<142>

FÜNFZEHNTES KAPITEL Feldzug des Jahres 1741.

Wie ein Lauffeuer war die Nachricht von dem unvermuteten Einfall in Schlesien durch ganz Europa geflogen; alles war von Erstaunen über die Kühnheit des jungen Königs, der seine kleine Macht zum Kampf gegen das große Österreich führte, ergriffen; einige tadelten sein Unternehmen mild als eine Unbesonnenheit; andere erklärten es für ein ganz tollkühnes Beginnen. Der englische Minister in Wien behauptete, Friedrich verdiene in den politischen Bann getan zu werden. Denn wohl sah man ein, daß hiedurch der Friede, der seit kurzem in Europa zurückgekehrt war, auf geraume Zeit unterbrochen bleiben dürfte, daß nun auch andere Mächte auftreten würden, Ansprüche an die Erbschaft Karls VI. zu machen, und daß die pragmatische Sanktion nur ein schwaches Band sei. Wirklich machte bereits der Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, der übrigens jene Sanktion nicht anerkannt hatte, Ansprüche auf das Erbe des Kaisers; auch strebte er selbst nach der Kaiserkrone; für jetzt indes fehlte es ihm an Mitteln, sich geltend zu machen. Größere Gefahr war von Frankreich zu befürchten, indem man leicht voraussetzen konnte, daß dasselbe seinen alten Kampf mit Österreich bei günstiger Gelegenheit gewiß wieder aufnehmen würde.

<143>Graf Gotter hatte indes Friedrichs Forderungen und Anträge nach Wien gebracht. Er bot Friedrichs Freundschaft, sein Heer, seine Geldmittel zum Schutze der Kaisertochter, seine Stimme für die Wahl ihres Gemahls, des Herzogs Franz von Lothringen, zum Kaiser; aber er verlangte dagegen ganz Schlesien. Solche Forderung fand kein geneigtes Gehör; eine der besten Provinzen des Staates für zweideutige Vorteile wegzugeben, schien allzu töricht. Die Kammerherren zu Wien bemerkten spottend, einem Fürsten, dessen Amt als Reichs-Erzkämmerer es sei, dem Kaiser das Waschbecken vorzuhalten, komme es nicht zu, der Tochter des Kaisers Gesetze vorzuschreiben. Doch ward weiter unterhandelt. Jene Forderung von ganz Schlesien war vielleicht nur in kaufmännischem Sinne gemeint gewesen; je weiter Friedrich in Schlesien vorschritt, um so mehr ließ er in der Forderung nach; bald verlangte er sogar weniger, als ihm zufolge seiner rechtlich ausgeführten Ansprüche zukam, aber alles war umsonst. England, gegenwärtig in nah befreundetem Verhältnis zu Österreich, bemühte sich aufs eifrigste, den österreichischen Hof zur Nachgiebigkeit zu bewegen; aber Maria Theresia sowohl als ihre Minister wollten auf keine Abtretung eingehen, solange Friedrich bewaffnet in Schlesien stehe. wolle er das Land räumen, so bot man ihm Vergessenheit des Geschehenen und das Versprechen, nicht auf Schadenersatz zu bestehen. So zerschlugen sich die Unterhandlungen bald.

Friedrich hatte dafür gesorgt, daß für die protestantischen Bewohner Schlesiens einige dreißig Prediger angestellt wurden. Dies erweckte beim Papst ängstliche Sorge, und er rief die katholischen Mächte zum Schutze gegen den ketzerischen « Markgrafen von Brandenburg » auf. Friedrich aber erließ eine Gegenerklärung, worin er Jedermann in seinen Staaten, und namentlich auch in Schlesien, bei seinem Glauben zu schützen versprach. Dies wirkte zur Beruhigung der besorgten Gemüter, und der Ruf des Papstes verhallte ungehört. Zugleich hatte Friedrich sich den russischen Hof günstig zu stimmen gewußt, und auch Frankreich äußerte sich gegen ihn auf eine verbindliche Weise. Nur England (Hannover) und Sachsen verbanden sich mit Österreich. Aber beide Staaten waren ungerüstet, und eine gegen ihre Grenzen aufgestellte Beobachtungsarmee unter dem alten Fürsten von Dessau hielt sie von ernstlichen Schritten zurück.

