelen zur Verteidigung ihrer Priester aufzustacheln. Die Bischöfe und Magnaten, die die gleiche Unzufriedenheit vereinte, sprengten aus, die Russen wollten im Einverständnis mit dem König von Polen die römisch-katholische Kirche abschaffen: alles wäre verloren, wenn man nicht zu den Waffen griffe, und gäbe es noch eifrige fromme Katholiken, so sollten sie alle herbeieilen, um ihre Altäre zu beschirmen und zu retten. Das Volk, das in verschiedenen Gegenden, wo die russischen Truppen verteilt waren, schon arg geplagt wurde, begann unruhig zu werden und gab seiner Unzufriedenheit mehrfach Ausdruck. Die dumme Masse ist ja dazu gemacht, von solchen geleitet zu werden, die sich die Mühe geben, sie zu betrügen: sie ließ sich leicht durch die Priester verführen. Die Religion ward zum Signal und zum Losungswort; der Fanatismus ergriff alle Gemüter, und die Großen benutzten die Begeisterung ihrer Leibeigenen zur Abschüttlung eines Joches, das ihnen unerträglich zu werden begann.

Schon sprühten Funken aus diesem Feuer, das noch unter der Asche glomm. Vielleicht hätte die Übermacht der verbündeten Höfe es erstickt, hätte nicht Frankreich, das aus Eifersucht Verwirrung und Unruhe im Norden stiften wollte, die Flammen geschürt und dadurch eine allgemeine Feuersbrunst herbeigeführt. Der Herzog von Choiseul, ein von Ehrgeiz verzehrter Mann, wollte seinem Ministerium Glanz verleihen. Er war erfüllt von dem sogenannten Testament des Kardinals Richelieu, und stets war ihm das Versprechen des Kardinals an Ludwig XIII. gegenwärtig, er werde seine Monarchie in Europa zu Ansehen bringen. So wollte auch Choiseul Ludwig XV. Ansehen verschaffen. Allein die Zeiten und die Verhältnisse waren unter Choiseul ganz andere als unter dem Kardinal Richelieu. Erstens war Frankreich da<15>mals nicht mit Schulden überlastet. Zweitens hatte sich Europa seit dem 17. Jahrhundert völlig verändert. Rußland, das heute eine so große Rolle spielt, war damals unbekannt und barbarisch; Preußen und Brandenburg waren ohne Tatkraft; Schweden glänzte und ist jetzt erloschen. Und überhaupt: was für Pläne kann ein Minister entwerfen, wenn die Mittel zu ihrer Ausführung fehlen und die Furcht vor dem Staatsbankrott ihn nötigt, sich auf Intrigen zu beschränken und alle kühnen Unternehmungen zu meiden, die ihn aus seiner Untätigkeit reißen könnten? Diese nicht zu beseitigenden Hindernisse beengten Choiseuls Geist, ohne seine Unruhe zu dämpfen, und da er die großen Hebel der Politik nicht in Bewegung setzen konnte, begnügte er sich mit Umtrieben.

Abgesehen von der Eifersucht, die in Frankreich die Wahl eines Königs von Polen erregte, an der es keinen Anteil hatte, konnte man es in Versailles der Zarin nicht vergeben, daß sie aus der großen Allianz ausgetreten war und einen Separatfrieden mit dem König von Preußen geschlossen hatte. Zur Rache dafür hetzte Choiseul die Polen und Türken gegen sie auf. Zugleich sollten die Schweden in Finnland und Esthland einfallen. Durch diese verschiedenen Mittel hoffte er einen Krieg gegen Rußland zu entzünden, aus dem es sich schwerlich mit Vorteil herausgezogen hätte. Seitdem verbreiteten sich überall französische Agenten. Die einen ermunterten die Polen, ihre Freiheit zu verteidigen; andere eilten nach Konstantinopel, um die Pforte aufzuhetzen, sie solle doch nicht gleichgültig zusehen, wie eine Nachbarmacht in Polen ihren Despotismus aufrichtete. Wieder andere gingen nach Stockholm und intrigierten im Reichstage, um die Verfassung umzustoßen und den König zum Selbstherrscher zu machen, damit er zugunsten der Türken und Polen eine Diversion gegen Rußland unternähme.

Mit soviel Umtrieben noch nicht zufrieden, wollte Choiseul auch den König von Preußen von einer Macht loslösen, die er leicht zu erdrücken hoffte. Zu dem Zweck schlug er einen Handelsvertrag vor, der in Versailles aufgesetzt werden sollte. Guines knüpfte in Berlin die Unterhandlungen an. Der König konnte nicht umhin, Goltz nach Paris zu senden15-1. Der Handelsvertrag, der nur geringe Vorteile bringen konnte, war an unannehmbare Bedingungen geknüpft, die das Bündnis zwischen Preußen und Rußland direkt verletzten. Der Vertrag kam selbstredend nicht zustande. Ebenso scheiterte Choiseul in Schweden, wo die russische Partei im Reichstage über die französische siegte. Anders aber kam es in Polen und in der Türkei.

Seit dem Monat März 1768 bildete sich in der polnischen Stadt Bar eine Konföderation gegen die Russen; ein Krasinski15-2 wurde zu ihrem Marschall erwählt. Diese Konföderation zeitigte mehrere andere. Die Rebellen taten den ersten Schritt zum Aufstande, indem sie die neuen Gesetze aufhoben. Weit entfernt aber, es bei dieser ersten Kraftprobe bewenden zu lassen, erstrebten sie Hoffnungstrunken und im<16> Taumel der Leidenschaft nichts Geringeres, als den König zu entthronen, und warteten nur auf eine Gelegenheit zur Ausführung ihres verbrecherischen Planes. Der König von Polen erfuhr davon. Durch die drohende Gefahr beunruhigt, berief er den Senat zur Tagung, wo man beschloß, Rußland um Beistand und Schutz Poniatowskis zu bitten, den die Zarin ja auf den polnischen Thron gesetzt hatte.

Das war das Signal zum Ausbruch der Feindseligkeiten. Obwohl die Russen keine 10 000 Mann im Lande hatten, schlugen sie alle Konföderierten, die ihnenWiderstand leisteten. Da sie aber nicht zahlreich genug waren, um sie zu vernichten, tauchte der hier zerstreute Wespenschwarm dort sogleich wieder auf. Bei einem jener Treffen in Podolien verfolgten die Russen die Konföderierten unwissentlich bis auf türkisches Gebiet. Bei diesem Kampfe wurde das Städtchen Balta, in das sich die Polen geflüchtet hatten, niedergebrannt.

Diese Gebietsverletzung nahmen die Türken zum Vorwand, um Rußland den Krieg zu erklären. Sofort ließen sie den russischen Gesandten in Konstantinopel, Obreskow, ergreifen und in die Sieben Türme werfen (6. Oktober 1768).

Die Türken verstanden sich weder auf den Frieden noch auf den Krieg. Sie brachen die Kriegserklärung vom Zaune und gaben dadurch den Russen eher einen Wink, sich während des Winters zum Kriege gegen die türkischen Streitkräfte zu rüsten, deren Angriff für das nächste Frühjahr bevorstand. Wäre die Kriegserklärung bis zum folgenden Jahre verschoben worden, so wäre Blitz und Donner zugleich auf die Russen gefallen, und das hätte diese derart überrascht, daß sie reichlich sechs Monate gebraucht hätten, um sich zu rüsten und eine Armee zusammenzuziehen, die stark genug und mit allem Nötigen versehen war, um den Feinden mit Nachdruck entgegenzutreten. Die russischen Regimenter waren nicht vollzählig; es fehlte ihnen an Waffen; <17>ihre Kanonen waren ausgeschossen, sodaß neue gegossen werden mußten: so sehr lag das Heerwesen seit dem letzten Kriege danieder!

Die nun ausbrechenden Unruhen brachten den Berliner Hof in große Verlegenheit. Der König war kaum aus einem langen und verderblichen Kriege heimgekehrt. Seine Provinzen konnten sich nur im Schutz eines dauerhaften Friedens erholen; es bedurfte der Zeit, um die alten Wunden zu heilen. Die Armee war ergänzt und wurde wieder diszipliniert, aber sie war noch nicht zu solcher Vollkommenheit gediehen, daß man völliges Vertrauen in sie hätte setzen können. Der eben ausgebrochene Türkenkrieg konnte sich leicht über ganz Europa verbreiten; denn es fehlte nicht an Zündstoff, der durch den kleinsten Funken aufflammen konnte.

Zu diesen äußeren Besorgnissen trat häuslicher Kummer. Wir erwähnten vorhin die Vermählung des Prinzen von Preußen mit Prinzessin Elisabeth von Braunschweig17-1. Diese Ehe, von der man sich glückliche Folgen erhofft hatte, entsprach den Wünschen des königlichen Hauses durchaus nicht. Der junge, sittenlose Gatte gab sich einem ausschweifenden Leben hin, von dem seine Verwandten ihn nicht abzubringen vermochten, und brach seiner Gemahlin täglich die Treue. Die Prinzessin, die in der Blüte ihrer Schönheit stand, fühlte sich aufs tiefste gekränkt durch die geringe Rücksicht auf ihren Liebreiz. Ihre Lebhaftigkeit und die hohe Meinung, die sie von sich selbst hegte, spornten sie zur Rache für die ihr erwiesene Zurücksetzung an. Bald gab sie sich Ausschweifungen hin, die denen ihres Gemahls um nichts nachstanden. Das Ärgernis wurde bald allgemein ruchbar. Die daraus entstehende Abneigung zwischen dem Prinzen und der Prinzessin von Preußen vernichtete jede Hoffnung auf einen Thronerben. Prinz Heinrich, der Bruder des Prinzen von Preußen, begabt mit allen Eigenschaften, die man einem jungen Manne wünschen kann, war an den Blattern gestorben17-2. Die Brüder des Königs, Prinz Heinrich und Prinz Ferdinand, sagten unverhohlen, sie würden sich das Recht auf die Thronfolge nicht durch irgend einen Bastard nehmen lassen. Alle diese gleich gewichtigen Gründe machten zuletzt die Scheidung der beiden Gatten nötig. Der Akt wurde nach reiflicher Überlegung vollzogen17-3, und das Haus Braunschweig willigte darein, nachdem die traurigen Beweise des Wandels der Prinzessin Elisabeth ihm mitgeteilt waren. Nach dieser Scheidung mußte man daran denken, den Prinzen von Preußen von neuem zu vermählen. Die Wahl war schwer. Sie fiel nach einigem Suchen auf Prinzessin Friederike, Tochter des Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Die neue Hochzeit wurde zu Charlottenburg gefeiert17-4, und die Thronfolge war bald danach durch die Geburt eines Prinzen gesichert, dem die Prinzessin das Leben gab17-5.

Andrerseits nötigte der zwischen der Pforte und Rußland ausgebrochene Krieg den König zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegen die Zarin. Er mußte die im<18> Bündnisvertrag ausbedungenen Subsidien bezahlen, die, wie gesagt, jährlich 480 000 Taler betrugen.

Um sich für eine so große Ausgabe einigermaßen zu entschädigen, verlangte der König die Verlängerung des Vertrages mit Rußland, dessen Dauer auf acht Jahre festgesetzt war, und fügte noch einige seinen Interessen dienliche Artikel hinzu. Der Vertrag wurde bis zum Jahre 1780 verlängert, und der König erhielt die Eventual-garantie für die Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth, deren Inhaber18-1, sein Neffe, keine Nachkommenschaft hatte. Dafür verlangte die Zarin von Preußen die Garantie für die gegenwärtige Regierungsform in Schweden. In seiner endgültigen Form beschränkte sich dieser Artikel aufdie Aufrechterhaltung der im Jahre 1720 in Schweden veröffentlichten Verfassung. Graf Hörn hatte sie damals eingeführt, um die Königs-macht zu beschränken. Der König verpflichtete sich Rußland gegenüber zu einer Diversion in Schwedisch-Pommern, falls die Schweden jenes Grundgesetz ihrer Verfassung umstoßen wollten18-2.

Während man in Berlin noch unterhandelte, waren die Russen und Türken schon handgemein geworden. Die russischen Heere unter Befehl des Fürsten Galizin hatten die Osmanen bei Chozim geschlagen, und auf die Einnahme der Stadt war die Eroberung der Moldau gefolgt. Die Generale Katharinas verstanden von Lagerkunst und Taktik nicht einmal die Anfangsgründe; die des Sultans waren noch unwissender. Um sich also einen rechten Begriff von diesem Kriege zu machen, muß man sich Einäugige vorstellen, die Blinde gehörig schlagen und ein völliges Mergewicht über sie erlangen.

So rasche Fortschritte beunruhigten die Verbündeten Rußlands ebensosehr wie die anderen europäischen Mächte. Preußen hatte zu befürchten, daß sein übermächtig gewordener Bundesgenosse mit der Zeit auch ihm Gesetze vorschreiben wollte wie den Polen. Diese Perspektive war ebenso gefährlich wie furchtbar. Der Wiener Hof kannte seinen Vorteil zu gut, um nicht fast die gleichen Befürchtungen zu hegen. Die gemeinsame Gefahr ließ die frühere Erbitterung für eine Weile verschwinden. Zwar erregten die staunenswerten Erfolge der Russen in ganz Europa Argwohn, aber der Eindruck war bei den Nachbarmächten doch bei weitem am stärksten. Die gemeinsame Gefahr führte also sine Annäherung zwischen den Höfen von Wien und Berlin herbei; ein Schritt zog allmählich einen anderen nach sich. Der Kaiser war, wie schon erwähnt18-3, ungehalten, daß die geplante Zusammenkunft im Jahre 1766 nicht stattgefunden hatte. Nun schlug er dem König vor, ihn in Schlesien zu besuchen. Fürst Kaunitz opponierte nicht, und auch die Kaiserin-Königin willigte darein. Man trat sofort in Unterhandlung und kam überein, daß die Zusammenkunft in Neiße stattfinden sollte.

Der Kaiser wollte ein strenges Inkognito wahren18-4. Er nahm den Namen eines Grafen Falkenstein an, und man glaubte ihm keine größere Ehre erweisen zu können,<19> als indem man sich in allem seinem Willen fügte. Der junge Monarch zeigte eine Freimütigkeit, die natürlich schien. Sein liebenswürdiger Charakter zeichnete sich durch Heiterkeit im Verein mit großer Lebhaftigkeit aus. Bei dem Wunsche, zu lernen, hatte er nicht die Geduld, sich zu unterrichten; seine Herrschergröße machte ihn oberflächlich; was aber seinen Charakter mehr als alles Angeführte kennzeichnete, das waren Züge, die ihm wider Willen entschlüpften: sie verrieten den maßlosen Ehrgeiz, der ihn verzehrte. Das alles hinderte nicht, daß ein Band der Freundschaft und Achtung sich zwischen beiden Monarchen anknüpftete19-1.

Der König sagte zum Kaiser, er betrachte diesen Tag als den schönsten seines Lebens; denn er sei der Markstein für die Einigung zweier Häuser, die sich zu lange befehdet hätten, deren gegenseitiger Vorteil aber darin bestände, einander beizustehen, statt sich zu vernichten. Der Kaiser erwiderte, es gebe kein Schlesien mehr für Österreich, worauf er ziemlich geschickt durchblicken ließ, solange seine Mutter lebe, wage er nicht zu hoffen, Einfluß genug auf sie zu gewinnen, um das auszuführen, was er wünsche. Doch verhehlte er nicht, daß bei den gegenwärtigen europäischen Verhältnissen weder er noch seine Mutter je dulden würden, daß Rußland im Besitz der Moldau und Walachei bliebe. Hierauf schlug er die Ergreifung von Maßregeln vor, um die strikte Neutralität in Deutschland aufrechtzuerhalten, falls es zu einem Krieg zwischen Franko reich und England, käme. Der Fall schien damals möglich, ja wahrscheinlich, da ein französisches Schiff, das die Engländer bei Neufundland gekapert hatten, die Veranlassung zu ziemlich heftigen Streitigkeiten zwischen beiden Höfen geworden war. Um zu zeigen, wie lebhaft er das gute Einvernehmen zwischen Preußen und Österreich zu erhalten wünsche, nahm der König das Anerbieten des Kaisers an, und beide Herrischer verpflichteten sich schriftlich zur Aufrechterhaltung dieser Neutralität. Das war ein ebenso unverbrüchliches Abkommen, wie ein in aller Form aufgesetzter und von den Ministern unterzeichneter Vertrag. Der Kaiser versprach in seinem und der Kaiser rin Namen, und der König gab sein Ehrenwort, falls der Krieg zwischen England und Frankreich ausbräche, den glücklich wiederhergestellten Frieden zwischen Preußen und Österreich treulich zu halten, und sollten andere Wirren entstehen, deren Ursachen unmöglich vorauszusehen waren, so wollten beide im Hinblick auf ihre beiderseitigen Besitzungen die strengste Neutralität wahren19-2. Dies Abkommen, das gewissenhaft geheim gehalten wurde, ward zu Neiße zur Zufriedenheit beider Monarchen unterzeichnet.

<20>

Allerdings wäre es ein unverzeihlicher politischer Fehler gewesen, sich blindlings auf die Ehrlichkeit der Österreicher zu verlassen. Unter den damaligen Umständen jedoch, wo das Übergewicht Rußlands zu bedeutend wurde und unmöglich vorauszusehen war, welche Grenzen es seinen Eroberungen setzen würde, war es sehr zweckmäßig, sich dem Wiener Hofe zu nähern. Preußen verspürte die Schläge noch, die Rußland ihm im letzten Kriege versetzt hatte. Es lag durchaus nicht im Interesse des Königs, selbst an der Vergrößerung einer so furchtgebietenden und gefährlichen Macht zu arbeiten.

Man stand vor der Wahl, Rußland entweder im Laufe seiner gewaltigen Eroberungen aufzuhalten, oder, was klüger war, daraus auf geschickte Weise Nutzen zu ziehen. Der König hatte in dieser Hinsicht nichts versäumt. Er hatte nach Petersburg ein politisches Projekt geschickt, das er einem Grafen Lynar zuschrieb, der aus dem letzten Kriege bekannt war, weil er die Konvention von Kloster Zeven zwischen den bei Stade lagernden Hannoveranern unter dem Herzog von Cumberland und den Franzosen unter dem Herzog von Richelieu zustande gebracht hatte20-1. Das Projekt enthielt die Skizze einer zu veranstaltenden Teilung einiger polnischer Provinzen zwischen Rußland, Österreich und Preußen20-2. Der Nutzen dieser Teilung lag darin, daß Rußland ruhig seinen Türkenkrieg fortsetzen konnte, ohne befürchten zu müssen, in seinen Unternehmungen durch eine Diversion gehemmt zu werden, die die Kaiserin-Königin ihm leicht hätte machen können, indem sie ein Truppenkorps an den Dnjester sandte; denn dadurch wären die russischen Armeen von Polen abgeschnitten worden, aus dem sie den größten Teil ihrer Lebensmittel bezogen. Allein die großen Erfolge der Russen in der Moldau und Walachei und ihre Seesiege im Archipel hatten den Hof so glückstrunken gemacht, daß er die sogenannte Denkschrift des Grafen Lynar ganz unbeachtet ließ.

Da dieser Versuch fehlschlug, glaubte man also andere Maßregeln ergreifen zu müssen. Es lag nicht in Preußens Interesse, daß die türkische Macht völlig erdrückt<21> wurde, da sie im Notfalle zu Diversionen in Ungarn oder Rußland — je nachdem, mit welcher Macht man Krieg führte—sehr nützlich werden konnte. Der König hoffte also, durch Intervention des Wiener Hofes und durch seine eigene Vermittlung den Frieden zwischen den kriegführenden Mächten unter beiderseits annehmbaren Bedingungen wiederherstellen zu können. Zunächst wurden in Petersburg und Konstantinopel Vorstellungen gemacht, daß die Beendigung des Krieges beiden Teilen gleich erwünscht sein müsse, zumal zu befürchten sei, daß mit der Zeit ein allgemeiner Krieg daraus entstünde. Man wünsche ihnen einen für beide Teile gleich annehmbaren Mittelweg vorschlagen zu können, um ihren Zwist gütlich beizulegen. Graf Pattin erwiderte nach einem Loblied auf die Mäßigung und Uneigennützigkeit der Zarin, sie sei durchaus geneigt, den Vorschlägen, die man ihr machen würde, Gehör zu schenken. Diese Zurückhaltung und Sanftmut bemäntelte indes nur die übertriebensten Ansprüche. Bevor sich Panin auf die Vorschläge der Türken einließ, verlangte er zunächst die Freilassung Obreskows. Im übrigen, fügte er hinzu, würde die Zarin es gern sehen, daß der König sich bei der Pforte verwende, um ihr friedliche Gesinnungen einzuflößen. Wären die Dinge so weit gediehen, so wünsche die Zarin nichts sehnlicher, als durch Vermittlung des Königs von Preußen zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe zu gelangen. Andrerseits begannen die Türken das Ende eines Krieges herbeizusehnen, dessen Erfolge ihren Erwartungen keineswegs entsprachen. Der König hatte ihnen von dieser Schilderhebung dringend abgeraten und besaß eben dadurch ihr Vertrauen. Die Türken nahmen also die preußische Vermittlung an, sträubten sich aber ein wenig gegen die des Wiener Hofes. Trotzdem gelang es, sie gefügig zu machen, indem man ihnen immer wieder vorstellte, welch entscheidendes Gewicht eine Großmacht wie Österreich zum Erfolg der Unterhandlungen in dieWagschale werfen könnte.

Unterdessen trugen die Russen, auf die jene Friedensmahnungen gar keinen Eindruck gemacht hatten, auch weiterhin die größten Siege über die türkischen Heere davon. Ihre Flotte schlug die türkische und vernichtete sie fast völlig, sodaß die Mehrzahl der türkischen Schiffe verbrannt oder in den Grund gebohrt wurde21-1. Ein so unerwarteter Schlag nötigte die Pforte, ihre Aufmerksamkeit zu teilen. Sie wußte nicht, ob sie ihre Kräfte zur Verteidigung der Dardanellen verwenden oder vor allem an die Moldau denken sollte. Dies Gemisch von Unsicherheit und Bestürzung begünstigte die Operationen des Feldmarschalls Rumänzow und trug sicherlich zu seinem Siege am Kagul über die Armee des Großwesirs bei (1. August 1770). Derart fügte er in einem Feldzuge die Eroberung der Walachei zu der der Moldau hinzu. Zugleich eroberte Graf Panin, der Bruder des Ministers, die von ihm belagerte Stadt Bender nach tapferer Gegenwehr.

So schnelle und oft wiederholte Erfolge verblendeten den Petersburger Hof und machten ihn wie berauscht vor Glück. Die Menschen sind überall die gleichen. Unglück<22> demütigt sie; bei zuviel Glück werden sie übermütig. Gedachte man in Petersburg aber die osmanische Macht zu erdrücken, st nahmen in Wien Argwohn und Eifersucht mit den Erfolgen der Russen zu. Verglichen die Österreicher ihren letzten unglücklichen Türkenkrieg22-1 mit dem Siegeszuge der Russen, so konnten sie sich nicht verhehlen, wie sehr ihre Eigenliebe dadurch gekränkt wurde. Außerdem fürchteten sie, Nachbarn einer so großen Macht zu werden, wenn Rußland die eben eroberte Moldau und Walachei behielt. Um dieser Gefahr zu begegnen, mehr noch, um Rußland offen entgegenzutreten, hatten die Österreicher ihre Truppen in Ungarn verstärkt. Sie legten dort Magazine an und trafen alle Vorkehrungen, um ins Feld zu rücken, sobald die Umstände es erforderten. Sie machten kein Hehl daraus und sagten jedem, der es hören wollte, wenn der Krieg nicht bald aufhörte, sähe die Kaiserin-Königin sich genötigt, daran teilzunehmen.

Die zweite Zusammenkunft zwischen dem Kaiser und dem König fand im Lager bei Neustadt in Mähren statt22-2. Man begegnete keinem Österreicher, der nicht eine Äußerung der Erbitterung gegen die russische Nation getan hätte. Der Kaiser erschien dem König genau so, wie er ihn bei der ersten Zusammenkunft in Neiße eingeschätzt hatte22-3.

Fürst Kaunitz, der gleichfalls in Neustadt war, hatte lange Unterredungen mit dem König. Er war ein Mann von geradem Sinn, aber von wunderlichen Eigenheiten. Ihn unterbrechen, wenn er sprach, hieß ihn beleidigen. Anstatt sich zu unterhalten, trug er vor und hörte sich lieber selbst reden, als daß er auf das hörte, was andere ihm antworteten. Es war vorgekommen, daß die Kaiserin-Königin den Minister um Erklärung eines Gegenstandes ersuchte, den er bedächtig erörterte. Statt ihr zu antworten, machte er eine Verbeugung und verließ brüsk den Audienzsaal. In seinen Unterredungen mit dem König entwickelte er salbungsvoll das System seines Hofes und stellte es als ein Meisterstück der Staatskunst dar, dessen Urheber er war. Dann betonte er die Notwendigkeit, den ehrgeizigen Absichten Rußlands entgegenzutreten, und erklärte, die Kaiserin-Königin würde niemals dulden, daß die russischen Heere die Donau überschritten, noch daß der Petersburger Hof Erwerbungen machte, durch die er zum Nachbarn Ungarns würde. Er fügte hinzu, das Bündnis Preußens mit Österreich sei der einzige Damm, den man diesem ausgetretenen Strom entgegensetzen könne, der ganz Europa zu überschwemmen drohe.

Als er ausgeredet hatte, erwiderte der König, er werde stets bemüht sein, die Freundschaft mit Ihren Kaiserlichen Majestäten zu pflegen, auf dle er unendlichen Wert lege. Andrerseits bäte er Fürst Kaunitz, die Verpflichtungen zu berücksichtigen, die ihm sein Bündnis mit Rußland auferlege. Er könne ihnen auf keine Weise entgegen handeln; wie Fesseln hinderten sie ihn, auf die Anträge des Fürsten Kaunitz einzugehen. Der König fügte hinzu, sein einziger Wunsch sei, dem vorzubeugen, daß der russisch-türkische Krieg zu einem Weltbrande führte. Zu diesem Zwecke er<23>biete er sich gern, die beiden Kaiserhöfe auszusöhnen. Es sei sogar Zeit, daran zu denken, damit die gegenseitige Verstimmung nicht in einen offenen Bruch ausarte. Um indes den Wiener Hof in seiner scheinbar günstigen Stimmung zu erhalten, hielt er es für geboten, dieselben Versicherungen zu wiederholen, die er schon dem Kaiser in Neiße gegeben hatte23-1. Ferner versprach man sich, die kleinen Streitigkeiten, die öfter zwischen den Grenzbeamten vorkommen, gütlich beizulegen. Auch willigte der König in das Ansuchen des Kaisers, den Wiener Hof ehrlich von allen Eröffnungen in Kenntnis zu setzen, die Frankreich dem Berliner Hose etwa machen sollte. Da dies alles jedoch zwischen dem König und Fürst Kaunitz verhandelt worden war, hielt der König es für schicklich, den Kaiser von allem, was gesprochen und geschehen war, in Kenntnis zu setzen, und wie es schien, rechnete der junge Herrscher, der an solche Rück sichten wenig gewöhnt war, dem König diese Aufmerksamkeit hoch an. Behandelte sein Premierminister ihn doch sehr von oben herab und mehr als Untergebenen denn als Herrn.

Am Tage nach dieser Konferenz23-2 traf in Neustadt ein Kurier aus Konstantinopel ein, mit Briefen des Kaïmakam23-3 vom 12. August, in denen der Sultan die Höfe von Berlin und Wien zur Übernahme der Vermittlung einlud, um die zwischen der Pforte und Rußland noch bestehenden Streitigkeiten zu schlichten. Es war in diesen Schreiben ausdrücklich hervorgehoben, daß die Türken nur durch Vermittlung der beiden Mächte Frieden schließen würden.

Der Kaiser gestand zu, daß er diese Vermittlung lediglich der Mühe verdankte, die der König von Preußen sich in Konstantinopel gegeben hatte, und wußte ihm Dank dafür. Am selben Tage hatte der König eine Unterredung mit Fürst Kaunitz. Er verfehlte nicht, ihn wegen des erfreulichen Ereignisses zu beglückwünschen, das ihn einigermaßen beruhigen, ja selbst die Eifersucht beschwichtigen könnte, die die ruffiWen Erfolge in seiner Seele erregt hatten. Er sagte ihm, dieser Schritt der Pforte mache den Wiener Hof zum Schiedsrichter der Friedensbedingungen, die er zwischen beiden Mächten festzusetzen wünsche. Der Minister steckte das Kompliment mit dem ganzen österreichischen Hochmut ein und erwiderte in anmaßendem Ton und in gespielter Gleichgültigkeit, daß er den Schritt der Türken billige. Und doch ward nie eine Vermittlung begieriger angenommen.

