<157> Sie wird den Anlaß von den polnischen Angelegenheiten nehmen1, in Verbindung mit Rußland und selbst mit dem König von England, der des Wiener Hofes wegen seiner hannöverschen Angelegenheiten bedarf)2...

Rußland darf nicht unter die Zahl unserer wirklichen Feinde gerechnet werden. Zwischen ihm und Preußen gibt es keine Streitfragen. Nur der Zufall macht es zu unserem Feinde. Ein von England und Österreich bestochener Minister3 hat mit großer Mühe einen scheinbaren Vorwand für die Entzweiung unserer beiden Höfe gefunden4. Mit dem Sturze dieses Ministers müssen die Dinge wieder in ihre natürliche Lage zurückkehren5 ...

Frankreich gehört zu unseren mächtigsten Verbündeten. Die Geschäfte werden in diesem Lande, dessen Gottheit das Vergnügen ist, oberflächlich behandelt. Ein schwacher Fürst redet sich ein, daß er diese Monarchie regiert, während seine Minister sich in seine Autorität teilen und ihm nichts als einen unfruchtbaren Namen lassen. Eine Mätresse, die nur auf ihre Bereicherung hinarbeitet6, Verwaltungsbeamte,


1 Seit 1748 verhandelten der Wiener und der Petersburger Hof über den Plan, Maria Theresias Schwager, den Prinzen Karl von Lothringen, beim Tode Augusts III. auf den polnischen Königsthron zu setzen; damit eröffnete sich die Aussicht auf einen neuen polnischen Erbfolgekrieg.

2 Der König schreibt im Testament von 1768 über Österreich: „Die Macht Österreichs verdient besondere Beachtung. Dies Haus der Cäsaren hatte sich seit der Zeit Karls V. mehr und mehr geschwächt. Unter der Regierung Karls VI. hat es sich wieder erholt; aber nach dem Tode dieses Kaisers und dem Erlöschen des Mannsstammes glaubte Europa, es sei verloren. Eine Frau erhob es wieder und behauptete es mit Festigkeit. Sie wurde der Abgott eines vor kurzem noch aufrührerischen Volkes, das sie für ihre Sache in den Kampf führte. Diese Frau regiert noch jetzt. Wenn sie die verlorenen Provinzen noch nicht durch andere eroberte ersetzt hat, so hat sie doch, ihre Finanzen ordnend, Schätze gefunden, und ihre Einkünfte belaufen sich so hoch, wie die des Kaisers Karl VI. selbst zu der Zeit, da er Neapel besaß. Man berechnet ihre jährlichen Einkünfte auf 26 Millionen. Wirklich unterhält sie 140 000 Mann und kann diese Zahl, wenn Zeit und Umstände es erfordern, auf 200 000 steigern. Ihre Macht würde noch furchtbarer sein, wenn sie nicht jährlich 8 Millionen Taler abrechnen müßte, teils um die Zinsen zu zahlen, teils für einen Fonds zur Tilgung der während des letzten Krieges gemachten Schulden. Sie hat die Kunst verstanden, fähige Minister zu finden und zu wählen, und ihr Ministerrat ist durch Weisheit und systematisches Verfahren dem aller anderen Könige überlegen. Sie handelt aus sich selbst. Ihr Sohn läßt sich von ihr in den Geschäften belehren und folgt ihren Antrieben. Fürst Kaunitz und Hatzfeldt sind ihre besten Minister. Die Generale, die den größten Namen haben, sind Lacy und Laudon; wenn sie diese verlöre, würde es ihr schwer werden, unter der großen Zahl der übrigen ihresgleichen zu finden. Indessen ist bis jetzt die österreichische Kavallerie schlecht, die Infanterie taugt mehr, besonders als Posten, und ihr Artilleriekorps ist so gut als möglich. Prägt es Euch wohl ein, daß es keinen großen Fürsten gibt, der nicht den Gedanken mit sich herumtrüge, seine Herrschaft zu erweitern. Die Kaiserin-Königin hat ohne Zweifel ihr Eckchen Ehrgeiz wie die andern. Die Politik verlangt, daß solche Vorhaben mit undurchdringlichem Schleier verhüllt bleiben und daß man die Ausführung verschiebt, weil die Mittel zum Erfolge fehlen. Man darf also das System des Friedens, welches der Wiener Hof zur Schau trägt, nur den 180 Millionen Talern, die er schuldet, zuschreiben. Sie würden ihn, wenn ein Krieg zustieße, ehe er einen ansehnlichen Teil dieser Summe getilgt hätte, zu einem Bankrott nötigen.“ Und von Kaiser Joseph II., der seit 1765 Mitregent war, heißt es: „Der wird uns munter halten. Wehe denjenigen, die ihn aus den Augen verlieren oder sich in einer falschen Sicherheit wiegen werden.“

3 Bestushew.

4 Vgl. Bd. III, Kap. II.

5 Über Rußland sagt der König im Testament von 1768: „Es ist besser, diesen Staat zum Freunde zu haben als zum Feinde; er kann uns viel Böses tun, und wir können es ihm nicht vergelten.“

6 Die Marquise von Pompadour.