FÜNFTES KAPITEL Zwiespalt zwischen Vater und Sohn.
Je lebhafter sich das Gefühl der Selbständigkeit in Friedrich entwickelte, um so weniger Neigung empfand er, sich den Anordnungen des Vaters zu fügen, die mit seinen Wünschen fast stets im Widerspruch standen; um so strenger aber drang auch der Vater auf genaue Befolgung seiner Befehle, so daß die unangenehmen Szenen sich zu häufen begannen. Dem Kronprinzen schien jetzt selbst die Verbindung mit einer englischen Prinzessin noch mehr wünschenswert als früher, indem er hierdurch eine größere Freiheit zu gewinnen hoffte. Bereitwillig bot er jetzt der Mutter die Hand, um an der Ausführung ihres Lieblingsplanes mitzuarbeiten, und er schrieb selbst in dieser Angelegenheit nach England. Aber die Verhältnisse zwischen England und Preußen hatten sich inzwischen noch weniger erfreulich gestaltet. König Georg I. war bereits im Jahre 1727 gestorben und sein Sohn, Georg II., der Bruder von Friedrichs Mutter, in der Regierung gefolgt. Zwischen diesem und König Friedrich Wilhelm waltete eine persönliche Feindschaft, die sich schon in früher Kindheit, als beide miteinander erzogen wurden, geäußert hatte. Jetzt führten sie Spottreden gegeneinander im Munde. Der österreichischen Politik konnte dies Miss<40>verhältnis nur wünschenswert sein und sie tat das ihrige zur Förderung desselben. Verschiedene andere Streitpunkte kamen dazu, die Ungebührlichkeiten der preußischen Werber, die von ihrem Könige in Schutz genommen wurden, gaben den Ausschlag, und es drohte im Jahre 1729 sogar ein Krieg zwischen beiden Mächten auszubrechen, der indes durch andere Fürsten, denen die Ruhe Deutschlands am Herzen lag, im Anfange des folgenden Jahres wieder beigelegt wurde. Alles dies machte dem Könige die fortgesetzten Pläne für die Doppelheirat mit England immer verhaßter, und auf die Teilnehmer derselben häufte sich sein Groll. Die Nachricht, die ihm insgeheim von Friedrichs Schreiben nach England zugetragen wurde, war keineswegs geeignet, seinen Groll zu mildern. Anfälle von Podagra vermehrten seine gereizte Stimmung, so daß die beiden älteren Kinder schon rohe Behandlung zu gewärtigen hatten.
Diese suchten sich durch ihr treues Zusammenhalten zu entschädigen. Ihr Vergnügen bestand in der Beschäftigung mit französischer Literatur. Unter anderm lasen sie zusammen Scarrons komischen Roman und bearbeiteten die satirischen Teile desselben mit Nutzanwendung auf die ihnen verhaßte österreichische Partei des Hofes; jeder, der zu der letzteren gehörte, selbst der König, erhielt seine Stelle im Roman. Der Mutter ward das Produkt mitgeteilt, und diese, statt das Vergehen der Kinder gegen den Vater zu rügen, ergötzte sich an dem satirischen Talente, welches sich darin aussprach.
Im Sommer 1729, als die königliche Familie sich einige Zeit in Wusterhausen aufhielt, hatte sich der Zorn des Königs gegen das ältere Geschwisterpaar in solchem Maße erhöht, daß er sie ganz, die Mahlzeiten ausgenommen, aus seiner und aus der Königin Gegenwart verbannte. Nur ganz insgeheim, des Nachmittags, wenn der König seinen Spaziergang machte, durfte sich die Mutter des Umganges mit ihren Kindern erfreuen; dabei wurden jedesmal Wachen ausgestellt, um sie von der Rückkehr des Königs zu benachrichtigen, von dem man sich, wenn er die Übertretung seines Befehles wahrgenommen hätte, keiner glimpflichen Behandlung gewärtigen durfte. Eines Tages hatten die Wachen jedoch ihren Auftrag so schlecht befolgt, daß man plötzlich, ganz unvorbereitet, den wohlbekannten Schritt des Königs auf dem Gange hörte; das Zimmer der Königin hatte keinen zweiten Ausgang, und so blieb kein anderes Rettungsmittel, als daß der Prinz eilig in einen Wandschrank schlüpfte, während die Prinzessin sich unter dem Bette der Königin versteckte. Aber der König, ermüdet von der Hitze, setzte sich auf einen Sessel und schlief zwei lange Stunden, während welcher die Geschwister es nicht wagen durften, ihre sehr unbehaglichen Gefängnisse zu verlassen.