Während man geschäftig war, den Norden zu beruhigen, sagten neue Zwistigkeiten und Zerwürfnisse einen baldigen Bruch im Süden Europas voraus. Choiseul, der unruhige Geist, der sich darin gefiel, an allen Höfen Verwirrung anzurichten, war der alleinige Urheber jener Streitigkeiten. Er wollte mit aller Gewalt die Engländer demütigen, wagte aber aus Furcht, Ludwig XV. zu mißfallen, nicht offen zu handeln und schob die Spanier vor, die sich der Falklandinsel bemächtigten, wo die Eng<24>länder mit der Anlage von Niederlassungen begonnen hatten. Englische Handelsschiffe wurden von den Spaniern gekapert, und zugleich ging die Werft zu Portsmouth in Flammen auf. So viele Schlag auf Schlag eintreffende schlimme Nachrichten machten aufden Londoner Hof um so größeren Eindruck, als der Marineminister sich in unverzeihlicher Nachlässigkeit so wenig um seine Verwaltung gekümmert hatte, daß England damals kaum zwanzig seetüchtige Kriegsschiffe besaß. Immerhin fingen die Engländer Feuer, und der Krieg wäre ausgebrochen, wäre Choiseul Leiter der Staatsgeschäfte geblieben; allein seine Feinde stürzten ihn.

Maupeou, der Kanzler von Frankreich, hoffte durch Verdrängung Choiseuls all dessen Ämter auf sich vereinigen zu können. Fügte er sie dann noch dem Amt des Großsiegelbewahrers hinzu, das er schon besaß, so wäre er wirklich Premierminister geworden, wie einst Richelieu und Mazarin. Um sich eine Partei zu schaffen, verband er sich mit den Herzögen von Aiguillon und Richelieu. Die bestrickten ihren Herrn, indem sie ihm ein Mädchen von mehr als zweideutigem Rufe zuführten. Diese Person24-1 siegte durch ihre Reize und wurde bald allmächtig; der alte Ludwig XV. betete sie an. Choiseul war zu stolz, um sich vor einem Geschöpf zu beugen, das er aufs tiefste verachtete. Er versagte ihr die Huldigungen, die die Würdenträger sonst den Geliebten ihrer Gebieter zu bezeigen pflegen. Die neue Mätresse teilte ihre Um Zufriedenheit ihrem Liebhaber mit; die Ränkeschmiede benutzten dies sofort und erbitterten den König noch mehr gegen Choiseul, indem sie ihn als Verschwender hinstellten, der die Staatseinkünfte zwecklos in tollen Ausgaben vergeudet und, um sich unentbehrlich zu machen, das Verhältnis zwischen England und Frankreich unhaltbar gemacht hätte. Die daraus entstehenden Zwistigkeiten müßten notwendig zu einem Kriege führen, der wenigstens ebenso verderblich sein würde wie der vorher-gehende. Das letztere Argument gab den Ausschlag. Ludwig XV. entließ seinen Minister auf der Stelle24-2, und mit ihm fielen all dessen weltschauenden Pläne.

Ludwig XV. unterhandelte selber mit England und Spanien, um ihre Streitigkeiten zu schlichten. Die Falklandinsel wurde den Engländern zurückgegeben, aber der König von Spanien bewahrte Frankreich gegenüber einen geheimen Groll, weil es seine Interessen bei diesem Vorfall nicht vertreten hatte. Kein Hof bedauerte Choiseuls Sturz mehr als der Wiener. Er hatte fest auf diesen Minister gebaut, dessen Anhänglichkeit er kannte. Aiguillon, dem der König das Ministerium des Auswärtigen übertragen hatte, stand nicht im Rufe der gleichen Ergebenheit gegen das Haus Österreich. Der Kanzler war ebenfalls enttäuscht und sah seine Pläne und Hoffnungen scheitern. Alle Veränderungen, die seitdem in Frankreich stattfanden, muß man also auf Choiseuls Entlassung zurückführen. So eng verkettet sind alle Begebenheiten, und so schwer ist es, die wichtigen Folgen vorherzusehen, die oft aus Kleinigkeiten entstehen.

<25>

Aber alles, was damals in jenem Teil Europas geschah, interessiert uns hier weniger als die Begebnisse im Orient und im Norden. Die Vorschläge der Pforte an den Berliner und Wiener Hof wurden dem Petersburger Hofe mitgeteilt. Zugleich ließ der König der Zarin bedeuten, falls sie die Vermittlung Österreichs und Preußens ablehnte, stände zu befürchten, daß sich die Pforte um Beistand an Frankreich wenden würde. Diese bloßeWarnung bestimmte den Petersburger Hof vielleicht, die österreichische Vermittlung nicht abzulehnen, da seine Abneigung gegen den Wiener Hof nicht so groß war wie sein Widerwille gegen den Versailler. Zunächst antworteten die Russen, sie könnten das Angebot der beiden Mächte nicht annehmen, angeblich, weil sie schon die englische Vermittlung abgelehnt hätten. Tatsächlich aber fürchteten sie, durch das Eingreifen anderer Mächte in ihren Friedensplänen gestört zu werden. Indes aus Höflichkeit oder aus Rücksicht auf die Bemühungen beider Höfe, was auf das gleiche hinauslief, suchten sie durch Feldmarschall Rumänzow direkte Verhandlungen mit dem Großwesir anzuknüpfen. Als dieser Versuch jedoch mißlang, willigten sie in die ihnen vorher von Berlin und Wien aus gemachten Vorschläge.

Zufällig reiste damals Prinz Heinrich, des Königs Bruder, nach Stockholm zum Besuch seiner Schwester, der Königin von Schweden. Die Zarin, die den Prinzen in ihrer Jugend in Berlin kennen gelernt hatte, bat, daß ihm ein Besuch in Petersburg gestattet würde, was man schicklicherweise nicht abschlagen konnte. Der Prinz reiste also nach Rußland25-1. Geistvoll, wie er war, gewann er bald Einfluß auf die Zarin und bewog sie, sich dem König, seinem Bruder, gegenüber zu eröffnen. Dem Brief der Zarin25-2 war eine lange Denkschrift beigelegt; sie enthielt die Friedensbedingungen, die der beabsichtigten Unterhandlung zugrunde gelegt werden sollten. Nach einer Einleitung, die die größte Mäßigung atmete, forderte die Zarin von den Türken die Abtretung der beiden Kabardien, Asow und sein Gebiet, die Unabhängigkeit des KrimKhans, die Sequestrierung der Moldau und Walachei auf 25 Jahre als Entschädigung für die Kriegskosten, freieSchiffahrt aufdem Schwarzen Meere, eine Insel im Archipel als Stapelplatz für den Handel beider Nationen, allgemeine Amnestie für die Griechen, die Rußlands Partei ergriffen hatten, und vor allem die Freilassung Obreskows aus den Sieben Türmen.

Diese ungeheuerlichen Bedingungen hätten die Österreicher vollends in Harnisch gebracht, ja sie vielleicht zu den gewaltsamsten Entschlüssen verleitet, hätte man sie ihnen mitgeteilt. Dieser Grund hielt den König ab, sie das geringste davon wissen zu lassen. Er zog den Weg gütlicher Verständigung als den sichersten vor, um auf diese Weise niemand vor den Kopf zu stoßen. Er setzte sich mit der Zarin ins Einvernehmen, ohne ihr zu widersprechen25-3. Damit sie aber selbst die Schwierigkeit einsah, den Sultan zur Anerkennung der Unabhängigkeit der Tartaren zu bewegen, stellte er ihr<26> die fast unüberwindlichen Hindernisse vor, die der Wiener Hof den Russen in den Weg legen würde, um zu verhindern, daß sie durch den Besitz der Moldau und Walachei seine Nachbarn würden. Ferner wies er darauf hin, daß die Insel im Urchipel Neid und Eifersucht bei allen Seemächten erregen würde. Er riet der Zarin also, ihre Ansprüche auf die beiden Kabardien, Asow und sein Gebiet, sowie auf freie Schiffahrt auf dem Schwarzen Meer zu beschränken. Er fügte hinzu, daß er nicht etwa aus Eifersucht über den Machtzuwachs der Zarin so rede, sondern allein in der Absicht, durch Herabsetzung ihrer Forderungen zu vermeiden, daß andere Mächte sich in den Krieg einmischten und ihn zu einem allgemeinen machten. Überdies hätten die Türken bereits in zwei Punkte gewilligt: in die Amnestie für die Griechen und die Freilassung Obreskows.

Diese recht maßvollen Vorstellungen schienen den Unmut der Zarin zu erregen. Sie gab zu verstehen, daß sie von selten ihres besten Verbündeten keinen Widerstand erwartet hätte. Da sie jedoch bis auf ein paar kleine Einschränkungen nach wie vor auf ihrem Projekt bestand, sah der König sich genötigt, es dem Wiener Hofe mitzuteilen. Der König schwächte das Schriftstück ab, soweit es möglich war, und um den Fürsten Kaumtz nicht aufzubringen, ließ er ihm sagen, daß dies nicht das letzte Wort des russischen Hofes sei, und daß dieser sicherlich geneigt sein werde, in den Punkten nachzugeben, die den meisten Schwierigkeiten begegnen würden.

Die Vorsicht des Königs war um so notwendiger, als der Kaiserhof seine Absichten nicht mehr verhehlte und alle Truppenbewegungen in Ungarn auf einen baldigen Bruch mit Rußland hindeuteten. Der Wiener Hof war entschlossen, nicht zu dulden, daß der Kriegsschauplatz über die Donau verlegt würde. Er hoffte die Russen sogar durch eine bewaffnete Vermittlung zwingen zu können, den Türken die Moldau und Walachei zurückzugeben, ja von der geforderten Unabhängigkeit der Tartaren abzustehen. Zu dem Zweck waren Truppen aus Italien, Flandern und Österreich nach Ungarn marschiert; der kaiserliche Gesandte26-1 hatte sich dem König gegenüber sogar sehr deutlich über ihre Bestimmung ausgesprochen; er ging so weit, zu verlangen, Preußen solle neutral bleiben, falls die Russen anderswo als in Polen angegriffen würden, was ihm aber rundweg abgeschlagen wurde. Fürst Kaunitz hoffte, durch Ausführung dieses Planes dem Hause Österreich Vergrößerungen zu verschaffen, ohne daß es die Mühe hätte, sie durch Eroberung zu erwerben. Er rechnete sehr darauf, daß die Pforte den ihr geleisteten Beistand mit der Rückgäbe der Provinzen bezahlen würde, die Österreich im Frieden von Belgrad verloren hatte.

Während Wien voller Entwürfe und Ungarn voller Truppen war, rückte ein österreichisches Korps in Polen ein und bemächtigte sich der Herrschaft Zips, auf die der Hof Ansprüche besaß. Allein diese Truppen besetzten auch angrenzende Sta<27>rosteien, auf die der Kaiser niemals Anrechte gehabt hattet27-1. Dieser kecke Schritt machte die Russen stutzig. Durch ihn wurde am meisten der nachmalige Teilungvertrag zwischen den drei Mächten angebahnt27-2. Der Hauptgrund war, einen allgemeinen Krieg zu verhüten, der dicht vor dem Ausbruch stand. Außerdem mußte das Gleichgewicht der Kräfte zwischen so nahen Nachbarn erhalten werden. Da also der Wiener Hof genügend zu verstehen gab, daß er die damaligen Unruhen zu seiner Vergrößerung benutzen wollte, so konnte der König nicht umhin, seinem Beispiel zu folgen. Die Zarin war aufgebracht, daß andere Truppen als die ihren die Herren in Polen zu spielen wagten, und sagte zum Prinzen Heinrich, wolle der Wiener Hof Polen zerstückeln, so hätten die anderen Nachbarn das Recht, ein gleiches zu tun27-3.

Diese Eröffnung kam sehr gelegen. Denn alles wohl erwogen, war dies das einzige Mittel, das übrig blieb, um neue Wirren zu verhüten und jedermann zufriedenzustellen. Rußland konnte sich für die Kosten des Türkenkrieges entschädigen, und an Stelle der Moldau und Walachei, die es nur besitzen konnte, wenn es die Österreicher ebenso oft besiegte wie die Türken, brauchte es sich nur nach seinem Gefallen eine Provinz in Polen auszusuchen, ohne neue Gefahren zu laufen. Der Kaiserin-Königin konnte man eine an Ungarn grenzende Provinz anweisen und dem König das Stück von Polnisch-Preußen, das seine Staaten von Ostpreußen trennte. Durch diesen politischen Ausgleich blieb das Kräfteverhältnis der drei Mächte ungefähr das gleiche.

Um sich jedoch der Absichten Rußlands völlig zu vergewissern, wurde Graf Solms beauftragt, zu ergründen, ob man auf die der Zarin entschlüpften Worte bauen könnte, oder ob sie nur in einem Augenblick des Unmuts oder vorübergehender Aufwallung gefallen wären. Graf Solms fand die Meinungen darüber geteilt. Graf Panin, der beim Beginn der polnischen Wirren hatte erklären lassen, Rußland werde die Unteilbarkeit Polens aufrechterhalten, war der Zerstücklung abgeneigt; trotzdem Versprach er, sich ihr nicht zu widersetzen, wenn die Sache im Staatsrat durchginge. Die Zarin jedoch wiegte sich in der Hoffnung, die Grenzen ihres Reiches gefahrlos erweitern zu können. Ihre Günstlinge und einige Minister merkten das und traten ihrer Ansicht bei, sodaß das Teilungsprojekt mit Stimmenmehrheit angenommen<28> ward. Dem König von Preußen wurde der gefaßte Entschluß mitgeteilt, und zwar als ein Mittel, das man sich ausgedacht hätte, um ihn für seine an Rußland gezahlten Subsidien zu entschädigen.

Als Graf Panin dem Grafen Solms das eben Geschilderte mitteilte, verlangte er als Vorbedingung, daß der König die Ansichten des Wiener Hofes über diese Teilung ergründete. Daraufhin machte der König dem Freiherrn van Swieten die nötigen Eröffnungen und versicherte ihm, Rußland sei durchaus nicht unzufrieden darüber, daß Österreich sich in den Besitz der Zips gesetzt habe, und er, der König, rate Ihren Kaiserlichen Majestäten zumBeweis seiner Freundschaft, sich in diesemTeil von Polen nach Belieben auszudehnen. Sie könnten dies um so ungefährdeter tun, als ihr Beispiel von den anderen Nachbarmächten Polens befolgt werden würde. So herzlich diese Eröffnung auch war, sie fand beim Wiener Hofe doch nicht die erwartete Ausnahme. Fürst Kaunitz war zu sehr von dem Plan erfüllt, zu dessen Ausführung er sich anschicke. Er sah größeren Vorteil in einem Bündnis mit den Türken als in einer Allianz mit Rußland. Er antwortete daher trocken, wenn seinHof einige Striche von Polen an der ungarischen Grenze besetzt habe, so wäre das nicht in der Absicht geschehen, sie zu behalten, sondern lediglich als Unterpfand für einige Summen, die das Haus Österreich von der Republik fordere. Er habe es nicht für möglich gehalten, daß eine solche Bagatelle den Gedanken eines Teilungsplanes hätte zeitigen können, dessen Ausführung auf unübersteigliche Schwierigkeiten stoßen würde, da es so gut wie unmöglich sei, vollkommene Gleichheit zwischen den Anteilen der drei Mächte herzustellen. Kurz, ein solches Projekt könne nur dazu dienen, die verworrene Lage Europas noch bedenklicher zu machen, als sie schon sei. Er riete dem König also ab, sich auf solche Maßregeln einzulassen. Mit gleichgültiger Miene fügte er hinzu, sein Hof sei bereit, die von seinen Truppen besetzten Gebiete zu räumen, wenn die anderen Mächte ein gleiches tun wollten. Das letzte war ein stummer Vorwurf gegen Rußland, das Armeen in Polen hatte; es zielte ebenso auf den König hin, der eine Truppenkette von Krossen bis über die Weichsel gezogen hatte, um 'seine Staaten vor der Pest zu schützen, die damals in Polen wütete.

In einer so wichtigen Angelegenheit durfte man sich durch Kleinigkeiten nicht abschrecken lassen. Es war vorauszusehen, daß der Wiener Hof seine Meinung ändern würde, sobald Rußland und Preußen fest zusammenhielten; denn die Österreicher mußten es vorziehen, ihren Teil an der Beute zu haben, statt sich in die Gefahr eines Krieges mit so starken Gegnern zu stürzen. Hinzu kam, daß die KaiserinKönigin damals keinen anderen Bundesgenossen als Frankreich besaß und auf keinerlei Beistand zu rechnen hatte.

Um die Gunst der Umstände auszunutzen, beschloß der König, die Teilung energisch zu betreiben. Er beobachtete dem Wiener Hofe gegenüber Stillschweigen, um ihm Zeit zum Nachdenken zu geben. Zugleich beauftragte er Graf Solms, die Russen wissen zu lassen, daß die Eröffnungen über den Tellungsvertrag in Wien gemacht<29> seien. Obwohl Fürst Kaunitz bisher vermieden hätte, sich darüber auszusprechen, könnte man nichtsdestoweniger voraussehen/ daß er gern die Hand dazu reichen würde, sobald die beiden anderen Mächte sich über ihre gegenseitigen Interessen verständigt hätten. Der König bediente sich dieses Hinweises, um den Abschluß zu beschleunigen, da kein Augenblick zu verlieren war.

Vielleicht hätte die gewohnte Langsamkeit und Trägheit der Russen den Abschluß des Vertrages noch in die Länge gezogen, hätten die Österreicher dem König nicht ungewollt gute Dienste geleistet. Täglich bereiteten sie durch ihre Vermittlungstätigkeit dem Frieden neue Hindernisse. Oft warfen sie dem Petersburger Hof seine maßlosen Forderungen vor, ließen sich in herrischem Ton über die Friedensartikel aus, die sie verwarfen, und nahmen die Türken, soweit sie vermochten, in Schutz. Vollends aber machten die Bewegungen der Armee in Ungarn die Österreicher am Petersburger Hofe verdächtig. Zugleich verbreitete sich das Gerücht, die Kaiserlichen verhandelten wegen eines Subsidienvertrages in Konstantinopel29-1. Die letztere Nachricht versetzte den Petersburger Staatsrat in Besorgnis, und dem König, der den Russen alles mW teilte, was zur Aufdeckung der österreichischen Intrigen führen konnte, gelang es endlich, den Petersburger Hof aus seiner Lethargie aufzurütteln. Da die Zarin die Notwendigkeit des preußischen Beistandes fühlte, meinte sie, man müsse dem König Vorteile verschaffen, um sich seiner zu versichern. Infolgedessen erklärte Graf Panin dem Grafen Solms, er erwarte nur den Teilungsplatt aus Berlin, um mit ihm in Unterhandlungen über den Gegenstand einzutreten.

Der Plan wurde schleunigst nach Petersburg gesandt (14. Juni). Er stellte Rußland frei, sich in Polen die Provinz auszusuchen, die ihm am geeignetsten erschiene. Für sich verlangte der König Pomerellen, das Gebiet von Großpolen diesseits der Netze, das Bistum Ermland, die Woiwodschaften Marienburg und Kulm und überließ den Österreichern, dem Vertrag beizutreten, wenn sie es für vorteilhaft hielten.

Aber alle Maßnahmen, die man in Berlin und Petersburg traf, hinderten den Fürsten Kaunitz nicht, seinen Weg zu gehen. Er war anmaßlicher denn je, hielt durch tausend Schwierigkeiten, die ihm sein Mittleramt gestattete, die Friedensverhandlungen mit den Türken auf und verwarf besonders den Artikel der Abtretung der Moldau und Walachei, die die Russen von der Pforte verlangten. Stolz auf die Anerbietungen, die der Sultan ihm machte, und in der Meinung, die in Ungarn versammelten Truppen könnten sowohl den Preußen wie den Russen imponieren, ließ er dem König erklären, die von Rußland vorgeschlagenen Friedensbedingungen liefen den Interessen der österreichischen Monarchie stracks zuwider und drohten das Gleichgewicht im Orient zu zerstören. Falls der Petersburger Hof sie also nicht mildern wolle, wären Ihre Kaiserlichen Majestäten gezwungen, sich an diesem Kriege zu be<30>teiligen; sie hofften jedoch, der König würde in diesem Falle strikte Neutralität beMachten, zumal seine Verpflichtungen Rußland gegenüber sich auf Polen beschränkten, dessen Gebiet die Österreicher respektieren würden.

Man sah wohl, der Wiener Hof wollte die Russen durchaus nicht zu Nachbarn haben. Einerseits fürchtete er, eine Anzahl von Griechisch-katholischen, die in Ungarn wohnten, würden sich aus religiösen Motiven an Rußland anschließen; andrerseits wollte er lieber das geschwächte türkische Reich als eine so starke Großmacht wie Rußland zum Nachbar haben.

Die Lage des Königs zwischen den beiden Kaiserhöfen war sehr schwierig. Faßte er seinen Vorteil ins Auge, so durste er das Wachstum der nur zu furchtgebietenden russischen Macht weder wünschen, noch gar selbst dazu beitragen. Das Gegengewicht bildete andrerseits die feierliche Verpflichtung, der Zarin, feiner Bundesgenossin, in jedem Falle beizustehen, wenn sie von der Kaiserin-Königin angegriffen wurde. Entweder mußte er dieser Verpflichtung nachkommen oder auf die davon erhofften Früchte verzichten. Ferner war es für Preußen gefährlicher, die Neutralität zu wahren, als seiner Bundesgenossin beizustehen. Die Österreicher und Russen hätten sich geschlagen, sich wieder verglichen und dann auf Kosten des Königs Frieden schließen können. Dadurch hätte er alles Ansehen verloren. Niemand hätte ihm mehr getraut, und nach dem Frieden hätte er allein dagestanden. Das wäre unzweifelhaft eingetreten, hätte er einen so falschen Plan befolgt.

Er schwankte daher nicht, sondern entschloß sich, seine Verpflichtungen gegen Rußland treu zu erfüllen. Um zugleich den Wiener Hof zu beschwichtigen, wiegte er ihn in der Hoffnung, daß es nicht unmöglich sein werde, die Zarin nachgiebig zu stimmen und sie von ihren Absichten auf die Moldau und Walachei abzubringen. Doch setzte er hinzu: wenn es zwischen beiden Kaiserinnen zum Bruche käme, könne er nicht umhin, die Zarin, mit der er verbündet sei, zu unterstützen. Um dieser Erklärung mehr Nachdruck zu verleihen, wurde die ganze Kavallerie vermehrt und mit Remonten versehen; die diesbezüglichen Befehle wurden schnell überall bekannt. Diese kraftvollen und zur rechten Zeit getroffenen Maßregeln machten Eindruck auf den Petersburger Hof. Man benutzte seine zufriedene Stimmung, um ihn im Interesse des Friedens

Mit den Russen zu verhandeln war schwer; denn sie verstehen nichts von der Kunst des Unterhandelns. Sie denken nur an ihren Vorteil und fragen wenig nach dem der anderen, wie man gleich sehen wird. Der Gegenentwurf des Teilungsvertrages vom Petersburger Hofe traf nun in Berlin ein30-1. Er war wunderlich abgefaßt: aller Vorteil war auf russischer Seite, alles Risiko auf preußischer. Man bewilligte zwar den größten Teil des vom König geforderten polnischen Gebiets, aber die Erwerbungen Rußlands waren mindestens doppelt so groß. Vor allem hatte man in den<31> Vertrag einen für den König sehr lästigen Artikel eingeschaltet: man verlangte von Preußen, daß es Rußland mit allen Kräften beistehen sollte, falls dieses von den Österreichern angegriffen würde. Gesetzt aber, die Kaiserin-Königin erklärte dem König von Preußen den Krieg, so hatte er von Rußland keine Hilfe zu erwarten, bevor der Friede mit den Türken geschlossen war. So ungleiche Bedingungen waren unannehmbar. Sie führten zu einigen Auseinandersetzungen. Man stellte eine Übersicht aller Verpflichtungen Preußens gegen Rußland auf; daraus ergab sich, daß alles zugunsten der Zarin und nichts zugunsten des Königs war. Gleichwohl fügte man hinzu, Seine Majestät sei entschlossen, alles zu gewähren, was man vernünftigerweise von ihm verlangen könne. Der König berufe sich also auf den Rechtssinn und die Mäßigung der Zarin, die doch einen kleinen Teil ihrer Eroberungen preisgeben möge, um einen Krieg zu verhüten, der in kurzem allgemein zu werden drohte, zumal die österreicher die Moldau und Walachei als Vorwand benutzten, um die Angelegenheiten mehr und mehr zu verwirren. Auch entspräche es unter so kritischen Umständen der Würde einer Großmacht wie Rußland, weniger auf seine Interessen als auf die allgemeine Wohlfahrt zu sehen. Um den König von Preußen für das Risiko eines neuen Krieges zu entschädigen, dessen Ausgang nicht vorherzusehen war, bat man Rußland zugleich noch, die mitten in Pomerellen liegende Stadt Danzig dem Anteil hinzuzufügen, den der König in Besitz nehmen sollte.

Diese Vorstellungen machten, wie es gewöhnlich geht, nicht ganz den erwarteten Eindruck. Nachdem jedoch die Zarin über die ihr so klar dargelegten Gründe reiflich nachgedacht hatte, willigte sie in die Einschränkung der Friedensvorschläge, die mit den Interessen anderer Mächte unvereinbar waren. Infolgedessen verpflichtete sie sich, den Türken alle zwischen Dnjester und Donau gemachten Eroberungen nach Friedensschluß wiederzugeben.

Sogleich teilte der Berliner Hof diese frohe Nachricht dem Wiener Hofe mit, und zum ersten Male machte Fürst Kaunitz ein heiteres Gesicht. Seine Verschlagenheit und sein Hochmut ließen nach; die Gemüter beruhigten sich, und die Unruhe und Eifersucht, die die großen Erfolge der Russen am Wiener Hof erweckt hatten, verschwanden mit dem Augenblick, wo er nicht mehr zu befürchten hatte, Rußland zum Nachbarn zu bekommen.

Die Pforte ward sogleich von dem vorteilhaften Umschwung am Petersburger Hofe in Kenntnis gesetzt. Infolge des Unglücks, das sie erlitten hatten, wollten die Türken vom Kriege nichts mehr wissen und waren sehr friedlich gestimmt. Der letzte Feldzug der Russen war nur eine Kette von Triumphen gewesen. Sie hatten die Krim erobert, und eine Entscheidungsschlacht, die Feldmarschall Rumänzow am Ende des Jahres gewann, hatte ihrem Waffenglück die Krone aufgesetzt.

Unter so verzweifelten Umständen traf in Konstantinopel die Nachricht ein, daß die größten Hindernisse des Friedens beseitigt wären. Nun beschlossen die Türken zur Erleichterung des allgemeinen Friedensschlusses, den noch in den Sieben Türmen ge<32>fangenen Obreskow in Freiheit zu setzen. Seine Freilassung hatte die Zarin als Vorbedingung gefordert, ehe sie das geringste von einer Unterhandlung hören wollte.

Obwohl alle Höfe in Tätigkeit waren, zog die Langsamkeit und Unentschlossenheit der Russen den Abschluß des Teilungsvertrages in die Länge. Die Unterhandlung stieß sich vor allem am Besitz der Stadt Danzig. Die Russen behaupteten, die Unabhängigkeit dieser kleinen Republik garantiert zu haben. Eigentlich aber waren es die Engländer, die aus Eifersucht auf Preußen die Freiheit der Seestadt beschützten und die Zarin antrieben, dem Verlangen des Königs von Preußen nicht nachzugeben. Trotzdem mußte ein Entschluß gefaßt werden, und da es auf der Hand lag, daß der Besitzer der Weichsel und des Danziger Hafens die Stadt mit der Zeit in seine Gewalt bekommen würde, hielt man es nicht für geraten, eine so wichtige Unterhandlung wegen eines bloß aufgeschobenen Vorteils aufzuhalten; mithin ließ der König seinen Anspruch fallen.

Nach vielem Hin und Her traf endlich das Ultimatum des Petersburger Hofes ein32-1. Die Russen bestanden immer noch auf ansehnlichen Hilfstruppen, die sie im Fall einer österreichischen Kriegserklärung von den Preußen verlangten. Diese Ungleichheiten waren zwar sehr anstößig und das Mißverhältnis zwischen den Hilfeleistungen, die zwei Bundesgenossen einander schulden, recht groß. Da man aber wußte, daß die Kaiserin-Königin jetzt in günstigerer und friedlicherer Stimmung war denn je zuvor, so ließ man diese Erwägungen beiseite, da sie keine Bedeutung mehr hatten. Man schloß einen Vertrag, der nun vorteilhaft wurde, und versprach den Russen die hilfstruppen, die fortan nicht mehr in Frage kommen konnten.

