DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL Beginn des Feldzuges von 1760. Dresden und Liegnitz.
Bei den unausgesetzten Anstrengungen, zu denen sich Friedrich seit vier Jahren genötigt gesehen, bei den geringen Mitteln, die ihm, im Vergleich mit der überwiegenden Macht seiner Gegner, zu Gebote standen, mußte die Fortsetzung des Krieges, auch wenn das neue Jahr nicht ebenso verderbliche Früchte tragen sollte wie das vergangene, doch seine Kräfte allmählich aufreiben, mußten doch endlich die empörten Wogen über dem gebrechlichen Schifflein, das er führte, zusammenschlagen. Friedrich fühlte das nur zu deutlich; und darum ließ er wenigstens nichts unversucht, den wilden Sturm zu beschwören oder ihm eine andere Richtung zu geben. Der König von Spanien war im vergangenen Jahre gestorben; Österreich hatte seine Ansprüche auf das spanische Erbe in Italien, Sardinien ebenfalls. Friedrich schickte einen Abgesandten nach Turin, einen andern nach Madrid, beide Höfe zum Kriege zu erregen; aber er fand kein sonderlich geneigtes Gehör. Maria Theresia selbst ließ ihre italienischen Ansprüche vorderhand auf sich beruhen, da <360>ihr noch immer keine Erwerbung so am Herzen lag, als die von Schlesien. Ebenso vergeblich waren die Versuche, Friedensunterhandlungen mit Frankreich ins Werk zu richten. Zwar hatte der Krieg, neben den übrigen Ausschweifungen des Hofes, die Finanzen des französischen Staates bereits im höchsten Grad zerrüttet, zwar bezeigte sich in der Tat der Hof von Versailles den Anerbietungen, welche England machte, nicht abgeneigt; als aber England erklärte, daß Preußens Integrität die unerläßliche Bedingung eines jeden Friedensschlusses sei, da ward alles wiederum abgebrochen. Noch spielte die Mätresse des Königs, die der fortgesetzten Verachtung von Seiten Friedrichs eben nur immer glühenderen Haß entgegenzusetzen wußte, frechen Mutes mit dem Glücke des französischen Volkes; noch gab sie auf alle warnenden Stimmen jene Antwort zurück, die in wahnsinnigem Übermut das Schicksal herausforderte und die dereinst so furchtbar in Erfüllung gehen sollte: « Nach uns die Sündflut! » — So konnte es nicht fehlen, daß, statt des ersehnten Friedens, das kriegerische Bündnis zwischen Frankreich, Österreich und Rußland, oder richtiger — denn es handelte sich ja nicht um die Interessen der Völker, sondern nur um die Befriedigung persönlicher Leidenschaften — das Bündnis zwischen der Pompadour, Maria Theresia und Elisabeth nur fester geschlossen ward.
Für Friedrich aber blieb somit, außer der Hilfe, die England ihm gewährte, keine weitere Hoffnung übrig, als die in der Überlegenheit seines eignen Geistes, in dem unerschrockenen Mute, den er seinen Scharen einzuflößen wußte, und in dem Umstande beruhte, daß er schon seither in den Unternehmungen der Gegner nicht eben allzu große Übereinstimmung bemerkt hatte. Alle Mittel, die ihm nun zu Gebote standen, wurden nunmehr zu neuen Rüstungen angewandt. Doch konnte er sich nicht entschließen, seinen eignen Untertanen, die schon genug durch den Krieg zu leiden hatten, besondre Abgaben zu diesem Zwecke aufzubürden; dagegen mußten Sachsen, Mecklenburg, auch die anhaltischen Fürstentümer außerordentliche Lieferungen machen und starke Kontributionen bezahlen. Sie mußten zugleich Rekruten stellen; doch reichten diese, auch die neuen Mannschaften, die aus dem eigenen Lande zur Armee stießen, lange nicht hin, um das zusammengeschmolzene Heer wieder vollzählig zu machen; über das ganze deutsche Reich ward zugleich ein förmliches Werbesystem für die preußischen Armeen ausgebreitet, und auch die kriegsgefangenen Österreicher mußten sich zum preußischen Dienste bequemen. Zu der letzten Maßregel schritt Friedrich, seit das Wiener Kabinett sich ermüßigt gesehen, die Auswechselung der Gefangenen zu verbieten. Bei alledem aber hatte Friedrich bei der Eröffnung des neuen Feldzuges kaum 90,000 Mann zusammengebracht, während seine unmittelbaren Gegner ihm mehr als 200,000 Mann entgegensetzen konnten. Zugleich waren es <361>nicht mehr Truppen wie die, mit denen Friedrich den Krieg begonnen hatte; junge Burschen, die noch keinen Feind gesehen, waren aus dem Inlande, unzuverlässige Mannschaften aus dem Auslande herbeigekommen. Indes brachten jene eine nationale Begeisterung mit, wurden diese durch die strenge Zucht des preußischen Dienstes, beide durch den eigentümlichen Glanz gefesselt, der trotz der Verluste des vorigen Jahres noch immer fest an dem Namen der Armee des großen Friedrich haftete. Die ganze Zeit der Winterruhe wurde mit rastloser Einübung der Neugeworbenen ausgefüllt.