<41>Andere Übertretungen der Befehle des Königs gaben zu ähnlichen Szenen Anlaß. Der Kronprinz hatte bei jenem Besuche in Dresden den vorzüglichen Flötenspieler Quantz kennengelernt. Er wünschte aufs lebhafteste, durch diesen im Flötenspiel vervollkommnet zu werden; die Königin, die diese Neigung gern begünstigte, suchte Quantz für ihre Dienste zu gewinnen. Doch wollte ihn der König August nicht von sich lassen; er gab ihm aber die Erlaubnis, jährlich ein paarmal nach Berlin zu gehen, um den Kronprinzen wenigstens in den Hauptbedingungen eines vorzüglicheren Flötenspieles zu unterrichten. Natürlich durfte der König von Preußen von diesen Reisen und Unterrichtsstunden gar nichts wissen. Einst saß der Kronprinz in aller Gemächlichkeit mit seinem Lehrer beisammen; statt der beklemmenden Uniform hatte er einen behaglichen Schlafrock von Goldbrokat angelegt, die steife Frisur war aufgelöst und die Haare in einen bequemen Haarbeutel gesteckt. Plötzlich sprang der Freund des Kronprinzen, der Leutnant von Katte, herein und meldete, daß der <42>König, dessen Erscheinung man zu dieser Stunde gar nicht vermutete, ganz in der Nähe sei. Die Gefahr war groß, und wie der Schlafrock des Kronprinzen, so war der rote Rock des Flötenbläsers — eine Farbe, gegen die der König großen Widerwillen hegte — keineswegs geeignet, das Unwetter, das man befürchten mußte, zu besänftigen. Katte ergriff rasch den Kasten, welcher Flöten und Musikalien enthielt, nahm den Musikmeister bei der Hand und flüchtete mit diesem in ein kleines Kämmerchen, welches zum Heizen der Öfen diente; Friedrich hatte eben nur Zeit, die Uniform anzuziehen und den Schlafrock zu verbergen. Der König wollte selbst einmal Revision im Zimmer des Sohnes halten. Daß hier nicht alles ganz richtig sei, ward er bald an dem Haarbeutel gewahr, der mit der Uniform des Kronprinzen in keinem reglementsmäßigen Einklange stand. Nähere Untersuchungen ließen ihn die Schränke hinter den Tapeten entdecken, in denen die Bibliothek und die Garderobe der Schlafröcke enthalten war. Die letzteren wanderten augenblicklich in den Kamin, die Bücher wurden dem Buchhändler übergeben. Der zitternde Flötenist blieb glück<43>licherweise unentdeckt; doch hütete er sich, solange seine Besuche heimlich fortgesetzt wurden, je wieder in einem roten Rocke zu erscheinen.
Andere Dinge waren vielleicht noch in größerem Maße, wenn der König von ihnen Kunde hielt, schuld an seiner Erbitterung gegen den Kronprinzen. Der Besuch in Dresden war für Friedrichs Herz von schlimmen Folgen gewesen. Die Bilder, die dort vor seinem Auge vorübergezogen waren, die Genüsse, die er gekostet hatte, ließen ihm fortan keine Rast, und seine erwachte Natur forderte mit Ungestüm ihr Recht. Für einen Königssohn, mag er auch noch so eng bewacht sein, sind die Bande der Sitte immer leicht zu überspringen, wenn keine abmahnende Stimme des Innern ihn zurückhält; hilfreiche Hände sind für den Hochstehenden nur zu häufig bereit. Einen Vertrauten gewann sich der Kronprinz zunächst an dem Leutnant von Keith, einem Leibpagen des Königs, dessen sanfter, teilnehmender Charakter die bedrückten Verhältnisse des Prinzen mit Kümmernis ansah und der seine Stellung gern dazu benutzte, jenen so oft als möglich von dem Vorhaben und den Stimmungen des Königs zu unterrichten, wodurch denn mancher unangenehmen Szene vorgebeugt ward. Keith leistete auch bei den verliebten Abenteuern des Kronprinzen getreue Pagendienste. Das unregelmäßige Leben des letztern noch mehr zu begünstigen, diente zugleich der Umstand, daß um eben diese Zeit seine Hofmeister ihres bisherigen Dienstes entlassen wurden. Dies geschah auf den Rat des General Grumbkow, dessen österreichischen Interessen der Oberhofmeister, Graf Finkenstein, den die Königin zu dieser Stelle erwählt hatte, im Wege stehen mochte; er bedeutete dem König, daß der Prinz nunmehr in das Alter getreten sei, in welchem sich eine Aufsicht solcher Art nicht mehr zieme. An die Stelle der Hofmeister traten nun zwei Gesellschafter, die aber keine nähere Aufsicht zu führen hatten: der Oberst von Rochow und der Leutnant Freiherr von Keyserling. Letzterer, ein junger Mann von lebhaftem Geiste, anmutiger Bildung und der heitersten Gemütsart, wurde nachmals der innigste Freund des Kronprinzen; auch schon jetzt entwickelte sich ein näheres Verhältnis, doch wurde Keyserling nicht eigentlicher Vertrauter, wie es Keith war.