Nach Beseitigung so vieler Hindernisse ward die geheime Konvention endlich in Petersburg unterzeichnet32-2. Die preußischen Erwerbungen waren die bereits bezeichneten, mit Ausnahme der Städte Danzig und Thorn und ihres Gebietes. Durch diese Teilung erhielt Rußland in Polen einen beträchtlichen Streifen längs seiner alten Grenzen von der Dwina bis zum Dnjester. Der Termin der Besitzergreifung ward auf den Juni festgesetzt. Ferner verabredete man, die KaiserinKönigin einzuladen, sich den beiden kontrahierenden Mächten zum Zwecke der Teilung anzuschließen. Rußland und Preußen garantierten sich gegenseitig ihre Erwerbungen und versprachen beim Warschauer Reichstag vereint dahin zu wirken, die Zustimmung der Republik zu so vielen Abtretungen zu erhalten. Außerdem versprach der König in einem Geheimartikel, 20 000 Mann nach Polen zu schicken, die sich, im Fall der Krieg allgemein würde, mit den Russen vereinigen sollten. Ferner verpflichtete er sich zur offenen Kriegserklärung gegen Österreich, falls dies Hilfskorps nicht auch reichte. Auch kam man überein, daß die Zahlung der preußischen Subsidien aufhören sollte, sobald das Hilfskorps zur russischen Armee stieße. Ein anderer Artikel <33>gab dem König das Recht, diese Hilfstruppen zurückzuziehen, falls er aus Groll über diesen Beistand von den Österreichern in seinen eigenen Staaten angegriffen würde. In dem Falle versprach Rußland ihm 6 000 Mann Infanterie und 4 000 Kosaken zu stellen, ja diese Zahl zu verdoppeln, sobald die Umstände es erlaubten. Außerdem verpflichtete sich Rußland, eine Armee von 50 000 Mann in Polen zu halten, um den König mit allen Kräften unterstützen zu können, sobald der Türkenkrieg beendigt wäre, und mit diesem Beistand so lange fortzufahren, bis es Preußen beim allgemeinen Friedensschluß eine angemessene Entschädigung verschaffen könne. Allen Artikeln wurde ein Separatvertrag zur Regelung des Unterhalts der gegenseitigen Hilfstruppen beigefügt.

Nach Beendigung dieses Werkes, das allen folgenden Projekten zur Grundlage diente, blieb nur noch übrig, den Wiener Hof zum Anschluß an die beiden kontrahierenden Mächte zu bewegen. Drei Parteien bildeten sich am Wiener Hofe, deren jede anderer Meinung war. Der Kaiser hätte gern die Provinzen in Ungarn wiedergewonnen, die sein Haus durch den Frieden von Belgrad verloren hatte. Die Kaiserin, seine Mutter, besaß nicht mehr jene Tatkraft und Entschlossenheit, die sie in ihrer Jugend so oft bewiesen hatte, und begann sich einer mystischen Frömmelei hinzugeben; sie machte sich Vorwürfe über das in den früheren Kriegen vergossene Blut, verabscheute den Krieg und wollte um jeden Preis Frieden halten. Fürst Kaunitz, ein Mann von geradem Urteil, der die Interessen der Monarchie mit der Neigung seiner Gebieterin vereinen wollte, war daher vor die Wahl zwischen dem Krieg und der polnischen Teilung gestellt und fürchtete zudem, wenn er sich zur letzteren entschloß, die Verbindung zwischen den Häusern Bourbon und Österreich, die er als sein Meisterstück betrachtete, zu zerstören. Einerseits zeigte ihm die rasche Nemonlierung der preußischen Kavallerie, daß der König einen endgültigen Entschluß gefaßt hatte; andrerseits sah er, daß der König nichts sehnlicher wünschte als einen allgemeinen Frieden, ja daß er eifrig daran arbeitete.

Endlich sagte der König in einer Audienz zum österreichischen Gesandten, er beglückwünsche die Kaiserin-Königin dazu, daß sie das Schicksal Europas jetzt in ihren Händen halte; denn tatsächlich hingen Krieg und Friede unter den damaligen Umständen davon ab, welchen Entschluß sie faßte. Der König fügte hinzu, er baue so sehr auf die anerkannte Weisheit dieser großen Fürstin, daß er nicht daran zweifle, sie werde die allgemeine Ruhe Europas den Wirren vorziehen, die leicht ausbrechen könnten und deren Folgen garnicht abzusehen seien. Diese Unterredung, die van Swieten seinem Hofe berichtete, machte den erwünschten Eindruck. Fürst Kaunitz war überzeugt, daß er dem Bündnis mit den Türken33-1 und allen darauf gegründeten Plänen entsagen müsse. Er begriff auch, daß die Teilung Polens nicht mehr aufzuhalten war, wollte er nicht Rußland und Preußen angreifen. Da er keinen Bundes<34>genossen besaß, war dies Unternehmen zu unvorteilhaft, als daß ein einigermaßen verständiger Mensch sich darauf hätte einlassen können. Es blieb ihm also vernünftigerweise keine andere Wahl, als sich den beiden verbündeten Höfen anzuschließen, um an der Teilung Polens teilzunehmen und dadurch das Gleichgewicht zwischen den drei Mächten zu erhalten.

Infolge dieses Entschlusses erhielt van Swieten den Auftrag, im Namen seines Hofes die Zeichnung einer Akte vorzuschlagen, in der die drei Höfe versprachen, bei der Teilung vollkommene Gleichheit zu wahren. Dieser berechtigte Vorschlag ward ohne Umstände angenommen, well er alle Hindernisse beseitigen mußte, die bisher soviel Verlegenheiten bereitet hatten, und weil er das einzige Mittel zur Verhütung eines allgemeinen Krieges war, den man mit gutem Grunde befürchtete. Die Akte wurde sogleich unterzeichnet (4. März) und ausgewechselt.

Dies Abkommen zwischen den Höfen von Berlin und Wien ward unverzüglich dem Petersburger mitgeteilt. Die Zarin empfing die wichtige Nachricht mit Vergnügen: sah sie sich doch durch den Beitritt Österreichs von der Bürde eines neuen Krieges befreit, den sie vielleicht nicht ohne Mühe durchgeführt hätte. Sie befolgte den Rat des Königs, der sie ermahnte, die Zahl ihrer Feinde soviel wie möglich zu vermindern; und so ward die gleiche Konvention denn auch bald in Petersburg zwischen den beiden Kaiserhöfen unterzeichnet (19. März).

Nun beeilte man sich, eine Übereinstimmung zwischen den Anteilen der drei Höfe herbeizuführen. Was zwischen Preußen und Rußland ausgemacht war, wurde der Kaiserin-Königin sofort mitgeteilt. Seinen Vorteil vergaß der Wiener Hof bei seinem Contreprojekt nicht. In seiner Vergrößerungsgier richtete er die Blicke auf eine Menge Woiwodschaften vom Fürstentum Teschen bis an die Grenzen der Walachei.<35> Ein Zipfel des beanspruchten Gebietes reichte über Belz hinaus bis dicht an Warschau. Die von dieser Linie eingeschlossenen Gebiete machten etwa ein Drittel von Polen aus; das aber widersprach offenbar dem Abkommen, das der Wiener Hof mit den anderen Mächten soeben erst geschlossen hatte. Man fand den von Österreich beanspruchten Anteil in Petersburg ebenso ungeheuerlich wie in Berlin. Durch ein so unziemliches Verhalten verletzt, übergab Graf Panin dem österreichischen Botschafter in Petersburg, Prinz Lobkowitz, eine Denkschrift, worin der Anteil der drei Höfe genau ausgerechnet war. Er schloß mit dem Wunsche, daß der Wiener Hof, um völlige Gleichheit herzustellen, auf den Besitz von Lemberg und die bedeutenden Salzbergwerke von Wieliczka verzichten möge, damit die Anteile sich glichen und sich niemand über Benachteiligung beklagen könnte.

Der Wiener Hof bestand jedoch nach wie vor auf der Stadt Lemberg und den Salzbergwerken von Wieliczka, die er durchaus behalten wollte. Dafür verzichtete er, um den Abschluß der Konvention zu erleichtern, auf die Woiwodschaften Lublin, Chelm und Belz. Als die Dinge soweit gediehen waren, galt es, eilig abzuschließen, wollte man nicht auf jede Teilung verzichten. Eine allzu genaue Ausrechnung der verschiedenen Anteile hätte zu endlosen Streitigkeiten geführt. Andere Mächte hätten unfehlbar aus dieser Uneinigkeit Nutzen gezogen, und alle bisher aufgewandte Mühe wäre umsonst gewesen. In dieser Überzeugung riet der König der Zarin zur Annahme der Bedingungen, die der Wiener Hof als sein Ultimatum bezeichnete. Sie begriff, daß die Augenblicke kostbar waren, und da nichts mehr im Wege stand, ward der Teilungsvertrag der drei kontrahierenden Höfe durch ihre Minister in Petersburg unterzeichnet (5. August 1772).

Die preußischen und russischen Erwerbungen wurden in diesem Vertrage so festgesetzt, wie oben angegeben. Was den Österreichern zufallen sollte, war ein Gebiet vom Fürstentum Teschen bis jenseits Sendomir und der Mündung des Sanflusses. Die Grenze bildete eine gerade Linie, die sich bis zum Bug und von da bis zum Dnjester und zu den Grenzen Podoliens und der Moldau hinzog. Die drei Höfe garantierten sich ihren gegenseitigen Besitz und versprachen gemeinsam darauf hinzuwirken, daß die Republik Polen ihre Zustimmung zu den verlangten Abtretungen gäbe. Durch so viele Erwerbungen besänftigt, versprach der Wiener Hof sich im Verein mit Preußen bei der Pforte zu verwenden, damit sie die von Rußland gemachten Friedensvorschläge annähme. Die drei Mächte setzten die Besitznahme auf den 1. September fest. Man kam überein, dem König von Polen zu diesem Zeitpunkt eine zwischen den drei Mächten verabredete Erklärung zuzustellen, um die Republik von den getroffenen Vereinbarungen in Kenntnis zu setzen und sie zur Berufung eines außerordentlichen Reichstages zu veranlassen, der an der völligen Pazifizierung Polens arbeiten sollte. Auf diesem Reichstage wollten Rußland, Österreich und Preußen eine Denkschrift vorlegen, die die Gebietsansprüche jeder Macht enthalten sollte, nebst den Rechten, die sie darauf zu haben glaubte.

<36>

Der König gründete seine Ansprüche auf Pomerellen und einen Teil Großpolens diesseits der Netze darauf, daß die Polen jene vormals zu Pommern gehörenden Provinzen davon abgerissen hätten. Die Stadt Elbing forderte er auf Grund eines klaren Anspruchs und einer Geldsumme, die seine Vorfahren der Republik auf die Stadt vorgeschossen hatten36-1. Das Bistum Ermland und die Woiwodschaften Marienburg und Kulm bildeten die Entschädigung für Danzig, die Hauptstadt Pomerellens, das seine Freiheit behielt. Wir wollen keine Verantwortung für die Rechtsgültigkeit der russischen und noch weniger der österreichischen Ansprüche übernehmen.

Es bedurfte des Zusammentreffens einzigartiger Umstände, um diese Teilung herbeizuführen und die Gemüter dafür zu gewinnen; sie mußte erfolgen, um einem allgemeinen Kriege vorzubeugen.

Das war das Ende so vieler Unterhandlungen, die Geduld, Festigkeit und Geschick verlangten. Für diesmal gelang es, Europa vor einem allgemeinen Kriege zu behüten, dessen Ausbruch nahe bevorstand. So widerstreitende Interessen wie die der Russen und Österreicher waren schwer zu vereinen. Um die Russen für ihre Eroberungen zu entschädigen, die sie auf Österreichs Verlangen der Pforte zurückerstatten sollten, gab es kein anderes Mittel, als ihnen Erwerbungen in Polen zuzuweisen. Die Kaiserin-Königin hatte durch die militärische Besetzung der Herrschaft Zips das Beispiel dazu gegeben. Um das Gleichgewicht zwischen den nordischen Mächten einigermaßen aufrechtzuerhalten, mußte sich der König an dieser Teilung notwendig beteiligen.

Das ist in der Geschichte das erste Beispiel einer Teilung, die zwischen drei Mächten friedlich geregelt und beendet ward. Ohne die damalige politische Lage Europas wäre sie auch den geschicktesten Staatsmännern nicht gelungen: alles hängt von den Umständen und von dem Zeitpunkt ab, in dem die Dinge geschehen.

Die Sorge um die Vereinigung so vieler Interessen nahm nicht die ganze Aufmerksamkeit der drei Mächte in Anspruch. Nicht weniger drängte man die Türken, in die Abhaltung eines Kongresses zu willigen. Der österreichische Internuntius in Konstantinopel36-2 sprach nicht mehr von den so dringend geforderten Subsidien36-3, noch von den Diversionen, die sein Hof zugunsten der Pforte machen wollte; statt die Türken zur Fortsetzung des Krieges aufzumuntern, wirkte er in Gemeinschaft mit dem preußischen Vertreter36-4 darauf hin, daß der Sultan Gesandte zum Friedenskongreß schickte. Die Bevollmächtigten wurden von beiden kriegführenden Mächten ernannt. Auch der preußische und österreichische Gesandte begaben sich nach Fokschani (August 1772), wo öle Konferenzen stattfanden. Graf Orlow, der Günstling der Zarin, führte von feiten Rußlands den Vorsitz, und Osman Effendi von türkischer<37> Seite. Beide Gesandten schienen über die Hauptpunkte des Vertrages, ja selbst über die Unabhängigkeit der Tartaren einig. Als man jedoch den Vertrag Artikel für Artikel durchging, legte Osman Effendi einen anderen Entwurf vor, nach dem dem Sultan das Recht bleiben sollte, die Wahl des neuen Tartaren-Khans zu bestätigen und die Rechtspflege in der Krim auszuüben. Dieser Vorschlag ward abgelehnt; Osman Effendi legte einen gemäßigteren Entwurf vor, der aber sowenig wie der erste angenommen wurde. Darauf erklärte er: nachdem er alle Mittel erschöpft hätte, die ihm seine Instruktion gestatte, und nachdem er alle Bedingungen herabgesetzt hätte, die den Russen am mißfälligsten seien, sähe er doch, daß man alle seine Vorschläge ohne Rücksicht auf die Mäßigung des Sultans verwerfe, und so bliebe ihm nichts übrig, als um Pferde zur Rückkehr nach Konstantinopel zu bitten. Orlow nahm ihn beim Worte. Seine eigenen Interessen riefen ihn nach Petersburg zurück, wo seine Feinde ihn während seiner Abwesenheit verdrängt hatten. So dauerte dieser mit soviel Mühe zusammengebrachte Kongreß nicht einmal bis zum Ende des Monats.

Je vorteilhafter sich die Dinge in Nord- und Osteuropa für Rußland gestalteten, desto mehr bemühte sich Frankreich, aus Mißvergnügen über das geringe Ansehen, in dem es stand, sich durch Umtriebe für seinen verlorenen Einfluß zu entschädigen. Es hoffte ihn wiederzugewinnen, wenn es Schweden ins Spiel zöge. Der schwedische Krom prinz, der sich damals auf Reisen in Frankreich befand, war gerade in Paris, als er den Tod seines Vaters, des Königs, erfuhr37-1. Die Minister Ludwigs XV. benutzten die günstige Gelegenheit, um geheime Vereinbarungen mit dem jungen Herrscher zu treffen. Sie versprachen ihm die vom letzten Kriege her rückständigen Subsidien zu bezahlen, die Frankreich den Schweden noch schuldete. Die Summe belief sich auf 1 Million 300 000 Taler; ein Teil davon wurde ihm in Paris ausgehändigt und die Tilgung des Restes in Aussicht gestellt, falls er ihn zum Umsturz der schwedischen Verfassung benutzte und die Königsmacht wiederherstellte. Seitdem gab sich der lebhafte, ehrgeizige, aber leichtsinnige junge Herrscher der Ausführung dieses Planes rückhaltlos hin. Der Reichstag, der sich zu seiner Krönung versammeln sollte, bot ihm die erwünschte Gelegenheit dazu. Nach Stockholm zurückgekehrt, schickte er Sendlinge, mit Geld versehen, in alle Provinzen seines Reiches, um die Landboten und einen Teil der Truppen zu bestechen. Sein Bruder, Prinz Karl, stellte sich an die Spitze eines dieser Korps, um es zur Unterstützung des Königs nach der Hauptstadt zu führen. Allein der junge Monarch wartete sein Eintreffen garnicht ab; er hatte das Garderegiment und das Artillerieregiment gewonnen, bemächtigte sich mit ihrer Hilfe des Zeughauses, ließ Kanonen auf den Straßen und Plätzen auffahren, berief den durch diese ungewohnten Maßregeln eingeschüchterten Senat und ließ sich von dieser Körperschaft, die die ganze Nation repräsentierte, zum Selbstherrscher erklären (19. August 1772).

<38>

Dies unerwartete Ereignis rief am Berliner Hof einige Besorgnis hervor. Der König hatte sich durch seinen Vertrag mit Rußland verpflichtet, die schwedische Verfassung von 1720 aufrechtzuerhalten38-1. Er wußte wohl, welch lebhaften Eindruck eine so plötzliche Umwälzung auf die Zarin machen würde. Der Kongreß zu Fokschani war zwar soeben gescheitert, aber die Russen und Türken hatten neue Unterhandlungen angeknüpft, um in Bukarest einen anderen zu berufen. Kam der Friede zwischen beiden Mächten zustande, so war zu erwarten, daß Rußland unverzüglich an die Wiederherstellung der alten schwedischen Verfassung gehen werde. Der junge König von Schweden aber, der auf Frankreichs Beistand zählte, hätte niemals freiwillig auf die eben erlangte Souveränität verzichtet. Das bot Veranlassung zu einem neuen Kriege, in dem der König die Waffen gegen seinen Neffen hätte führen müssen. Die Natur, die sich im Herzen der Könige ebenso regt wie in dem der Bürger, sträubte sich gegen einen solchen Entschluß. Andrerseits verlangte die Politik und die Bundestreue, ihn zu fassen. In dieser Verlegenheit nahm der König seine Zuflucht zum Wiener Hofe, um durch dessen Vermittlung die erste Aufwallung des Petersburger Hofes zu beschwichtigen. Trotzdem hätten Zorn und Nachsucht bei der Zarin obgesiegt, hätten die Türken nicht mit großer Festigkeit die harten und beschwerlichen FriedensbedinZungen zurückgewiesen, zu deren Annahme man sie zwingen wollte.

Unterdessen sah der König von Schweden ein, welche Gefahr ihm von Rußland drohte, und nahm sich vor, vorerst Dänemark abzufertigen, um nicht mit zwei Feinden zugleich kämpfen zu müssen.

Dies nötigt uns, etwas weiter auszuholen, um die Gründe der Handlungsweise des Schwedenkönigs genau darzulegen. Der König von Dänemark38-2 war zu jung auf den Thron gelangt, um schon Erfahrung zu haben. Er war von alten, in Hofkabalen erfahrenen Ministern umgeben, die mehr an sich selbst als an das Gemeinwohl dachten und nur danach strebten, ihren Gebieter zu beherrschen. Da diese Nebenbuhler einander stets zu verdrängen suchten, so kam es zu häufigen Entlassungen; jeder Tag brachte neue Minister und neue Negierungspläne. Saldern, der damalige russische Gesandte am dänischen Hofe, hatte, wie schon gesagt38-3, den Austausch des Herzogtums Holstein gegen Oldenburg und Delmenhorst vermittelt. Dieser Gesandte eines fremden Hofes war übermächtig in Kopenhagen; er beredete den König zu reifen und fremde Länder zu besuchen, um ihn dadurch von seinem geplanten Besuche des Königreichs Norwegen abzubringen, wo er wie man befürchtete, Neuerungen einführen würde, die seinen Interessen zuwiderliefen.

Kurz nach seiner Vermählung mit Prinzessin Karoline Mathilde, der Schwester des Königs von England, verließ er Kopenhagen, begab sich nach London und von da nach Paris (1768). Seine Höflinge und seine Umgebung bestärkten seinen natürlichen Hang zur Wollust und Ausschweifung. Von seiner Reise brachte der König<39> eine geheime Krankheit mit, die er verschleppt hatte. Die Königin, seine Gemahlin, erlangte unter dem Vorwande, für die Wiederherstellung seiner Gesundheit zu sorgen, Macht über ihn und schlug ihm einen Arzt namens Struensee39-1 vor, der ihn gewiß wieder heilen würde. Durch den Zutritt bei Hofe, den dieser Mann hatte, gewann er allmählich mehr Einfluß auf die Königin, als sich dies für einen Mann von niederer Herkunft schickte.

Dies Verhältnis, das sich täglich vertraulicher gestaltete, nötigte die Königin zur äußersten Vorsicht, damit der König die Schande, die sie ihm antat, nicht merkte. Um bei ihren anstößigen Zusammenkünften nicht überrascht zu werden, kamen die Königin und der Arzt, wie behauptet wurde, auf den Einfall, dem König statt Medizin Opium einzugeben, während dessen Wirkung er außerstande war, sie zu stören. Der allzu häufige Gebrauch des Schlafmittels griff den Geist des jungen Königs stark an. Er litt an häufigen und so anhaltenden Geistesstörungen, daß die Königin und der Arzt sich der Zügel der Regierung bemächtigten. Struensee wurde zum Premierminister ernannt und war einige Monate wirklich König von Dänemark. Der dem Thron angetane Schimpf empörte die Dänen. Schließlich entdeckte man, daß die Königin und ihr Minister den Plan verfolgten, den König für regierungsunfähig erklären zu lassen und sich unter diesem triftigen Vorwande der Regentschaft zu bemächtigen. Das empörte die Gemüter vollends.

Man fand, daß man sich mit Schande bedeckte, wenn man das Königreich der Gefahr aussetzte, unter die Herrschaft eines Bastardgeschlechtes zu fallen, dessen Stammvater ein deutscher Arzt wäre. Marinetruppen, die entlassen werden sollten, weil die Hofkabale ihnen mißtraute, waren die ersten, die den Anstoß zur Revolution gaben. Zwei Generale und Minister Graf Osten39-2 begaben sich insgeheim zur Königin Juliane39-3, der Stiefmutter des Königs, schilderten ihr in grellen Farben die Gefahren, die ihr, ihrem Stiefsohn und dem ganzen Reiche drohten, und beschworen sie, in einem so kritischen Augenblick einen entscheidenden Schritt zu tun. Sie bestimmten sie dazu, nach einem Balle, der tief in die Nacht hinein dauern sollte, sich auf einer Geheimtreppe in das Schlafzimmer des Königs zu begeben, um ihn vor der drohenden Gefahr zu warnen und ihn unverzüglich einen Befehl unterzeichnen zu lassen, der die Generale ermächtigte, den einen, die Königin Karoline Mathilde gefangen zu nehmen, und den anderen, sich des Arztes und Premierministers zu versichern.

Der Plan kam zur Ausführung, wie er erdacht war39-4. Die Königin wurde in eine Festung eingesperrt und der Arzt nebst seinen Anhängern vor Gericht gestellt. Aus Furcht vor der Folter gestanden sie alle Verbrechen, deren man sie beschuldigte. Die Ehe der Königin Karoline Mathilde wurde für null und nichtig erklärt; auf An<40>suchen des Königs von England erhielt sie die Erlaubnis, Dänemark zu verlassen und sich ins Kurfürstentum Hannover zurückzuziehen. Sie ließ sich in Celle nieder, wo sie von ihrem Bruder mit einer Auszeichnung behandelt ward, deren sie sich durch ihre Verbrechen unwürdig gemacht hatte. Der Arzt und Graf Brandt40-1 wurden, nachdem ihnen der Prozeß gemacht war, enthauptet (28. April). Königin Juliane, ües Königs Stiefmutter, übernahm die Leitung der Staatsgeschäfte.

Zu Anfang dieser Regierung, die eigentlich nur eine Vormundschaft war, ging alles schwach. Die Geistesstörung des Königs war so gut wie eine Unmündigkeit. Die Norweger, die mit Abgaben belastet worden waren, um die Bank vor dem Zusammenbruch zu bewahren, begannen zu verschiedenen Malen ihre Unzufriedenheit ziemlich offen kundzugeben. Die fast gleichzeitige Umwälzung der schwedischen Verfassung erweckte lebhafte Besorgnis am Kopenhagener Hofe; er fürchtete die Unternehmungen eines jungen Nachbarfürsten und geborenen Feindes der Dänen. Um dem zu begegnen und seinen vermutlichen Angriffen vorzubeugen, sandte Königin Juliane General Huth mit einigen Truppen nach Norwegen, um das Land vor jedem fremden Einfall zu schützen.

Auf die Unzufriedenheit der Norweger und ihre Verstimmung gegen ihren Hof gründete der König von Schweden seine Hoffnungen. Einige Abgesandte der norwegischen Bauern, die ihn auf Schloß Ekolsund aussuchten, versicherten ihm, er brauche sich nur mit einigen Truppen an ihrer Grenze zu zeigen, um den norwegischen Bauern Mut zu machen und sie alle auf seine Seite zu bringen. Ohne zu prüfen, ob die Nation durch den Mund dieser Abgesandten zu ihm spräche oder ob sie nur die Wortführer einiger obskurer Mißvergnügter waren, brach der König sofort unter dem Vorwande der sogenannten Eriksgata40-2 auf (7. November) und bereiste die südlichen Provinzen in Schonen und nach der norwegischen Grenze hin. Er schickte eine in drohenden Ausdrücken abgefaßte Note an den dänischen Hof, worin er Rechenschaft über die außerordentlichen Kriegsrüstungen der Dänen in Norwegen verlangte (1.November). Gleichzeitig traf er seinerseits alleVorbereitungen zum Kriege. Schwedische Truppen, mit Artillerie versehen, rückten an die norwegische Grenze. Seine Sendboten trieben sich haufenweise in Norwegen herum, um das Volk aufzuwiegeln; auch versuchte er, freilich umsonst, die Werft zu Kopenhagen in Brand stecken zu lassen. Kurz, alles bereitete sich auf einen Bruch zwischen beiden Staaten vor, und der wäre wohl auch erfolgt, hätte nicht der Berliner Hof durch die stärksten Vorstellungen beide Mächte dazu vermocht, sich gegenseitig über ihren Argwohn auszusprechen und sich wieder zu versöhnen40-3. Auf diese Vorstellungen hin kehrte der König von Schweden in seine Hauptstadt zurück, und die Dänen beruhigten sich.

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Hatte schon die Verfassungsänderung in Schweden der Zarin mißfallen, so erregten die Maßnahmen des Königs an der norwegischen Grenze noch mehr Anstoß bei ihr. Sie fürchtete, ein so unruhiger, tatendurstiger und unbesonnener junger Fürst wie der König von Schweden könne mit derselben Leichtigkeit einen Angriff auf die Grenzen von Esthland und Finnland unternehmen. Beide Provinzen waren damals von Truppen entblößt; die russischen Heere standen in Bessarabien, in der Krim, und mehr als 50 000 Mann überschwemmten Polen. Unter diesen Umständen glaubte die Zarin, über ihren Eroberungen im Orient und der Unterwerfung der Sarmaten die Sicherung ihrer eigenen Provinzen nicht vernachlässigen zu dürfen. Zu dem Zweck rief sie von ihren Truppen in Polen 20 000 Mann ab und besetzte mit ihnen Livland und diejenigen Provinzen, die sie den Angriffen Schwedens ausgesetzt glaubte.

Andrerseits zeigte sie sich geneigter, den eben abgebrochenen Kongreß mit der Türkei wieder aufzunehmen. Der neue Kongreß ward zu Bukarest eröffnet41-1; der Neis-Effendi41-2 war Bevollmächtigter der Pforte und Obreskow der der Russen. Der preußische und österreichische Gesandte wohnten ihm nicht bei, da die Russen mit Thugut unzufrieden waren, der als Gesandter der Kaiserin-Königin am ersten Kongreß teilgenommen hatte41-3. Die Russen wiederholten zunächst ihre maßlosen Bedingungen; dann gaben sie in mehreren Punkten nach. Jedoch die Abtretung der Festungen Kertsch und Ienikala in der Krim an der Meerenge von Kertsch, deren Besitz den Russen den Zugang zum Schwarzen Meer eröffnete, war ein unübersteigliches Hindernis für den Friedensschluß. Die Körperschaft der Ulemas oder Schriftgelehrten erklärte dem Sultan, sie werde nie zugeben, daß Rußland durch diese Abtretung in den Stand gesetzt würde, eine Flotte auszurüsten, die Konsiantinopel selbst auf das schwerste bedrohe. Rußland erklärte seinerseits, daß der Besitz der beiden Plätze eine Bedingung sei, von der es nie abstehen würde. Daraufhin schickte jeder der beiden Höfe sein Ultimatum an seine Bevollmächtigten. Die Russen erboten sich, ihre Geldforderungen nachzulassen, falls die Türken auf das übrige eingingen, und die Türken boten 20 Millionen Rubel an, wenn der Zustand vor dem Kriege wieder hergestellt würde. Nachdem die Bedingungen beiderseits abgelehnt waren, ging gegen Ende März 1773 dieser zweite Kongreß wie der erste auseinander.

Zwei Ursachen hatten ihn zum Scheitern gebracht: die erste ist nur den lästigen, harten und demütigenden Bedingungen zuzuschreiben, zu denen Katharina den Sultan Mustapha zwingen wollte, die andere dem Ränkespiel Frankreichs, das nicht nur die vornehmsten Wesire und Großen der Pforte durch Bestechung gewann, sondern sie auch durch die Aussicht ermutigte, daß der König von Schweden sich zu einem Kriege gegen Finnland vorbereite, um eine Diversion zu ihren Gunsten zu machen. Sie fügten hinzu, daß Frankreich gegenwärtig in Toulon ein starkes Geschwader ausrüste, das nach den Levantehäfen abgehen und im Archipel kreuzen solle.