Inmitten all dieser Sorgen blieben auch jetzt Wissenschaft und Kunst Friedrichs treue Trösterinnen. Auch jetzt suchte er den Schmerz über die arge Zerrissenheit seiner Zeit mit den Worten der Dichtung auszusprechen, und rührend und ergreifend wirkt das Gefühl, welches in diesen Gedichten atmet, noch heute auf den Leser. Merkwürdig ist besonders die große « Ode an die Deutschen », welche Friedrich im März 1760 schrieb. Mit eindringlichen Worten hält er hier den deutschen Völkern « den Söhnen einer gemeinsamen Mutter », ihren Wahnsinn vor, sich gegenseitig zu zerfleischen, Fremde zum Brudermorde in die schöne Heimat hereinzuführen und ihnen so den Zugang zum Herzen des Vaterlandes zu eröffnen; dann weist er sie auf die Bahnen, wo ein ehrenhafter Ruhm für sie zu erkämpfen sei; am Schlusse des Gedichtes ermahnt er sein Preußenvolk aufs neue zu standhafter Ausdauer. Auch sah sich Friedrich in dieser Zeit zu einer neuen, öffentlichen Herausgabe seiner früheren Gedichte genötigt, als in Frankreich ein Nachdruck derselben erschien, welcher sämtliche satirische Ausfälle auf politische Personen der Zeit, die nur den vertrauten Freunden mitgeteilt waren, enthielt. Man hat überzeugende Gründe, die Herausgabe dieses Nachdrucks Voltaire zuzuschreiben, der die Feinde des Königs noch mehr aufreizen und seiner noch ungestillten Rachbegier einige Befriedigung zu gewähren bemüht war.
Dasselbe Gefühl, wie in den Gedichten dieser Zeit, spricht sich auch in den Briefen aus, in denen Friedrich seinen Freunden seine Lage und seine Gedanken ohne weiteren Rückhalt mitteilt. So schreibt er im März 1760 an Algarotti, den er ebenfalls zu seinen Vertrautesten zählte: « Der irrende Jude, wenn er jemals existiert hat, hat kein so irrendes Leben geführt, wie das meine ist. Man wird am Ende wie die Dorfkomödianten, die keinen Herd und keine Heimat haben; wir laufen durch die Welt, um unsre blutigen Tragödien da aufzuführen, wo unsre Feinde uns eben erlauben, unser Theater aufzuschlagen .... Der letzte Feldzug hat Sachsen an den Rand des Abgrundes geführt. Solange es mir das Glück verstattete, habe ich dies schöne Land geschont: jetzt ist Verwüstung überall. Und ohne <362>von dem moralischen Übel zu sprechen, das dieser Krieg bringen wird: das physische Übel wird nicht das kleinere sein, und wir können uns Glück wünschen, wenn die Pest nicht noch darauf folgt. Wir armen Toren, die wir nur einen Augenblick zu leben haben! Wir machen uns diesen Augenblick so hart, als wir nur vermögen, wir gefallen uns darin, die schönsten Werke, die Fleiß und Zeit hervorgebracht haben, zu zertrümmern und nichts als ein hassenswertes Andenken an unsre Zerstörungen und an das Elend, das sie verursacht haben, zu hinterlassen! »
Friedrich sah sich wiederum nach dem Schlusse der Winterruhe, wie im vorigen Jahre, genötigt, seine Armeen in ihren verteidigenden Stellungen verharren zu lassen; zu einem Angriffskriege reichten seine Kräfte nicht hin. Doch verging geraume Zeit, ehe die Feinde mit entschiedenen Maßregeln gegen ihn auftraten. Sie konnten sich über den Plan, welchem gemäß man den Feldzug eröffnen wollte, nicht vereinigen. Der russische Hof machte, auf Soltikofs Rat, den Vorschlag, mit der Eroberung Kolbergs zu beginnen und dann, unter Begünstigung der Flotte, zu deren Absendung sich Rußland verpflichtet hatte, den Krieg längs der pommerschen Küste zu führen. Dieser Plan lag in Rußlands nächstem Interesse, und Soltikof hatte dabei die Absicht, sich der unbequemen Gemeinschaft mit den Österreichern zu überheben. Frankreich hatte ähnliche Vorschläge gemacht. Der König von Polen aber bat aufs dringendste, ihm zunächst sein Kurfürstentum wieder zu erobern. Maria Theresia schlug vor, daß Soltikof mit Loudon gemeinschaftlich auf die Eroberung Schlesiens bedacht sein sollte, während Daun die Armee Friedrichs in Sachsen festhalte. Der letztere Plan behielt die Oberhand; Soltikof aber ward dadurch seines Mißtrauens gegen die Österreicher nicht überhoben und fand sich im Gegenteil, durch die Verwerfung seines Planes, nur gekränkt.