Das stete Zusammenhalten des Kronprinzen mit Keith war dem Könige aufgefallen und von ihm nicht mit günstigen Augen angesehen; Keith wurde nach einiger Zeit nach dem fernen Wesel in ein Regiment versetzt. Doch nützte diese Trennung wenig. Der Kronprinz fand bald einen zweiten Liebling an dem Leutnant von Katte, der für ihn ungleich gefährlicher war als jener. Katte wußte ebenfalls durch feine Bildung und Anmut des Gespräches einzunehmen, obgleich sein Äußeres wenig anziehend war und die zusammengewachsenen dunkeln Augenbrauen seiner <44>Physiognomie einen unheilverkündenden Ausdruck gaben. Dabei war er von verdorbenen Sitten und diente eifrig, den Kronprinzen in seinen Ausschweifungen zu bestärken; auch wußte er, mit klügelnder Philosophie, eine solche Lebensweise zu beschönigen, indem er sich aus halbverstandener Kathederlehre ein System der Vorherbestimmung zusammengesetzt hatte, demzufolge der Mensch sich ohne eignen Willen, somit ohne Schuld, der über ihn verhängten Sünde zu ergeben habe. An dem Kronprinzen fand er für solche Lehren einen teilnehmenden Schüler. Endlich besaß Katte nicht einmal die für eine so gefährliche Stellung nötige Besonnenheit; er prahlte gern mit der Gunst, die ihm der Kronprinz erwies, er zeigte überall dessen Briefe vor, und gar manches hiervon mag dem Könige ohne sonderliche Schonung hinterbracht worden sein.
Schon suchte der König absichtlich die Gelegenheit auf, um den Kronprinzen empfindlich zu kränken. An schimpflichen Reden und an schimpflicher Behandlung fehlte es nicht. Der Kronprinz mußte ein Zeitlang Fähnrichsdienste tun. In öffentlicher Gesellschaft mußte er wiederholt von dem Könige die verächtlichen Worte hören, daß, wenn ihn, den König, sein Vater auf ähnliche Weise behandelt hätte, er tausendmal davongelaufen wäre; aber dazu gehöre mehr Mut, als der Kronprinz besäße. Wo der König ihm begegnete, drohte er ihm mit aufgehobenem Stocke, und schon versicherte der Kronprinz seiner älteren Schwester, daß er nicht mehreres, als was bisher geschehen sei, mit der schuldigen Ehrerbietung ertragen könne; käme es je zu tätlicher Mißhandlung, so werde er in der Tat sein Heil in der Flucht suchen. Mehrfach und dringend verlangte der König, der Kronprinz solle dem Thronrechte entsagen, damit dasselbe auf den zehn Jahre jüngeren Sohn, August Wilhelm, der sich durchaus fügsam gegen den Vater bewies und von diesem bei jeder Gelegenheit vorgezogen wurde, übergehen könne. Aber der Kronprinz erwiderte, er wolle sich <45>eher den Kopf abschlagen lassen, als sein gutes Recht aufgeben; endlich erklärte er sich dazu unter der Bedingung bereit, daß der König in einem öffentlichen Manifest als Ursache seiner Ausschließung von der Thronfolge bekannt mache, er sei von ihm kein leiblicher und ehelicher Sohn. Auf solche Bedingung konnte freilich der Vater, seiner Gesinnung gemäß, nicht eingehen.