Gegen Ende Februar hatte sich die österreichische Heeresmacht, unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Grafen Neipperg in Mähren gesammelt und rückte gegen Schlesien vor. Ein Teil der Truppen ward abgesandt, die Grafschaft Glatz zu decken. Die Vorbereitungen zum entscheidenden Kampfe begannen.

Gleichzeitig traf Friedrich wieder in Schlesien ein. Seine Absicht war, zunächst die Quartiere seiner Truppen zu bereisen und sich nähere Kenntnis vom Lande zu <144>verschaffen. So besuchte er am 27. Februar die Posten, welche an dem Gebirgsrücken, der Schlesien von der Grafschaft Glatz scheidet, aufgestellt waren. Er war ohne bedeutendes Gefolge, und fast hätte seine Unvorsichtigkeit ihm ein schlimmes Schicksal bereitet. Schon öfters waren Trupps österreichischer Husaren durch die preußischen Posten geschlichen und hatten kleine Streifereien versucht. Jetzt hatten sie durch Spione die Anwesenheit des Königs erfahren; konnten sie sich seiner durch einen kühnen Schlag bemächtigen, so war der Krieg schon im Beginnen erstickt. Aber der ausgesandte Trupp verfehlte den König und stieß statt seiner auf eine Schar von Dragonern. Die letzteren erlitten eine bedeutende Niederlage, doch mußten die Österreicher heimkehren, ohne ihre Absicht erfüllt zu haben. Friedrich hatte das Schießen gehört und schnell einige Truppen gesammelt, um den Dragonern zu Hülfe zu eilen; er kam indes zu spät.

Am 9. März wurde die Festung Glogau unter Anführung des Prinzen Leopold von Dessau durch einen schnellen, wohlberechneten Sturm eingenommen. Die Besatzung wurde zu Kriegsgefangenen gemacht. Unmittelbar darauf wurde mit Verbesserung der Festungswerke begonnen.

Jetzt sollten auch die Angriffe auf die beiden andern Festungen, die noch in österreichischen Händen waren, zunächst auf Neiße in Oberschlesien, unternommen werden. Friedrich begab sich in die oberschlesischen Quartiere, wo der Feldmarschall Schwerin, einer der erfahrensten Feldherren der preußischen Armee, der in den niederländischen Kriegen unter Eugen und Marlborough seine Schule gemacht hatte, stand. In Jägerndorf, acht Meilen jenseit Neiße, erfuhr man zuerst durch Überläufer, daß die große österreichische Armee unter Neipperg ganz in der Nähe stand und daß Neipperg den Entsatz von Neiße beabsichtige. Augenblicklich ward nun beschlossen, die zerstreuten Truppen zusammenzuziehen. Die oberschlesischen Regimenter wurden nach Jägerndorf berufen; mit den niederschlesischen wollte man am Neißefluß zusammenstoßen. Gleichzeitig mit Friedrich und in nicht gar bedeutender Entfernung von ihm setzte sich aber auch die österreichische Armee in Bewegung; sie erreichte Neiße, ehe es von den Preußen gehindert werden konnte; sie vereitelte selbst die Verbindung des Königs mit den niederschlesischen Truppen an der bezeichneten Stelle. Friedlich sah sich also genötigt, weiter nördlich zu rücken, um den nächsten Übergangspunkt über den Fluh zu gewinnen. Aber wiederum waren die Österreicher gleichzeitig in ähnlicher Richtung zu seiner Linken vorgerückt, und Überläufer zeigten Friedrich an, daß es auf Ohlau abgesehen sei, wo das daselbst niedergelegte preußische Geschütz eine wichtige Beute gewesen wäre. So war Friedrichs Lage plötzlich sehr bedenklich geworden; er war von dem größeren Teile seiner Truppenmacht, von der Verbindung <145>mit seinen Staaten abgeschnitten, wichtige Punkte Schlesiens waren teils in sicherem Besitz der Feinde, teils in der Gefahr, bald genommen zu werden. Die Verwirrung zu vermehren, fiel dichter Schnee, so daß man kaum um sich sehen und in dem überdeckten Boden nur mühsam fortschreiten konnte. Aber auch die Österreicher hatten ihren Marsch unternommen, ohne von des Königs Nähe zu wissen.