Friedrich stand indes der Daunschen Armee in Sachsen gerüstet gegenüber, während Prinz Heinrich an der Oder sich bereit machte, dem Einmarsch der Russen zu begegnen, General Fouqué die Grenzen Schlesiens gegen Böhmen deckte und ein kleines Korps in Pommern, den Schweden gegenüber, aufgestellt war.
Das Vorspiel und die Eröffnung des Kampfes geschahen in Schlesien. Schon im März machte Loudon einen Einfall in Oberschlesien, das nur durch wenige Truppen geschützt war. General Golz, der mit dem pommerschen Infanterieregiment von Manteuffel an der Grenze in Neustadt stand, sah sich genötigt, sich auf Neiße zurückzuziehen. Kaum aber hatte das Regiment, zu den Seiten eines Transportes von 100 Wagen, sich auf den Marsch gemacht, als Loudons Kavallerie sich mit überlegener Gewalt auf dasselbe stürzte. Doch wehrten die tapfern Pommern den <363>Angriff durch ein wohlunterhaltenes Feuer ab. Nun sandte Loudon einen Trompeter an den General Golz, mit der Aufforderung, sich zu ergeben, da das Regiment von allen Seiten umringt sei; im Gegenteil solle alles niedergemetzelt werden. Der General führte den Trompeter vor die Front des Regiments und machte den Seinen die feindliche Aufforderung bekannt; einstimmig erfolgte aber nichts als eine sehr derbe pommersche Antwort, die wenig geneigten Willen zu verraten schien. Jetzt wurden die Angriffe der Österreicher mit erneutem Ungestüm wiederholt, aber ebenso nachdrücklich abgeschlagen. Das Regiment erreichte eine sichere Stellung und hatte nur 140 Mann sowie einige Wagen verloren, während von den Österreichern 300 Mann gefallen waren. Loudon selbst konnte den tapfern Pommern seine Anerkennung nicht versagen.
Ernsthaftere Unternehmungen bereiteten sich einige Monate später, im Juni, vor. Loudon hatte sich gegen Böhmen gezogen und drang mit ungefähr 50,000 Mann in die Grafschaft Glatz und von da in das offene Schlesien ein, während Fouqué den festen Grenzposten von Landeshut nur mit etwa 14,000 Mann besetzt hielt. Da seine Macht zur Behauptung dieses Postens nicht genügend war und ihm die Verteidigung des flachen Landes größere Vorteile gegen den überlegenen Feind zu versprechen schien, so zog sich Fouqué aus dem Gebirge bis unter die Kanonen von Schweidnitz. Loudon aber hatte nur auf diese Entfernung des Gegners gewartet, um die Belagerung der Festung Glatz beginnen zu können und hiedurch festen Fuß in Schlesien zu gewinnen. Friedrich war über alles dies äußerst ungehalten. <364>Er schrieb seinem vieljährigen Freunde — dem Großmeister des Bayard-Ordens, der in der schönen Rheinsberger Zeit gestiftet war und der noch immer seine Geltung hatte — die harten Worte: « Ich dank's Euch mitdem Teufel, daß Ihr meine Berge verlassen habt! Schafft mir meine Berge wieder, es koste, was es wolle! » Fouqué ging nun wieder in seine frühere Stellung zurück; aber er faßte den Entschluß, sich bis auf den letzten Mann zu behaupten und die Berge den Österreichern nur mit seinem Blute zu verkaufen.