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Der Versailler Hof beschränkte sich nicht auf diese kleinen Intrigen. Er tadelte das Benehmen der Kaiserin-Königin, die sich als Frankreichs Verbündete mit Rußland und Preußen zusammengetan und die Partei der Mächte ergriffen hätte, die Frankreich als Feinde seiner Sache ansähe. Um sich an den Österreichern zu rächen, entwarf man in Versailles den Plan einer Quadrupelallianz zwischen den Höfen von Versailles, Madrid, Turin und London. Man fing an, alle möglichen Ränke zu schmieden, um England gegen Preußen und Rußland aufzuhetzen. Die französischen Sendboten streuten zahlreiche Flugschriften aus. In einigen wurde den Engländern bewiesen, welch beträchtlicher Schaden ihr Handel erlitten hätte, seit der König von Preußen im Besitz des Danziger Hafens sei. In anderen übertrieben sie die Verluste, die dem englischen Handel bevorständen, wenn die Russen freie Schiffahrt auf dem Schwarzen Meere erhielten. Diese überall ausgestreuten Schriften machten schließlich einigen Eindruck. Die englische Entrüstung war bald entflammt, und ohne zu wissen warum, zeterte das Volk, der Danziger Hafen werde Großbritanniens Handel zugrunde richten.

Ich brauche hier nicht all die Unannehmlichkeiten zu erwähnen, die aus diesem Geschrei entstanden; unerläßlich aber ist es, mitzuteilen, daß die Engländer sich an Rußland wandten und von der Zarin verlangten, ihr Gesandter solle im Verein mit dem englischen42-1 dem König von Preußen in seinen eigenen Staaten Gesetze vorschreiben, damit er seinen Vorteil ihren Launen opfere, gleich als gehörten diese Staaten ihm nicht mit demselben Rechte, wie den beiden anderen Mächten die von ihnen besetzten Gebiete.

Die Russen gingen nicht ganz auf diese unsinnigen Ideen der Engländer ein. Der Türkenkrieg war noch nicht beendet; der König zahlte Subsidien; sie mußten ihn also schonen. Es kam zu einigen weitläufigen Unterhandlungen mit dem Petersburger Hofe betreffs der Grenz- und Weichschölle und des Danziger Hafens42-2. Nach einigen Auseinandersetzungen zwischen beiden Höfen und nachdem man dem Petersburger Hofe vorgestellt hatte, daß jeder im eigenen Hause Herr sei und somit in der Verwaltung seiner Finanzen durch niemand behelligt werden dürfe, fanden die Russen diese Gründe gültig, und die Dinge blieben, wie sie waren.

Der Plan der Franzosen und Engländer war arglistiger, als wir ihn dargestellt haben. Ihre Absicht war, Preußen mit Rußland wegen des Danziger Hafens zu entzweien. Obgleich das Resultat ihrer Erwartung nicht entsprach, ließen die Engländer den russischen Hof doch merken, wie eifersüchtig und neidisch sie auf den Handel im Schwarzen Meere waren, den die Russen zu treiben beabsichtigten. Allein der Abbruch des Bukarester Kongresses befreite sie von ihren Besorgnissen.

<43>

Wir haben vor kurzem erwähnt, daß Graf Orlow in Ungnade gefallen war. Ein Graf Potemkin43-1 ersetzte den früheren Günstling. Dies Ereignis oder, wenn man will, diese Hofkabale rief im Petersburger Ministerium beinahe eine Umwälzung hervor. Graf Orlow hatte trotz seiner Verbannung nicht allen Einfluß auf die Zarin verloren. Es gelang ihm, sich zurückrufen zu lassen, und obwohl er das vertraute Verhältnis mit ihr nicht wieder anzuknüpfen vermochte, ward er doch in alle früher bekleideten Würden von neuem eingesetzt. Das erste Gefühl bei seiner Rückkehr war eine unmäßige Begierde, sich an seinen Feinden zu rächen. Gegen Graf Panin, den er für den Schuldigsten hielt, richtete er denn auch all seine Nachtust. Plötzlich sah dieser Premierminister sich von allen Freunden verlassen. Seine Herrin vernachlässigte ihn. Saldern, seine Kreatur, von dem schon die Rede war43-2, hatte ihn umsonst in einen von ihm entworfenen Revolutionsplan zu verwickeln gesucht und schlug sich darum ebenfalls zur Partei Orlows. Diese beiden Männer, die ein gleiches Interesse verband, arbeiteten gemeinsam daran, den Premierminister bei der Zarin anzuschwärzen, der er stets redlich gedient hatte. Bei Hofe hielt man Panin ein paar Tage lang für rettungslos verloren. Zum Glück behauptete er sich; denn sein Sturz wäre für alle Mächte verderblich geworden, deren politisches System sie mit Rußland verband. Nichtsdestoweniger verzögerte diese Erschütterung die Ausführung vieler wichtiger Dinge, und der Danziger Hafen ward bis 1774 vergessen. Die Aufmerksamkeit des russischen Hofes war durch eine Menge von Geschäften in Anspruch genommen. Er vernachlässigte diese Kleinigkeit, und Graf Golowkin, der zur Beilegung des Streites nach Danzig geschickt war, blieb dort in völliger Untätigkeit.

Die inneren Wirren am Petersburger Hofe und die verschiedenen Parteien, die auf den Sturz ihrer Gegner hinarbeiteten, beeinflußten die Staatsgeschäfte und riefen neuen Hader hervor, bald wegen des Danziger Hafens, bald wegen des Zolls und schließlich wegen der Grenzen der neuen Erwerbungen. Die Unfreundlichkeit ging so weit, daß der König wegen eines Streifens jenseits der Netze, den er in seine Grenze einbezogen hatte, schikaniert wurde43-3. Ferner machte man ihm Schwierigkeiten wegen des Gebietes von Thorn, das er angeblich zu sehr eingeschränkt hatte, obgleich es nach den genauesten Karten geregelt war, die man sich hatte beschaffen können. Ähnliche Scherereien machten die Russen den Österreichern wegen eines ziemlich beträchtlichen Gebietes jenseits des Sanflusses, das sie sich angeeignet hatten. Der König versprach aus Gefälligkeit gegen die Zarin, sich in mancher Hinsicht ihren Wünschen zu fügen, allerdings unter der Bedingung, daß die Österreicher ein gleiches täten. Aber der<44> Wiener Hof kehrte seinen Hochmut heraus und zeigte sich in seiner ganzen Würde: er erklärte, nicht einen Zoll breit von seinen Besitzungen abzutreten. Diese stolze und bestimmte Erklärung der Österreicher bewirkte, daß die Russen sich stillschweigend verhielten und die Dinge so blieben, wie sie waren.

All diese kleinen Scherereien kamen von dem Hasse des zum Fürsten erhobenen Grafen Orlow gegen Graf Panin: er beschuldigte ihn, den Anteil der Verbündeten Rußlands zu vorteilhaft bemessen zu haben, und der Minister, der seine Stellung erschüttert sah, hatte nicht den Mut, fest auf den Punkten zu bestehen, über die man sich in dem preußisch-russischen Vertrage geeinigt hatte.

Zu jener Zeit wurde die Hochzeit des Großfürsten in Petersburg gefeiert (10. Oktober 1773). Graf Panin, sein früherer Erzieher, verließ ihn nun, und die Zarin belohnte ihn nicht nur großmütig, sondern schenkte ihm auch ihr Vertrauen wieder, da sie die Verleumdungen und Versuche, ihn anzuschwärzen, durchschaute.

Nur durch Umtriebe und Kabalen war es dem König gelungen, die Wahl der Zarin bei einer Schwiegertochter auf die Prinzessin von Darmstadt44-1, die leibliche Schwester der Prinzessin von Preußen44-2, zu lenken. Um Einfluß in Rußland zu haben, mußte man Personen dort hinbringen, die es mit Preußen hielten. Man durfte hoffen, daß dies dem Prinzen von Preußen nach seiner Thronbesteigung zu großem Vorteil gereichen würde. Asseburg44-3, ein Untertan des Königs, der in russische Dienste getreten war, erhielt den Auftrag, alle deutschen Höfe, die heiratsfähige Töchter hatten, zu bereisen und darüber Bericht zu erstatten. Der König weckte seinen patriotischen Eifer und wies ihn daraufhin, daß ihm die Prinzessin von Darmstadt die liebste sei. Der Gesandte leistete dem König so gute Diensie, daß die Prinzessin zur Gemahlin des Großfürsten auserkoren ward. Derartige für die Zukunft getroffene Maßregeln können trügen; trotzdem darf man sie nicht vernachlässigen.

Während Petersburg im Festjubel der Vermählungsfeier war, trat in Warschau der polnische Reichstag zusammen, und die drei Höfe veröffentlichten dort ein Manifest mit dem Nachweis ihrer Rechte. Man verlangte, daß der König und die Republik folgendes unterzeichneten: 1. den Abtretungsvertrag für die drei Höfe; 2. die Pazifizierung Polens; 3. eine feste Apanage für den König; 4. die Einsetzung eines ständigen Staatsrats; 5. einen gesicherten Fonds, damit die Republik 30 000 Mann unterhalten könne. Die drei Nächte taten sich zur Bildung einer Kasse zusammen, die für Bestechungen bestimmt war, besonders zur Durchdringung eines Gesetzes, wonach die Polen nur einen Piasten zum König wählen durften.

Zugleich ließ jede Macht 10 000 Mann in Polen einrücken. Alle sandten ferner einen General nach Warschau, die Österreicher Richecourt, die Russen Bibikow, die Preußen Lentulus44-4. Sie hatten Befehl, gemeinsam zu handeln und streng gegen die<45> Großen zu verfahren, die Kabalen schmiedeten oder den Neuerungen, die man in ihrem Lande einführen wollte, Hindernisse in den Weg legten.

Anfangs waren die Polen störrisch und widersetzten sich allen Vorschlägen, und die Landboten der Woiwodschaften kamen nicht nach Warschau. Dieses Hinauszögerns und Widerstandes müde, schlug der Wiener Hof vor, einen Termin für die Versammlung des Reichstages festzusetzen, mit der Drohung, daß die drei Höfe, falls die Landboten sich nicht einfänden, ungesäumt das ganze Königreich unter sich aufteilen würden. Andrerseits würden die drei Mächte, wenn jene sich gefügig zeigten, Rücksicht gegen sie üben und sofort nach der Unterzeichnung der Abtretungsakte ihre Truppen aus dem Gebiete der Republik zurückziehen. Kaum war diese Erklärung veröffentlicht, so erledigte sich alles wie von selbst. Der Reichstag trat am 19. April zusammen; die Abtretungsakte wurden genehmigt und zuerst mit Österreich unterzeichnet, dann mit Rußland und am 18. September mit Preußen45-1. Man kam überein, Kommissare zur Festsetzung der Grenzen zu senden. Die Republik verzichtete zugunsten des Königs von Preußen auf das Heimfallsrecht des Königreichs Preußen und der Lehen Lauem burg, Bütow und Draheim45-2. Mehrere Artikel des Vertrages von Wehlau wurden aufgehoben und Polen alle ihm verbleibenden Provinzen garantiert. Ferner versprach der König, die katholische Religion in seinem Gebietsanteil so zu belassen, wie er sie vorgefunden. Die Artikel über die Gebiete von Danzig und Thorn wurden einem Sondervertrag vorbehalten.

Dieser Vertrag ward, ebenso wie der mit den beiden anderen Höfen, anfangs nur von den beiden Marschällen der Konföderation und vom Vorsitzenden der Delegation, sowie von den Gesandten der drei Höfe unterzeichnet. Die Gesandten begannen darauf mit den Mitgliedern der Delegation zu verhandeln. Man kam überein, einen ständigen Staatsrat zu schaffen, verschob jedoch die Erörterung darüber, die lang und breit werden konnte, auf die späteren Sitzungen.

Man muß die Polen für die leichtfertigste und oberflächlichste Nation in Europa halten. Sie wiegten sich ohne den geringsten Schimmer von Wahrscheinlichkeit in der Hoffnung, das Werk der drei Nachbarmächte bald wieder zu vernichten. Diese unlogischen Köpfe dachten so: der Feldzug der Russen ist dies Jahr nicht glücklich verlaufen; sie werden also im nächsten Jahre niedergeworfen werden. Die Eiferer für ihre alte anarchische Verfassung fügten übertreibend hinzu, der Sultan werde an der Spitze seiner tapferen Janitscharen bald in Rußland eindringen, Moskau und Petersburg einäschern, die Zarin entthronen und die Trümmer ihres weiten Reiches mit Polen teilen.

Um sich ein Bild davon zu machen, wie böswillig sie die Mißerfolge der Russen übertrieben, ist es nötig, zu berichten, was sich auf dem Kriegsschauplatz in diesem<46> Jahre zutrug, und sogar noch etwas weiter auszuholen. Seit dem Abbruch der Bukarester Verhandlungen glaubte die Zarin, an die unbegreiflichen Heldentaten ihrer Truppen gewöhnt, den Starrsinn des Sultans durch einen neuen Sieg brechen und ihn zur Annahme der Friedensbedingungen zwingen zu können, von denen sie nicht ablassen wollte. Dabei wähnte sie, der Gewinn einer Schlacht hinge nur von einem von ihr unterzeichneten Befehl ab. Sie befahl also dem Feldmarschall Rumänzow, mit seiner Armee über die Donau zu gehen und den Feind überall anzugreifen, wo er ihn träfe. Dem Feldmarschall widerstrebte es einigermaßen, seinen Ruf durch ein so gewagtes Unternehmen aufs Spiel zu setzen, und er stellte dessen Schwierigleiten vor: die in jener Gegend eine Meile breite Donau, die Unmöglichkeit, Brücken zu Magen, die Gefahr, am anderen Ufer unter dem feindlichen Feuer zu landen. Er fügte hinzu, daß man in Rumelien keine Niederlassung fände und befürchten müsse, in die gleiche Lage zu kommen wie Peter I. am Pruth46-1.

Seine Vorstellungen waren umsonst. Die Kriegsraison mußte der Ungeduld der Kaiserin weichen, und Rumänzow ging mit 35 000 Mann über die Donau46-2. Er schlug und vernichtete ein Beobachtungskorps, das die Türken bis ans Flußufer vorgeschoben hatten, und marschierte dann auf Silistria, um es einzunehmen. Die Stadt liegt in einer Bergschlucht und ist ohne Verteidigungswerke, aber die beiderseitigen Höhen waren stark befestigt. Dort lagerten 30 000 Türken, und die Armee des Großwesirs, die auf dem Hämusgebirge stand, war nahe genug, um ihnen beizustehen. Als Feldmarschall Rumänzow vor Silistria erschien, beschloß er, die Stadt im ersten Anlauf zu nehmen. Er teilte seine Armee in mehrere Korps, teils zur Unterstützung der Batterien, die das feindliche Lager beschossen, teils zum Angriff auf die Stadt an der weitesten Stelle der Bergschlucht. Der Rest blieb als Reserve zurück, um entweder die Angriffe zu unterstützen oder den Rückzug zu decken. Die Türken griffen mit ihren Spahis die Reserve und die Korps an, die die Batterien deckten, und fielen gleichzeitig den Detachements in den Rücken, die zwar in Silistria eingedrungen waren, sich aber mit recht beträchtlichen Verlusten wieder zurückziehen mußten. Auf die Nachricht von diesen Ereignissen schickte der Großwesir rasch eine starke Abteilung in den Rücken der russischen Armee zur Besetzung eines Defilees, durch das sie marschieren mußte, um wieder an die Donau zu gelangen. Hätte er die Gelegenheit wahrgenommen, so durfte er das Heer, das er vor sich hatte, nicht entrinnen lassen. Hätte er also mit Numänzows Nachhut unverzüglich ein Arrieregardegefecht begonnen, so hätte er aller Wahrscheinlichkeit nach die ganze über die Donau gegangene russische Armee vernichtet. Allein das Geschick hatte es anders beschieden. Der Großwesir blieb ruhig in seinem Lager, und Feldmarschall Rumänzow schickte auf die Meldung, daß ein türkisches Korps in seinem Rücken stände, General Weißmann mit<47> einem Detachement ab, um den Feind aus seinem Hinterhalt zu vertreiben. Das gelang dem tapferen General auch nach beispiellosen Heldentaten, aber er verlor dabei das Leben. Dieser bedeutende Erfolg erleichterte der russischen Armee den Rückmarsch zur Donau. Da aber nicht Schiffe genug vorhanden waren, um alle Truppen zugleich überzusetzen, brauchte man drei Tage dazu47-1, ohne daß die Türken auf den Gedanken gekommen wären, die Truppenteile, die auf die Rückkehr der Schiffe warteten, anzugreifen oder ihnen die Überfahrt im geringsten zu erschweren.

Die Zarin war sehr ungehalten über diesen Zug. Truppen aus Ingermanland, Esthland und Polen mußten herangezogen werden, um die Armee in der Walachei zu verstärken; gleichwohl verlor man den Mut nicht. Man entwarf neue Pläne in Petersburg und beschloß, sie gegen Ende des Herbstes auszuführen. Bei den Türken ist es nämlich Brauch, daß die asiatischen Truppen zu Beginn der späten Jahreszeit heimkehren. Die Russen wußten das und wollten die Schwächung der Armee des Großwesirs durch den Abgang so vieler Kombattanten benutzen. Auf Befehl der Zarin schickte Rumänzow verschiedene Detachements über die Donau47-2, und mit der Hauptmacht, etwa 20 000 Mann, deckte der Feldmarschall selbst hinter den Flüssen die eroberten Provinzen Moldau und Walachei. Er detachierte General Ungern, den Fürsten Dolgoruki und General Soltikow mit je 3 000 Mann. Ungern und Dolgoruki überfielen eine Türkenschar und schlugen sie in die Flucht, nahmen den Geraskier gefangen, der sie befehligte, und erbeuteten etliche Geschütze. Sie hatten Befehl, von da auf Warna zu marschieren, um sich dieses wichtigen Postens und des Hafens zu bemächtigen, durch den die Truppen des Wesirs ihre Verpflegung vom Schwarzen Meere her bezogen. Unglücklicherweise gerieten beide Generale in Streit, und Ungern rückte allein auf Warna. Er fand die Stadt gut befestigt, mit einem tiefen Wassergraben umgeben, von einer starken Besatzung verteidigt und den Hafen voll türkischer Fregatten, deren Geschütze das ganze Ufer bestrichen und die russischen Truppen sehr belästigten. Ungern sah ein, daß der Platz unmöglich mit Sturm zu nehmen war. Nachdem er den Plan aufgegeben hatte, ward er auf seinem Rückzüge von den Türken schwer bedrängt und verlor dabei sein Geschütz und einen recht beträchtlichen Teil seiner Leute. Immerhin gelangte er wieder zur Donau, während die Türken sich des Magazins bemächtigten, das die Russen für diesen Zug angelegt hatten. Dadurch wurden diese gezwungen, sämtlich über die Donau zurückzugehen. Erschöpft, verhungert, abgemattet und beträchtlich zusammengeschmolzen, stießen sie wieder zur Hauptarmee.

Das launenhafte Glück schien es damals müde zu sein, die Russen fortwährend zu begünstigen, und leichtfertig, wie es ist, zur Gegenpartei übergehen zu wollen. Schon waren zwei Unternehmungen hintereinander in Rumelien gescheitert, und als wäre das noch nicht genug, empörten sich auch noch die Kosaken am Don und am Iaik bei Orenburg. Sie beklagten sich vor allem darüber, daß der Hof ihre Privilegien ver<48>letzt habe, indem er sie wie reguläre Truppen in Regimenter steckte, daß 20 000 ihrer Leute ausgehoben und gegen die Türken geschickt worden seien, und daß man ihre Provinz erschöpfe, indem man sie mehr Leute und Pferde stellen ließe, als sie liefern könne. Ein Landstreicher stellte sich an ihre Spitze. Er redete ihnen vor, daß er den Zaren Peter III. mit sich führe48-1, der seine Frau, die Zarin, absetzen wolle, um seinen Sohn, den Großfürsten, auf den Thron zu erheben. Einige Nachbarprovinzen schlossen sich den Rebellen an. Ihre täglich zunehmende Zahl zwang die Zarin, soviel Truppen wie möglich aus Esthland, Ingermanland und Polen gegen die Aufständischen herbeizuziehen. General Bibikow übernahm die Führung dieses hastig zusammengerafften Korps; aber so sehr er sich auch beeilte, er konnte nicht vor März 1774 in das Gouvernement Kasan dringen.

Soviel Mißgeschick machte den an beständiges Glück gewöhnten Hof stutzig und stimmte die Zarin friedlicher als bisher. Mit Recht fürchtete sie, die große Anzahl der von den Provinzen verlangten Rekruten, die schon Murren hervorrief, möchte die Erbitterung der Russen zu offener Empörung steigern. Hinzu kam, daß die Waffenerfolge, die bei Beginn des Krieges Europa geblendet, im Laufe des letzten Kriegsjahres viel von ihrem Glanze verloren hatten. Da der Hof jetzt aufrichtig den Frieden wünschte, ersuchte Graf Panin den Grafen Solms (November 1773), den preußischen Gesandten bei der Pforte, Zegelin, zu bitten, er möchte in seinem eigenen Namen dem Kadileskier, der in Abwesenheit des Großwesirs die Geschäfte leitete, folgende Vorschläge machen:

1. die Pforte solle Kertsch und Ienikala abtreten48-2;

2. die Krim solle von ihrem Khan ohne Einmischung der Russen oder Türken regiert werden;

3. die freie Schiffahrt auf dem Schwarzen Meer solle sich auf Handelsschiffe beschränken, deren keines mehr als 4 bis 5 Kanonen führen dürfe, und allen russischen Kriegsschiffen solle die Einfahrt in die unter türkischer Herrschaft stehenden Häfen verwehrt sein;

4. statt Kinburn solle Oczakow den Russen verbleiben, damit sie wenigstens einen festen Platz mit einem Hafen am Schwarzen Meer hätten48-3;

5. aus Rücksicht auf dies Zugeständnis würden die Russen Bender und alle übrigen Eroberungen an die Türkei zurückgeben.

Um das Zartgefühl der Zarin Katharina zu schonen, der es widerstrebte, ihren Feinden zuerst Friedensvorschlage zu machen, übernahm es der König, die obigen Bedingungen nach Konsiantinopel zu schicken. Er tat dies um so lieber, als ihm selber an der Beendigung des Krieges lag, der durch seine Fortdauer ebenso unangenehme wie Verdrießliche Ereignisse herbeiführen konnte. Dieser neue Friedensversuch <49>hatte kein besseres Schicksal als die vorhergegangenen. Beide Mächte waren zu stolz und hochmütig, als daß man sie hätte versöhnen können.

Unterdes starb zu Konstantinopel Mustapha III., der während des Krieges regiert hatte. Sein Bruder bestieg nach ihm den Thron49-1. Er kannte nichts als das Gefängnis des Serails, in dem er groß geworden war. Unwissend, von beschränktem und schwachem Verstande, überließ er die Geschäfte seiner Schwester49-2 und dem Großwesir, und man bemerkte keine Veränderung in der Regierung. Allein trotz des Hochmutes, den beide Höfe zur Schau trugen, fühlten sie doch gleichermaßen das Bedürfnis nach Frieden, und da sie so vieler vergeblicher Kongresse überdrüssig waren, versuchten sie ein neues Mittel zur Aussöhnung durch Anknüpfung direkter UnterHandlungen zwischen dem Großwesir und Feldmarschall Rumänzow. Aber auch diese Unterhandlung scheiterte an der Forderung der Unabhängigkeit der Krim und der Abtretung der Festungen, die Rußland verlangte. Sie schleppte sich bis zum Juni hin, wo der Feldzug eröffnet wurde.

Zur Vermeidung einer allgemeinen Schlacht hatte der Großwesir sein Lager auf den bulgarischen Bergen gewählt und stellte Rumänzow nur starke Detachements entgegen. Dieser wünschte seinen Ruf wiederherzustellen, der unter den unglücklichen Operationen des letzten Feldzuges ein wenig gelitten hatte. Nachdem er mit seiner Armee die Donau überschritten hatte, gelang es ihm, das Heer des Großwesirs mit Detachements zu umgehen, die alle ihnen entgegentretenden Truppen schlugen. Nun verstärkte Numänzow diese Korps, und eins von ihnen hatte das Glück, einen ansehnlichen Transport für die türkische Hauptarmee zu vernichten und zu erbeuten. Dadurch wurde der Großwesir gleichsam in seinem eigenen Lager ausgehungert, und General Kamenskoi schnitt ihm die Verbindung mit Adrianopel ab. Wäre der Türke wagemutig gewesen, er hätte sich diese Verbindung mit dem Degen in der Faust wieder eröffnet. Doch schon lief der größte Teil seiner Truppen aus Mangel an Nahrung davon, nachdem sie sein eigenes Lager geplündert hatten. Darob verlor der unglückliche Großwesir den Kopf und hielt sich für verpflichtet, alle Friedensbedingungen zu unterzeichnen, die Feldmarschall Numänzow ihm vorschrieb.

Dieser Friede machte die Krim unabhängig und trug den Russen Asow, Kinburn und Jenikala ein. Außerdem bewilligten die Türken ihnen freie Schiffahrt in den Dardanellen, im Marmarameer und im Archipel, sowie eine Kriegsentschädigung von 4 ½ Millionen Rubeln. Diese für die Zarin so ruhmvollen Präliminarien wurden am 21. Juli 1774 im Lager des Feldmarschalls Numänzow unterzeichnet49-3. Der Großwesir führte unverzüglich die wenigen ihm gebliebenen Truppen nach Adrianopel, wo er vor Kummer und Gram starb.

Das Glück, dessen sich das russische Reich durch seine Erfolge über die Türken erfreute, fand sein Gegengewicht in der Besorgnis, die der Kosakenaufstand hervorrief.<50> Jenem Pugatschew, der die Rebellen anführte, gelang es, alles Volk von den Ufern des Jaik bis in die Umgegend von Moskau auf seine Seite zu bringen. Selbst der Adel begann sich verführen zu lassen. Es fehlte diesem Parteiführer nichts als der Beistand des Glückes, um die Revolution, die er in Rußland anstiften wollte, zum Ausbruch zu bringen. Allein der soeben geschlossene Friede mit den Türken brachte alle seine Unternehmungen zum Scheitern. Die Truppen, die die Zarin aus Rumelien zurückkommen ließ, wurden gegen den Rebellen geschickt, schlossen ihn von allen Seiten ein, zersprengten seine Partei und schnitten ihm den Rückzug ab. Schließlich ward er von einem seiner Anhänger verraten und an die Russen ausgeliefert, die ihn verdientermaßen hinrichten ließen50-1.

Während dieser ganzen Zeit arbeiteten der polnische Reichstag und die Delegation an der sogenannten Verfassungsreform. Alles, was den ständigen Staatsrat betraf, ward geregelt. Auch wurden Fonds im Betrage von 1 Million 200 000 Talern für die Apanage des Königs angewiesen, andere für den Unterhalt der Armee bestimmt. Der Artikel über die Dissidenten, den man für den Heikelsten hielt, ward aus Furcht vor der Gärung, die er in den Gemütern hervorrufen konnte, für den Schluß des Reichstages aufgespart.

Da verbreitete sich neuer Lärm in Polen. Die Nation zeterte darüber, daß die Österreicher und Preußen ihre Grenzen angeblich unbeschränkt ausdehnten. Diese Klagen waren nicht ganz grundlos; denn die Österreicher, die eine der sämtlich ungenauen Karten von Polen mißbrauchten, hatten die Namen zweier Flüsse, des Sbrucz und des Podhorce, verwechselt und unter diesem Vorwand ihre Grenzen viel weiter gezogen, als es ihnen nach dem Teilungsvertrage zustand. Nun war aber ausgemacht worden, daß die drei Anteile so völlig gleich sein sollten, daß keine der drei Mächte mehr als die anderen erhielte. Da die Österreicher diese Bedingung verletzt hatten, glaubte der König es ebenso machen zu dürfen. Er dehnte also seine Grenzen aus und schloß die Alte und Neue Netze in den Teil von Pomerellen ein, den er schon besaß50-2. Der Petersburger Hof legte sich ins Mittel, und der König versprach, seine Grenzen wieder einzuschränken, wenn der Wiener Hof ein gleiches täte.

Die Polen hatten von dem Streit zwischen den drei Höfen erfahren und hielten den Augenblick für gekommen, um durch ihre Umtriebe Zwist, Erbitterung und Neid zwischen ihnen stiften zu können. Zu dem Zweck ward der polnische Kronfeldherr, Graf Branicki, nach Petersburg geschickt50-3, angeblich um die Sache der Republik zu vertreten, mehr aber, um die Zarin gegen Preußen und Österreicher zu erbittern, die sich in Polen als Herren ausspielten. Dieser Mann hatte, bevor er Kronfeldherr ward, Poniatowski nach Petersburg begleitet, als dieser noch nicht König war50-4. Damals hatte er Gelegenheit gehabt, Katharina und Poniatowski kleine Dienste zu<51> leisten, die die Zarin nicht vergessen hatte, und als er wieder an ihren Hof kam, erwies sie ihm Freundlichkeiten, die sich freilich nur auf seine Person erstreckten. Er erreichte also nicht das große Ziel der Republik, alles Geschehene ungültig zu machen, wohl aber gelang es ihm, die russische Eitelkeit und Eigenliebe aufzustacheln, indem er der Zarin vorstellte, es sei für sie Ehrensache, nicht zu dulden, daß die Preußen und Österreicher ihren Despotismus in Polen aufrichteten. Sogleich gingen Mahn-schreiben an den König wie an die Kaiserin-Königin ab, das Wohlwollen, das die Zarin für ihre Interessen bekundet habe, nicht zu mißbrauchen51-1. Der König antwortete auf diese Ermahnung in höflicher Form, bat die Zarin, sich des Grundartikels des Teilungsvertrages zu entsinnen, wonach die Anteile gleich sein sollten, und fügte beiläufig hinzu, falls die Hsierreicher ihren Erwerbungen angemessene Grenzen setzen wollten, werde er gern von der Ausdehnung der seinen abstehen, soweit man sie anfechtbar fände; denn es gäbe für ihn keinen Vorteil, den er nicht dem Vorzuge zum Opfer brächte, sich die Freundschaft der Zarin zu erhalten. Ganz anders lautete die Antwort der Kaiserin-Königin. Man merkte an ihrem Stil den Verfasser. Trocken, stolz und anmaßlich gab sie den festen Entschluß der Hsierreicher kund, was sie in Besitz hätten, zu behalten.