Eine Schlacht war jetzt für Friedrich ein dringendes Erfordernis, — eine Schlacht, in welcher das Exerzitium der Preußischen Armee, die taktischen Studien ihrer Führer zum ersten Mal gründliche Anwendung finden sollten, deren Folgen zugleich für den ganzen Verlauf des Krieges von höchster Wichtigkeit sein mußten. Das Glück begünstigte den Beginn. Die Sonne ging am 10. April klar und heiter auf; der Boden, zwar noch immer hoch mit Schnee bedeckt, bot wenigstens keine weiteren Hindernisse dar. Die preußischen Truppen machten sich in kriegerischer Ordnung marschfertig, in der Richtung, in welcher die Österreicher vor ihnen hingezogen waren. Durch Gefangene erfuhr man, daß das Zentrum der österreichischen Armee in dem Dorfe Mollwitz, unfern der Festung Brieg, kantonniere. Um Mittag hatte man Mollwitz erreicht, ohne daß die Österreicher die Annäherung wahrgenommen hätten. Hier stellte sich die preußische Armee nach hergebrachter Weise in Schlachtordnung auf, bis endlich der Feind aus dem Dorfe hervorrückte. Man hätte ihn überfallen können, aber noch folgte man dem alten schulmäßigen System, dessen Unzweckmäßigkeit erst erprobt werden mußte. Unter dem lebhaften Feuer der preußischen Artillerie rückten die Österreicher ins Feld. Der linke Flügel der trefflichen österreichischen Kavallerie, unter dem General Römer, kam zuerst an. Dieser erkannte die Gefahr, die bei längerem Zögern drohte; seine Regimenter verlangten dringend, aus dem Kugelregen, dem sie ausgesetzt waren, gegen die Preußen geführt zu werden. So warf er sich mit schnellem Angriff auf die preußische Kavallerie des rechten Flügels, die, minder beweglich und in momentan ungünstiger Stellung, dem Angriff nicht Stand zu halten vermochte. Sie stürzte zwischen die Reihen der eignen Infanterie zurück und die Österreicher mit ihnen. Die Verwirrung bei diesem ersten unvorhergesehenen Anfall war groß. Friedrich selbst, der sich auf dem rechten Flügel befand und die Fliehenden aufzuhalten suchte, ward in dem Getümmel fortgerissen, Es gelang ihm. einige Schwadronen zu sammeln. Mit dem Rufe: « Ihr Brüder, Preußens Ehre! eures Königs Leben! » führte er sie aufs Neue dem Feinde entgegen. Aber auch diese Schar war bald wieder auseinandergesprengt. Alles schoß durcheinander, ohne zu wissen, ob auf Feinde oder Freunde.

Fast schien die Schlacht bereits verloren. Friedrich war zum Feldmarschall Schwerin geritten, der auf dem linken Flügel hielt. Dieser machte ihn mit Nach<146>druck, obgleich der Verlust der Schlacht noch so wenig wie der Gewinn entschieden sei, auf die große Gefahr aufmerksam, welcher an diesem Orte, abgeschnitten von den übrigen Teilen seiner Armee, sein ganzes Geschick aussetze. Wolle er die Schlacht verlassen, gelinge es ihm, das jenseitige Oderufer zu gewinnen und ein bedeutenderes Korps, mit dem man sich vergebens zu vereinigen gehofft, zu erreichen, so könne er in jedem Fall den größten Nutzen herbeiführen. Er, Schwerin, werde unterdessen alles mögliche für den Gewinn der Schlacht tun. Friedrich war unentschlossen. Aber die Österreicher drangen aufs neue lebhaft vor, und so befolgte er endlich, obschon mit schwerem Herzen, den Rat des erfahrenen Feldherrn.

