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SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL Fortsetzung des Feldzuges von 1757. Roßbach.

Nach mancherlei kleinen Gefechten war Friedrich gegen Erfurt vorgerückt. Die vereinigte Armee der Reichstruppen und Franzosen hatte sich bei dem ersten Erscheinen des Vortrabes zurückgezogen und die Stadt sich den Preußen übergeben. Auch aus Gotha wurden die vereinigten Truppen vertrieben und mit Verlust bis Eisenach zurückgedrängt. Doch sah sich Friedrich wiederum genötigt, seine kleine Armee durch Entsendung zweier Korps, das eine gegen die Franzosen unter Richelieu, das andere gegen eine neue österreichische Armee, die in die Lausitz eingedrungen war und die Mark Brandenburg bedrohte, bedeutend zu schwächen. Dem Feinde seine Schwäche zu verbergen, wurden jetzt die einzelnen Abteilungen der preußischen Truppen in den Dörfern verteilt, mußten öfters ihre Quartiere ändern, und jedes Regiment betrat den neuen Ruheplatz unter neuem Namen. Die Spione bemerkten getreulich die Menge dieser Namen von Regimentern, unterrichteten den Prinzen von Soubise von der bedeutenden Stärke der Preußen, und dieser wagte, trotz seiner großen Überlegenheit, kein entscheidendes Unternehmen.

<280>Als Soubise jedoch hörte, daß Friedrich Gotha nur durch einige Kavallerieregimenter unter dem General Seydlitz besetzt habe und mit der Hauptmacht nach Erfurt zurückgekehrt sei, so beschloß er, wieder auf Gotha vorzugehen. Seydlitz, der sich bereits bei Kolin durch kühne Unternehmungen hohen Ruhm erworben, verließ darauf die Stadt, hatte aber keineswegs im Sinne, dem Feinde freien Spielraum zu geben. In einiger Entfernung stellte er sich mit seiner kleinen Schar in Schlachtordnung, und zwar in einer Weise, daß man sie von weitem allenfalls für eine große Armee halten konnte. Ein Dragoner war in die Stadt geschickt worden; dieser gab sich für einen Deserteur aus und versicherte, der König selbst sei wieder im Anmarsch. Als nunmehr die Franzosen und Reichstruppen, nachdem sie Gotha besetzt, zur Schlacht ausrückten und die langen Linien sich gegenüber sahen, auch Infanterie zwischen den Reitern zu bemerken glaubten (es waren einige Schwadronen Husaren, die Seydlitz, um den Feind zu täuschen, hatte absitzen lassen), so zweifelten sie nicht, daß sie die ganze preußische Armee vor sich hätten. Seydlitz gab das Zeichen zum Angriff, und bald wichen die Feinde zurück. Eine Schar preußischer Husaren und Dragoner sprengte mit verhängtem Zügel nach der Stadt, wo eben Soubise und seine Generale an der herzoglichen Tafel festlich bewirtet wurden. Diese schwangen sich in Eile auf ihre Pferde, und nur mit Mühe entgingen sie der Gefangenschaft. Den Preußen fiel, außer einer Schar feindlicher Soldaten, der ganze Troß und das Gepäck der Franzosen in die Hände. Die Husaren ergötzten sich an den Pomaden, den Pudermänteln, Haarbeuteln, Schlafröcken, Sonnenschirmen und Papageien, die sie in großer Masse unter dem Gepäck der französischen Offiziere gefunden hatten; die Kammerdiener, Lakaien, Köche, Friseurs, Mätressen, Feldpaters und Komödianten aber, die den Troß ausmachten, sandten sie unentgeltlich zurück. Bis Eise<281>nach hin hatte Seydlitz die feindliche Armee verfolgt. Friedrich spendete ihm für das kühne Unternehmen reichliches Lob. An sich zwar war dasselbe ohne erhebliche Folgen, aber es hatte den Charakter des Feindes kennen gelehrt; und die ganze Weise, wie der letztere sich Friedrichs kleiner Armee gegenüber benahm, war sehr wohl geeignet, den alten preußischen Mut wieder lebendig werden zu lassen.