Friedrich indes war nicht gewillt, den treuen Genossen aufzuopfern; er wünschte nur, daß Fouqué den Feind so lange aufhalten möge, bis er selbst mit seiner Armee zur Unterstützung herbeieile. Doch war dies Unternehmen nicht leicht, wenn Sachsen nicht der Daunschen Armee überlassen werden sollte: Friedrich faßte den kühnen Plan, den österreichischen Feldmarschall durch künstliche Manöver zu veranlassen, ihm nach Schlesien zu folgen. Schon mehrfach war ihm ein solcher Entwurf geglückt; diesmal jedoch bezog Daun ein festes Lager unfern von Dresden, aus dem ihn Friedrich nicht herauslocken konnte. So vergingen mehrere Tage, bis plötzlich, am 25. Juni, im österreichischen Lager ein allgemeines Viktoriaschießen erfolgte. Durch die feindlichen Vorposten erhielt Friedrich die Nachricht von dem Siege Loudons über Fouqué. Der letztere hatte sein Wort gehalten. Loudon hatte ihn, am 23. Juni <365>mit großer Übermacht bei Landeshut angegriffen und fast sein ganzes Korps aufgerieben. Fouqué selbst war, mehrfach verwundet, vom Pferde gestürzt und nur durch seinen Reitknecht gerettet worden, der sich über ihn geworfen und die Hiebe der feindlichen Dragoner mit seinem eignen Leibe aufgefangen hatte. Er war dann gefangen genommen und blieb bis an das Ende des Krieges in feindlichem Gewahrsam. Die offene, betriebsame Stadt Landeshut war von der kaiserlichen Armee übel zugerichtet worden. Die Soldaten waren betrunken, und Loudon selbst vermochte kaum die zügellose Wut der Seinen zu bändigen und dem Plündern und Morden Einhalt zu tun.
Es scheint, als habe die Nachricht von Fouqués Niederlage, statt Friedrich aus der Fassung zu bringen, vielmehr den Entschluß in ihm rege gemacht, gerade jetzt etwas Außergewöhnliches und vom Gegner durchaus nicht Erwartetes zu unternehmen, als das sicherste Mittel, die Pläne seiner Feinde zu verwirren. Nichts schien ihm hiezu geeigneter, als ein Streich gegen Dresden selbst. Er versuchte aufs neue, Daun durch allerhand Manöver aus seiner Stellung herauszuziehen, doch blieb es auch jetzt noch umsonst. Da entschloß er sich zum förmlichen Abmarsch seiner Armee auf der Straße nach Schlesien. Dies Mittel weckte endlich Daun aus seiner Ruhe; er eilte dem Könige vor und vereinigte sich mit dem Loudonschen Korps, ihm auf diese Weise den Weg zu verlegen. Bei dieser Gelegenheit kam es, bei Gödau, zwischen einigen Kavallerieregimentern des preußischen Vortrabes, die Friedrich selbst führte, und dem Nachtrupp der österreichischen Armee zu einem Gefechte. Friedrich hatte die Gegner angegriffen, ohne die Verstärkung seiner Infanterie abzuwarten. Jetzt sah er, daß er dem überlegenen Feinde keinen Nachteil zufügen könne; er entschloß sich, sich gegen seine Infanterie zurückzuwenden, aber in diesem Augenblick brachen feindliche Ulanen in seine Scharen ein und trieben sie in die Flucht. Er selbst war in höchster Gefahr, denn zwei Ulanen stürmten gegen ihn, der nicht ebenso eilig floh wie die übrigen, mit eingelegten Spießen vor. Nur die Geistesgegenwart seines Pagen rettete ihm das Leben. Dieser war gestürzt, rief aber den Ulanen auf polnisch zu, « wo sie der Teufel hinführen wolle? » Da er, als Page, keine Militäruniform trug, so hielten sie ihn für einen Österreicher, entschuldigten sich, daß ihre Pferde mit ihnen durchgegangen seien, und kehrten um. Inzwischen war ein preußisches Grenadierbataillon zur Stelle gekommen und machte durch sein Feuer dem ungleichen Scharmützel ein Ende.