Um über die Oder zu gelangen, mußte Friedrich den Weg nach dem entlegenen Oppeln einschlagen, wo er eins seiner Regimenter vermutete. Nur mit geringer Bedeckung machte er sich auf den Weg. Ein Korps Gendarmen folgte ihm nach, aber er ritt so scharf, daß sie ihn nicht zu erreichen vermochten. Mitten in der Nacht kam er mit seinem kleinen Gefolge an das Tor von Oppeln; man fand es verschlossen. Auf den Wer-da-Ruf der Wache gab man die Antwort: Preußischer Kurier! — aber das Tor ward nicht geöffnet. Die Sache schien bedenklich. Friedrich befahl, daß einige absteigen und näher nachfragen sollten, weshalb die Stadt verschlossen bliebe. Sowie diese sich näherten, erfolgten Flintenschüsse durch das Gattertor; — die Stadt war von einem Trupp österreichischer Husaren besetzt. Eilig wandte man nun die Pferde und jagte den Weg zurück. Mit Tagesanbruch kam Friedrich nach Löwen, einem Städtchen in der Mitte zwischen Mollwitz und Oppeln. Hier fand er die Gendarmen, die ihm am vorigen Abende gefolgt waren; außer diesen aber auch einen Adjutanten, der ihm die Nachricht von der siegreichen Beendigung der Mollwitzer Schlacht brachte. Unmittelbar von Löwen begab sich <147>Friedrich nun auf das Schlachtfeld zurück, so daß er in einem Ritte vierzehn Meilen zurückgelegt hatte. Die Tüchtigkeit und Präzision, der Mut, die unerschütterliche Standhaftigkeit seiner Infanterie, als diese erst Raum fand, ihre Kräfte zu entwickeln, hatte den Österreichern den Sieg entrissen. Neipperg hatte sich mit bedeutendem Verluste, in der Richtung nach Neiße, zurückgezogen; den geschlagenen Feind zu verfolgen und zu vernichten hinderte teils die einbrechende Nacht, teils konnte man nicht zu einem übereinstimmenden Entschlusse kommen.

Friedrich hat nachmals, als er die Geschichte seiner Zeit schrieb, ein strenges Urteil über seine erste kriegerische Tätigkeit gefällt; er zählt alle Fehler auf, die er vor und während der Schlacht von Mollwitz begangen. Aber er bemerkt auch zum Schlusse seiner Kritik, daß er reifliche Überlegungen über alle von ihm begangenen Fehler angestellt und sie in der Folge zu vermeiden gesucht habe. Und in der Tat, er hat sie vermieden!

Der nächste Erfolg des Sieges war, daß man jetzt ungestört die Belagerung von Brieg unternehmen konnte. Die Besatzung kapitulierte in kurzer Frist. Dann ward in Strehlen, wo die Armee ganz Niederschlesien deckte, ein Lager aufgeschlagen. Zwei Monate, die man hier in Ruhe zubrachte, benutzte Friedrich dazu, seine Armee wieder zu vervollständigen und seiner Kavallerie durch fleißige Exerzitien eine größere Schnelligkeit und Beweglichkeit zu geben.

<148>Ungleich wichtiger jedoch, als jener äußere Gewinn, den Friedrich durch die Schlacht von Mollwitz erwarb, waren die moralischen Folgen derselben. Man sah, daß die Truppen, die aus der Schule Eugens herstammten, nicht unüberwindlich seien, und daß die preußische Armee, die bis dahin nur die Künste des Exerzierplatzes gekannt, auch im Feuer standzuhalten wisse. Man glaubte schon den Koloß der österreichischen Monarchie zusammenstürzen und im preußischen Staate ein neues Gestirn am politischen Horizonte aufsteigen zu sehen. In der Tat hatte Friedrich durch diesen einen Schlag ein bedeutendes Gewicht in den europäischen Angelegenheiten erlangt. Aus Frankreich, England und Spanien, aus Schweden und Dänemark, aus Rußland, Österreich, Bayern und Sachsen eilten Gesandte in sein Lager, das nunmehr der Schauplatz eines folgereichen politischen Kongresses ward. Frankreich zunächst bemühte sich, da England auf Österreichs Seite stand, um die Gunst des preußischen Königs. Mit Bayern hatte Frankreich bereits ein Bündnis (zu Nymphenburg) geschlossen, worin dem Kurfürsten Karl Albrecht Unterstützung in seinen Ansprüchen auf Österreich und in der Wahl zum Kaiser versprochen war; jetzt schlug man auch Friedrich vor, an diesem Bündnisse teilzunehmen, wogegen ihm Gewährleistung für den Besitz von Niederschlesien verheißen ward. Friedrich zögerte mit seinem Beitritt, indem er vielleicht hoffte, daß Österreich nach jener Niederlage auf seine noch immer sehr gemäßigten Forderungen eingehen würde. Aber diese Hoffnungen blieben unerfüllt; im Gegenteil schien eine mächtige Verbindung zur Verteidigung der österreichischen Interessen zustande zu kommen. Zu den hannöverschen Truppen, die schon seit dem April im Lager standen, gesellten sich, in englischem Solde, dänische und hessische Regimenter; Sachsen rüstete sich, um auch seine Truppen mit ihnen zu vereinigen; russische Truppen sammelten sich in Livland. Jetzt schien eine längere Zögerung gefährlich, und so trat Friedrich, am 5. Juli, dem Nymphenburger Bündnis bei.