Zu alledem kam endlich der Umstand, daß die Beschäftigungen und Vergnügungen, welche der Kronprinz hinter dem Rücken des Vaters trieb, ohne mehr oder weniger bedeutende Geldmittel nicht ausführbar waren. Zwar war die sogenannte kronprinzliche Kasse sehr vermögend, doch nützte ihm dies zu nichts, da er selbst nur über sehr geringe Summen zu verfügen hatte. Er sah sich also genötigt, bei fremden Leuten Geld aufzunehmen. Der Vater erfuhr, daß er von berlinischen Kaufleuten eine Summe von 7000 Talern entliehen habe; und sogleich erschien, im Januar 1730, ein geschärftes Edikt wider das Geldleihen an Minderjährige, worin es namentlich auch verboten wurde, dem Kronprinzen, sowie den sämtlichen Prinzen des königlichen Hauses Geld zu borgen, und worin gegen die Übertreter des Gesetzes Karrenstrafe, selbst Todesstrafe verhängt wurde. Der König hatte die 7000 Taler bezahlt, und der Kronprinz, auf weiteres Befragen, noch eine geringe Summe genannt, als welche er außerdem schuldig sei; aber die Gesamtmasse seiner Schulden überstieg das Doppelte jener großen Summe.
Das Schuldenmachen war es ohne Zweifel, was den Charakter des Königs am empfindlichsten berührte; wenigstens hat er später, als der Gewitterstrahl auf das Haupt des Kronprinzen herabgefallen war und als dem letztern seine Vergehungen vorgehalten wurden, gerade diesen Punkt unter allem bisher Geschehenen als den bedeutendsten hervorgehoben. So konnte ihn sein aufbrausender Jähzorn, der ihm öfters alle Besinnung zu rauben schien, zu Szenen verleiten, wie die, von der wir jetzt Bericht geben müssen. Wir können das Bild dieser Szene nicht übergehen, da es zum Verständnis alles dessen, was nun erfolgte, wesentlich nötig ist, und da man nur, wenn man auf dasselbe zurückblickt, die Größe der später eintretenden Versöhnung zu würdigen vermag. Wir geben die Szene mit den Worten, mit denen sie von Friedrichs älterer Schwester, in den Memoiren ihres Lebens, aus denen wir schon so manchen bedeutsamen Zug aus Friedrichs Jugend entnommen haben, selbst erzählt wird — oder vielmehr mit Friedrichs eigenen Worten, die die Schwester in ihren Memoiren anführt. « Man predigt mir alle Tage Geduld (so sagte Friedrich zur Schwester, als er sie einst heimlich besuchte), allein niemand weiß, was ich ertragen muß. Täglich bekomme ich Schläge, werde behandelt wie ein Sklave und habe nicht die mindeste Erholung. Man verbietet mir das Lesen, <46>die Musik, die Wissenschaften, ich darf fast mit niemand mehr sprechen, bin beständig in Lebensgefahr, von lauter Aufpassern umgeben, mir fehlt es selbst an der nötigen Kleidung, noch mehr an jedem andern Bedürfnis, und was mich endlich ganz überwältigt hat, ist der letzte Auftritt, den ich in Potsdam mit dem König hatte. Er läßt mich des Morgens rufen; sowie ich eintrete, faßt er mich bei den Haaren, wirft mich zu Boden, und nachdem er seine starken Fäuste auf meiner Brust und meinem ganzen Leibe erprobt hatte, schleppt er mich an das Fenster und legt mir den Vorhangstrang um den Hals. Glücklicherweise hatte ich Zeit gehabt, mich aufzuraffen und seine beiden Hände zu fassen; da er aber den Vorhangstrang aus allen Kräften zuzog und ich mich erdrosseln fühlte, rief ich endlich um Hilfe. Ein Kammerdiener eilte herbei und befreite mich mit Gewalt aus des Königs Händen. Sage nun selbst, ob mir ein anderes Mittel übrigbleibt als die Flucht? Katte und Keith sind bereit, mir bis ans Ende der Welt zu folgen; ich habe Pässe und Wechsel und habe alles so gut eingerichtet, daß ich nicht die geringste Gefahr laufe. Ich entfliehe nach England; dort empfängt man mich mit offenen Armen, und ich habe von des Königs Zorn nichts mehr zu fürchten. Der Königin vertraue ich von allem diesem nichts, — — weil sie, wenn der Fall eintritt, imstande sein soll, einen Schwur abzulegen, daß sie nichts von der Sache gewußt hat. Sobald der König wieder eine Reise außer seinen Staaten macht — denn das gibt mir viel mehr Sicherheit — ist <47>alles zur Ausführung bereit. » — Die Prinzessin wandte alles an, um ihrem Bruder das gewagte Vorhaben auszureden, aber erneute Mißhandlungen dienten nur, ihn darin zu bestärken.
