<481>Sie müßten wissen, sagte er, daß der geringste Bauer und Bettler ebensowohl ein Mensch sei, wie der König. « Ein Justiz-Kollegium », fügte er hinzu, « das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer wie eine Diebsbande: vor der kann man sich schützen; aber vor Schelmen, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre übeln Passionen auszuführen, vor denen kann sich kein Mensch hüten; die sind ärger wie die größten Spitzbuben, die in der Welt sind, und meritieren eine doppelte Bestrafung. » Den Großkanzler entließ er mit harten Ausdrücken und mit der Erklärung, daß er seines Dienstes nicht weiter bedürfe und daß seine Stelle schon wieder besetzt sei; die drei Räte wurden in das Stadtgefängnis gebracht. Sodann ward dem Kriminalsenate des Kammergerichts eine Untersuchung über die verschiedenen richterlichen Kollegien, die bisher in dieser Sache geurteilt, übertragen; doch der Senat erkannte auf ihre Unschuld. Friedrich aber bestimmte aus eigner Machtvollkommenheit, daß jene Räte des Kammergerichts und mehrere andere Justizbeamte kassiert, mit einjähriger Festungshaft belegt werden und allen Schaden des Müllers ersetzen sollten.
Der ganze Vorfall, besonders aber das durch königlichen Machtspruch erfolgte Urteil, erregte außerordentliches Aufsehen. In fernen Ländern pries man die unnachsichtige Rechtspflege des Königs, die sorgsam auch über dem Wohle des Geringsten seiner Untertanen wache. In der Nähe hatte das unerwartete Ereignis zwar viele Gemüter aufs tiefste erschüttert; man mußte die unglücklichen Opfer innig bedauern, aber man erkannte zugleich die hehre Absicht und durfte sich der freudigen Zuversicht hingeben, daß aus so edlem Willen kein weiteres Übel hervorgehen könne. Auch war man der Gesinnung des Königs zu gewiß, als daß man in sklavischer Furcht seine Meinung über das Ereignis unterdrückt hätte. Alles eilte, dem abgesetzten Großkanzler sein Beileid zu bezeigen; die Wagenreihen der Besucher waren so aufgefahren, daß sie geradezu aus den Fenstern des königlichen Schlosses gesehen werden mußten. Wenige Tage zuvor war ein neuer österreichischer Gesandter angekommen und hatte eine Wohnung in der Nähe des abgesetzten Großkanzlers bezogen; als er das Gedränge der Besucher wahrnahm, äußerte er: « In andern Ländern eilt man zu den Ministern, die neu angestellt sind; hier, wie ich sehe, zu dem, der ungnädig entlassen worden. » Ebenso wurde auch den nach der Festung abgeführten Räten von allen Seiten Teilnahme bezeigt und mannigfach für die Erleichterung ihres Schicksals gesorgt. Friedrich hinderte das alles auf keine Weise; und so dürften in der Tat nur wenig Züge zu finden sein, die — rücksichtlich der Begeisterung, die das Volk für seinen König hegte — für die Würde dieses Verhältnisses ein ehrenvolleres Zeugnis geben könnten.