Das Bündnis Friedrichs mit Frankreich war geheimgehalten worden, bis die Militärmacht des letzteren Staates schlagfertig dastand. Dem österreichischen Hofe kam dasselbe, als es bekannt ward, gänzlich unerwartet; denn auch jetzt noch hatte man sich nicht zu überzeugen vermocht, daß Friedrich zu handeln verstehe. Der englische Gesandte in Wien, der dem dortigen Ministerrat beiwohnte, berichtet, daß die Minister bei der Kunde jenes Bündnisses in ihre Stühle zurückgesunken seien, als hätte sie der Schlag gerührt. Bald vernahm man auch, daß zwei französische Armeen in Deutschland eingerückt seien, — die eine im Süden zur Unterstützung des Kurfürsten von Bayern, die andere im Norden, um England in Schach zu halten, — und daß auf russische Hilfe nicht zu rechnen sei, da dies plötzlich in einen <149>Krieg mit Schweden verwickelt war. Jetzt entschloß sich Maria Theresia, die bis dahin zu keiner Nachgiebigkeit gegen Friedrich zu bewegen war, endlich zu einer Art von Unterhandlung. Der englische Gesandte aus Wien ward in Friedrichs Lager geschickt und bot ihm, — für alle seine Ansprüche in Schlesien, zwei Millionen Gulden und eine Entschädigung in dem ferngelegenen Geldern.

Friedrich stellt, in der Geschichte seiner Zeit, den Gang dieser letzteren Unterhandlung mit großer Laune dar. Der englische Gesandte war ein Enthusiast für Maria Theresia, die freilich durch ihre persönliche Liebenswürdigkeit zu fesseln wußte; seine geringfügigen Anerbietungen wurden im größten Pathos vorgetragen; er glaubte, daß der König sich glücklich schätzen werde, so leichten Kaufes davonzukommen. Aber Friedrich hatte dazu wenig Lust, und das sonderbare Benehmen des Gesandten reizte ihn, in gleichem Stile zu antworten. Seine Gegenrede überbot das Pathos des Engländers gewaltig. Er fragte ihn, wie er, der König, nach einem so schimpflichen Vergleiche seiner Armee wieder unter die Augentreten könne, wie er es verantworten dürfe, seine neuen Untertanen, namentlich die Protestanten Schlesiens, aufs neue der katholischen Tyrannei zu überliefern. « Wäre ich (fuhr er mit erhöhtem Tone fort) einer so niedrigen, so entehrenden Handlung fähig, so würd' ich die Gräber meiner Vorfahren sich öffnen sehen; sie würden heraufsteigen und mir zurufen: Nein, du gehörst nicht mehr zu unserm Blute! Wie? Du sollst kämpfen für die Rechte, die wir auf dich gebracht haben, und du verkaufst sie? Du befleckst die Ehre, die wir dir, den schätzbarsten Teil unseres Erbvermächtnisses, hinterlassen haben? Unwert des Fürstenranges, unwert des Königsthrones, bist du nur ein verächtlicher Krämer, der Gewinn dem Ruhme vorzieht! » Er schloß damit, daß er und sein Heer sich lieber unter den Trümmern Schlesiens würden begraben lassen, als solcher Schmach sich dahingehen. Dann nahm er schnell, ohne die weiteren Erörterungen des Gesandten abzuwarten, seinen Hut und zog sich in den inneren Teil seines Zeltes zurück. Der Gesandte blieb ganz betäubt stehen und mußte unverrichteter Sache nach Wien heimkehren. Friedrich hatte seine Rolle so meisterlich gespielt, daß auch noch in dem Berichte, den der Gesandte über diese Verhandlung nach London schickte, das Entsetzen über die Donnerrede Friedrichs nachklingt.