Eine günstige Gelegenheit zur Ausführung dieses Vorhabens schien sich bald darzubieten, indem der König im Mai 1730, mit seinen sämtlichen Prinzen und einer großen Menge der angesehensten Offiziere nach Sachsen ging, um an dem glänzenden Lustlager, welches König August zu Mühlberg veranstaltet hatte, teilzunehmen. Das phantastische Schaugepränge, mit welchem der preußische Hof hier aufgenommen wurde, übertünchte nur schlecht den drohenden Zwiespalt zwischen Vater und Sohn; auch wurde die aufgeregte Stimmung des Königs nur vermehrt, als er, nicht ohne guten Grund, wahrzunehmen glaubte, daß alle diese prunkvollen Freundschaftsbezeugungen von Seiten des polnischen Königs nur leerer Schein waren, daß König August ihn hiedurch nur sicher zu machen suchte, während er selbst insgeheim die eifrigsten Ansprüche auf jene jülich-bergische Erbfolge geltend machte. Der Kronprinz Friedrich ließ indes den Kabinettsminister des Königs von Polen durch den Leutnant Katte um Postpferde für zwei Offiziere bitten, welche inkognito nach Leipzig zu reisen wünschten. Der Minister aber schöpfte Verdacht, teilte das Anliegen seinem Könige mit, und August, dem für jetzt das äußere gute Verhalten mit dem preußischen Könige sehr wichtig war, drang dem Kronprinzen das Versprechen ab, seinen Vater wenigstens während des Aufenthaltes in Sachsen nicht zu verlassen. So war Friedrich vorderhand zur Ruhe genötigt, und seine Ungeduld mußte eine bessere Gelegenheit zu erhaschen suchen. Aber schon war für ihn bei längerer Zögerung größere Gefahr im Anzuge; denn unbedacht hatte er manch ein Wort über sein Vorhaben fallen lassen, und der König war gewarnt. Durch erneute Härte der Behandlung, selbst im sächsischen Lager, suchte dieser den Sinn des Kronprinzen zu beugen; natürlich aber brachte ein solches Verfahren nur die entgegengesetzte Wirkung hervor.
Inzwischen schien sich ganz plötzlich von einer andern Seite die günstigste Aussicht zur Umgestaltung von Friedrichs peinlicher Lage zu eröffnen. Es ist bereits erwähnt worden, daß die kriegerischen Verhältnisse, in denen Friedrich Wilhelm gegen England gestanden hatte, im Anfange dieses Jahres beigelegt waren. Der englische Hof meinte diesmal die Versöhnung so aufrichtig, daß ein außerordentlicher Gesandter nach Berlin geschickt wurde, jene Doppelheirat aufs neue zu beantragen und, wenn möglich, zum festen Abschlusse zu bringen. Aber man wollte sich zugleich der wirklichen Freundschaft des Königs versichern und ihn aus den Intrigen der österreichischen Partei befreit wissen: man verlangte zu dem Ende Grumkows Ent<48>fernung vom Hofe, indem man durch vollgültige Zeugnisse die verräterische Verbindung desselben mit dem österreichischen Hofe darzutun imstande war. Bei so dringender Gefahr wandte die österreichische Partei alles an, um den König in seiner bisherigen Gesinnung festzuhalten, und es gelang nur zu gut. Der König vergaß sich persönlich gegen den englischen Gesandten, und dieser fand es mit seiner Würde unverträglich, die Unterhandlungen fortzusetzen. So erlosch dieser kurze Hoffnungsschimmer so schnell, wie er aufgetaucht war; dem Könige war neuer Anlaß zum Groll gegeben, und der Kronprinz sah keinen andern Ausweg aus diesem Labyrinth vor sich, als beschleunigte Flucht.