Sobald Daun genügend aus Sachsen entfernt war, wandte sich Friedrich plötzlich nach Dresden um. Ein Korps der österreichischen Armee, welches noch in seinem Rücken gestanden hatte, wich jetzt vor seiner Annäherung eilig zurück, ging bei Dres<366>den über die Elbe und zog mit der ganzen Reichsarmee, die bis dahin müßig am linken Elbufer gestanden hatte, von Dresden fort bis gegen Pirna. So konnte Friedrich ohne größere Schwierigkeit, als die ihm die Besatzung von Dresden zufügte, die Belagerung beginnen, zu der er durch Eilboten das nötige Geschütz aus Magdeburg beordert hatte. Er hoffte, daß die Besorgnisse für die Familie des Königs von Polen und die zu erwartende Einäscherung der prachtvollen Residenz den Kommandanten zur baldigen Übergabe veranlassen würden. Am 14. Juli begann die Beschießung der unglücklichen Stadt, auf die bald ein förmliches Bombardement folgte. Viele der schönsten Paläste wurden zerstört, ganze Straßen gingen nacheinander in Feuer auf, das Elend der Einwohner war grenzenlos. In Scharen flüchteten sie sich aus der brennenden Stadt; ihre Schätze, die sie in bombenfesten Kellern verwahrt, wurden von den zügellosen Soldaten der österreichischen Besatzung geraubt. Auf dem Turm der Kreuzkirche standen einige Kanonen, die man an besonderen Festtagen abzufeuern pflegte; diese hatte man jetzt gegen die Belagerer benutzt, und so betrachteten die letztern die Kirche als eine Batterie, richteten ihre Mörser gegen dieselbe, und bald brach das mächtige Gebäude in Flammen zusammen. Dasselbe <367>Schicksal hatten auch mehrere andere Kirchen. Die alte Pracht der schönen Residenz ward fast gänzlich vernichtet.
Aber der Kommandant hielt rüstig stand; obgleich die Reichsarmee es nicht für angemessen fand, sich aus ihrer sicheren Stellung zu rühren, so hoffte er doch auf einen Entsatz von seiten Dauns. Dieser zwar hatte sich auch nicht übereilt; er hatte geglaubt, Friedrichs Rückzug sei nur ein neues Manöver, um ihm eine Falle zu legen. Endlich traf er jedoch vor Dresden ein, und jetzt wurde der Erfolg von Friedrichs Unternehmen zweifelhaft. Daun verschaffte sich eine Verbindung mit den Belagerten, die Friedrich nicht zu hindern vermochte. Manche Ausfälle wurden jetzt unternommen, manche kleine Gefechte fanden statt, in denen die Preußen wenigstens nicht immer siegreich waren. Bei einem hartnäckigen Ausfalle gegen die Laufgräben ward das preußische Infanterieregiment Bernburg zum Weichen gebracht. Friedrich bestrafte diesen Mangel an Tapferkeit (wenigstens hielt er es dafür) auf eine Weise, die bis dahin in der preußischen Kriegsgeschichte ohne Beispiel war. Die Offiziere verloren ihre Huttressen, die Soldaten ihre Bandlitzen auf der Uniform und ihre Pallasche; die Tambours durften den Grenadiermarsch nicht mehr schlagen. Das ganze Regiment, stolz darauf, daß es von dem alten Dessauer selbst gebildet, ward nun das Gespötte der Armee; bald sollte indes die Gelegenheit kommen, solche Schmach wieder auszuwetzen.
Von einem Tage zum andern verzögerte sich der Erfolg der Belagerung. Ein bedeutender Transport, der zur Unterstützung der preußischen Armee aus Magdeburg kam, fiel in die Hände der Österreicher; ein feindliches Korps zog sich in den Rücken der Preußen; endlich kam die betrübende Nachricht, daß auch Glatz erobert sei, und so sah sich Friedrich, nach fruchtloser Anstrengung, genötigt, das Unternehmen aufzugeben. Am Abend des 29. Juli zog er seine Armee von Dresden zurück. Glatz war durch ein besondres Korps der Loudonschen Armee belagert und, am 26., mit so schmachvoller Schnelligkeit übergeben worden, daß man sich zu der Meinung berechtigt fand, es sei hiebei Verrat mit im Spiele gewesen. Doch gab Friedrich, trotz dieses bedeutenden Verlustes, die Hoffnung nicht auf, Schlesien zu retten; nur mußte er bedacht sein, die Verbindung der österreichischen Armee mit der russischen, welche im Anmarsch gegen Schlesien begriffen war, zu hintertreiben, und so machte er sich ungesäumt auf den Marsch nach Schlesien. Daun brach gleichzeitig auf und zog wie sein Schatten neben ihm hin, ohne ihm jedoch wesentliche Hindernisse in den Weg zu legen und ohne eine Schlacht zu wagen.