All diese Einzelheiten, auf die wir hier eingegangen sind, dürfen jedoch unsere Aufmerksamkeit nicht völlig in Anspruch nehmen. Wir müssen auch einen Blick auf das übrige Europa werfen. Alle Mächte sind durch die politischen Interessen miteinander verkettet, und man darf keins der Ereignisse übergehen, die den Lauf der Weltgeschichte mehr oder minder beeinflussen. Ludwig XV. war im Beginn dieses Jahres51-2 gestorben, und zwar an den Blattern. Die Bischöfe, die ihm den letzten Beistand leisteten, handelten mit empörender Scheinheiligkeit; sie zwangen ihn, für seine Schwächen öffentlich Abbitte zu tun. Er war ein guter, aber schwacher Mensch gewesen; sein einziger Fehler war der, König zu sein. Das neuerungssüchtige französische Volk, das seiner langen Regierung überdrüssig war, riß sein Andenken unbarmherzig in den Staub. Endlich nahm der so ungeduldig erharrte Nachfolger den Thron seines Großvaters ein. Nur weil er König wurde, erntete Ludwig XVI. sofort Beifall. Seine Regierung war das goldene Zeitalter, unter ihm würde niemand unzufrieden sein, er würde die Zeiten Saturns und Nheas zurückführen. Das war die Sprache der Begeisterung; die der Wahrheit beschränkt sich darauf zu sagen, daß der König unfähig war, selbst zu regieren, und daß er Maurepas, den von Ludwig XV. entlassenen Minister, zu seinem Mentor erkor. Bei dessen hohem Alter war nicht zu hoffen, daß Frankreich unter seiner Verwaltung das verlorene Ansehen wiedererlangen würde. Seine Politik mußte sich auf die Erhaltung des Bestehenden beschränken. Wie hätte er sich auch auf große Unternehmungen einlassen können? Ein Achtzigjähriger durfte nicht erwarten, ihr Ende zu erleben. Er mußte freilich an der<52> Finanzreform arbeiten, aber mit welchen Mitteln? Durch Verminderung der Ausgaben? Dadurch hätte er sich bei allen Großen des Reiches verhaßt gemacht. Durch Erschließung neuer Hilfsquellen? Alle Mittel waren erschöpft. Es blieb also kein verständiges Mittel übrig als ein wohlüberlegter Staatsbankrott, durch den man einem völligen Zusammenbruche vorbeugte; aber er fürchtete seine Verwaltung zu beflecken, wenn dies zu seinen Lebzeiten geschähe. Das einzige, was seinen Wiedereintritt ins Ministerium auszeichnete, war die Rückberufung des alten Parlaments und die Verbannung von Maupeou52-1, wofür er von den Juristen gelobt, von den Staatsmännern aber gescholten ward.

Frankreich fürchtete damals einen Bruch zwischen Spanien und Portugal wegen des Forts San Sacramento in Amerika52-2. Auch England fürchtete ein gleiches; denn es hatte selbst Truppen nach Amerika gesandt, nach Boston und anderen Kolonien, um die Unzufriedenheit dieser Provinzen gegen die Regierung ihres Mutterlandes zu unterdrücken52-3. Kam es zwischen Portugal und Spanien zum Kriege, so war der König von England vertragsmäßig verpflichtet, Portugal beizustehen, wodurch er unfehlbar mit den Spaniern in Konflikt geraten wäre. Um sich zu rächen, hätten diese den englischen Kolonien Beistand geleistet und somit die Nation in Gefahr gebracht, die wichtigen Besitzungen in Amerika zu verlieren. Um sich aus dieser Verlegenheit zu ziehen, gewann der Londoner Hof den Kaiser von Marokko und bestimmte ihn, sofort an Spanien den Krieg zu erklären. Indem die Engländer dem Madrider Hofe so ernstliche Sorgen bereiteten, hofften sie, die Feindseligkeiten zwischen Spanien und Portugal hinauszuschieben und zugleich Zeit zu gewinnen, ihre eigenen Kolonien wieder botmäßig zu machen. Infolge so vieler bedeutender Interessen verloren die Engländer damals Europa ganz aus den Augen.

Diese Umstände begünstigten die Interessen des Königs. Während die Engländer und die anderen Mächte sich in schwieriger Lage befanden und an ihren eigenen Vorteil dachten, also weniger auf das achteten, was im übrigen Europa vorging, hatte der König nicht mehr so sehr unter der lästigen Eifersucht der Engländer zu leiden, die sich sonst sicher in die Angelegenheiten des Teilungsvertrages eingemischt hätten. Man versuchte also, mit Hilfe des russischen Hofes die Streitigkeiten mit den Danzigern zu schlichten52-4; der preußische und russische Gesandte52-5 verhandelten, wenn auch erfolglos, mit den Bürgermeistern und Schöffen der Stadt. Diese bestanden so störrisch auf dem Handelsdespotismus, den sie sich über alle anderen Städte an der Weichsel angemaßt hatten, daß sie ihrer Würde etwas zu vergeben glaubten, wenn sie in der geringsten Kleinigkeit nachgaben. Der russische Gesandte merkte, daß er die Unterhandlung mit Güte nicht förderte. Er erklärte ihnen also, da sie die Vorstellungen der Zarin durchaus nicht berücksichtigen wollten, werde er sie ihrem Schicksal überlassen.<53> Darauf kehrte er unverweilt nach Petersburg zurück, um über das Ergebnis seiner Sendung Bericht zu erstatten. Auch der preußische Gesandte kehrte nach Berlin zurück (Juni 1774). Wäre die russische Erklärung nachdrücklicher gewesen, so hätten die Danziger sich ihr zweifellos anbequemt. Aber Katharina ließ diesen Dorn lieber im Fuß ihres Verbündeten stecken, als daß sie ihn herauszog; denn die Streitigkeiten Preußens mit Danzig lieferten stets einen Vorwand zu Schikanen, den Rußland benutzen konnte, sobald das gute Einvernehmen beider Mächte nachließ.

Die Eintracht zwischen den beiden Kaiserinnen war noch viel mehr gestört als zwischen Preußen und Rußland. Das ewige Gezänk des russischen Hofes wegen der Grenzen der österreichischen Erwerbungen begann den Hochmut der Kaiserin-Königin zu verletzen. Zu der Zeit, wo die Gemüter sich schon ereiferten, erhielt man die Abschrift eines zwischen den Höfen von Wien und Konstantinopel unterzeichneten Vertrages vom Jahre 177153-1. Prinz Galizin und Baron Riedesel53-2 waren so geschickt gewesen, ihn sich zu verschaffen. Obwohl das Schriftstück gedruckt ist, glauben wir doch seinen Inhalt kurz wiedergeben zu müssen. Die Kaiserin-Königin verpflichtet sich —so heißt es wörtlich —, Rußland durch Unterhandlungen oder durch Waffengewalt zu zwingen, alle der Pforte abgenommenen Gebiete zurückzugeben. Dafür zahlt der Sultan ihr 10 Millionen Piaster Subsidien als Kriegsentschädigung. Ferner tritt er ihr einen Teil der Walachei und mehrere Bezirke in der Moldau ab.

Obgleich dieser Vertrag nicht ratifiziert wurde, war Fürst Kaunitz so geschickt, oder besser gesagt, spitzbübisch, seinem Hofe einen beträchtlichen Vorschuß darauf auszahlen zu lassen. Wiewohl er später den Teilungsvertrag der drei Kronen unterzeichnete, verfolgte er doch seinen Plan weiter. Er sah nichts als den Vorteil seines Hofes. Wenig zartfühlend in der Wahl seiner Mittel, hätte er gleichzeitig die Russen und Türken betrogen, und so bemerkte man auch, daß der kaiserliche Gesandte Thugut, der den verschiedenen Kongressen zwischen den kriegführenden Mächten beiwohnte, die russischen Interessen soviel wie möglich zu durchkreuzen suchte, freilich nicht geschickt genug, daß der Petersburger und Berliner Hof seine nichtswürdigen Praktiken nicht durchschaut hätten.

Sobald der Friede zwischen den Russen und Türken unterzeichnet war, ergriffen die Österreicher, gleich als ob sie ihren Vertrag mit der Pforte erfüllt hätten, ohne weiteres Besitz von den darin ausbedungenen Teilen der Moldau und Walachei53-3. Sie wußten wohl, daß die Pforte augenblicklich keine Macht finden würde, deren Beistand sie gegen ein so schmähliches Verfahren hätte anrufen können. Dies unredliche und doppelzüngige Benehmen des Wiener Hofes zerstörte den letzten Nest von Vertrauen, den man noch zu ihm hatte. Die Zarin Katharina und der König von Preußen waren empört darüber. Man merkte in Petersburg wohl, daß die Russen nur zum Vorteil des Wiener Hofes so viele Schlachten gewonnen und so viele Eroberungen gemacht hatten.<54> Die Österreicher hatten die Russen nur deshalb zur Rückgabe der Moldau und Walachei an die Türken genötigt, um sich dann selber einen Teil davon anzueignen. Und diese widerrechtliche Besitznahme, die fast bis Chozim reichte, machte den Wiener Hof beim ersten Kriege, der zwischen den Russen und Türken ausbrach, zum Schiedsrichter der Ereignisse; denn diese neuen Gebiete ermöglichten es ihm, die Russen durch den Dnjester von Polen abzuschneiden, von wo sie ihren ganzen Unterhalt beziehen müssen.

Auch der König hatte Ursache, sich über den Wiener Hof zu beschweren. Hatte er doch auf dessen Veranlassung die Russen bewogen, von ihren Eroberungen abzustehen. Diese offenbaren Betrügereien enthüllten die Vergrößerungsgier der Öfterreicher, ihren maßlosen Ehrgeiz, und mußten den anderen Mächten zur Warnung dienen, vor ihren künftigen Unternehmungen auf der Hut zu sein. Wie man wußte, wünschte der junge Kaiser das venezianische Friaul zu erobern; er hatte Absichten auf Bayern und gedachte sich Bosniens zu bemächtigen, ganz zu geschweigen von Schlesien, Elsaß und Lothringen, deren Verlust er nicht verschmerzt hatte. Der Kaiser war der unversöhnliche Feind des Hauses Brandenburg, sodaß man sich seiner Ver-größerung systematisch widersetzen mußte. Die Russen hätten gern gesehen, daß der König alles auf sich nähme und als tapferer Ritter Österreich zum Kampfe herausforderte. Aber die betrogenen Türken wahrten dumpfes Schweigen: wie soll man dem beistehen, der sich nicht beklagt? Die Russen waren durch den eben beendeten Krieg erschöpft und hatten weder die Mittel noch den Willen, mit dem König gemeinsam zu handeln. Frankreich hatte sich über diese Dinge nicht ausgesprochen, und England stand im Bürgerkrieg mit seinen Kolonien, den es aus Despotismus unternommen hatte und den es so ungeschickt führte, daß vorauszusehen war, er werde in den nächsten Jahren kein Ende finden. Alle diese Erwägungen bewirkten, daß der Berliner Hof sich untätig verhielt. Der König schrieb nach Petersburg, es siehe ihm nicht an, den Don Quichotte der Türkei zu spielen.

Als die Erbitterung zwischen den drei Höfen ihren Höhepunkt erreicht hatte, sollte die Delegation Deputierte schicken, um gemeinsam mit denen der drei Mächte die Grenzen ihrer Besitzungen festzustellen (November 1774). Die österreichischen und preußischen Kommissare konnten sich über nichts mit ihnen einigen, nicht einmal über die Ausgangspunkte der Grenzregulierung. Fürst Kaunitz verlangte die Vermittlung von Rußland und Preußen; aber die Gemüter waren an beiden Höfen zu erbittert, als daß man ihm hätte willfahren können. Zwar behielten die Kaiserin Theresia und der König ihre Erwerbungen in vollem Umfang, aber sie vermochten die gesetzliche Abtretung von der Republik nicht zu erlangen.

Aus allem Angeführten geht also hervor, daß Europa sich in keiner gefestigten Lage befand und sich keines gesicherten Friedens erfreute: überall glomm das Feuer unter der Asche. Im Süden Europas war vorauszusehen, daß der Bürgerkrieg der EngAnder mit ihren Kolonien allgemein werden konnte, sobald Frankreich und Spanien daran teilnahmen. Ein gleiches galt von dem Teilungsvertrage, der neue Wirren<55> hervorrufen konnte, wenn er durch die Republik Polen nicht bestätigt wurde. Ebenso stand es mit dem russisch-türkischen Frieden, dessen Bedingungen man in Konstantinopel empörend fand; es schien, als ob der aus Not geschlossene Vertrag im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt wieder gebrochen werden müßte. Auch der Staatsstreich in Schweden ließ Keime der Unzufriedenheit im Norden zurück. Was aber war nicht erst von dem maßlosen Ehrgeiz eines jungen Kaisers zu erwarten, dem ein ränkesüchtiger und treuloser Minister zur Seite stand, ein Mann, der sich eine Ehre daraus machte, die zu betrügen, mit denen er unterhandelte! Alle diese Erwägungen nötigten die vorsichtigen Herrscher, auf ihrer Hut zu sein, gut gerüstet zu bleiben und den Blick nicht von den Geschäften abzuwenden; denn sie konnten sich in einem Augenblick verwickeln, wo man es am wenigsten erwartete.

Durchläuft man die Geschichte, so scheint es, als ob Umwälzungen und Veränderungen ein ständiges Naturgesetz seien. Alles auf Erden ist dem Wechsel unterworfen, und doch hängen sich Toren an die Gegenstände ihres Ehrgeizes, die sie vergöttern, und durchschauen nie die Gaukelbilder dieser Zauberlaterne, die ihnen unaufhörlich Neues vor Augen führt. Doch es gibt Spielzeug für jedes Lebensalter: die Liebe für die Jugend, den Ehrgeiz für die reifen Jahre und die politischen Berechnungen für die Greise.

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2. Kapitel
Finanzwesen

Die Fürsten sollen wie die Lanze Achills sein, die Wunden schlug und heilte. Tun sie den Völkern Schaden, so haben sie die Pflicht, ihn wieder gut zu machen. Sieben Kriegsjahre gegen fast alle europäischen Mächte hatten die Staatsfinanzen allmählich erschöpft. Ostpreußen, die rheinischen und westfälischen Provinzen, ebenso Ostftriesland waren, da sie nicht verteidigt werden konnten, in die Gewalt der Feinde gefallen. Ihr Verlust verursachte einen Ausfall von 3 Millionen 400 000 Talern in der Staatskasse. Auch Pommern, die Kurmark und die schlesischen Grenzgebiete waren während eines Teiles des Krieges von den Russen, Österreichern und Schweden besetzt worden, sodaß sie außerstande waren, ihre Steuern zu entrichten. Bei dieser peinlichen Lage mußte man während des Krieges seine Zuflucht zur äußersten Sparsamkeit und zur entschlossensten Tapferkeit nehmen, um ihn zu einem glück lichen Ende zu führen. Die Hilfsquellen, deren man am dringendsten bedurfte, waren die Kriegskontributionen von Sachsen, die englischen Subsidien und die Münzverschlechterung, ein ebenso gewaltsames wie schädliches Mittel, doch unter diesen Umständen das einzige, durch das der Staat sich hochhalten konnte. Diese Mittel lieferten bei großer Sparsamkeit so viel Vorschüsse in die königlichen Kassen, um die Kosten des Feldzuges und den Sold der Armee zu bezahlen.

Das war die Finanzlage, als der Hubertusburger Friede zustande kam. Die Kassen waren bei Geld, die für den nächsten Feldzug angelegten Magazine gefüllt und die Pferde für die Armee, die Artillerie und die Trains komplett und in gutem Stande. Für die Fortsetzung des Krieges bestimmt, wurden diese Mittel noch viel nützlicher zur Wiederaufrichtung der Provinzen.

Um sich einen Begriff von der allgemeinen Zerrüttung zu machen, in die das Land gestürzt war, um sich die Trostlosigkeit und Entmutigung der Untertanen vorzustellen, muß man sich völlig verheerte Landstriche vergegenwärtigen, wo sich kaum die Spuren der früheren Wohnstätten entdecken ließen, Städte, die von Grund aus zerstört, andere, die zur Hälfte in Flammen aufgegangen waren, 13 000 Häuser, die bis auf die letzte Spur vertilgt waren, nirgends bestellte Äcker, kein Korn zur Ernährung der Einwohner; 60 000 Pferde fehlten den Landleuten zur Feldarbeit, und im ganzen<57> Lande hatte sich die Bevölkerung um 500 000 Seelen gegenüber dem Jahre 1756 vermindert, was bei 4½ Millionen Seelen viel bedeutet. Adel und Bauern waren von so vielen verschiedenen Heeren ausgeplündert, gebrandschatzt und ausfouragiert, daß ihnen nur das nackte Leben blieb und elende Lumpen, um ihre Blöße zu bedecken. Kein Kredit zur Befriedigung der alltäglichsten Bedürfnisse, die die Natur erheischt; keine Polizei mehr in den Städten; statt des Rechts- und Ordnungssinnes nur noch schnöder Eigennutz und zügellose Anarchie. Die Gerichte und Finanzbehörden waren durch die häufigen Einfälle so vieler Feinde außer Tätigkeit gesetzt; das Verstummen der Gesetze zeitigte im Volke die Neigung zur Zuchtlosigkeit, und so entstand zügellose Gewinnsucht. Der Edelmann, der Kaufmann, der Pächter, der Arbeiter, der Fabrikant, alle erhöhten um die Wette den Preis ihrer Lebensmittel und Waren und schienen nur auf ihr gegenseitiges Verderben hinzuarbeiten. Das war der düstere Anblick, den so viele einst blühende Provinzen nach Beendigung des Krieges boten. So ergreifend auch die Schilderung davon sein mag, sie wird nie an den erschütternden und schmerzlichen Eindruck heranreichen, den der Anblick gewährte.

In einer so beklagenswerten Lage mußte man dem Mißgeschick mutig entgegentreten, am Staate nicht verzweifeln, sondern sich vornehmen, ihm nicht bloß wieder aufzuhelfen, sondern ihn auch zu verbessern. Eine Neuschöpfung mußte unternommen werden. Man fand in den Staatskassen Mittel zum Wiederaufbau der Städte und Dörfer. Den Vorratsmagazinen wurde das nötige Korn zur Ernährung der Bevölkerung und zur Aussaat entnommen. Die Artillerie-, Bagage- und Trainpferde wurden für den Ackerbau verwandt. Schlesien wurde für sechs Monate, Pommern und die Neumark für zwei Jahre von der Steuer befreit. 20 Millionen 389 000 Taler wurden zur Unterstützung der Provinzen und zur Abtragung der Kriegsschulden gespendet, die sie aufgenommen hatten, um die von den Feinden geforderten Auflagen zusammenzubringen. So groß diese Ausgabe war, sie war doch notwendig und unerläßlich.

Die Lage der Provinzen nach dem Huberlusburger Frieden erinnerte an die Lage Brandenburgs nach dem berüchtigten Dreißigjährigen Kriege. Damals erhielt der Staat aus Mangel an Mitteln keine Hilfe: der Große Kurfürst war außerstande, seinem Volke aufzuhelfen. Und was war die Folge davon? Ein volles Jahrhundert verstrich, ehe es seinen Nachfolgern gelang, die Verwüstungen in Stadt und Land wieder gutzumachen. Dies schlagende Beispiel, was der Staat gelitten hatte, weil die Hilfe nicht zur Zeit kam, bestimmte den König, unter so traurigen Verhältnissen nicht einen-Augenblick zu verlieren, sondern schleunige und ausreichende Hilfe zu leisten, um dem öffentlichen Notstand zu steuern. Mannigfache Spenden gaben den armen Einwohnern, die schon an ihrem Lose verzweifelten, neuen Mut. Dank den ihnen gelieferten Mitteln kehrte die Hoffnung wieder, und die Staatsbürger erwachten zu neuem Leben. Die Aufmunterung zur Arbeit rief Betriebsamkeit hervor; die Vaterlandsliebe erstarkte, und alsbald wurden alle Felder wieder bebaut, die<58> Fabriken nahmen ihre Arbeit wieder auf, und die neu geordnete Polizei beseitigte allmählich die Mißstände, die sich in der Zeit der Rechtlosigkeit eingeschlichen hatten.

Während des Krieges waren die ältesten Räte und alle Minister des Generaldirektoriums nacheinander weggestorben, und in jenen wirren Zeiten hatte man sie unmöglich ersetzen können. Es hielt schwer, neue geeignete Männer zur Leitung dieser verschiedenen Ämter zu finden. Man fahndete nach ihnen in den Provinzen, aber tüchtige Leute waren dort ebenso selten wie in der Hauptstadt. Schließlich wurden Blumenthal, Massow, Hagen und General Wedell58-1 für diese wichtigen Ämter ausgewählt; bald danach erhielt Horst58-2 das fünfte Departement.

Die ersten Zeiten der Verwaltung waren hart und verdrießlich. Bei allen Einnahmen ergaben sich Ausfälle, und doch mußten die Staatsausgaben pünktlich bezahlt werden. Obgleich die Armee nach dem Kriege durch Entlassungen auf 150 000 Mann herabgesetzt war, fiel es schwer, das nötige Geld zu ihrer Besoldung aufzutreiben. Während des Krieges hatte man sich bei allen Zahlungen, die nicht das Heer betrafen, mit Papiergeld Wolfen. Auch diese Schuld mußte abgetragen werden; sie fiel außer den übrigen Zahlungen schwer zur Last. Trotzdem erreichte es der König schon im ersten Friedensjahre, alle Staatsgläubiger zu befriedigen und keinen Heller Kriegsschulden mehr zu haben.

Doch es schien, als hätten die Verheerungen des Krieges noch nicht hingereicht, um den Staat zu zerrütten und zugrunde zu richten. Kaum war der Friede geschlossen, so stifteten zahlreiche Feuersbrünsie fast ebensoviel Schaden, wie die Feinde angerichtet hatten. Zweimal ging Königsberg in Flammen auf (1765 und 1769). In Schlesien ereilte ein gleiches Schicksal die Städte Freistadt, Ober-Glogau, Parchwitz, Haynau, Naumburg am Queis und Goldberg, in der Kurmark Nauen, in der Neumark Callies und einen Teil von Landsberg, in Pommern Belgard und Tempelburg. Diese Unglücksfälle erforderten immerfort neue Ausgaben und Hilfeleistungen.

Um so viele außergewöhnliche Bedürfnisse zu bestreiten, mußte man sich neue Einnahmequellen ersinnen. Denn außer den Summen, die zur Wiederherstellung der Provinzen nötig waren, verlangten die neuen Befestigungen und das Umgießen der Geschütze beträchtliche Aufwendungen, von denen seinerzeit die Rede sein wird. Die Bestreitung so großer Ausgaben, die die Notlage heischte, erforderte Fleiß.

Die Einkünfte aus Zöllen und Akzise waren nachlässig verwaltet worden, well den Beamten die Aufsicht fehlte. Um diesen wichtigen Zweig der Staatseinkünfte auf eine solide Basis zu stellen, sah der König sich gezwungen, Ausländer heranzuziehen, da die früheren Leiter dieses Verwaltungszweiges während des Krieges gestorben waren. Zu dem Zweck nahm er ein paar Franzosen in Dienst, die lange Erfahrung in diesem Berufe besaßen58-3. Er setzte keine Generalpächter ein, sondern schuf als geeignetstes Mittel eine Regie, durch die er verhindern konnte, daß die Steuerbeamten<59> das Volk drückten, wie dies in Frankreich nur zu sehr der Fall ist. Die Kornzölle würden ermäßigt und der Bierpreis zum Ausgleich etwas erhöht. Dank dieser neuen Einrichtung nahmen die Einkünfte, besonders aus den Zöllen, zu, und durch sie kam fremdes Geld ins Land. Der größte Vorteil aber, der sich daraus ergab, war das Nachlassen des Schmuggels, der jedes Land, das Manufakturen hat, schwer schädigt.

Exportiert ein Land wenig Erzeugnisse und ist es genötigt, den Gewerbfleiß seiner Machbaren in Anspruch zu nehmen, so muß sich eine ungünstige Handelsbilanz ergeben. Es zahlt mehr Geld ans Ausland, als es erhält, und dauert der Zustand an, so ist es nach einer Reihe von Jahren ohne Geld. Man entnehme aus einer Börse täglich Geld und tue keins wieder hinein, so wird sie bald leer sein. Ein Beispiel dafür liefert Schweden. Um diesem Übelstand abzuhelfen, gibt es nur ein Mittel: die Vermehrung der Manufakturen. An den eigenen Rohstoffen verdient man alles und an den ausländischen wenigstens den Arbeitslohn. Diese Tatsachen, die ebenso wahr wie handgreiflich sind, wurden zur Richtschnur für die Regierung; nach ihr wurden alle Handelsoperationen geleitet. So ergab sich denn im Jahre 1773 eine Vermehrung der Fabriken in den Provinzen um 264. Unter anderm wurde in Berlin eine Porzellanmanufaktur begründet59-1, die 500 Arbeiter ernährte und die sächsische bald übertraf. Man führte die Tabaksfabrikation im großen ein, die einer Kompagnie übertragen wurde. Sie unterhielt Fabriken in allen Provinzen, die das Land selbst versorgten und durch Verkauf ans Ausland so viel verdienten, als ihnen der Ankauf des virginischen Rohtabaks kostete. Dadurch hoben sich die Staatseinkünfte, und die Aktionäre erhielten 10 % Zinsen aus ihren Einlagen.

Durch den letzten Krieg war der Wechselkurs für den preußischen Handel nachteilig geworden, obwohl seit der Unterzeichnung des Friedens das schlechte Geld umgeprägt und auf den früheren Fuß gebracht worden war. Nur die Gründung einer Bank konnte diesem Übelstand abhelfen. Voreingenommene Leute, die den Gegenstand nicht genügend durchdacht hatten, behaupteten zwar, eine Bank könne nur in einer Republik gedeihen; nie aber würde ein Mensch Vertrauen zu einer Bank haben, die in einer Monarchie errichtet würde. Das war falsch: es gibt Banken in Kopenhagen, Rom und Wien. Man ließ das Publikum also reden und schritt zur Tat. Um festzustellen, welches System den Landesverhältnissen am besten entsprechen würde, verglich man die verschiedenen Bankarten miteinander und erkannte eine Girobank mit Lombardverkehr als die geeignetste. Zu ihrer Gründung59-2 schoß der Hof ein Grundkapital von 800 000 Talern vor. Zu Anfang hatte die Bank einige Verlusie durch die Unwissenheit oder Unehrlichkeit ihrer Leiter. Sobald aber Hagen an ihre Spitze trat, kam Genauigkeit und Ordnung hinein. Banknoten wurden nur so weit ausgegeben, als Deckung durch Bargeld vorhanden war. Außer der Bequemlichkeit, die das Institut für den Handel brachte, erwuchs aus ihm noch ein<60> anderer Vorteil für das Publikum. Bisher hatten die Mündelgelder bei den Gerichten deponiert werden müssen, und die Mündel hatten während der Dauer ihrer Prozesse keine Zinsen von ihren Kapitalien erhalten, sondern noch jährlich 1 % zuzahlen müssen. Seitdem wurden diese Gelder bei der Bank deponiert, die den Mündeln 3 % Zinsen auszahlte, sodaß sie also unter Anrechnung dessen, was sie früher an die Justiz bezahlten, tatsächlich 4 % erhielten. Als dann durch den Zusammenbruch von Neufville60-1 und anderen ausländischen Firmen einige preußische Kaufleute bankrott machten, wäre der Kredit gesunken, hätte die Bank ihn durch ihr Eingreifen nicht gehalten und wieder hoch gebracht. Bald kam der Wechselkurs auf pari; nun sahen die Kaufleute, durch die Tatsachen überführt, die Nützlichkeit und Notwendigkeit des Instituts für ihren Handel ein. Schon hatte die Bank Zweigstellen in allen Großstädten Preußens; mehr noch, sie besaß eigene Häuser in allen europäischen Handelsplätzen. Das erleichterte den Geldumlauf, die Zahlungen der Provinzen, und zugleich verhinderte das Lombardsystem, daß die Wucherer die armen Fabrikanten aussogen, die ihre Produkte nicht rasch genug losschlagen konnten. Aber nicht nur das Publikum hatte Vorteil davon, auch die Regierung schuf sich durch den Bankkredit Hilfsquellen für die großen Staatsbedürfnisse.