Doch mußte Friedrich sich wieder aus Thüringen zurückziehen. Er erhielt die Nachricht, daß jene österreichische Armee, die in der Lausitz stand, den Marsch auf die Mark Brandenburg anzutreten im Begriff sei, daß ein Korps ungarischer Husaren unter dem General Haddik bereits nach Berlin vorgehe, und es war zu vermuten, daß gleichzeitig auch die Schweden von Norden aus einen Angriff auf die Mark machen würden. Friedrich begab sich auf diese Nachricht nach Torgau, während Prinz Moritz von Dessau an der Spitze eines besonderen Korps den General Haddik von Berlin abzuhalten suchte. Der letztere aber war dort einen Tag früher angekommen, während der Hof in Eile nach Spandau geflüchtet war, hatte sich eine Kontribution von 200,000 Talern auszahlen und außerdem auch 24 Paar feiner Damenhandschuhe, zum Geschenk für die Kaiserin, übergeben lassen. Die letzteren erhielt er sorgfältig eingepackt; als aber die Kiste geöffnet ward, paßten sämtliche Handschuhe nur auf die linke Hand. Dann war er schnell vor dem herannahenden Korps des Prinzen Moritz entwichen. Die größere österreichische Armee aber blieb ruhig in dem Lager, welches sie zu Bautzen bezogen hatte.

Während so eine drohende Gefahr ohne bedeutenden Verlust vorüberging, kamen auch andere günstige Nachrichten. Die Russen hatten ihren Sieg in Preußen nicht benutzt; vielmehr war die Armee, nachdem man in Memel eine Besatzung zurückgelassen, wieder über die russischen Grenzen zurückgeführt worden. Der Grund war eine plötzliche Krankheit der Kaiserin Elisabeth; man erwartete ihren Tod, und Bestuschef, so feindlich er gegen Friedrich gesinnt war, fand es doch für gut, sich durch diese Maßregel dem Thronfolger zu empfehlen. Dafür aber ward nachmals der allmächtige Minister, als die Kaiserin wider Erwarten genas, nach Sibirien geschickt. In Pommern hatten die Schweden einen unerwarteten Widerstand an den Landmilizen gefunden, die von dieser Provinz aus eignen Mitteln in nicht unbeträchtlicher Anzahl gestellt waren. Durch sie war Stettin, das nur eine äußerst schwache Besatzung hatte, gegen eine große schwedische Armee verteidigt und diese in ihrem Marsche gegen Berlin aufgehalten worden. Im ganzen Verlaufe des Siebenjährigen Krieges spielen diese Landmilizen, die zu einer Zeit, da man nur stehende Heere kannte, als eine seltene, hochachtbare Erscheinung betrachtet werden müssen, eine wichtige Rolle in der Verteidigung des Landes und seiner Festungen. Darum, <282>sowie aus andern Beweisen pommerscher Treue, hat aber auch Friedrich nachmals, in seinem « politischen Testamente » seinen Nachfolgern erklärt, « daß sie sich vorzüglich auf die pommersche Nation verlassen und dieselbe als die erste Stütze des preußischen Staates ansehen könnten und müßten ». Nach diesem Vorbilde wurden nun auch in der Mark und im Magdeburgischen ähnliche Landmilizen eingerichtet. Als jene russische Armee sich aus Preußen zurückgezogen hatte, ließ Friedrich das dortige Korps seinen Pommern zu Hilfe kommen, so daß die Schweden bald nach Stralsund und Rügen zurückgedrängt waren.