Indes hatte sich Loudon gegen Breslau gewandt und begann die Belagerung der Stadt. Er führte 50,000 Mann, und die Besatzung bestand nur aus 3000, <368>zum Teil nicht sonderlich zuverlässigen Truppen. Dazu kam, daß im Innern der Stadt 9000 österreichische Kriegsgefangene lagen, und daß man selbst Mittel gefunden hatte, die Bürgerschaft aufsässig zu machen. Nur auf die aus ungefähr 1000 Mann bestehende Leibgarde des Königs, die seit der Schlacht von Kolin in Breslau gestanden hatte, durfte der Kommandant, General von Tauentzien, sich verlassen. Dennoch beschloß er standhafte Gegenwehr. Loudon ließ ihn zur Übergabe auffordern, aber er erhielt eine entschieden abschlägige Antwort. Jetzt begann das Bombardement; ein Quartier der Stadt und der königliche Palast gingen in Feuer auf. Aber Tauentzien begegnete ebenso mutig wie umsichtig allen Gefahren, die außen und innen drohten. Auf eine zweite Aufforderung zur Übergabe, die mit der Drohung schloß, « es solle das Kind im Mutterleibe nicht verschont werden », erwiderte Tauentzien nur, daß so wenig er, wie seine Soldaten das Wochenbett zu beziehen gedächten. Dem kühnen Mute folgte baldige Erlösung. Prinz Heinrich, der die Bewegungen der Russen beobachtet hatte, kam jetzt, da die Russen sich gegen Breslau zogen, in die Nähe der Stadt. Loudon hob die Belagerung auf, und Heinrich nahm seine Stellung in der Nähe von Breslau.
Unmittelbar darauf rückte die russische Armee heran. Soltikof war nicht wenig erstaunt, als er statt der Österreicher, die er hier mit Bestimmtheit erwartete, eine preußische Armee vor sich sah. Er fand seinen Verdacht über die Unzuverlässigkeit <369>seiner Bundesgenossen nur zu sehr bestätigt. Und als nun auch die Nachricht eintraf, daß Friedrich in Schlesien eingerückt sei, und daß Loudon sich, Dauns Unternehmungen zu unterstützen, gegen diesen zurückgezogen habe, so erklärte er aufs bestimmteste, daß er unverzüglich den Rückzug antreten werde, wenn man Friedrich die Oder erreichen lasse, ohne die russische Armee durch das Loudonsche Korps verstärkt zu haben.
Durch diese ernstliche Erklärung fand sich Daun endlich veranlaßt, sein allzu vorsichtiges Zaudern zu brechen und dem Gegner eine Schlacht zu liefern. Beide Armeen standen sich an der Katzbach, in der Gegend von Liegnitz, einander gegenüber. Es war derselbe Boden, welcher seit der furchtbaren Mongolenschlacht im dreizehnten Jahrhundert schon mehrfach Ströme Blutes getrunken hatte; auf ihm sollte Friedrich einen der Siege erkämpfen, ohne die seine Rettung unmöglich schien; auf ihm sollte 53 Jahre später noch einmal siegreich um Preußens und um Deutschlands Rettung gestritten werden. Daun konnte jetzt sein Vorhaben mit um so größerer Zuversicht wagen, als Friedrichs Lage in der Tat höchst bedenklich war. Die österreichische Armee war, nach der Vereinigung Loudons mit Daun, 95,000 Mann stark; die preußische zählte nur 30,000 Mann, ihr Proviant ging zu Ende, von Breslau war sie abgeschnitten, und vergeblich hatte Friedrich, durch verschiedene Manöver, bereits versucht, dem Feinde einige Vorteile abzugewinnen.
Daun gedachte, das Spiel von Hofkirch zu wiederholen; in der Frühe des Morgens, am 15. August, sollte Friedrichs Lager von allen Seiten überfallen werden. Der Plan war geheimgehalten worden; doch konnte Friedrich aus gewissen Bewegungen der Feinde schließen, daß es auf einen baldigen Angriff abgesehen sei. Da seine Stellung, oberhalb Liegnitz, nicht vorzüglich gesichert war, so beschloß er die Armee auf die andere Seite der Stadt hinüberzuziehen, wo die Beschaffenheit des Bodens bessere Vorteile versprach; zugleich unterstützte diese Stellung seine Absicht, sich nach der Oder durchzuschlagen. Zur Ausführung dieser Veränderung <370>war die Nacht vom 14. auf den 15. bestimmt. Am Nachmittage vorher ward ein feindlicher desertierter Offizier eingebracht, der von wichtigen Geheimnissen sprach, die er zu eröffnen habe; er war aber auf eine Weise betrunken, daß man erst zu allerhand Maßregeln mit kaltem und warmem Wasser schreiten mußte, ehe man anderweitige Nachrichten von ihm erhalten konnte. Jetzt bestätigten seine Aussagen den zu erwartenden Angriff; da er indes von den Einzelheiten des feindlichen Planes keine Kunde hatte, so ließ es Friedrich bei den einmal bestimmten Maßregeln.