Aber nicht bloß zu diplomatischen Unterhandlungen, nicht bloß zu militärischen Übungen dient das Lager in Strehlen; auch die Künste des Friedens, wissenschaftliche Beschäftigung, Poesie, Musik, werden hier von Friedrich geübt, als seien die heiteren Tage von Rheinsberg zurückgekehrt. Vor allem sind es Friedrichs Briefe an Jordan, die fort und fort von seiner fröhlichen Stimmung Kunde geben. Bald genügt ihm die briefstellerische Prosa nicht mehr; Verse und Reime wechseln mit der <150>ungebundenen Rede, um die blühende, festlich bunte Färbung hervorzubringen, die allein jetzt seinen Gedanken angemessen ist. Je glücklicher seine Erfolge sich gestalten, je mehr er die politische Bedeutsamkeit fühlt, zu der er sich rasch emporgeschwungen, um so lebhafter wachsen auch Laune und Witz; häufig gemahnen diese Briefe an den großartigen Humor des britischen Dichters. Ja, wenn man die Briefe betrachtet, so bleibt es in der Tat, trotz aller ästhetischen Verhältnisse dieser Zeit, rätselhaft, daß Friedrich in Shakespeare nicht den verwandten Geist zu finden vermochte. Schon früher ist bemerkt, daß ihm der friedliche Sinn des Freundes oft Gelegenheit zu ironischen Äußerungen bot; die vorzüglichste Gelegenheit aber war erst ganz neuerlich gekommen, als Jordan unmittelbar nach der Schlacht von Mollwitz in Friedrichs Lager berufen war, sich aber, bei einem unvorhergesehenen Waffenlärm, eilig aus dem Lager nach Breslau geflüchtet hatte. Dafür überschüttet ihn der König, trotz aller Zärtlichkeit, mit sprudelnder Satire, und ganz vergebens bemüht sich Jordan, Gründe zu seiner Rechtfertigung vorzubringen. Nach manchen Pausen noch kommt Friedrich mit unbezähmbarer Laune auf diese Begebenheit zurück. So beweist er ihm in einem Briefe, den er ihm im folgenden Jahre aus Böhmen zusandte, die vollkommene Größe seiner Tapferkeit folgendergestalt: Die Klugheit (so heißt es in diesem Briefe), die Sie mit Ihrem Mute unzertrennlich verbinden, ist nicht die kleinste von Ihren bewundernswerten Eigenschaften.

Die Klugheit ist des wahren Mutes Quell
Und sichrer Halt: der Rest ist blinde Wut,
Vor der, verführt von tierischem Instinkt,
So viele Toren in Bewundrung stehn.

Sie wissen es zu gut, daß wir niemals tapferer sein können, als wenn unsre Behutsamkeit uns lediglich nur aus Notwendigkeit oder aus Gründen einer Gefahr aussetzt. Da Sie nun äußerst vorsichtig sind, so setzen Sie sich derselben niemals aus; und daraus muß ich denn schließen, daß Ihnen wenige Helden an Mut gleichkommen. Ihre Tapferkeit hat die Jungferschaft noch; und da alles Neue besser ist als das Alte, so muß sie folglich über und über bewunderungswert sein. Sie ist eine Knospe, die soeben aufbrechen will und noch nichts von den glühenden Strahlen der Sonne oder von den Nordwinden gelitten hat; kurz, ein Wesen, das der Achtung so würdig ist, als der Metaphysik und solcher Abhandlungen, wie die Marquise (Voltaires Freundin, über deren physikalische Arbeiten Friedrich oft scherzt) sie über die Natur des Feuers schreibt. Es fehlt Ihnen bloß ein weißer Federhut, um die Ufer Ihrer Kühnheit zu beschatten, ein langer Säbel, große Sporen, eine etwas weniger schwache Stimme, und siehe da! mein Held wäre fertig. Ich mache <151>Ihnen mein Kompliment darüber, göttlicher und heroischer Jordan, und bitte Sie, werfen Sie von der Höhe Ihres Ruhmes einen huldreichen Blick auf Ihre Freunde, die hier mit der übrigen Menschenherde im böhmischen Kote kriechen.