Zugleich hatte Friedrich mit dem Herzoge von Richelieu Unterhandlungen angeknüpft. Dieser gehörte nicht zu der Partei der Marquise Pompadour, sondern zu derjenigen kleineren Partei des französischen Hofes, welche die Fortdauer des alten Bündnisses mit Friedrich gewünscht hatte. So machten ihn die feinen Schmeicheleien in Friedrichs Briefen und das willkommene Geschenk von 100,000 Talern bereit, auf diese Unterhandlungen einzugehen. Zwar waren die Verhältnisse nicht derart, um dem französischen Hofe Eröffnungen hierüber zu machen; doch verstand sich Richelieu gern dazu, vorderhand nicht weiter feindlich gegen die preußischen Provinzen zu verfahren. Auch an den König von England hatte Friedrich geschrieben, als die schmachvolle Konvention von Kloster Seeven bekanntgeworden war; er hatte ihn stolz aufgefordert, ihn jetzt nicht auf eine so entehrende Weise zu verlassen, wie es der Herzog von Cumberland in jener Konvention eingegangen war. Friedrich traf mit diesem Begehren den wunden Fleck im Gemüte König Georgs. Denn dieser selbst war über die Konvention im höchsten Grade entrüstet; er hatte den Herzog von Cumberland öffentlich mit den Worten empfangen: « Hier ist mein Sohn, der mich zugrunde gerichtet und sich selbst beschimpft hat! » und so bewies man sich englischerseits für jetzt wenigstens insofern willfährig, als man die Ratifikation der schimpflichen Konvention durch allerlei Ausflüchte zu verzögern suchte.

Ein Feind, den man in früheren Jahrhunderten als den furchtbarsten von allen angesehen hätte, ward auf eine leichte und fast ergötzliche Weise abgewiesen. Dies war die Reichsacht, die über Friedrich zu fällen der in Regensburg versammelte Reichshofrat sich jetzt, da der König von Preußen schon erdrückt schien, nach allen Kräften angelegen sein ließ. Am 14. Oktober erschien der Hofgerichtsadvokat April in der Würde eines kaiserlichen Notars, begleitet von zweien Zeugen, in der Wohnung des preußischen Gesandten zu Regensburg, Freiherrn von Plotho, diesem « die fiskalische Citation wegen der Achtserklärung zu insinuieren ». Das war eine « Vorladung des Kurfürsten und Markgrafen von Brandenburg, zu sehen und zu <283>hören, wie er werde in des Reiches Acht und Aberacht erkläret, und aller seiner Lehen, Rechte, Gnaden, Freiheiten und Anwartschaften beraubt werden ». Plotho empfing den Notar im Schlafrocke. Den Erfolg der Citation erzählt der letztere selbst, in einem gerichtlich aufgesetzten Dokument, mit folgenden Worten: « Und seind Sr. Exzellenz Freiherr von Plotho in einen heftigen Zorn und Grimm gerathen, also zwar, daß dieselben Sich nicht mehr stille zu halten vermöget, sondern mit zitternden Händen und brinnenden Angesicht beede Arme in die Höhe haltend gegen mir aufgefahren, dabei auch die fiscalische Citation annoch in seine rechte Hand haltend, in diese Formalia wider mich ausgebrochen: Was! du Flegel insinuieren? Ich antwortete hierauf: Dieses ist mein Notariat-Ambt, deme ich nachkommen muß. <284>Dessen aber ohngeachtet fallete mich er Freiherr von Plotho mit allem Grimme an, ergriffe mich bei denen vorderen Theilen meines Mantels, mit dem Vermelden: Willst du es zurücknehmen? Da mich nun dessen geweigert, stoßete und schube er sothane Citation vorwärts zwischen meinen Rock mit aller Gewalt hinein, und da er mich annoch bei den Mantel haltend zum Zimmer hinausgedrucket, rufete er zu denen zweien vorhanden gewesenen Bedienten: Werfet ihn über den Gang hinunter! » — Damit hatte es für diesmal sein Bewenden; denn bald erfocht Friedrich neue Siege, die dem Reichshofrat etwas mehr Bedachtsamkeit einflößten.