Die Umstellung der Armee war in nächtlicher Stille vor sich gegangen. Es war drei Uhr morgens. Friedrich befand sich auf dem linken Flügel, dessen sämtliche Truppen teils mit Ungeduld den Tag erwarteten, teils unter den Waffen schliefen. Friedrich selbst hatte sich, in seinen Mantel gehüllt, zur Seite eines kleinen Wachtfeuers hingelegt und schlief. Ein General saß neben ihm und schürte das Feuer. In dem Augenblick kam der Husarenmajor Hundt, der vor dem linken Flügel der Armee patrouilliert hatte, mit verhängtem Zügel zurückgesprengt und rief laut nach dem Könige. Man bedeutete ihn, den Schlafenden nicht zu stören. <371>Aber Friedrich hatte schon den Ruf gehört; auf seine Frage berichtete der Major, daß feindliche Kolonnen herannahten und nicht mehr 400 Schritt entfernt seien. Augenblicklich gab Friedrich den Befehl, sich in Schlachtordnung zu stellen. Da er aber einsah, daß dies nicht der einzige Angriff auf seine Stellung sein würde, so befahl er, daß General Zieten mit dem rechten Flügel nach der andern Seite sich dem Feinde entgegensetze, während er selbst mit dem linken Flügel den schon beginnenden Angriff abschlage. Unter den ersten feindlichen Kugeln ordneten sich seine Truppen in größter Schnelligkeit.
Es war Loudon, der den Angriff auf den linken Flügel der Preußen machte. Doch hatte man österreichischerseits von der Umstellung der preußischen Armee nichts geahnt. Loudons Absicht war es, sich mit plötzlichem Angriff des preußischen Gepäckes zu bemächtigen; absichtlich hatte er sich, um nicht zu früh verraten zu werden, ohne Vortrab auf den Marsch gemacht. Jetzt sah er sich selbst auf eine unvorhergesehene Weise überrascht. Schnell suchte auch er seine Truppen in Reihen zu ordnen, doch hinderte das ungünstige Terrain eine genügende Ausbreitung. Der Donner des Geschützes eröffnete nun die Schlacht. Die österreichische Kavallerie drang auf die preußische ein, aber sie wurde wieder zurückgeworfen. Dann rückten die Infanterieregimenter gegeneinander. Die preußische hielt mutig im Feuer stand, die österreichische begann zu weichen, preußische Kavallerie drang in ihre Reihen und nahm eine große Anzahl gefangen. Aber Loudon war dem Könige bedeutend überlegen; er führte 35,000 Mann mit sich, der linke preußische Flügel zählte nur 14,000 Mann. Immer neue Truppen der österreichischen Armee rückten zur Verstärkung vor; doch warfen die Preußen, ob auch fort und fort ihre Reihen gelichtet wurden, jeden neuen Angriff zurück. Noch einmal drang Loudons Kavallerie in die preußischen Infanterieregimenter ein; doch diese wichen nicht. Hier war es, wo das Regiment Bernburg seine verlorne Ehre wieder erkämpfte; mit gefälltem Bajonett ging es den österreichischen Reitern entgegen, stach viele von ihnen vom Pferde, trieb die andern in wilder Flucht vor sich her, und diese rissen nun auch, was sonst noch von österreichischen Regimentern stand, mit sich fort. Es war 6 Uhr, als schon der vollständige Sieg auf dieser Seite erfochten war.
Jetzt eilte Friedrich nach dem rechten Flügel seiner Armee, auf den um diese Zeit erst einige leichte Angriffe gemacht wurden. Daun war nämlich in aller Frühe an der richtigen Stelle angekommen, auf der am vorigen Abend das preußische Lager gestanden hatte. Da er es leer fand, beschloß er den Flüchtigen — so betrachtete er die preußische Armee — nachzusetzen. Hiezu war ein Übergang über das sumpfige « Schwarze Wasser » nötig, welches sich bei Liegnitz in die Katzbach ergießt <372>und welches die preußische Stellung auf dieser Seite deckte. Da aber nur eine Brücke den Übergang gestattete, so hatte Zieten seine Maßregeln danach getroffen. Als ungefähr soviel Österreicher herüber waren, als man mit Leichtigkeit zu zwingen gedachte, ließ er die Kanonen auf diesen Teil der Feinde richten, die nun in Eile zurückflohen und eine Anzahl Gefangener zurücklassen mußten. Einige Versuche der feindlichen Artillerie wurden durch die günstig gestellte preußische bald zum Schweigen gebracht. Noch hielt Daun an der Stelle still, unentschlossen, was weiter für ihn zu unternehmen sei. Von Loudon hatte er gar keine Nachricht; der Wind hatte alles Getöse der Schlacht auf jener Seite abwärts geweht; nur ein dicker Rauch, der sich erhob, ließ ihn einen ernsten Vorfall vermuten. Da erscholl ihm gegenüber ein freudiges Viktoriaschießen, und er wußte nun, woran er war. Kaum begann bei den Preußen das zweite Lauffeuer, so kehrte die feindliche Macht um und ging über die Katzbach zurück, die sie beim Anbruch des Tages überschritten hatte.