Inzwischen war ganz in der Stille ein Unternehmen vorbereitet worden, das leicht für Friedrich sehr nachteilig werden konnte. In Breslau nämlich befand sich eine beträchtliche Anzahl alter Damen, die aus Österreich und Böhmen gebürtig und dem preußischen Regimente ebensosehr wie dem protestantischen Glauben abhold waren. Durch Mönche unterhielten diese Damen Verbindungen mit der österreichischen Armee; in Gemeinschaft mit einigen Mitgliedern des breslauischen Rates faßten sie den Plan, die Stadt dem Feinde in die Hände zu spielen. Der Feldmarschall Neipperg ging darauf ein; er beschloß, Friedrich durch einige kriegerische Bewegungen aus seiner günstigen Stellung zu locken und dann in Eilmärschen gegen Breslau vorzurücken. Aber Friedrich erfuhr von diesen Anschlägen; es gelang ihm, eine falsche Schwester in die politischen Zusammenkünfte, die von jenen Damen des Abends gehalten wurden, hineinzubringen. Durch diesen Kanal ward dem König der ganze Plan enthüllt, und er konnte nun seine Vorkehrungen treffen.

Die Neutralität Breslaus war zu gefährlich, als daß er sie länger bestehen lassen konnte. Die fremden Gesandten, die sich dort aufhielten, wurden schnell in das Lager nach Strehlen berufen, um bei etwa vorfallender Unordnung gesichert zu sein. Ein preußisches Armeekorps unter dem Erbprinzen von Dessau begehrte freien Durchzug durch die Stadt; die Stadtsoldaten waren ins Gewehr getreten, um dasselbe zu geleiten. Während dies Korps jedoch in das eine Tor einrückte, erhub sich in einem zweiten Tore eine plötzliche Verwirrung und andere preußische Truppen drangen ein, indem sie sich schnell der Wälle bemächtigten und die Tore sperrten. Der Stadtmajor machte dem Prinzen von Dessau Vorstellungen, empfing aber den Rat, den Degen einzustecken und nach Hause zu reiten. Niemand wagte Widerstand, und in weniger als einer Stunde war die Stadt, ohne Blutvergießen, in den Händen der Preußen. Die Bürgerschaft mußte den Huldigungseid leisten; unter das Volk ward Geld ausgeworfen, und allgemeiner Jubel erscholl durch die Straßen.

Neipperg hatte bereits seine Bewegungen begonnen, um Friedrich von Breslau abzuschneiden. Als er die schnelle Besetzung der Stadt durch preußische Truppen vernahm, war er genötigt, sich wieder zurückzuziehen. Doch nahm er seine Stellung so geschickt, daß er Oberschlesien deckte, während Friedrich, aus seinem Lager aufbrechend, sich gegen Neiße bewegte, das noch immer in den Händen der Österreicher war. Durch Märsche und Gegenmärsche hielten sich beide Armeen einige Zeit in Schach, während der kleine Krieg zwischen ihnen ohne entscheidende Erfolge fortging.

<152>Indes waren die Franzosen und Bayern bereits weiter vorgerückt, und auch Sachsen war dem Nymphenburger Bündnis beigetreten, wofür es die Anwartschaft auf Mähren erhielt. Der österreichische Hof sah sich dringender zur Nachgiebigkeit genötigt. Der englische Gesandte aus Wien ward wieder an Friedrich abgeschickt. Er brachte eine Karte von Schlesien mit, auf welcher die Abtretung eines großen Teiles von Niederschlesien durch einen Tintenstrich bezeichnet war. Aber er erhielt zur Antwort, daß, was zu einer Zeit gut sein könne, es zu einer andern Zeit nicht mehr sei. Ebenso ward auch ein folgender Antrag, in welchem ganz Niederschlesien und Breslau geboten wurde, nicht angenommen. Aber immer höher steigerte sich die Not Österreichs; schon war Linz von der bayrisch-französischen Armee eingenommen; schon flüchteten die Bewohner Wiens, und auch der Hof war im Begriff aufzubrechen. Gleichzeitig drang auch Friedrich in Schlesien vor; er bemächtigte sich der Stadt Oppeln und nötigte Neipperg, sich von Neiße zu entfernen.