Friedrich hatte jetzt die Absicht, nach Schlesien zu gehen, wo der Herzog von Bevern hart bedrängt ward, als er plötzlich die Nachricht erhielt, daß die verbündete Armee der Reichstruppen und Franzosen, verstärkt durch ein Korps von Richelieus Armee, sich aus ihrer bisherigen Untätigkeit emporgerafft habe, nach Sachsen vordringe und zum Teil bereits in die Nähe von Leipzig gekommen sei. Er beschloß also, sich vorerst aufs neue gegen diesen Feind zu wenden und ihn wieder nach Thüringen zurückzudrängen, damit derselbe nicht in allzu großer Nähe von Kursachsen — der Monat Oktober ging bereits zu Ende — seine Winterquartiere nehmen könne. In großer Schnelligkeit hatte Friedrich die verschiedenen Korps seiner Armee zusammengezogen und Leipzig gedeckt. Die feindliche Armee wich bis zur Saale zurück und besetzte, um den Übergang der Preußen über diesen Fluß zu verhindern, die Städte Halle, Merseburg und Weißenfels. Friedrich folgte den Gegnern rasch und drang selbst, an der Spitze des Vortrabes seiner Armee, in Weißenfels ein, während die Feinde sich über den Fluß flüchteten; sie zündeten die dortige, zierlich überbaute Brücke an, um Friedrich vom jenseitigen Ufer abzuschneiden, lieferten dadurch aber, indem dies zu eilfertig geschah, eine bedeutende Anzahl ihrer eignen Truppen in die Hände der Preußen. Friedrich wünschte die Brücke zu retten; doch hatte man dieselbe mit leicht brennbaren Stoffen ausgefüllt, so daß sie in einem Augenblicke ganz in Flammen stand; zugleich hinderte ein scharfes Musketenfeuer die Löschanstalten der Preußen. Als Friedrich hierauf am Ufer des Flusses rekognoszieren ritt, ward ihm eine drohende Gefahr bereitet, der er nur durch den Edelmut des französischen Anführers, des Herzogs von Crillon, entging. Dieser hatte nämlich zwei Offizieren den Auftrag gegeben, von einer kleinen Insel in der Saale die Bewegungen der Preußen zu beobachten. Einer von ihnen brachte die eilige Nachricht von der Nähe des Königs und fragte um Erlaubnis, ob er, durch das Gebüsch der Insel gedeckt, auf ihn schießen dürfe. Aber der Herzog erwiderte, nicht zu diesem Zwecke habe er dem Offizier den Posten auf der Insel gegeben: die geheiligte Person eines Königs müsse stets verehrt werden.

<285>Zwei Korps, die Friedrich von Weißenfels gegen Merseburg absandte, fanden an beiden Orten die Brücken ebenfalls bereits abgebrochen und die feindliche Armee auf dem Rückzuge begriffen, die sich nun, einige Meilen jenseit der Saale, bei Mücheln vereinigte. Sie ließ es ruhig geschehen, daß die preußische Armee Schiffbrücken schlug, ebenfalls über die Saale ging und Mücheln gegenüber ein Lager bezog. Die Stellung der verbündeten Truppen war aber so wenig geschickt gewählt, daß die preußischen Husaren Gelegenheit fanden, in das feindliche Lager einzubrechen und Pferde und selbst Soldaten aus den Zelten zu entführen. Friedrich beschloß einen Angriff. Als er jedoch am folgenden Tage, dem 4. November, vorrückte, fand er, daß der Feind, durch die Kühnheit der preußischen Husaren gewarnt, über Nacht eine veränderte, sehr günstige Stellung angenommen habe. So gab er den Angriff gegen den dreimal überlegenen Feind wieder auf, ging zurück und bezog ein Lager in der Nähe von Roßbach. Im Lager der Feinde aber war ob dieser vermeinten Flucht des Preußenkönigs großer Jubel; Musik und Trommelschlag tönte von ihrer Anhöhe herab weit über die Felder, als ob sie eine gewonnene Schlacht zu feiern hätten. Die französischen Offiziere wollten witzig sein und behaupteten: es geschehe dem Herrn Marquis von Brandenburg viel Ehre, daß man sich mit ihm in eine Art von Krieg einlasse; sie sandten bereits Boten nach Paris, welche dort die Gefangenschaft Friedrichs anmelden mußten. Sie dachten nicht daran, daß, so überlegen sie waren, ihrer Armee doch der Geist fehle, der, von Friedrich ausgehend, das preußische Heer belebte; daß die Eifersucht, die zwischen den deutschen und den französischen Truppen ihres Heeres und zwischen den Anführern beider herrschte, den gemeinsam raschen Entschluß unmöglich machte; daß auf die Reichstruppen, die buntscheckig zusammengewürfelt und ohne alle militärische Organisation waren, leider kein Verlaß sei, daß aber auch die Disziplin der französischen Truppen gar <286>wenig Lob verdiene; und daß endlich Übermut in der Regel der Vorbote des Falles zu sein pflegt.