Fürsten wie Bürger müssen einerseits Geld ansammeln, wenn sie andrerseits Ausgaben zu machen haben. Gute Landwirte leiten die Wasserläufe auf unfruchtbare Äcker, die ohne Bewässerung keinen Ertrag geben würden. Nach dem gleichen Prinzip vermehrte die Regierung ihre Einkünfte, um sie zu nötigen Ausgaben für das Gemeinwohl zu verwenden. Sie beschränkte sich nicht darauf, die Schäden des Krieges zu heilen, sie wollte auch alles vervollkommnen, was verbesserungsfähig war. Sie nahm sich also vor, jede Art von Boden nutzbar zu machen, Sümpfe auszutrocknen, dem Ackerbau durch Erhöhung des Viehbestandes aufzuhelfen, ja selbst Sandboden durch Anpflanzung von Wäldern nutzbar zu machen.

Obwohl wir hier auf kleine Einzelheiten eingehen müssen, glauben wir doch, sie können der Nachwelt von Wert sein. Die erste Unternehmung dieser Art war die Urbarmachung des Warthe- und Netzebruchs, nachdem das stehende Wasser durch mehrere Kanäle abgeleitet war, die es auf verschiedenem Wege zur Oder führten. Die Kosten betrugen 750 000 Taler; 3 500 Familien wurden dort angesiedelt. Der Adel und die an diesen Wasseradern liegenden Städte erhöhten ihre Einkünfte beträchtlich. Das ganze Werk war 1773 beendet; die dortige Bevölkerung belief sich bereits auf 15 000 Seelen. Danach wurden der Madü-See und die Sümpft bei Friedeberg abgeleitet und dort 400 Familien aus dem Auslands angesiedelt60-2. In Pommern wurde der Leba-See abgeleitet; dadurch gewann der Adel 30 000 Morgen Ähnliche Kanalisierungen fanden in der Umgegend von Stargard, kammin, Treptow, Rügenwalde und Kolberg statt. In der Mark wurden die Havel<61>sümpft, das Rhinluch bei Fehrbellin, die Finowsümpfe zwischen Rathenow und Ziesar kanalisiert, ganz zu geschweigenn von den bedeutenden Summen, die zur Melioration der Adelsgüter aufgewandt wurden. Gleichzeitig wurden in Friesland, und zwar im Dollart, Deiche errichtet, durch die man dem Meere Fuß um Fuß das Land abrang, das es im Jahre 1724 überschwemmt hatte. Im Magdeburgischen wurden 2000 neue Familien angesiedelt. Ihre Arbeitskraft war dort um so erwünschter, als bisher die thüringischen Bauern zur Erntearbeit ins Land gekommen ware61-1; seitdem wurden sie entbehrlich. Die Krone besaß zuviel Vorwerke. Mehr als 150 wurden in Dörfer verwandelt. Was sie dadurch an Einkünften verlor, gewann sie durch Bevölkerungszuwachs reichlich wieder. Ein Vorwerk hat nicht mehr als sechs Insassen.; seit sie in Dörfer verwandelt wurden, hatte jedes mindestens dreißig Einwohner. Soviel Fürsorge der verstorbene König auf die Neubevölkerung Ostpreußens verwandt hatte, das 1709 von der Pest verheert worden war, es war ihm doch nicht gelungen, das Land wieder auf die frühere Höhe zu bringen. Der jetzige König wollte, daß die Provinz den anderen nicht nachstände; er hatte sie seit dem Tode seines Vaters um 13 000 neue Familien vermehrt. Wird sie in Zukunft nicht vernachlässigt, so kann die Volkszahl noch um mehr als 100 000 Seelen gesteigert werden.

Schlesien erforderte nicht weniger Fürsorge und Aufmerksamkeit als die anderen Provinzen. Man begnügte sich nicht damit, das Land wieder auf den alten Stand zu bringen, sondern wollte es auch verbessern. Die Geistlichen mußten zum Gemeinwohl beitragen: die reichenÜbte wurden genötigt, Manufakturen anzulegen Hier wurde Tafelleinen hergestellt, dort erstanden Ölmühlen oder Gerbereien; wo anders wurden Lederwaren- oder Drahtfabriken eingerichtet, je nach der örtlichkeit und nach den Erzeugnissen der Gegend. Auch die ackerbautreibende Bevölkerung in Niederschlesien wurde um 4 000 Familien vermehrt. Man erstaunt gewiß, daß dies in einem Lande gelang, wo kein Feld unbestellt bleibt. Der Grund ist der, daß viele Gutsherren zur Vergrößerung ihres Grundbesitzes nach und nach die Wer ihrer Bauern aufgekauft hatten. Wäre dieser Mißbrauch geduldet worden, so wären mit der Zeit viele Bauernhöfe verödet, und da es an Arbeitskräften zur Bestellung des Bodens gefehlt hätte, wäre der Ertrag gesunken. Kurz, jedes Dorf hätte seinen Gutsherrn, aber keine Bauern mehr gehabt. Nun aber kettet die eigene Scholle den Besitzer ans Vaterland; denn wer nichts besitzt, empfindet auch keine Anhänglichkeit an ein Land, in dem er nichts zu verlieren hat. Nachdem dies alles den Gutsherren klar gemacht war, bewog man sie, ihre Bauern im eigenen Interesse wieder auf den alten Besitzstand zubringen.

Dafür half der König dem Adel durch beträchtliche Summen, seinen völlig zerrütteten Kredit wiederherzustellen. Viele vor dem Kriege oder während desselben in Schulden geratene Familien standen vor dem Zusammenbruch: die Gerichte gewährten ihnen Moratorien für zwei Jahre, damit sie ihre Güter inzwischen wieder<62> ertragfähig machen und wenigstens die Zinsen bezahlen konnten. Aber die Moratorien untergruben den Kredit des Adels vollends. Der König, dem es Freude machte und der es auch als seine Pflicht ansah, den ersten und glänzendsten Stand seines Staates zu unterstützen, bezahlte dem Adel 300 000 Taler Schulden; aber die Schuldenlast der Güter betrug 25 Millionen Taler, und so galt es, wirksamere Mittel ausfindig zu machen. Der Adel wurde zu „Landschaften“ organisiert, und diese Verbände hafteten für die aufgenommenen Schulden62-1. Es wurden für 20 Millionen Pfandbriefe ausgegeben, und diese stellten nebst 200 000 Talern, die der König zur Bestreitung der dringendsten Zahlungen hergab, den verlorenen Kredit bald wieder her. Vierhundert der vornehmsten Familien dankten dieser heilsamen Maßregel ihre Erhaltung. In Pommern und der Neumark ging es dem Adel ebenso schlecht wie in Schlesien. Die Regierung zahlte für ihn 500 000 Taler Schulden und gab weitere 500 000 Taler aus, um seine Güter wieder ertragfähig zu machen.

Auch die Städte, die während des Krieges am meisten gelitten hatten, bekamen Unterstützungen. Landeshut erhielt 200 000 Taler, Striegau 40000, Halle 40 000, Krossen 24 000, Neppen 6 000, Halberstadt 40 000, Minden 20 000, Bielefeld 15 000 und die Städte im Hohensteinschen 13 000 Taler.

Alle diese Ausgaben waren nötig; man mußte sich eilen, Geld in die Provinzen zu bringen, um ihnen desto rascher wieder aufzuhelfen. Hätte man unter solchen Umständen geknausert, das Land hätte sich vielleicht erst in hundert Jahren wieder erholt. Aber dank der Tatkraft, mit der die Sache angefaßt wurde, kehrten mehr als 100 000 Einwohner, die ihr Vaterland verlassen hatten, wieder heim. Und so hatte die Bevölkerung 1773 gegenüber dem Jahre 1756 einen Zuwachs von über 200 000 Menschen aufzuweisen. Doch dabei blieb man nicht stehen. In der Erwägung, daß die Einwohnerzahl den Reichtum der Herrscher bildet, fand man Mittel und Wege, in Oberschlesien 213 neue Dörfer mit 23 000 Seelen zu errichten. Auch wurde der Plan aufgestellt, die Landbevölkerung in Pommern um 50 000 und in der Kurmark um 12 000 Seelen zu vermehren; er kam gegen 1780 zur Vollendung. Wollen wir das Ergebnis dieser Kolonisation feststellen, so brauchen wir nur die Einwohnerzahl von 1740 mit der von 1779 zu vergleichen.

ProvinzEinwohnerzahl
17401779
Ostpreußen370 000780 000
Kurmark480 000710 000
Magdeburg und Halberstadt220 000280 000
Schlesien1 100 0001 520 000
<63>

Die Vermehrung betragt also insgesamt 1 120 000 Seelen.

Vielleicht glaubt man, solche ungeheuren Aufwendungen hätten die Staatsmittel und Einkünfte erschöpft. Dazu kamen aber noch die Ausgaben für die Festungen, sowohl für den Ausbau der alten wie für die Anlage von neuen, und die Summen, die die Wiederinstandsetzung der Artillerie verschlang, insgesamt 5 Millionen 900 000 Taler. Doch die Regierung bestritt alle Kosten. Der König gab nichts für Schaugepränge aus, wie es an großen Höfen üblich ist. Er lebte nur als Privatmann, um den höchsten Pflichten seines Amtes zu genügen. Dank strenger Sparsamkeit wurde der große und der kleine Staatsschatz aufgefüllt, jener für die Kriegsausgaben, dieser zum Ankauf der Pferde und für die Mobilmachungskosten. Ferner wurden 900 000 Taler in Magdeburg und 4 Millionen 200 000 Taler in Breslau niedergelegt zum Ankauf von Fourage63-1. Dies Geld war vorhanden, als der Krieg zwischen der Zarin Katharina II. und Mustapha ausbrach (1769). Laut dem Vertrage mußten alljährlich 500 000 Taler Subsidien an Rußland gezahlt werden63-2, solange die Wirren in Polen und in der Türkei währten. Das Staatswohl und die Bundestreue verlangten diese Ausgabe, die übrigens sehr ungelegen kam, besonders wegen der großen Finanzoperationen, die eben im Gange waren und die allein beträchtliche Summen verschlangen. Es war also Sache der Politik, den Staat für die nach Rußland gesandten Gelder zu entschädigen, die unter den damaligen Umständen den preußischen Provinzen nützlicher gewesen wären.

Im folgenden Jahre (1770) entstand in ganz Nordeuropa eine große Teuerung infolge des lang anhaltenden Frostes, der alle Feldfrüchte vernichtete. Neues Elend drohte dem Volke; eine neue Notwendigkeit gebot, ihm zu helfen. Die Armen erhielten umsonst Brotkorn. Da aber der Nahrungsmittelkonsum zurückging, so hatte die Akzise einen Ausfall von 500 000 Talern. Der König hatte große Vorratsmagazine in Schlesien und in seinen Erblanden angelegt. 76 000 Wispel waren zur Ernährung der Armee für zwölf Monate aufgespeichert. Außerdem bestand noch ein Lager von 9 000 Mispeln für die Bedürfnisse der Hauptstadt. Diese weisen Vorkehrungen beschützten das Volk vor der drohenden Hungersnot (1771). Die Armee wurde aus den Magazinen beköstigt; auch das Volk erhielt Brot- und Saatkorn aus ihnen. Ebenso brachte das folgende Jahr (1772) eine Mißernte, aber wenn der Scheffel Weizen im preußischen Staate auf 2 Taler und einige Groschen stieg, so war das Elend bei den Nachbarn noch viel größer: in Sachsen und Böhmen wurde er mit 5 Talern bezahlt. Sachsen verlor über 100 000 Einwohner, die teils verhungerten, teils auswanderten. Böhmen verlor wenigstens 180 000 Seelen. Wer 20 000 böhmische und sächsische Bauern suchten in Preußen Zuflucht gegen die Not. Sie wurden mit offenen Armen aufgenommen und dienten zur Besiedlung der neu erschlossenen Gebiete.

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Die Leiden, die die Untertanen anderer Mächte zu erdulden hatten, rührten daher, daß in keinem Lande, außer in Preußen, Magazine vorhanden waren. Hier allein war man gegen die Notlage gerüstet und konnte sie durch Maßregeln beheben, die die Klugheit diktiert hatte. So hinderte sie die Regierung nicht, den vorgezeichneten Plan der Verbesserungen im Lande mit gleicher Tatkraft weiterzuverfolgen.

Wie die Erfahrung lehrte, war die Sterblichkeit des Viehes in der Mark größer als in Schlesien. Man suchte nach den Ursachen und entdeckte ihrer zwei. Erstens benutzte man in der Mark wie in den anderen Provinzen nicht, wie in Schlesien, das Steinsalz, das dort aus den Salzbergwerken von Wieliczka bezogen wurde. Zweitens kannten die Einwohner der Mark und Pommerns keine Stallfütterung, sondern trieben ihr Vieh auf die Weide, auch wenn das Futter durch den Brand verdorben war. Seitdem die neue Fütterungsart eingeführt war, nahm das häufige Viehsterben sichtlich ab, und die Gutsbesitzer hatten weniger Schaden als früher.

Da man sorgfältig alle Produkte überwachte, die vom Ausland eingeführt wurden, ergab sich bei Prüfung der Zollregister, daß für 280 000 Taler fremde Butter eingeführt wurde. Um ein so wichtiges Nahrungsmittel selbst zu liefern, berechnete man alles, was die neuen Meliorationen einbringen konnten. Eine Kuh, deren Milch zu Butter gemacht wird, bringt durchschnittlich 5 Taler ein. Man berechnete nun, wieviel Kühe durch die neuen Urbarmachungen ernährt werden konnten, und es ergab sich die Summe von 48 000 Kühen, gleich einer Einnahme von 240 000 Talern. Nun mußte aber der Konsum der Besitzer abgezogen werden. Rechnete man das hierfür nötige Vieh hinzu, so mußte die Anzahl der Kühe auf 62 000 erhöht werden. Das Problem blieb noch zu lösen, aber man konnte doch dahin gelangen; denn nach allem bisher Geleisteten blieben nur noch kleinere Gebiete urbar zu machen, die für den Rest genügt hätten.

Die Regierung hatte sich vorgenommen, alles Mangelhafte im alten Betriebe zu vervollkommnen. Sie prüfte die verschiedenen Zweige der Landwirtschaft mit Aufmerksamkeit und stellte fest, daß alle sogenannte Gemeinwirtschaft dem allgemeinen Wohl schadete. Erst mit der Aufteilung des Gemeingutes war die englische BodenWirtschaft vorwärts gekommen. Eine monarchische Regierung, die die Bräuche republikanischer Staaten nachahmt, verdient den Vorwurf des Despotismus nicht. Jenes löbliche Beispiel ward also nachgeahmt. Man setzte Gerichts- und Ökonomiekommissare ein, um die gemeinsamen oder im Gemenge durcheinanderliegenden Weiden und Äcker aufzuteilen. Anfangs stieß der Plan auf große Schwierigkeiten; denn die Gewohnheit, die Herrscherin der Mode, schaltet gebieterisch über beschränkte Geister. Als aber einige solche Aufteilungen zur Zufriedenheit der Besitzer ausschlugen, machte das Eindruck auf die Öffentlichkeit, und bald kam das gleiche Verfahren in allen Provinzen zur Anwendung.

In einem Teil der Mark und Pommerns gibt es höher gelegene Landstriche, die von Flüssen und Wasserläufen weit entfernt sind. Infolgedessen fehlt es ihnen an <65>Weideland und am nötigen Dünger für den Ackerbau. Der Fehler lag mehr an der Örtlichkeit als am mangelnden Fleiß der Eigentümer. Obwohl der Mensch die Natur nicht verändern kann, wollte man doch ein paar Versuche machen, um erfahrungs-mäßig festzustellen, was ausführbar war und was nicht. Zu dem Zweck stellte man einen englischen Pächter an, der auf einer der Krondomänen eine Probe machte. Nach seiner Methode wurden sandige Felder mit Steckrüben, auf englisch turnips, bepflanzt. Man ließ sie verfaulen und säte dann Klee und Grasarten darauf, die das Feld künstlich zur Wiese machten. Auf diese Weise wurde der Viehbestand auf jedem Gute um ein Drittel gehoben. Nachdem die Probe so gut gelungen war, wurde diese vorteilhafte Wirtschaft in allen Provinzen eingeführt.

Wie schon gesagt, hatten der Krieg und die häufigen feindlichen Einfälle eine verderbliche Anarchie in den alten Provinzen gezeitigt. Sie erstreckte sich auf alles, nicht bloß auf Landwirtschaft und Finanzen, sondern auch auf die Wälder, die von den Oberforstmeistern willkürlich abgeholzt waren, da niemand ein Auge auf sie gehabt hatte. Während jenes erbitterten Krieges, der nicht immer Erfolge bringen konnte, hielten diese elenden Forstbeamten und einige Fittanzräte, die an ihrer RäuberWirtschaft teilnahmen, den Staat für rettungslos verloren. Sie glaubten, er werde binnen kurzem den Feinden zur Beute fallen, und sie könnten in einer so verzweifelten Lage nichts Besseres tun, als alles irgend schlagreife Holz zu ihrem Vorteil zu verkaufen; denn niemand würde sie wegen ihrer Unterschleife zur Rechenschaft ziehen. Infolge dieser ebenso falschen wie gemeinen Denkart hatten sie die Wälder derart abgeholzt, daß statt der dichten Forsten, die früher dort standen, kaum noch einzelne Bäume zu sehen waren. Die Schuldigen wurden weggejagt und verdientermaßen bestraft. Neue Bestimmungen mußten erlassen werden, sowohl für die Aufforstung wie für das Schlagen der Bäume, je nach ihrer verschiedenen Art und Beschaffenheit. Es galt, Regeln aufzustellen, die niemand überschreiten durfte, vor allem aber auch dafür zu sorgen, daß stets genug Vorrat an Bau- wie Brennholz da war, ein Punkt, der in keinem nordischen Lande übersehen werden darf. Vor dem Kriege hatte die Krone aus dem Holzverkauf in der Mark und Pommern eine jährliche Einnahme gehabt, die oft 150 000 Taler überstieg. Man mußte auf Mittel sinnen, diesen Ausfall zu decken. Zu dem Zweck wurde ein Durchgangszoll für ausländisches Holz eingeführt, das auf der Elbe und Oder geflößt wurde. Dadurch konnte man das sächsische, böhmische und polnische Holz billig kaufen und es mit Vorteil an die Völker weiter verkaufen, die Handelsflotten oder Kriegsschiffe zu bauen haben. Durch dies Mittel schonte man die Wälder, denen man Zeit zum Wachsen geben mußte, und ersetzte den Ausfall aus den Einkünften auf bleibende Art.

Die Regierung darf sich nicht auf einen einzigen Gegenstand beschränken. Der Vorteil darf nicht der einzige Beweggrund ihres Handelns sein. Das Gemeinwohl, das so viele Zweige umfaßt, bietet ihr eine Fülle von Aufgaben, denen sie sich zu widmen hat.

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Die Jugenderziehung ist als eine der Vornehmsten zu betrachten66-1. Ihr Einfluß macht sich auf alles geltend. Sie kann nichts erschaffen, wohl aber Fehler verbessern. Diese so wichtige Aufgabe war in früheren Zeiten vielleicht zu sehr vernachlässigt worden, insbesondere auf dem flachen Lande und in den Provinzen. Die abzustellenden Mängel waren folgende. In den Dörfern der Edelleute versahen Schneider das Amt als Schullehrer. Auf den Krondomänen bestimmten die Amtleute die Schullehrer ohne jedes Verständnis. Um einem so verderblichen Mißstande abzuhelfen, verschrieb sich der König aus Sachsen gute Schulmeister, erhöhte ihr Einkommen und ließ darauf halten, daß die Bauern ihre Kinder zu ihnen in die Schule schickten. Zugleich erschien ein Erlaß, der den Geistlichen einschärfte, die jungen Leute nur dann zum Abendmahl zuzulassen, wenn sie in der Schule in ihrer Religion unterrichtet worden waren. Derartige Maßnahmen tragen nicht sofort Früchte; erst mit der Zeit zeigt sich ihr Nutzen.

Die gleiche Fürsorge wurde allen höheren Schulen zugewandt. Die Lehrer gingen nur darauf aus, das Gedächtnis ihrer Schüler anzufüllen, gaben sich aber gar keine Mühe, ihr Urteil zu bilden und zu vervollkommnen. Dieser Mißbrauch, eine Folge alter deutscher Pedanterie, wurde abgestellt. Ohne die Bereicherung des Gedächtnisses zu vernachlässigen, wurden die Lehrer angehalten, ihre Schüler von klein an mit der Logik vertraut zu machen, damit sie durch Ziehen richtiger Schlüsse aus den bewiesenen, feststehenden Voraussetzungen ihr Urteil bildeten und so richtig denken lernten.

Während alles im Staate Nerv und Anspannung war und ein jeder in seinem Wirkungsbereiche nach Vervollkommnung strebte, kam die Teilung Polens zustande. Preußen erwarb, wie berichtet66-2, Pomerellen, die Woiwodschaften Kulm und Marienburg, das Bistum Ermland, die Stadt Elbing und einen Teil von Kujavien und von Posen. Die neue Provinz zählte etwa 500 000 Einwohner. Der gute Boden ist nach Marienburg zu, längs der Weichsel, an beiden Netze-Ufern und im Bistum Ermland. Dafür hat Pomerellen und das Kulmer Land viel öde Sandsirecken. Der Hauptvorteil der Erwerbung war also der, daß eine Verbindung zwischen Pommern und OftPreußen entstand, daß Preußen zum Herrrn des Weichsellaufs und damit des polnischen Handels wurde und durch die starke Getreideausfuhr Polens nie mehr eine Teuerung oder Hungersnot zu befürchten hat.

Diese Erwerbung war nützlich und konnte bedeutsam werden, nachdem durch weise Maßregeln Ordnung geschaffen war. Doch in welchem Zustande fiel die Provinz an Preußen! Alles war Anarchie, Verwirrung und Unordnung, wie sie nun einmal bei einem barbarischenVolk herrscht,das in Unwissenheit und Stumpfsinn dahindämmert. Man begann mit der Vermessung des Landes, um die Abgaben danach zu regeln. Die<67> Kontribution wurde nach dem gleichen Maßstab festgelegt wie in Ostpreußen. Die Geistlichen entrichteten ihre Abgaben nach dem Muster der schlesischen Bischöfe und Äbte. Die Starosteien wurden zu Domänen gemacht. Sie waren Lehen auf Lebenszeit gewesen, wie die der Timarlis in der Türkei67-1. Der König entschädigte die Besitzer durch einmalige Abfindung in Höhe von 500 000 Talern. Das halbwilde, barbarische Land erhielt Post, vor allem aber Gerichte, etwas, das in jenen Gegenden kaum dem Namen nach bekannt war. Eine Anzahl ebenso wunderlicher wie maßloser Gesetze wurde abgeschafft; als oberste Instanz für die Rechtssprechung ward das Kammergericht in Berlin eingesetzt. Der König ließ für 700 000 Taler einen Kanal von Nakel nach Bromberg graben, der die Netze mit der Weichsel verband67-2. Dadurch erhielt dieser Strom direkte Verbindung mit Oder, Havel und Elbe. Der Kanal bot auch noch den Vorteil, daß er die stehenden Gewässer in weiten Landstrichen ableitete, wo nun fremde Kolonisten angesiedelt werden konnten. Alle Wirtschaftsgebäude waren verfallen; ihre Wiederherstellung kostete über 300 000 Taler.

Die Städte waren im traurigsten Zustande. Kulm hatte wohl gute Stadtmauern und große Kirchen, doch an Stelle von Straßen sah man nur die Keller der Häuser, die dort einst gewesen waren. Auf dem Marktplatz standen 40 Häuser, davon 28 ohne Türen, Dächer und Fenster und ohne Besitzer. Bromberg war im gleichen Zustand. Der Ruin der Städte datierte vom Jahre 1709, wo die Pest dort gewütet hatte; doch die Polen kamen garnicht auf den Gedanken, daß man den Schaden wieder gutmachen müsse. Man wird es schwerlich glauben, daß in diesen unglücklichen Gegenden ein Schneider eine Seltenheit war. Man mußte in allen Städten welche ansiedeln, ebenso Apotheker, Stellmacher, Schreiner und Maurer. Die Städte wurden wiederaufgebaut und bevölkert.

Kulm erhielt ein Kadettenkorps für 50 junge Adlige, deren Lehrer sich die größte Mühe geben, sie zu unterrichten; 180 protestantische und katholische Schullehrer wurden in den verschiedenen Orten angestellt und von der Regierung besoldet. Was Erziehung war, wußte man in jenem unglücklichen Lande überhaupt nicht; daher auch seine Sittenlosigkeit und Unwissenheit. Schließlich wurden über 4 000 Juden, die bettelten oder die Bauern bestahlen, nach Polen abgeschoben.

Da der Handel den Hauptzweig der Erträge Westpreußens bildet, suchte man ihn auf alle Weise zu heben. Am meisten gewann dadurch Elbing, das den früher von Danzig betriebenen Handel an sich riß. Eine Handelsgesellschaft für den Verkauf von Salz bildete sich, die für eine jährliche Abgabe von 70 000 Talern an den König von Polen das Salzmonopol für ganz Polen erhielt. Dadurch wurden die Österreicher gezwungen, ihr Salz aus Wieliczka an sie zu verkaufen, was die Gesellschaft sehr in Blüte brachte.

<68>

Nachfolgend eine Übersicht der Einnahmen der Krone aus der neuen Erwerbung:

Kontribution497 000 Taler,
Domänen410 000 „
Akzise360 000 „
Getreide8 000 „
Stempel13 000 „
Post53 000 „
Forstwirtschaft40 000 „
Zölle vom Danziger Werder und der Drewenz730 000 „
Insgesamt2 111 000 Taler.

Diese Einkünfte nebst dem, was die Bank, die Akzise und die Tabaksregie abwarf, erhöhten die Staatseinnahmen um mehr als 5 Millionen Taler.

Derart vermag ein stets vervollkommnetes und vom Vater auf den Sohn befolgdes Finanzsystem die Lage der Regierung zu verändern und sie aus ursprünglicher Armut heraus so reich zu machen, daß sie ihr Gran in die Wagschale der europäischen Großmächte werfen kann.

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3. Kapitel
Heerwesen

Durch sieben Kriegsjahre mit siebzehn Feldschlachten und fast ebenso vielen, nicht minder blutigen Gefechten, drei Belagerungen, die die Preußen unternommen, und fünf, die sie ausgehalten, ganz zu geschweigen von den Unternehmungen gegen die feindlichen Winterquartiere und anderen ziemlich ähnlichen Operationen, war die Armee sehr zusammengeschmolzen. Ein großer Teil der besten Offiziere und alten Soldaten war gefallen. Um sich ein Bild davon zu machen, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, daß allein der Sieg bei Prag 20 000 Mann gekostet hatte. Dazu rechne man 40000 österreichische Gefangene und fast ebensoviel preußische, unter ihnen über 300 Offiziere, die Überfüllung der Lazarette mit Verwundeten und die Tatsache, daß in den Infanterieregimentern nicht über 100 Mann waren, die ihnen im Jahre 1756, zu Beginn des Krieges, angehört hatten.

Durch den Verlust von mehr als 1 500 Offizieren, die in den verschiedenen Kämpfen gefallen waren, war der Adel seiner besten Kräfte beraubt. Im Lande waren nur noch Greise oder halbwüchsige Knaben. Bei dem Mangel an Edelleuten mußten die zahlreichen unbesetzten Offizierssiellen mit Bürgerlichen ausgefüllt werden. Bei manchen Bataillonen waren nicht mehr als 8 diensttuende Offiziere; die anderen waren gefallen oder verwundet oder kriegsgefangen. Aus diesen traurigen Verhältnissen ergibt sich leicht, daß selbst die alten Truppenteile ohne Ordnung, Zucht und Exaktheit waren; folglich fehlte es ihnen an Tatkraft.

Das war der Zustand des Heeres, als es nach dem Hubertusburger Frieden in seine alten Quartiere einrücke. Die Regimenter zählten damals mehr Landeskinder als Ausländer; die Kompagnien waren 162 Mann stark; 40 davon wurden entlassen und halfen der Landwirtschaft wieder auf. Die Freibataillone69-1 wurden zur Komplettierung der Garnisonregimenter verwandt, und diese beurlaubten gleichfalls den Überschuß an Landeskindern. Bei der Kavallerie entließ jedes Regiment 150 Mann, bei den Husaren 400. Durch diese Entlassungen erhielt das flache Land 30 780 Bauern zurück, die ihm fehlten. Dabei verblieb es jedoch nicht. Früher war<70> die Zahl der Landeskinder willkürlich gewesen; jetzt wurde sie auf 720 Mann pro Regiment festgesetzt. Was zum vollen Bestände der Kompagnien fehlte, wurde im Ausland angeworben. Die Kantonnisten erhielten Erlaubnis, sich ohne Genehmigung ihres Hauptmanns zu verheiraten. Wenige blieben Junggesellen; die große Mehrzahl trug lieber zur Vermehrung der Bevölkerung bei. Die Wirkungen dieser weisen Maßnahmen entsprachen den Erwartungen der Regierung. Schon 1773 überstieg die Zahl der Enrollierten70-1 die der von 1756 beträchtlich.

