<37>Doch mochte dem polnischen Könige die eheliche Treue, welche sein Freund in bürgerlicher Strenge gegen seine Gemahlin bewahrte, verwunderlich vorkommen. Die Neugier trieb ihn, sich selbst zu überzeugen, wie standhaft diese Treue sein möchte, die für seine Anschauungsweise etwas Unbegreifliches war; ohne Zweifel auch gönnte er dem Freunde sehr gern Anteil an Vergnügungen, in denen er selbst den höchsten Genuß fand. Er traf dazu seine Vorbereitungen. Eines Abends, nachdem, bei der Tafel den Pokalen weidlich zugesprochen war, gingen sie zusammen im Domino auf den Maskenball; König August führte seinen Gast im Gespräch von Zimmer zu Zimmer, während der Kronprinz Friedrich und einige andere Herren ihnen nachfolgten. Endlich gelangten sie in ein reichgeschmücktes Gemach, dessen ganze Einrichtung den feinsten Geschmack zu erkennen gab. Der König von Preußen war eben im Begriff, seine Bewunderung über die Dinge, die er um sich sah, zu erkennen zu geben, als plötzlich ein Vorhang bei Seite rauschte und sich ein ganz unerwartetes Schauspiel seinen Augen darbot. Auf einem Ruhebett lag eine junge Dame hingestreckt, maskiert und mit nachlässigen Gewändern nur wenig bekleidet, so daß der Glanz der Kerzen, welcher das Gemach erfüllte, die reizendsten Formen beleuchtete. König August, scheinbar erstaunt, näherte sich ihr mit derjenigen feinen Galanterie, mit welcher er so oft ein weibliches Herz zu gewinnen gewußt hatte; er bat sie, die Maske abzunehmen, doch machte sie eine verneinende Bewegung. Er nannte hierauf seinen Namen und sagte ihr, er hoffe, sie werde zweien Königen eine so leichte Gefälligkeit nicht abschlagen. Diese Worte waren ein Befehl, und die junge Dame enthüllte alsbald ein überaus anmuthiges Gesicht. August schien ganz bezaubert und sagte zu ihr, daß er nicht zu begreifen vermöge, wie so viele Reize ihm bis jetzt hätten unbekannt bleiben können. Friedrich Wilhelm hatte indeß bemerkt, daß sein Sohn Zeuge dieses Schauspiels war; er hatte sogleich seinen Hut vor das Gesicht des Kronprinzen gehalten und ihm geboten sich zu entfernen; dazu aber war dieser vorerst wenig geneigt. Er wandte sich darauf zu dem Könige von Polen und bemerkte trocken. « Sie ist recht schön », verließ aber augenblicklich mit seinem Gefolge das Gemach und den Maskenball. In seiner Wohnung beklagte er sich bitterlich gegen seinen Günstling über das unfreundschaftliche Unternehmen des Königs von Polen, und es kostete viel Mühe, ihn wieder mit dem letzteren auszusöhnen. In das Herz des Kronprinzen aber war jener Anblick als ein zündender Brand gefallen. Vielleicht hatte König August jenes Schauspiel auch auf ihn berechnet; eifersüchtig auf das Verständniß Friedrichs mit der Gräfin Orzelska, ließ er ihm die Dame jenes verführerischen Gemaches, die mit dem Namen der schönen Formera genannt wird, anbieten, um ihn durch sie von seiner Liebe abwendig zu machen. Friedrich nahm das Anerbieten an.