Der Morgen des 5. November brach an, und Friedrich erhielt die Nachricht, daß die Feinde ihre Stellung verließen. Sie rückten im weiten Bogen um Friedrichs Armee, während ein einzelnes Korps ihm gegenüber stehen blieb. Offenbar war es ihre Absicht, ihm den Rückzug abzuschneiden, ihn von allen Seiten einzuschließen und so zu erdrücken. Friedrich blieb den Vormittag über, als ahne er nichts von der Gefahr, die ihm bereitet ward, ganz ruhig zu Roßbach, ließ die Mittagstafel bereiten und setzte sich mit seinen Generalen zu Tisch. Die Feinde waren entzückt über diese Ruhe der preußischen Armee; die Führer der letzteren aber, die den Plan des Königs ahnten, hatten in der Stille alles zum Aufbruch bereitgemacht. Endlich, halb drei Uhr nach Mittag gab Friedrich den Befehl zum Ausrücken; in weniger als einer halben Stunde war das ganze Lager abgebrochen, und die französischen Offiziere zollten selbst der Schnelligkeit, mit der dies geschah, so viele Bewunderung, daß sie es die Verwandlung einer Operndekoration nannten. Aber jetzt fürchteten sie, die preußische Armee möchte ihnen entschlüpfen, und um so eiliger setzten die Kolonnen des feindlichen Heeres ihren Marsch fort. Indes rückte Friedrich in ähnlicher Richtung vor. Die Reiterei, die von Seydlitz geführt ward, machte den Vortrab aus und verschwand den Blicken der Feinde hinter einer Hügelreihe, während die nachfolgende Infanterie zum Teil durch einen sumpfigen Boden gedeckt ward. Nun wurden auf dem bedeutendsten jener Hügel die preußischen Kanonen aufgefahren; ihr Donner begann den Kampf, ihre Stellung machte das Feuer sehr wirksam, während die feindlichen Kanonen aus der Tiefe wenig ausrichten konnten. Durch einen sonderbaren Zufall war zwischen beiden Armeen eine große Menge von Hasen eingeschlossen; diese wurden jetzt durch den Geschützdonner aufgeschreckt und machten vergebliche Versuche, nach der einen oder andern Seite durchzubrechen. Als eine der ersten französischen Kugeln einen von den Hasen vor der Front der preußischen Truppen zerschmetterte, riefen diese jubelnd aus: « Es wird alles gut gehen, die Franzosen schießen einander selbst tot! »