Früher hatten die Hauptleute sich von dem zurückbehaltenen Sold der Urlauber ihren Ersatz selbst angeworben. Diese Methode hatte allzu viele Mißbräuche gezeitigt. Die Offiziere hoben gewaltsam aus, um Geld zu sparen; alle Welt beschwerte sich; kein Fürst wollte dergleichen Gewalttaten in seinem Lande dulden. Die ganze Einrichtung wurde also geändert. General Wartenberg70-2 zog allein den Sold der Veurlaubten ein; davon bekamen die Hauptleute, außer ihrem Gehalt, 30 Taler monatlich. Der Überschuß wurde für die Werbung im Ausland verwandt70-3. Sie lieferte jährlich 7 bis 8 000 fremde Rekruten, die mit Weib und Kind, die sie mitbrachten, eine Kolonie von etwa 10 000 Menschen ausmachten. Obwohl einzige Söhne von Bauern von der Aushebung befreit waren, hob sich das Größenmaß der Kantonnisien von Jahr zu Jahr. Im Jahre 1773 war in den Infanterieregimentern keine Kompagnie mehr, die Leute unter 5 Fuß 5 Zoll hatte.

Die Infanterie- wie Kavallerieregimenter wurden in mehrere Inspektionen eingeteilt70-4, damit wieder Ordnung, Genauigkeit und strenge Disziplin hineinkam, im ganzen Heere völlige Gleichmäßigkeit herrschte und Offiziere wie Soldaten in jedem Regiment die gleiche Ausbildung erhielten. Die Regimenter am Rhein und an der Weser erhielten zum Inspekteur den General Diringshofen, die magdeburgischen Saldern, die kurmärkischen wurden zwischen Namin, Steinkeller und Oberst Buttlar verteilt, die pommerschen erhielten Möllendorff, die ostpreußischen Stutterheim und die schlesischen den General der Infanterie Tauentzien zum Inspekteur70-5. Generalleutnant Bülow bekam die Kavallerieinspektion in Ostpreußen, Seydlitz in Schlesien, General Lölhöffel in Pommern und der Neumark, während die Kavallerie in der Kurmark und im Magdeburgischen unter General Krusemarck70-6 stand.

Die Wiederherstellung der Ordnung und Disziplin in der so heruntergekommenen Infanterie machte unsägliche Mühe. Es bedurfte der Strenge, um den Soldaten<71> wieder gehorsam zu machen, steter Übung, damit er behend wurde, und langer Gewöhnung, damit er viermal in der Minute laden lernte, ohne Schwanken in der Front marschierte, kurz all die Bewegungen ausführte, die im Felde bei den verschiedensten Gelegenheiten von ihm verlangt werden. War aber der gemeine Mann auch ausgebildet, so war es noch schwerer, die jungen Offiziere diensttüchtig zu machen und ihnen das nötige Verständnis für ihren Beruf beizubringen. Um ihnen Übung in den verschiedenen Truppenbewegungen zu geben, ließ man sie in der Nähe ihrer Garnison manövrieren. Sie mußten die verschiedenen Aufmärsche, Angriffe in der Ebene, auf feste Stellungen und Dörfer, die Bewegungen bei der Avantgarde, beim Rückzuge, beim Formieren der Karrees üben, damit sie sowohl angreifen wie sich verteidigen lernten. Das wurde den ganzen Sommer hindurch geübt und täglich ein Teil ihres Pensums wiederholt. Um diese Exerzitien auch in größeren Verbänden zu machen, versammelten sich die Truppen alljährlich zweimal, im Frühjahr und im Herbst71-1. Dann wurden nur kriegsmäßige Übungen ausgeführt, Angriffe und Verteidigung fester Stellungen, Fouragierungen, Kriegsmärsche aller Art und Scheingefechte, wo die Truppen die dafür entworfenen Dispositionen ausführten. So ward, wie Vegetius sagt, der Friede für die preußischen Heere zur Schule und der Krieg zur praktischen Anwendung des Gelernten.

Man darf indes nicht glauben, daß die ersten Manöver nach dem Kriege sehr glänzend ausfielen. Es bedarf der Zeit, damit die angewandte Taktik zur Gewohnheitssache wird, die die Truppen mühelos ausführen. Erst seit dem Jahr 1770 begann die angestrebte Genauigkeit sich zu zeigen. Seitdem erhielt die Armee ein neues Gepräge, und man konnte gewiß sein, daß auf sie Verlaß war, wenn sie ins Feld geführt wurde.

Um diesen Grad der Vollkommenheit zu erreichen, der für das Staatswohl so wichtig ist, hatte man alle Bürgerlichen aus dem Heer ausgemerzt und sie in die Garnisonregimenter gesteckt, wo sie mindestens so viel leisteten wie ihre Vorgänger, die wegen Dienstuntauglichkeit in Pension geschickt wurden. Da das Land aber nicht Edelleute genug für die Armee lieferte, so nahm man seine Zuflucht zu Ausländern aus Sachsen, Mecklenburg und dem Reiche, unter denen sich manche tüchtige Offiziere befanden. Diese Sorgfalt in der Auswahl des Offiziersersatzes ist wichtiger, als man glaubt; denn im großen und ganzen hat der Adel Ehrgefühl. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß hin und wieder auch Verdienst und Talent bei Nichtadligen vorkommt, aber das ist doch recht selten der Fall. Findet man es indessen, so soll man es festhalten. Im allgemeinen aber kann der Adel sich nur durch das Schwert auszeichnen. Verliert ein Adliger seilte Ehre, so findet er nicht einmal mehr im Elternhause Zuflucht, wogegen ein Bürgerlicher, der sich mit Schande bedeckt hat, das Gewerbe seines Vaters ohne Erröten wieder aufnimmt und sich darum doch nicht entehrt fühlt.

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Der Offizier hat sehr viele Kenntnisse nötig, aber zum Wichtigsten gehört die Kenntnis der Fortifikation: bei Belagerungen gibt sie ihm Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Wird er selbst belagert, so kann er gute Dienste leisten. Gilt es, ein Lager zu befestigen, so benutzt man seine Einsicht. Soll ein Stützpunkt in der Postenkette der Winterquartiere verschanzt werden, er wird dazu herangezogen. Kurz, hat er nur etwas Talent, so findet er hundert Gelegenheiten, sich hervorzutun. Damit es den Offizieren nicht an Belehrung auf einem so wichtigen Gebiet der Kriegswissenschaft fehlte, gab der König jeder Inspektion einen Ingenieuroffizier bei, der die begabten jungen Offiziere unterrichtete72-1. Nachdem sie die Elemente der Befestigungskunst erlernt hatten, ließ man sie Befestigungen je nach dem Gelände entwerfen. Sie steckten Lager ab, trafen Marschdispositionen und durften aufihren Zeichnungen nicht einmal die Kavallerievorposten auslassen. Durch dies Studium erweiterte sich ihr Ideenkreis; sie lernten großzügig denken, beherrschten die Regeln der Lagerkunst und erwarben sich schon in jungen Jahren die Kenntnisse eines Generals.

Bei aller Sorgfalt, die man der Infanterie des Feldheeres zuwandte, wurden die Garnisonregimenter nicht vernachlässigt. Die Verteidiger einer Festung können ebenso gute Dienste leisten, wie die, welche Feldschlachten gewinnen. Man merzte ans ihnen all das Gesindel sowohl an Offizieren wie an Soldaten aus, disziplinierte sie wie die Feldregimenter, und der König besichtigte sie alljährlich bei den Revuen in den Provinzen genau wie jene. Das Größenmaß war bei ihnen geringer; trotzdem maß kein Mann unter 5 Fuß 3 Zoll. Obwohl sie nicht so schnell feuerten wie die Feldinfanterie, hätte jeder General sie von 1773 an gern in seiner Brigade gehabt.

Die Kavallerie hatte bei weitem nicht so große Verluste erlitten wie die Infanterie. Da sie stets siegreich gewesen war, so waren die alten Offiziere und Soldaten mit geringen Ausnahmen noch am Leben. Je länger ein Krieg dauert, um so mehr wird allemal die Infanterie leiden. Umgekehrt wird die Kavallerie immer besser, je länger er währt. Mit großer Sorgfalt wurde diese treffliche Truppe mit den besten Remonten versehen, die sich finden ließen.

Immerhin hatten einige Kavalleriegenerale, die als Detachementsführer Infanterie unter sich gehabt hatten, diese ungeschickt benutzt; der gleiche Vorwurf ließ sich übrigens auch gegen einige Infanterieführer erheben, die ihre Kavallerie unverständig verwandt hatten. Um solchen groben Fehlern künftig vorzubeugen, verfaßte der König ein Werk über Taktik und Lagerkunst72-2, das allgemeine Regeln für die Defensive wie für öle Offensive, sowie verschiedene Angriffs- und Verteidigungspläne nebst allen Dispositionen enthielt, und zwar auf Gegenden angewandt, die die ganze Armee kannte. Dies Lehrbuch voll handgreiflicher Vorschriften, die durch die Erfahrung Her vergangenen Kriege erhärtet waren, wurde den Inspekteuren anvertraut, die es ihrerseits den Generalen, den Bataillonskommandeuren und den Re<73>gimentskommandeuren der Kavallerie zu lesen gaben. Im übrigen wurde streng darauf gesehen, daß die Öffentlichkeit keine Kenntnis davon erhielt. Dies Buch hatte größere Wirkung, als man erwartet hatte. Es erschloß den Offizieren das Ver-ständnis der Manöver, deren Sinn sie früher nicht erfaßt hatten. Ihre Einsicht wuchs sichtlich; und da der Erfolg im Kriege wesentlich an der Ausführung der Dispositionen hängt und man sich desto mehr Erfolg versprechen kann, je mehr geschickte Generale man hat, durfte man mit Recht annehmen, daß bei so viel Sorgfalt für die Ben lehrung der Offiziere die Befehle genau befolgt und daß die Generale keine groben Fehler machen würden, durch die eine Schlacht verloren gehen konnte.

Nach dem Brauch, der sich im letzten Kriege herausgebildet hatte, war die Artillerie zu einer Hauptwaffe geworden. Die Zahl der Kanonen hatte man so riesig vermehrt, daß daraus ein Mißbrauch geworden war73-1. Um aber nicht den kürzeren zu ziehen, mußte man ebensoviel haben wie der Gegner. Man wußte also mit der Wiederher-stellung der Feldartillerie beginnen und 868 Kanonen umgießen. Danach richtete man seine Sorgfalt auf die Festungsgeschütze, die zum Teil ausgeschossen waren. Munitionswagen wurden eingeführt, damit jedes Infanteriebataillon seine Reserven Munition stets bei sich hatte. Sie war für jeden Zug in besondere Säcke verpack, um desto schneller verteilt zu werden. Die Pulvermühlen wurden verdoppelt; sie lieferten jährlich 6 000 Zentner Pulver. Zugleich wurden in den Gießhäusern Bomben, Kanonenkugeln und Granaten gegossen.

Die Festungen wurden mit Bohlen und Schwellen für den Batteriebau verschen, und da man eine völlige Reserveartillerie für die Armee haben wollte, wurden noch 868 Feldgeschütze neu gegossen. All dies verschiedene Kriegsmaterial nebst 60 000 Zentnern Pulver wurde gegen Ende des Jahres 1777 an die Zeughäuser abgeliefert. Die Ausgaben für die Artillerie einschließlich der Reparaturen ihrer Munitionswagen und Trains beliefen sich auf 1 Million 960 000 Taler. Das war viel, aber die Ausgabe war nötig.

Beim Ausbruch des Krieges von 1756 hatte Preußen nur 2 Bataillone Artillerle gehabt, bedeutend weniger als der Feind. Man erhöhte sie also auf 6 Bataillone zu 900 Mann, außer den selbständigen Kompagnien, die in den verschiedenen Festungen lagen. Nach dem Frieden blieb die Artillerie auf diesem Fuße. In Berlin wurden große Kasernen für sie errichtet, damit sie stets beisammen war und besser und gleichmäßiger für ihre Aufgaben ausgebildet werden konnte. Die Offiziere erhielten Unterricht in der Fortifikation, damit sie sich im Festungskriege vervollkommneten. Die Kanoniere und Bombardiere exerzierten jahraus jahrein. Sie lernten eine Batterie in einer Nacht errichten, die feindlichen Geschütze demontieren, Rollschüsse abgeben und die Bomben trotz der verschiedenen Windrichtung, die sie vom Ziele forttreibt, an den rechten Fleck werfen. Die Feldgeschütze mußten in Linie vor<74>rücken, als ob sie zwischen den Bataillonen ständen; sie mußten die geringste Bodenwelle benutzen, um jeden Vorteil wahrzunehmen, und jedesmal zielen, bevor sie schossen. Da überall Verbesserungen gemacht wurden, so hatte man eine neue Haubitze erfunden, die Granaten auf 4000 Schritt feuerte74-1. Die Bombardiere wurden mit diesem Geschütz auf verschiedene Entfernungen ausgebildet. Auch wurde die Notwendigkeit erkannt, der Feldartillerie den denkbar höchsten Grad der Beweglichkeit zu geben. Zu dem Zweck wurden bei ihr noch einige Evolutionen eingeführt, damit die Geschütze, von den Mannschaften gezogen, ununterbrochen mit den Bataillonen vorrücken konnten.

Die Armee hatte zwar viele Feldzüge hinter sich, aber oft hatte es dem Hauptquartier an guten Quartiermeistern gefehlt. Der König wollte sich geeignete Leute heranbilden und suchte sich zwölf Offiziere von großer Begabung aus, um sie persönlich anzuleiten74-2. Zu dem Zweck mußten sie Geländeaufnahmen machen, Lager abstecken, Dörfer befestigen, Höhen verschanzen, sogenannte Mahlwerke errichten, Marschdispositionen treffen; vor allem aber wurden sie dazu angehalten, alle Moräste und alleWasserläufe selbst zu untersuchen, um keine Flüchtigkeitsfehler zu begehen und etwa einem Heere einen durchwatbaren Fluß oder gar einen Morast zur Anlehnung zu geben, den die Infanterie durchschreiten kann, ohne sich die Knöchel naß zu machen. Solche Fehler sind folgenschwer; ohne sie wären die Franzosen nicht bei Malplaquet (1709) und die Österreicher nicht bei Leuthen geschlagen worden.

Die Erziehung der adligen Jugend, die den Waffenberuf ergreift, verdient die größte Sorgfalt. Man kann sie von klein auf für den erwählten Beruf erziehen und sie durch gute Vorbildung so weit bringen, daß ihre Fähigkeiten sich früh entwickeln, wie Frühobst, das trotz seiner vorzeitigen Reife am wohlschmeckendsten ist. Während des letzten Krieges war die Kadettenerziehung sehr heruntergekommen. Sie lag so im argen, daß die jungen Leute, wenn sie die Ansialt verließen, knapp lesen und schreiben konnten. Um das Übel mit der Wurzel auszurotten, stellte der König den General von Buddenbrock74-3 an die Spitze des Kadettenkorps (1759). Er war im ganzen Lande unzweifelhaft der Geeignetste zu diesem Amte. Zugleich wurden gute Lehrer berufen und ihre Zahl nach Maßgabe der Schüler, die sie unterrichten sollten, vermehrt. Um zugleich der schlechten Erziehung der adligen Jugend in Pommern abzuhelfen — die Eltern waren zu arm, um sie gut zu erziehen —, gründete der König eine Schule in Stolp, wo 56 adlige Knaben auf seine Kosten gekleidet, ernährt und unterrichtet wurden74-4. Nachdem sie dort die erste Schulbildung genossen hatten, kamen sie ins Berliner Kadettenkorps, wo sie ihre Studien vervollständigten. Hier lernten sie hauptsächlich Geschichte, Geographie, Logik, Mathematik und Befestigungskunst —Kenntnisse, die ein Offizier schwerlich entbehren kann. Zugleich<75> gründete der König eine Ritterakademie75-1 (1765), in welche die begabtesten Kadetten aufgenommen wurden. Er gab ihr selbst die Gestalt und erließ eine Instruktion75-2, die den Studiengang und die Erziehung der Zöglinge betraf. Zu Lehrern wurden die tüchtigsten Professoren genommen, die sich in Europa auftreiben ließen. Fünfzehn junge Edelleute wurden in der Anstalt erzogen; je drei hatten einen Gouverneur. Die ganze Erziehung zielte darauf ab, die Urteilskraft der Zöglinge auszu-bilden. Die Ritterakademie bewährte sich; aus ihr gingen in der Folge tüchtige Männer hervor, die in die Armee traten.

Nach der Eroberung Schlesiens waren verschiedene Festungen angelegt worden. Die meisten bedurften des Ausbaus. Silberberg mußte ganz neu errichtet werden; es sollte die Gebirgspässe beherrschen, die linkerhand nach Glatz und rechts nach Braunau führen. Diese verschiedenen Bauten kosteten bis 1777 vier Millionen 146 000 Taler. In Pommern wurde Kolberg mit einem Aufwand von 800 000 Talern neu befestigt, da sich bei dem Einfall der Russen gezeigt hatte, daß die Festung in solchen Fällen äußerst wichtig werden konnte. Obwohl an allen Festungen tatkräftig gearbeitet wurde, blieben doch 1778 noch verschiedene Ausgaben zur letzten Vollendung des Begonnenen. Alles in allem waren wohl noch 200 000 Taler erforderlich.

General Wartenberg75-3, der das Ökonomiedepartement leitete, hatte ebensoviel zu tun wie die anderen Offiziere in ihren verschiedenen Dienstzweigen. Der Friede diente zur Vorbereitung für den Krieg. Im Jahre 1777 wurden 140 000 neue Gewehre in Spandau hergestellt, Ersatzsäbel für die ganze Kavallerie, Bandeliere, Sattel- und Zaumzeug, Wehrgehenke, Kochtöpfe, Hacken und Äxte und eine komplette Garnitur Zelte für die gesamte Armee. All diese zahlreichen Ausrüstungsgegenstände wurden in zwei großen Gebäuden niedergelegt, die man die Kleiderkammern der Armee nannte; nur die Gewehre kamen ins Zeughaus. Außerdem wurden 3 Millionen Taler zurückgelegt, um die Kavallerie im Kriegsfalle mit neuen Remonten zu versehen und die in den Schlachten verloren gegangenen Uniformsiücke zu ersetzen. Eine andere Summe war für die Aushebung von 22 Freibataillonen bestimmt. Durch diese Zurüstungen im Frieden wurde die Last eines Krieges wenigstens für einige Feldzüge erleichtert, so drückend sie auch bei längerer Dauer wird.

Auch die Kriegsmaschine75-4 wurden nicht vergessen. Eins wurde in Magdeburg angelegt, ein zweites in den schlesischen Festungen. Jedes enthielt 36 000 Wispel Roggen, mit denen ein Jahr lang zwei Heere von 70 000 Mann erhalten werden konnten. Das erste war für die Armee bestimmt, die in Böhmen oder Mähren operieren sollte, das andere für die gegen Sachsen oder Böhmen gerichtete Armee. Der Wert dieser Magazine wurde auf 1 Million 700 000 Taler berechnet. In den drei Teuerungsjahren,<76> von denen weiter oben die Rede war76-1, wurden diese Magazine angegriffen, aber seit 1775 wieder auf den ursprünglichen Bestand gebracht.

Allein die Waffenmagazine des Generals Wartenberg und die großen VorratsMagazine mit Korn reichten noch nicht hin, damit die Armee, sobald es nötig wurde, ins Feld rücken konnte. Eine der schwierigsten Fragen war, wie man so viele Pferde finden und zusammenbringen sollte, als zum Betrieb einer so großen Heeresmaschine nötig sind. Schott der ungeheure Artilleriepark, der Mode geworden war, erforderte eine Unmenge von Zugtieren; außerdem waren Pferde für die Zelte, das Offiziersgepäck und die Lebensmittel nötig. Man machte einen Überschlag, wieviel man brauchen würde, und es ergab sich die Zahl von 60 000 Pferden. Da aber das Land sie alle unmöglich allein aufbringen kennte, so verteilte man 30 000 auf die Provinzen und schloß des weiteren Verträge mit Unternehmern ab, die sich verpflichteten, gegen eine feste Summe aufBestellung binnen drei Wochen die anderen 30 000 Pferde zu liefern.

Nach dem Frieden war die Armee auf den Fuß von 151 000 Mann gesetzt worden. Angesichts der polnischen Wirren, die einen neuen Krieg befürchten ließen, hielt der König es im Jahre 1768 für geraten, die Kompagnien bei 12 Infanterieregimentern um je 40 Mann zu vermehren76-2. Zu ihrer Unterbringung mußten Kasernen erbaut werden, was 360 000 Taler kostete. Die Husarenregimenter und Bosniaken, die nur 1 100 Mann stark waren, wurden auf 1400 gebracht. Ein Bataillon von 1000 Mann, das Rossières76-3 zum Chefbekam, wurde neu ausgehoben und in die Festung Silberberg gelegt. Durch diese verschiedenen Vermehrungen erhielt die Armee einen Friedensfuß von 161 000 Mann.

Diese Anstrengungen waren nötig: bei der Unsicherheit der Lage mußte man auf alles gefaßt sein. Besonders im Lauft des Jahres 1771, während die Unterhandlungen am lebhaftesten waren76-4, ließ sich unmöglich erraten, welche Partei der Wiener Hof ergreifen würde, die der Pforte oder Rußlands. Da jedoch das Haus Österreich allem Anschein nach mehr zu den Türken als zu den Verbündeten des Königs hinüberneigte, so beschloß er, die ganze Kavallerie mit Remonten zu versehen und die Pferde für die Augmentationen zugleich anzuschaffen. Das waren 8 000 Pferde, die auf einmal gekauft wurden. Die Tatsache wurde bald in ganz Europa ruchbar, und der Wiener Hof begriff, daß der König entschlossen war, seiner Bundesgenossin, der russischen Zarin, mit aller Kraft beizustehen. Nun hielt man es in Wien für besser, die polnische Beute mit den beiden Mächten, die den Vorschlag dazu gemacht hatten, zu teilen, als sich in einen neuen Krieg zu stürzen, in dem man mehr aufs Spiel setzte, als zu gewinnen war.

Durch das Einvernehmen der drei Höfe kam es zur Teilung Polens, wie wir es in dem Kapitel über die Politik geschildert haben. Da das vorliegende Kapitel aber<77> nur den militärischen Dingen gewidmet ist, wollen wir die Erwerbung Westpreußens hier lediglich vom militärischen Standpunkt betrachten. Sie war von großer Bedeutung; denn durch sie erhielt Pommern Verbindung mit Ostpreußen. Bei der Darstellung des letzten Krieges wird man bemerkt haben, daß der König alle vom Kern seiner Lande getrennten oder zu weit abliegenden Provinzen hatte aufgeben müssen, so die niederrheinischen und westfälischen, besonders aber Ostpreußen. Diese Provinz lag nicht nur getrennt vom übrigen Staate, sondern war von Pommern und der Neumark auch noch abgeschnitten durch einen Strom von beträchtlicher Tiefe und Breite. Man mußte Herr des Weichsellaufes sein, um Ostpreußen halten zu können. Nachdem aber die Teilung geregelt war, konnte der König Festungen an der Weichsel anlegen und sich die Übergänge sichern, wie er es für geraten fand. Dadurch konnte er nicht allein Ostpreußen halten, sondern im Fall eines Mißerfolges auch die Weichsel und Netze als starke Schranken benutzen, um den Feind am Vordringen nach Schlesien oder nach Pommern und der Neumark zu hindern.

Andrerseits lieferte die Neuerwerbung Mittel zu einer beträchtlichen Heeresvermehrung. Die Armee wurde im Frieden auf 186 000 Mann gebracht und sollte im Kriegsfalle, einschließlich der Freibataillone und anderer ähnlicher Hilfskorps, aus 218 000 Kombattanten erhöht werden.

Die Vermehrung bestand aus folgendem:

4 Garnisonbataillone und Grenadierkompagnien3 150 Mann,
2 neue Bataillone Artillerie2 510 „
5 Infanterieregimenter auf Friedensfuß8 500 „
1 Husarenregiment1 400 „
36 Infanterieregimenter, pro Kompagnie um 20 Mann vermehrt8 640„
Die Jäger vermehrt um300 „
1 neue Mineurkompagnie150 „
Insgesamt24 650 Mann.

Zur Führung der Grenadierbataillone wurden 25 neue Majore mit ebensoviel Adjutanten ernannt. Sonst nahm man sie in Kriegszeiten aus den Infanterieregimentern77-1; jetzt ist diese Charge bleibend geworden. Außerdem wurden die Kanoniere der reitenden Artillerie77-2 beritten gemacht, damit sie schon im Frieden geübt waren und so im Kriege Besseres leisten konnten. Die Gesamtvermehrung belief sich auf 25 22O Mann. Zum Unterhalt dieser neuen Truppen brauchte man 1 Million 250 000 Taler, die Westpreußen zahlen mußte.

Bei allen Maßnahmen im Staatswesen entstehen allemal Konsequenzen, die die Regierung beizeiten bedenken muß. Da die Kräfte des Staates vermehrt waren, mußte ein neuer Anschlag für die Erfordernisse eines künftigen Feldzugs gemacht werden. Im Jahre 1773 hatte die Armee einschließlich der Vermehrung 141 Feld<78>bataillone, 63 Schwadronen Kürassiere, 70 Schwadronen Dragoner, 100 Schwadronen Husaren nebst der Feldartillerie, die 9 600 Kanoniere und Bombardiere zählte, ungerechnet 1 200 Festungsartilleristen und 36 Garnisonbataillone. Nach diesem Be-stände, zu dem noch 22 Freibataillone kamen, wurde der Überschlag der Mobilmachungskosten gemacht. Auf die Provinzen wurde die Lieferung von 23 000 Troßknechten für die Truppen wie für die Artillerie und das Proviantwesen verteilt. Vom Ankauf und der Gestellung von 60 000 Pferden war schon die Rede. Die Gesamtkosten wur-den auf 4 Millionen 246 000 Taler berechnet. Diese Summe wurde in den sogenannten kleinen Staatsschatz gelegt, der lediglich zu diesem Zwecke bestimmt war.

Auf gleicher Grundlage wurden die außerordentlichen Ausgaben für die Armee während eines Kriegsjahres berechnet. Um nicht fehlzugehen, nahm man zur Richtschnur den kostspieligsten Feldzug des verflossenen Krieges, in dem die verlustreichsten Schlachten stattgefunden hatten, nämlich den des Jahres 1757. Dabei ergab sich die Summe von II Millionen 200 000 Talern. Bei derartigen Berechnungen ist es besser, zu hoch als zu niedrig zu greifen; denn hat man zu viel, so schadet das nichts; hat man aber zu wenig Geld, so setzt man viel aufs Spiel.

Diese so nützlichen und notwendigen Berechnungen fußen auf langer Erfahrung. Die entsprechenden Summen für die Mobilmachung sind im kleinen Staatsschatz niedergelegt, die für die Bestreitung eines Kriegsjahres in dem großen Staatsschatz. Tritt dann mit der Zeit der Fall ein, daß nicht alle Kräfte des Staates in Anspruch genommen zu werden brauchen, so ist es kinderleicht, die Ausgaben nach der Truppenzahl zu berechnen, die man in Tätigkeit setzen will. Könnte andrerseits die Armee noch einmal vermehrt werden, so weiß man, was im Kriege eine Schwadron, ein Bataillon nebsi der dazugehörigen Artillerie kostet, und durch ein einfaches Rechen-exempel kann man diese Summe zu dem hinzuaddieren, was nach dem bereits gemachten Überschlag unbedingt notwendig ist, nicht für einen gewöhnlichen Feldzug, sondern für den allerkostspieligsten.

Durch genaue Angaben über die Art der Reorganisation der Armee und alle dazu benutzten Mittel, alle Einzelheiten, auf die eingegangen werden mußte, glauben wir mit unserer Darstellung auch der Nachwelt von Nutzen gewesen zu sein. Das halbe Menschenleben vergeht mit dem Wiedergutmachen der erlittenen Schicksalsschläge. Käme im Laufe der Zeit die Regierung einmal in eine ähnliche Lage, so darf man annehmen, daß es ihr sehr erwünscht wäre, zusehen, wie sich ihre Vorgänger dabei benommen haben. Das gibt ihr ein Bild, was sie zu tun hat, und sie kennt die Einzelheiten, auf die man unbedingt eingehen muß, um eine zusammengeschmolzene und zerrüttete Armee wieder hochzubringen und sie in einen Zustand zu versetzen, kraft dessen die Monarchie auf Erhaltung ihres Ruhmes und ihres Daseins hoffen kann.

Das Gesagte genügt für die Vergangenheit. Nur etwas ist noch hinzuzufügen: es betrifft den Plan des Königs zur Verteidigung von Ost- und Westpreußen. Vor<79> der Erwerbung Westpreußens mußte Ostpreußen im Stich gelassen werden, sobald sich ein Feind an der Grenze zeigte. Denn wäre dort eine preußische Armee geschlagen worden, so hatte sie nur zwei Rückzugslinien, die eine auf Königsberg, wo sie bald eingeschlossen und vielleicht zu einer schimpflichen Kapitulation gezwungen worden wäre, ähnlich wie der Herzog von Cumberland bei Stade79-1; oder sie hätte sich auf die Weichsel zurückziehen müssen, wo sie weder Magazine noch Festungen noch selbst Brücken zum Passieren des Flusses gefunden hätte.