Durch englische Vermittelung ward der österreichische Hof nunmehr dahin gebracht, in die Abtretung von Niederschlesien und Neiße zu willigen, falls Friedrich unter dieser Bedingung vom Kriege abstehen wolle. Hierauf ging Friedrich ein, obschon er dem Anerbieten nicht ganz traute. Denn es lag keineswegs in seinem Plane, durch Unterdrückung Österreichs eine Überlegenheit Frankreichs zu begründen und dadurch aus einem selbständigen Verbündeten zu einem abhängigen Knechte herabzusinken. Am 9. Oktober kam es in Schnellendorf zu einer geheimen Zusammenkunft des Königs mit Feldmarschall Neipperg, an welcher nur ein Paar vertraute Offiziere und der englische Gesandte teilnahmen. Hier ward ausge<153>macht, daß Neiße nur zum Scheine belagert und in vierzehn Tagen, gegen freien Abzug der Besatzung, an Friedrich übergeben werden solle; daß ein Teil der preußischen Truppen seine Winterquartiere in Oberschlesien nehmen, und daß nur des Scheines halber von Zeit zu Zeit ein kleiner Krieg geführt werden solle; daß der vollständige Vertrag bis zu Ende des Jahres abgeschlossen, daß aber über all diese vorläufigen Bedingungen das strengste Geheimnis, — dessen Friedrich natürlich im Verhältnis zu seinen Verbündeten bedurfte, — beobachtet werde. Er äußerte sich übrigens mit lebhafter Teilnahme für Maria Theresia und gab sogar zu verstehen, daß er, möglichenfalls, geneigt sein dürfe, auf ihre Seite zu treten.

Infolge dieses Übereinkommens ging Neipperg mit seiner Armee nach Mähren zurück. Neiße übergab sich nach zwölf Tagen; die österreichische Besatzung war noch nicht ausgezogen, als die preußischen Ingenieurs in der Festung bereits die neu anzulegenden Werke zeichneten. Ein Teil der preußischen Armee lagerte sich in Oberschlesien, ein anderer rückte in Böhmen ein; einige Regimenter wurden zur Blockade von Glatz abgeschickt.

Am 4. November traf Friedrich in Breslau ein, wohin die sämtlichen Fürsten und Stände des Herzogtums Niederschlesien bis an die Neiße beschieden waren, um die Erbhuldigung zu leisten. Der feierliche Einzug des Königs eröffnete eine Reihe festlicher Tage, welche die höheren und niederen Kreise der Stadt mit Jubel erfüllten. Dem Volke bereitete man ein seltenes Fest, indem man ihm einen gebratenen Ochsen überlieferte, der mit Kränzen geschmückt, mit größerem Geflügel gefüllt und mit kleineren Vögeln bespickt war; die letzteren hatte man kunstreich zu Wappengebilden, Namenszügen und dergleichen zusammengesetzt. Der 7. November war zum Huldigungstage bestimmt. Ein endloser Zug bewegte sich durch das Gedränge des Volkes nach dem Rathause, wo in dem Fürstensaale die Zeremonie vor sich gehen sollte. Seit Jahrhunderten hatte die Stadt keinen ihrer Regenten in ihren Mauern gesehen; die Vorbereitungen zur Huldigungsfeier waren mithin eben nur so gut getroffen, als es sich in der Eile tun ließ. Ein alter Kaiserthron war für die Zeremonie neu eingerichtet worden; den österreichischen Doppeladler, der darauf gestickt war, hatte man dadurch zum preußischen umgestaltet, daß ihm der eine Kopf abgenommen und Friedrichs Namenszug auf die Brust geheftet wurde. Friedrich bestieg, unter den glänzend Versammelten, den Thron in seiner einfachen militärischen Uniform. Der Marschall hatte das königliche Reichsschwert, das er zur Seite des Königs halten sollte, vergessen; Friedrich half dem Übelstande schnell ab, indem er den Degen, der Schlesien erobert hatte, aus der Scheide zog und ihn dem Marschall hinreichte. Nun ward den Versammelten eine Rede gehalten, worauf sie den Eid <154>ablegten und den Knopf am Degen des Königs küßten. Der laute Ruf: « Es lebe der König von Preußen, unser souveräner Herzog! » beendigte die Zeremonie. Am Abend war die Stadt glänzend erleuchtet. Neue Festlichkeiten schlossen sich dem Tage an, aber auch mannigfache Wohltaten. Friedrich erließ den Ständen das gebräuchliche Huldigungsgeschenk von hunderttausend Talern und sorgte im Gegenteil für Unterstützung der verarmten Einwohner. Auch durch Standeserhöhungen und Ordensverleihungen bewies er den neuen Untertanen seine gnädigen Gesinnungen. Von Breslau kehrte er, im Laufe des Novembers, nach Berlin zurück.