Immer mehr waren die feindlichen Kolonnen, die Kavallerie an ihrer Spitze, geeilt, um den Preußen ganz sicher in den Rücken zu fallen. Indes aber hatte sie Seydlitz, ungesehen, bereits überflügelt. Plötzlich hält er mit seinen rüstigen Schwadronen auf der Höhe; er gewahrt den günstigen Augenblick und beschließt den Angriff, ohne die Infanterie erst abzuwarten. Seine Reihen stehen in fester Ordnung da; er reitet weit voraus, der ganzen Linie sichtbar, schleudert zum Zeichen des Angriffs seine Tabakspfeife in die Luft, und augenblicklich stürmen die Scharen <287>auf die feindliche Reiterei ein, die vergebens ihre Linien aufzurollen sucht. Sie wird geworfen, einige Regimenter suchen zu widerstehen, aber umsonst. Nun wendet sich alles zur Flucht; ein tiefer Hohlweg hemmt ihren scharfen Ritt und spielt den preußischen Reitern eine große Menge von Gefangenen in die Hände; die übrigen fliehen unaufhaltsam bis zur Unstrut und lassen sich nicht wieder blicken. Seydlitz aber steht im Rücken der feindlichen Infanterie. Gegen diese hat Friedrich nun auch den linken Flügel seiner Infanterie samt dem Geschütz vorrücken lassen; es gelingt ihr ebensowenig wie der Kavallerie, sich in Linien aufzustellen; in ihren tiefen Reihen wütet das preußische Kartätschenfeuer; die preußische Infanterie bedrängt sie heftig von der einen Seite, die Kavallerie im Rücken, — endlich stäubt auch hier alles in wirrer Flucht auseinander und in ganzen Scharen werden die Fliehenden gefangengenommen. Nicht zwei Stunden hatte der Kampf gedauert; die früh eintretende Dunkelheit hemmte die weitere Verfolgung. Die preußische Armee, nicht <288>völlig 22,000 Mann stark, zählte an Getöteten nur 165, an Verwundeten nur 376 Mann, während von den 64,000 Feinden 6-700 getötet, mehr als 2000 verwundet, mehr als 5000 gefangen und ihnen außerdem eine große Menge von Geschützen, Fahnen, Standarten, sowie der größte Teil des Gepäckes genommen war. Dabei war bei weitem nicht die ganze preußische Armee im Feuer gewesen. Nur sieben Bataillone hatten am Kampfe teilgenommen; zehn Bataillone hatten keinen einzigen Schuß getan. So war bei den Preußen große Siegesfreude. Friedrich sagte seiner Armee feierlich Dank; Seydlitz, dessen Arm durch einen <289>Flintenschuß verwundet war, erhielt, als seltenste Auszeichnung, den Schwarzen Adlerorden und wurde dann vom jüngsten Generalmajor zum Generalleutnant befördert.

Am folgenden Tage brach das preußische Heer zur Verfolgung des feindlichen Heeres auf; eine große Menge von Nachzüglern wurde noch gefangengenommen. Aber die Mehrzahl der Feinde war so schnell geflohen, daß sie nicht mehr eingeholt werden konnte. Viele der Franzosen machten erst halt, als sie an den Rhein gekommen waren; stets glaubten sie noch die preußischen Husaren hinter sich. Um sich einigermaßen schadlos zu halten, bezeichneten sie ihren Weg durch Plünderungen und Ausschweifungen aller Art; dafür rotteten sich aber auch die thüringischen Bauern zusammen und übten ernstliche Rache.

Friedrich benahm sich gegen die französischen Gefangenen sehr gütig. Er tröstete die Verwundeten unter ihnen, die, gerührt durch solche Herablassung, ihn als den vollkommensten Eroberer begrüßten: er wisse nicht nur die Leiber seiner Feinde, sondern auch ihre Herzen zu bezwingen. Als sie Briefe unversiegelt schickten und Friedrich baten, dieselben nach Frankreich durchzulassen, antwortete er: « Ich kann mich nicht daran gewöhnen, Sie als meine Feinde zu betrachten, und ich habe kein Mißtrauen gegen Sie; also versiegeln Sie Ihre Briefe, und Sie sollen auch die Antworten ungeöffnet empfangen. » Dem schwerverwundeten General Cüstine stattete er, als er sich nach Leipzig zurückbegeben hatte, persönlich einen Besuch ab, und äußerte sich gegen diesen mit so vielem Interesse für die französische Nation, daß Cüstine, sich mühsam von seinem Lager emporrichtend, in die Worte ausbrach: « Sire, Sie gießen Öl in meine Wunden! »