Der Sieg war nicht ohne teure Opfer erkauft worden. Der Gesamtverlust der Preußen belief sich auf 3500 Mann. Dagegen hatten die Österreicher 10,000 Mann und außerdem 82 Kanonen nebst 23 Fahnen und Standarten verloren. Besondere Freude war dem Regiment Bernburg aufbehalten. Der König befahl, nachdem die Schlacht beendet war, daß die ganze Armee sich in einer Linie aufstellen solle; hier ritt er die Front, von einem Flügel bis zum andern, entlang, zu sehen, was für Lücken die Schlacht gerissen hätte. Die ganze Armee hatte das Gewehr beim Fuß, das Regiment Bernburg stand an der Spitze des einen Flügels. Als Friedrich <373>an dasselbe herankam, rief er den Soldaten freundlich zu: « Kinder, ich dank euch, ihr habt eure Sache brav gemacht, sehr brav! Ihr sollt alles wiederhaben, alles! » Der Flügelmann der Leibkompagnie des Regiments, ein alter Graukopf, trat bei diesen Worten aus dem Gliede gegen den König vor und sagte: « Ich danke Ew. Majestät im Namen meiner Kameraden, daß Sie uns unser Recht zukommen lassen: Ew. Majestät sind doch nun wieder unser gnädiger König? » Friedrich klopfte dem Sprecher gerührt auf die Schulter und antwortete, indem ihm die Tränen in die Augen traten: « Es ist alles vergeben und vergessen, aber den heutigen Tag werde ich euch gewiß nicht vergessen! » Nun war die Heerschau zu Ende. Friedrich bestimmte, daß der alte Flügelmann, der eben gesprochen, Sergeant sein solle. Als dieser sich bedankte, drängten sich noch mehrere Soldaten des Regiments um den König und verteidigten ihre Aufführung bei Dresden damit, daß der Fehler nicht an ihnen, sondern an der Anführung gelegen habe. Friedrich wollte das nicht geradezu gelten lassen, und nun ging es von Seite der Soldaten um die Wette an ein Demonstrieren, mit einer Vertraulichkeit und einem Lärm, daß der Kommandeur, den Unwillen des Königs befürchtend, die Leute zurücktreiben wollte. Friedrich ließ es aber nicht zu; er beendete den Streit mit der nochmaligen Versicherung, daß sie brave Leute seien und sich des preußischen Ruhmes vorzüglich wert bezeigt hätten. <374>Friedrichs Gewalt über die Gemüter seiner Soldaten beruhte vorzüglich darin, daß er sich mit vollkommenster Vertraulichkeit zu ihnen herabließ und oft an all ihren kleinen Interessen teilnahm. Die Anekdoten, die man von seinem Leben erzählt, sind gerade an solchen Zügen besonders reich. Dafür redeten ihn aber auch all seine Soldaten gern mit seinem bloßen Vornamen an: « Fritz », oder, mit einem liebkosenden Beiworte: « Alter Fritz ».
Der Sieg bei Liegnitz war der erste Strahl des Glückes, der den preußischen Waffen seit geraumer Zeit wiederum leuchtete. Doch wäre damit, außer der erneuten Zuversicht der Armee, nur wenig gewonnen gewesen, wenn die Feinde sich ihrer noch immer sehr bedeutenden Übermacht erinnert und schnelle Maßregeln getroffen hätten, um Friedrich aufs neue in seinem Marsche aufzuhalten. Denn das hatte die Erfahrung schon oft genug gelehrt, daß Friedrich nicht gewohnt war, etwas halb zu tun. Auch jetzt machte er sich rasch die Verwirrung der Feinde zunutze. Noch an demselben Tage legte er mit seiner Armee drei Meilen zurück. In wenig Tagen war er mit der Armee des Prinzen Heinrich bei Breslau vereinigt. Daun zog sich furchtsam gegen die Gebirge hin, die böhmische Grenze zu decken; Soltikof folgte, verdrossen, dem Beispiel seines Bundesgenossen und ging mit seiner Armee bis an die Grenze von Polen. Der große Entwurf der Vereinigung beider gewaltigen feindlichen Armeen war zerstört.