<96>Sein Wolfsgemüt wird kühl die Falken schauen,
Wie sie das Tal mit Taubenblut betauen.

Mich bost's, daß ein gewisser großer Herr
Sein Herz an Pferde, Hunde gar verschwendet,
Als ob er nur so hoch erhoben wär,
Damit sein Gold in ihrem Bauche endet!
Indes die Pferde nutzlos an der Krippe
Sich mästen, wird der Arme zum Gerippe.
Er schwelgt in Luxus, denkt an sich allein;
Ein leerer Traum ist ihm des Nächsten Pein.
Ja, dieser Mißbrauch hat mich so empört,
Daß ich die Großen und das Glück verachte!

„Du staunst!“ entgegnete mein Freund und lachte.
„Die Welt ist fühllos, undankbar, betört.
„Ich kenne sie nun schon so manches Jahr,
„Seit ich Fortunas Oberpriester war.
„Der Schmeichler blöder Schwarm umdrängte sie,
„Und einen jeden sollte sie beglücken.
„Ein Höfling bat, daß sie ihm Macht verlieh',
„Um einen falschen Freund zu unterdrücken,
„Der stets ihn auszustechen sich erfrechte.
„Der König heischte unterwürf'ge Knechte.
„Ein Stutzer, den sein karges Los verdroß,
„Verlangte Würden und ein prunkend Schloß,
„Und ein Verschwender wünschte große Habe,
„Um sie nach Lust und Laune zu vergeuden.
„Ein Geizhals sprach: Du Bringerin der Freuden,
„Gib Schätze mir, damit ich sie vergrabe!
„Hochmütig rief ein Graf mit frecher Miene:
„Wo bleibt der hohe Rang, den ich verdiene?
„Ich käme nie zum Schluß, erzählt' ich Dir
„Ihr wunderlich Gered in allen Stücken.
„Kurz, keiner dacht' in seiner eitlen Gier
„Der holden, edlen Wonne, zu beglücken,
„Und meine Göttin, unberechenbar
„Und unbesorgt, wen ihre Gabe trifft,
„Versagt' aus Laune, reichte wahllos dar.“