<290>In Deutschland aber, selbst bei den Gegnern Friedrichs, war fast allgemeiner Jubel über den Sieg bei Roßbach, den man nur als eine Demütigung der wenig beliebten Franzosen betrachtete. Von jetzt an loderte das schon im Stillen genährte Feuer der Begeisterung für den deutschen Helden mächtig empor. Allenthalben sang man Siegeslieder auf die Preußen und Spottlieder auf die Gegenpartei. Der Deutsche fühlte endlich wieder den Stolz, ein Deutscher zu heißen. Viele von diesen Liedern leben noch heut im Munde des Volkes. Eins von ihnen schildert vortrefflich den kühnen Sinn von Friedrichs Truppen. Es beginnt mit den Strophen:

Ein preußischer Husar fiel in französ'sche Hände,
Soubise, der ihn sah, befragt ihn wohl behende:
Sag' an, mein Sohn, wie stark ist deines Königs Macht?
Wie Stahl und Eisen! sprach der Preuße mit Bedacht.

Mein Sohn, verstehst mich nicht, versetzt Soubise wieder;
Ich meine ja die Zahl, die Menge deiner Brüder.
Drauf stutzte der Husar und schaute in die Höh'
Und sprach: Soviel wie Stern' am blauen Himmel stehn! — u. s.-w.

Bitter mußte dieser Jubel freilich diejenigen kränken, die einmal von der Feindschaft gegen Friedrich nicht ablassen konnten. Die Königin von Polen, die in Dresden fort und fort Ränke gegen ihn angesponnen hatte, vermochte die Gefühle ihres Hasses nicht länger zu tragen. Eines Abends hatte sie ihren Hofstaat in tiefem Grame entlassen; am folgenden Morgen fand man sie tot in ihrem Bette.

Aber auch die fremden Nationen nahmen an dem Enthusiasmus der Deutschen teil; sogar die Franzosen, welche die Niederlage als eine Demütigung der Hofpartei betrachteten und sich in bitteren Spottliedern gegen Soubise Luft machten. In den Kaffeehäusern von Paris durfte geraume Zeit kein anderes als das preußische Interesse öffentlich laut werden. Den Prinzen Soubise suchte der Hof indes dadurch zu trösten, daß er ihm den Marschallstab verehrte. Vor allem lebhaft äußerte sich die Teilnahme für Friedrich in England; das englische Volk vergötterte ihn; auf allen Straßen von London ward sein Bildnis zum Kaufe ausgeboten; seine Siege wurden durch allgemeine Illuminationen gefeiert. Hier fand zugleich, eben als die Nachricht des Sieges von Roßbach nach London kam, eine günstige Veränderung im Ministerium statt. Man verweigerte die Bestätigung der Konvention von Kloster Seeven, indem man sich darauf berief, daß die Franzosen sie zuerst gebrochen hätten, und beschloß die Fortsetzung des Krieges. Da es den Engländern aber an einem <291>guten Heerführer fehlte, so empfahl ihnen Friedrich einen der vorzüglichsten Feldherrn seiner Armee, den Herzog Ferdinand von Braunschweig. Dieser wurde in der Tat unmittelbar darauf berufen, trat an die Spitze der Armee der Hannoveraner und ihrer Verbündeten, die schnell wieder auf dem Kriegsschauplatze erschien, und errang noch im Anfange des Winters einige Vorteile gegen die große französische Armee. Hiedurch war denn auch die letztere von den preußischen Grenzen abgewendet und Friedrich von dieser Seite für jetzt vollkommen gesichert.