Jetzt aber liegen die Dinge anders. Man konnte also einen vernünftigen Verteidigungsplan entwerfen, der vorherige Maßnahmen gestattete, nämlich die Errichtung von Festungen, die Anlage von Magazinen oder die Erbauung von Brücken. Folgendes wurde bestimmt.

Zur Verteidigungslinie für ganz Preußen wurde die Weichsel gewählt. Zunächst beschloß man, an ihren Ufern eine starke Festung zu bauen. Als geeignetester Punkt wurde Graudenz erkoren, und zwar nicht die Stadt selbst, sondern eine beherrschende Anhöhe in ihrer Nähe. Das bot einen doppelten Vorteil. Die Ossa und ein anderer Wasserlauf, die eine Viertelmeile von der zu befestigenden Stelle fließen, konnten, mit Schleusen versehen, die Umgegend unter Wasser setzen; dadurch wurde die Stellung unangreifbar. Man begann also mit dem Bau dieser wichtigen Festung. Nichts wurde gespart; der Plan befindet sich in der Plankammer. Wir wollen also nichts hinzufügen, außer daß die hohe Lage die Erbauung von drei Minensystemen übereinander gestattete, die sich bis auf 120 Schritt vor dem Glacis verzweigen. Ein Vorratsmagazin für die Truppen wurde erbaut. Obwohl das Ganze jetzt, im Jahre 1779, noch nicht ganz fertig ist und noch 800 000 Taler erforderlich sind, bis alles zur Vollendung gediehen sein wird, so ist doch wenigstens ein Anfang gemacht, und zwei Schiffrücken sind vorhanden, um den Fluß zu überschreiten, je nachdem, wie die Umstände erfordern.

Bemerkt sei nebenbei, daß die Weichsel bei ihrer Breite und ihrem reißenden Laufe auf Pontons ohne Schiffe nicht zu überschreiten ist. Um aber den Platz noch zu verstärken, müssen mit der Zeit noch zwei kleine Forts erbaut werden, das eine an der Nogat bei Marienburg und das andere bei Bromberg an der Mündung der Drewenz in die Deichsel, damit nämlich der Feind keine Schisse von Warschau oder vom Haff herbeischaffen kann, um den Fluß oberhalb oder unterhalb der Festung zu überschreiten.

Das eben dargelegte Projekt bildete die dritte Verteidigungslinie. Dank seiner Bodenbeschaffenheit bietet Preußen nämlich so vorteilhafte Abschnitte, daß man dem Feinde das Land Fuß um Fuß streitig machen kann. Die erste Verteidigungslinie liegt hinter der Memel, die bei Tilsit vorbeifließt und sich in die Ruß ergießt79-2. Dort<80> findet man fast uneinnehmbare Stellungen, die von Ingenieuren aufgenommen sind. Die Armee kann, solange sie dort sieht, ihren Unterhalt aus Königsberg beziehen und ihre Bäckerei in Tilsit anlegen. In diesem Falle ist aber zweierlei zu befürchten. Kommen die Russen hier mit überlegenen Kräften angerückt, so zwingen sie die Preußen rasch zum Verlassen der Stellung. Sie brauchen nur eine starke Abteilung durch Polen auf Grodno marschieren zu lassen, die der Armee in den Rücken fällt und sie zum schleunigen Verlassen des Memelabschnitts nötigt. Oder sie schiffen 10 000 Mann auf Kriegsschiffen ein, die geradenwegs durch das Haff fahren, bei Königsberg landen und sich der Stadt ohne Widerstand bemächtigen können. Damit fallen ihnen zugleich die Armeemagazine in die Hand.

Die zweite Verteidigungslinie liegt hinter der Inster und weiterhin hinter dem Pregel. Die günstigste Stellung hinter der Insier ist rechts von Insterburg an der Mündung der Pissa. Die Armee kann sich dann gleichfalls aus Königsberg verproviantieren, und die Magazine lassen sich im Notfall durch Transporte von Elbing nach Königsberg auf dem Weg über das Haff erneuern. Der Rückzug aus dieser Stellung ist durch Wälder gesichert, die dem schwächeren Teil Schutz bieten. Trüge in einer dieser Gegenden die Armee einen Sieg über den Feind davon, st wäre damit der Krieg sogleich an das Ost- oder Nordende der Provinz verlegt. Die Stellung bei Insierburg, deren rechte Flanke durch die Inster gedeckt wird, ist so vorzüglich, daß ein aus Polen vordringendes russisches Korps lange und mit äußerster Geschicklichkeit manövrieren müßte, bevor es ihr etwas anhaben könnte.

Angenommen jedoch, man müßte dem Feind diese Gegend überlassen, so muß die Armee durch Wälder auf Nordenburg marschieren und von da die Stellung zwischen Schippenbeil und Hartenstein erreichen. Wendet sich der Feind aber mehr nach Polen hin, so muß sie auf Lötzen rücken; und da die Entfernung von Lötzen bis Graudenz zu beträchtlich ist, um die Armee von so weither versorgen zu können, st muß unbedingt ein Zwischenfort errichtet werden, um dort ein Lebensmitteldepot unterzubringen. Der rechte Fleck dazu ist zwischen den Dörfern Borowen und Nibben, die an einem großen See liegen. Hält man ihn für geeignet, so kann man neben diesem Fort ein verschanztes Lager anlegen, durch das es vor jedem Angriff gesichert ist. In dieser von Natur starken, von Seen, Sümpfen und Flußläufen umgebenen Stellung könnte man sich lange halten, ohne eine feindliche Umgehung befürchten zu müssen. Denn angenommen selbst, der Feind wollte über die Weichsel oder Netze vordringen, so kann er die Armee doch nicht ernstlich beunruhigen, da er keinerlei Fortschritte machen könnte; auch müßte der Heerführer schon äußerst dumm sein, da er mit diesem Marsche den Preußen Gelegenheit gäbe, ihm in den Rücken zu kommen. Setzt man aber beim Feind einen anderen Plan voraus und nimmt an, er werde nur ein Detachement nach Thorn schicken, um dort über die Weichsel zu gehen, so glauben wir doch nicht, daß der Schade beträchtlich sein könnte. Dies Detachement könnte die neue Festung Graudenz weder belagern noch einnehmen, und st wäre dem Plan der <81>preußischen Defensive keinerlei Abbruch getan. Ich frage aber: wie kann das feindliche Detachement in einem so unfruchtbaren Lande wie Pomerellen seinen Unterhalt finden? Es setzt sich dem Hungertod aus; denn solange die Preußen Herren der Weichsel sind, kann kein Feind sich dort halten. Somit kann der preußische General, der in einem verschanzten Lager bei Lötzen oder Borowen sieht, dreist Detachements in den Rücken des Gegners senden, um die feindlichen Korps zu vertreiben, die die Weichsel und Netze überschritten haben.

Ziehen wir die letzte Konsequenz und nehmen wir an, die Abschnitte von Memel und Ruß, von Inster und Pregel, die Lager bei Lötzen und Borowen ließen sich auf die Dauer nicht halten und man müßte nach einigen Feldzügen notgedrungen über die Weichsel zurückgehen. Böte dann der Fluß nicht eine sehr beträchtliche Schranke?

Dieser Umstand sowie das oben Gesagte führt uns auf die Frage, was zu tun wäre, falls der Bruch mit den Russen unvermeidlich würde und man auf einen Angriff von Ostpreußen her gefaßt sein müßte. Unter solchen Umständen gilt es sofort, sich Danzigs zu bemächtigen und zugleich die Festung auf dem linken Weichselufer wieder instand zu setzen; der jenseitige Teil wird durch die Überschwemmungen hinreichend geschützt. Diese Vorsichtsmaßregeln und das Fort an der Nogat genügen zur Deckung der rechten Flanke des Lagers bei Bromberg. Anders sieht es mit Thorn. Man muß sich wohl hüten, es zu besetzen; denn seine unvorteilhafte Lage inmitten eines Höhenkranzes gestattet keine wirksame Verteidigung. Mithin bedarf das Lager bei Graudenz zum Schutze der rechten Flanke nur des Forts von Bromberg, und seine Verteidigungslinie darf sich nicht weiter ausdehnen. Beide Forts haben nur den Zweck, den Feind am Zusammenbringen von Schiffen zum Übergang über die Weichsel zu hindern, sei es flußaufwärts vom Haff her, sei es flußabwärts von Warschau her. Denn Pontons genügen für den Fluß nicht; es bedarf richtiger Schiffe, um eine Brücke zu schlagen. Um keine Möglichkeit unberührt zu lassen, ist eins zuzugeben: Sobald die Russen ihre Flotte benutzen wollen, um Truppen zu landen — sei es bei Danzig oder selbst bei Stolp in Pommern —, kann man sie nicht daran hindern. Aber das können nur schwache Korps sein, die ein Detachement des Lagers bei Graudenz leicht vertreiben kann.

Soviel von der linken Flanke. Rechterhand sind andere Maßregeln erforderlich. Zunächst ist nichts leichter, als gleich beim Ausbruch des Krieges die Weichselbrücke bei Thorn abzubrechen. Ich gestehe aber, daß das nicht hinreicht; denn der Feind kann von Warschau her beliebig viel Schiffe herbeischaffen, um dort eine Brücke zu schlagen. Hier beginnen nun die strategischen Manöver. Was hindert einen General, aus dem Lager bei Graudenz stracks auf Thorn zu marschieren, sobald der Übergang des Feindes feststeht, ihn von der Weichsel abzuschneiden und die feindliche Armee ohne Kampf in die Enge zu treiben? Aus allem hier Dargelegten schließen wir, daß ein geschickter Heerführer Preußen auch bei mäßigen Streitkräften mehrere Feldzüge hindurch halten kann. Er hat drei<82> Stellungen, die hervorragende Vorteile bieten, bevor er den Weichselabschnitt zu halten braucht: 1.die Memel, 2.die Inster, 3. Lötzen. Muß er sich ungünstigsten Falls auf Graudenz zurückziehen, so kann er durch kräftige Verteidigung der Weichsel und Netze auf die oben angegebene Art zugleich Pommern und Schlesien decken.

Der König ist bei diesem Plane nicht stehen geblieben; er hat alle Lager aufnehmen lassen. Ingenieuroffiziere haben die Pläne gezeichnet; alle Märsche sind eingetragen, die Dispositionen neben jede Marschroute gesetzt, sodaß ein General, der mit der Verteidigung Preußens betraut ist, seine Arbeit völlig zugerichtet findet; ihm bleibt nur noch der Ruhm, sie auszuführen. Von diesem Verteidigungsplan sind zwei Exemplare hergestellt. Das eine befindet sich im Gouvernementsarchiv in Königsberg, das andere in Potsdam in der Plankammer.


10-1 Freiherr Bernhard Wilhelm von der Goltz.

10-2 Vgl. Bb. l, S. 241.

11-1 Im „Provisorischen Traktat“ vom 22. AprU 1767 entsagte das Haus Gottorp allen Ansprüchen auf Schleswig und vertauschte seinen Anteil an Holstein gegen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst (vgl. Bd. I, S.88; IV, S. 125.128).

11-2 Am 14. Juli 1765.

11-3 Am 26. Mai 1767. Vgl. die Gedächtnisrede des Königs In Bd. VIII, S. 201 ff.

12-1 18. August 1765.

13-1 Am 4. Oktober 1767 erfolgte die Vermählung zwischen der Prinzessin Wllhelmine, der Tochter des verstorbenen Prinzen August Wilhelm, und dem Prinzen Wilhelm V. von Oranlen, Erbstatthalter der Niederlande.

13-2 Die Generalkonföderation von Radom (Juni 1767).

13-3 Fürst Kajetan Soltyk und Graf Joseph Andreas Zaluski.

15-1 Die Gesandtschaften von Goltz (vgl. S. 10) und Guines dauerten von Februar bis Dezember 1769.

15-2 Michael Krasinski.

17-1 Vgl. S. 11.

17-2 Vgl. S. 11.

17-3 21. April 1769.

17-4 14. Juli 3769.

17-5 Der spätere König Friedrich Wilhelm III., geboren am 3. August 1770.

18-1 Markgraf Alexander.

18-2 Der Abschluß des Vertrages erfolgte am 23. Oktober 1769.

18-3 Vgl. S. 12.

18-4 Der Besuch Josephs II. in Neiße dauerte vom 25. bis 28. August 1769.

19-1 In der Fassung von 1775 hatte der König, noch unbeeinflußt von den schlimmen Erfahrungen der folgenden Jahre, geschrieben: „Der junge Monarch zeigte liebenswürdigste Lauterkeit und Offenheit, er war voll Lebhaftigkeit und Frohsinn. Eine schöne Seele, reine Absichten verbanden sich mit einem unermeßlichen Verlangen, sich zu unterrichten, und dem edlen Ehrgeiz, seinem Vaterlande nützlich zu sein. Bei einem solchen Charakter knüpften die Bande der Hochachtung und Freundschaft sich schnell zwischen beiden Monarchen.“

19-2 Joseph II. hatte das Versprechen unbedingter Neutralität für alle kriegerischen Verwicklungen gefordert. Wegen seines Bündnisses mit Rußland beschränkte sich König Friedrich auf die Zusage, den Kaiser nicht in seinen Besitzungen angreifen zu wollen.

20-1 Vgl. Bd. III, S. 91.

20-2 Das eigenhändig vom König entworfene Lynarsche Projekt war ln einem Erlaß an den Grafen Solms vom 2. Februar 1769 enthalten. Der Erlaß lautet: „Graf Lynar lst nach Berlin gekommen, um seine Tochter mit dem Sohne des Grafen Kamele zu verheiraten. Es lsi derselbe, der die konvention von Kloster Zeven abgeschlossen hat. Er ist ein großer Politiker und lenlt Europa noch von seinem Dorf aus, wohin er sich zurückgezogen hat (Lübbenau im Spreewald). Dieser Graf Lynar ist auf etwas recht Merkwürdiges verfallen, um alle Interessen der Fürsten zugunsten Rußlands zu vereinen und den europäischen Staatsgeschäften mit einem Schlage eine ganz andere Wendung zu geben. Nach seinem Plan soll also Rußland dem Wiener Hofe, damit er ihm gegen die Türken beistehe, die Stadt Lemberg mit Umgebung und die Zips anbieten, uns dagegen Polnisch-Preußen mit Ermland und dem Schutzrecht über Danzig. Rußland selbst soll sich zur Entschädigung für seine Kriegskosten ein beliebiges Stück von Polen aneignen, und da dann jede Eifersucht zwischen Österreich und Preußen beseitigt sei, würden beide den Russen um die Wette gegen die Türken beistehen. Dieser Plan hat etwas Blendendes und Bestechendes. Ich glaubte ihn Ihnen mitteilen zu müssen. Sie kennen die Denkweise des Grafen Panin, Sie werden also das Ganze verschweigen oder es nach Gutdünken verwerten Allerdings scheint mir der Vorschlag mehr glänzend als sicher.“

21-1 Die türkische Flotte wurde am 5. und 6. Juli 1770 bei Tschesme geschlagen und vernichtet.

22-1 Vgl. Bd. I, S. 158 ff

22-2 3. bis 7. September 1770.

22-3 Vgl. S. 19.

23-1 Vgl. S. 19.

23-2 In der Nacht zum 4. September 1770.

23-3 Der Kaïmakam Mehmed Pascha führte in Abwesenheit des Großwesirs Chalil Pascha, der im Felde weilte, die Geschäfte.

24-1 Marie Jeanne Gomarde de Vaubernier, die spätere Gräfin du Barry.

24-2 24.Dezember 1770.

25-1 Am 12. Oktober 1770 traf Prinz Heinrich in Petersburg ein; am 30. Januar 1771 trat er die Heimreise an.

25-2 D. d. Petersburg 9. Dezember 1770 (a. St.).

25-3 Die Antwort des Königs an Katharina II. ist vom 4. Januar 1771 datiert.

26-1 Freiherr Gottfried van Swieten.

27-1 Die Zips war bereits im Sommer 1769 besetzt worden. Ein Jahr später nahmen die Österreicher wettere Grenzstarosteien in Besitz. Entscheidend wurde aber erst der Umstand, daß sie, alte Ansprüche vorschützend, Ende November 1770 in diesen Grenzgebieten mit der Ausübung von Hoheitsrechten begannen und sie für „wiedervereinigt mit dem Königreich Ungarn“ erklärten.

27-2 In der Fassung von 1775 sagt der König geradezu, baß die Teilung dadurch „veranlaßt“ wurde.

27-3 Prinz Heinrich berichtet am 8. Januar 1771 über die Unterredung an den König, er sei an dem Abend dieses Tages bei der Kaiserin Katharina gewesen: „Scherzend erzählte sie mir, daß sich die Österreicher zweier Starosteien in Polen bemächtigt und an den Grenzen dieser Gebiete ihre Grenzabler aufgepflanzt hätten. Sie fügte hinzu: „Aber warum sollte alle Welt nicht auch zugreifen?“: Ich erwiderte, daß Du, lieber Bruder, einen Grenzkordon (gegen die Pest) in Polen gezogen, jedoch keine Starosteien okkupiert hattest. „Aber warum nicht okkupieren?“ sagte die Kaiserin lachend. Einen Augenblick später näherte sich mir Graf Tschernyschew, brachte das Gespräch auf denselben Gegenstand und schloß: „Aber warum nicht das Bistum Ermland wegnehmen? Denn schließlich muß doch jeder etwas haben.““

29-1 Das Bündnis zwischen der Pforte und Österreich wurde in der Nacht zum 7. Juli 1771 in Konstantinopel unterzeichnet, Doch von Maria Theresia nicht ratifiziert.

30-1 Am 17. August 1771 von Solms nach Berlin übersandt.

32-1 Von Solms am 6. Dezember 1771 Versandt.

32-2 Der Vertrag wurde am 17. Februar 1772 unterzeichnet, jedoch auf den 15. Januar zurückdatiert.

33-1 Vgl. S. 29.

36-1 Vgl. Bb.l, S. 64. 102. 114.

36-2 Franz Maria von Thugut.

36-3 Auf Grund des Allianzvertrages (vgl. S. 29).

36-4 Johann Christoph von Zegelin.

37-1 König Adolf Friedrich starb am 12. Februar 1771; ihm folgte sein Sohn Gustav III.

38-1 Vgl. S. 18.

38-2 Christian VII.

38-3 Vgl. S. II.

39-1 Johann Friedrich Struensee, seit Juli 1771 Graf und Kabinettsmlmsier.

39-2 Die Generale Eickstedt und Köller und Graf Adolf Siegfried Osten, der Minister des Auswärtigen.

39-3 Juliane Marie, die zweite Gemahlin des 1766 gestorbenen Königs Friedrich V.

39-4 In der Nacht zum 18. Januar 1772.

4-1 Vgl. Bd. IV, S. 125 f.

4-2 Der Sturz Peters III.

4-3 5. Oktober 1763.

40-1 Der Kammerherr Graf Enewold Brandt.

40-2 Huldigungsfahrt der schwedischen Könige nach ihrer Thronbesteigung durch die Provinzen des Reiches.

40-3 Die entscheidende Wendung führte die Antwort Christians VII. vom 9. November 1772 herbei, der darin alle dänischen Rüstungen lediglich als Sicherungsmaßnahmen für die „eigenen Staaten“ bezeichnete.

41-1 November 1772.

41-2 Abburrisak-Effendi.

41-3 Vgl. S. 36 f.

42-1 Dolgoruki und Harris.

42-2 König Friedrich erhob Anspruch auf den Hafen von Danzig und den Hafenzoll, weil das Hafengebiet auf dem ihm durch die Teilung zugefallenen Grund und Boden von Oliva lag. Da der Danziger Magistrat diesen Anspruch bestritt, war die Mittlerrolle dem Petersburger Hofe übertragen.

43-1 Gregor Alexandrowitsch von Potemkin.

43-2 Vgl. S.10 f. und 38.

43-3 Im Teilungsvertrage war bestimmt, daß die Netze die Grenze der preußischen Erwerbung bilden und „ganz“ an Preußen fallen sollte. Als Österreich seine Grenze über Bug und Weichsel durch Podolien bis zum Sbrucz vorschob, forderte König Friedrich noch einen Streifen auf dem rechten Ufer des Flusses, der bis zum Südende des Goplo-Sees reichte, das sogenannte Überschwemmungsgebiet der Netze, sowie den Bezirk zwischen dem Goplo-See und der „Alten Netze“.

44-1 Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt, die nach ihrem Übertritt zum griechisch-katholischen Bekenntnis die Namen Natalie Alexjewna führte.

44-2 Vgl. S. 17.

44-3 Freiherr Achaz Ferdinand von der Asseburg.

44-4 Generalleutnant Freiherr Rupert Scipio von Lentulus.

45-1 Die Unterzeichnung der Abtretungsverträge erfolgte gleichzeitig am 18. September 1773 mit den drei Mächten.

45-2 Vgl. Bd. I, S. 64 und 66.

46-1 Peter I. sah sich 1711 von den Türken am Pruth eingeschlossen und zum Friedensschluß genötigt.

46-2 23. und 24. Juni 1773.

47-1 8. bis 10. IM 1773.

47-2 21. und 22. Oktober 1773,

48-1 Der Kosak Jemelian Pugatschew gab sich vielmehr selbst für Peter III. aus.

48-2 Die Russen forderten die Abtretung von Kinburn statt Kertsch und Ienikala.

48-3 Diese Angabe beruht auf Irrtum.

49-1 Abdul Hamid folgte seinem Bruder Mustapha III. am 21. Januar 1774.

49-2 Aasime. Sie war mit dem Großwesir Muhsin Gabe vermählt.

49-3 Friedensschluß von Kutschuk-Kainardsche.

5-1 Orlando innamorato, I. Buch, 12. Gesang, Stanze 14 und 15. Es handelt sich um die Fee Morgana, die den Helden Roland mit seinen Gefährten in einem kristallenen Schlosse gefangen hielt. Nur wer sie an ihren Haaren ergriff, konnte sie bezwingen.

50-1 Am 14. September 1774 wurde Pugatschew gefangen und am 10. Januar 1775 hingerichtet.

50-2 Vgl. S.43.

50-3 Graf Franz Xaver Branicki traf Ende April 1774 in Petersburg ein.

50-4 Vgl. S. 9, Anm. 2

51-1 Die Schreiben Katharinas II. sind vom 26. Mai (a. St.) datiert, die Antwort König Friedrichs vom 27. Juni, die Maria Theresias vom 16. Juli 1774. -

51-2 10. Mai 1774.

52-1 Vgl. S.24.

52-2 Es Handelte sich um Grenzstreitigkeiten in Südamerika. -

52-3 Für den amerikanischen Unabhängikeitskampf vgl. unten S. 85 f.

52-4 Vgl. S. 42.

52-5 Heinrich Wilhelm Reichardt und Graf Iwan Golowkin (vgl. S. 43).

53-1 Vgl. S.29, Anm.1.

53-2 Der russische und der preußische Gesandte in Wien.

53-3 Die Besitzergreifung der Bukowina erfolgte im September 1774.

58-1 Joachim Christian von Blumenthal; Valentin von Massow; Ludwig Philipp von Hagen; Karl Heinrich von Wedell.

58-2 Feldherr Julius August Friedrich von der Horst.

58-3 1766.

59-1 Der König kaufte Gotzkowsky, dem Begründer der Berliner Porzellanfabrik, diese 1763 ab und nahm sie in staatlichen Betrieb.

59-2 Die Gründung der Preußischen Bank erfolgte 1765.

60-1 Bankhaus in Amsterdam.

60-2 Vgl. Bd. VII, S. 136.

61-1 Vgl. Bd. VII, S. 135.

62-1 Die schlesische „Landschaft“ wurde 1770 begründet, die „Kreditsozietät“ für die kur- und Neumark 1777; Pommern folgte dann 1780.

63-1 Vgl. Bd. VI, S. 222; VII, S. 211.

63-2 Vgl. S. 17 f.

66-1 Vgl. für das Folgende auch den Erlaß des Königs über das Unterrichtswesen an den Minister Freiherrn von Zedlitz vom 5. September 1779 (Bd. VIII, S. 313 ff.).

66-2 Vgl. S. 29.32.

67-1 Timar ist das Lehngut, das die türkischen Krieger auf Lebenszeit erhielten, und nach dem sie ihren Namen Timarli führten.

67-2 Der Bromberger Kanal wurde 1772 begonnen und 1775 vollendet.

69-1 Die Freitruppen waren erst während des Krieges ausgehoben und wurden nach Friedensschluß wieder entlassen. Vgl. Bd. VI, S. 173 und 295.

7-1 Vgl. Bd. III. S. 19 f.

7-2 Kaunitz war am 4. April 1764 in den Reichsfürstenstand erhoben.

7-3 Vgl. S. 4.

7-4 Schon Anfang August 1763 erfolgte die Übersendung des preußischen Entwurfs.

70-1 Die in die Stammrolle Eingetragenen. Für die Einrichtung der Kantons vgl. Bd. l, S. 186; VI, S. 225 ff.; VII, S. 169 f.

70-2 Generalmajor Friedrich Wilhelm von Wartenberg leitete die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Ersatzangelegenheiten (vgl. Bd.VI, S.224).

70-3 Vgl. Bd. VI, S.224 und 226.

70-4 Vgl. Bb. VI, S. 234 und 239.

70-5 Die Generalmajore Bernhard Alexander von Diringshofen, Friedrich Christoph von Saldern, Friedrich Ehrentreich von Namin; die Obersten Anton Abraham von Steinkeller, Julius Treusch von Buttlar; die Generalmajore Wicharb Joachim Heinrich von Möllendorff, Joachim Friedrich von Alt-Stutterheim; Generalleutnant Bogislav Friedrich von Tauentzien.

70-6 Die Generalleutnants Christoph Karl von Bülow, Friedrich Wilhelm von Seydlitz die Generalmajore Friedrich Wilhelm von Lölhöffel, Hans Friedrich von Krusemarck.

71-1 Vgl. Bd. VII, S. 173 f.

72-1 Vgl. Bd. VI, S. 242 und 276 f.

72-2 Die „Grundsätze der Lagerkunst und der Taktik“ von 1770 (vgl. Bd. VI, S. l27 ff.).

73-1 Vgl. Bd. III, S. 13; VI, S. 118 ff. 227 ff.

74-1 Vgl. Bd. VI, S.229. -

74-2 Vgl. Bd. VI, S.242. -

74-3 Generalmajor Johann Jobst Heinrich Wilhelm von Buddenbrock. -

74-4 Für die Gründung des Kadettenkorps in Kulm vgl. S. 67.

75-1 Die Académie des Nobles. Auch sie stand unter Buddenbrocks Leitung.

75-2 Vgl. Bd. VIII, S. 251 ff.

75-3 Vgl. S. 70.

75-4 Vgl. Bd. VI, S. 222; VII, S. 180 f.

76-1 Vgl. S. 63.

76-2 Vgl. Bd. VI, S. 233.

76-3 Oberst Franz Ludwig von Rossières, Kommandant von Silberberg.

76-4 Vgl. S. 29 f.

77-1 Vgl. Bd. VI, S. 257.

77-2 Vgl. Bd. VI, S. 230.

79-1 Gemeint ist die Konvention von Kloster Zeven vom 8. September 1757 (vgl. Bd. III, S. 91).

79-2 Vielmehr teilt sich die Memel unterhalb Tilsit in die Nuß und Gilge und ergießt sich ins Kurische Haff.

8-1 Graf Viktor Friedrich Solms, der preußische Gesandte in Petersburg.

8-2 Kurfürst Friedrich Christian starb am 17. Dezember 1763; ihm folgte sein Sohn Friedrich August.

8-3 Gideon Benoît.

8-4 Graf Hermann Karl Keyserling.

8-5 Die Sendung des russischen Contreprojekts erfolgte im Januar, dessen Rücksendung mit ben preußischen Änderungen im Februar, Abschluß und Zeichnung des Vertrags am 11. April 1764.

9-1 Unter dem Namen der Dissidenten wurden die Evangelischen und die Griechisch-katholischen zusammengefaßt.

9-2 Poniatowski hatte von 1755 bls 1759 in Petersburg gewellt, seit 1757 als polnischer Gesandter. Dort war auch ein Liebesbund zwischen ihm und Katharina entstanden.

9-3 Der Konvokationsreichstag trat zur Vorbereitung der Wahl am 7. Mai 1764 zusammen, der Wahlreichstag selbst am 27. August und der Krönungsreichstag am 3. Dezember.

9-4 Friedrich Hans Karl Fürst von Carolath-Beuthen, Graf von Schönaich.

9-5 Die Konföderation, ein Bund der polnischen Edelleute, wurde geschlossen, sobald die Staatsmaschine versagte, um bestimmte Forderungen zu gesetzmäßigen Beschlüssen zu erheben. Nur auf den sub vinculo confoederationis abgehaltenen Reichstagen galt Stimmenmehrheit, wahrend sonst, dank dem liberum veto, jeder Landbote das Recht besaß, durch seinen Einspruch den Reichstag zu sprengen.