<382>so stand die Mark aufs neue den Russen offen; auch warteten diese nur auf solche Kunde, um unverzüglich wieder hervorzubrechen und ihre Winterquartiere im Brandenburgischen zu nehmen. Friedrich erkannte die ganze Größe der Gefahr; aber die Reihe aller der Leiden, die er seither bereits ertragen, hatte seinen Mut gestählt. Er war entschlossen, das Äußerste zu wagen. « Nie werde ich (so schrieb er an d'Argens) den Augenblick sehen, der mich nötigen wird, einen nachteiligen Frieden zu schließen; kein Bewegungsgrund, keine Beredsamkeit werden imstande sein, mich dahin zu bringen, daß ich meine Schande unterschreibe. Entweder laß ich mich unter den Ruinen meines Vaterlandes begraben, oder wenn dem Geschick, das mich verfolgt, dieser Trost noch zu süß scheinen sollte, so werd ich mein Unglück zu endigen wissen, wenn es nicht mehr möglich ist, dasselbe zu tragen. Stets handelte ich der innern Überzeugung und jenem Gefühle von Ehre gemäß, welches alle meine Schritte leiten wird, und nach dem ich stets handeln werde; mein Betragen wird allezeit mit diesen Grundsätzen übereinstimmen. Nachdem ich meine Jugend meinem Vater, meine männlichen Jahre meinem Vaterlande aufgeopfert habe, glaube ich berechtigt zu sein, über mein Alter zu gebieten. Ich hab es Ihnen gesagt und wiederhole es nochmals: nie wird meine Hand einen schimpflichen Frieden unterzeichnen. Ich bin fest entschlossen, in diesem Feldzuge alles zu wagen und die verzweifeltsten Dinge zu unternehmen, um zu siegen oder ein ehrenvolles Ende zu finden. »
Das Glück begünstigte den Beginn. Wittenberg und Leipzig wurden wieder mit preußischen Truppen besetzt; die Reichsarmee zog sich, ohne sich mit den Österreichern vereinigt zu haben, gegen Thüringen zurück. Daun lagerte bei Torgau; mit ihm mußte nun der entscheidende Kampf gekämpft werden.
Dauns Armee zählte über 64,000 Mann. Die Stellung, welche er auf den Höhen bei Torgau eingenommen hatte, war fast jener gleich, in der einst die Russen bei Kunersdorf standen; auf der vorderen Seite war das Lager durch steileren Abfall des Bodens, durch Bäche und Sümpfe, auf der hinteren Seite durch einen starken Verhack geschützt. Friedrich führte ihm 44,000 Mann entgegen. Der Lokalität gemäß beschloß Friedrich, mit dem Hauptteil seiner Armee die Stellung des Feindes zu umgehen und ihn von hinten anzufallen, während ein besonderes Korps, unter Zietens Leitung, auf der vorderen Seite gegen ihn rücke, ihn hier in Schach halte, um sodann, wenn Friedrich die Macht der Österreicher geworfen, ihnen in den Rücken zu fallen und eine gänzliche Vernichtung herbeizuführen.
Am 3. November, in früher Morgenstunde, machte sich Friedrich auf den Marsch; seine Armee ging in drei voneinander getrennten Kolonnen durch den großen Wald, der sich bis an die eine Seite der feindlichen Stellung heranzog. Ein österreichisches Regiment, das als Vorposten im Walde stand, geriet hiebei ganz