APHORISMEN DES KÖNIGS ÜBER DIE BEFESTIGUNGS-, LAGER- UND GEFECHTSKUNST.
1.
Die Anlage der Festungen soll stets nach Beschaffenheit der Gegend eingerichtet werden, damit durch die Vortheile des Terrains die Befestigung der Werke desto mehr verstärkt werde.
2.
Die Festungen sollen gewisse vorliegende Aussenwerke haben, damit der Feind nicht mit gleichem Vortheile gegen jedes Polygon approchiren, sondern nur eine Seite der Festung angreifen könne, auf die der Commandant seine ganze Aufmerksamkeit wenden muss.
3.
Die Aussenwerke sollen sowohl von beiden Seiten bestrichen sein, als auch in der Gorge beschossen werden können, damit sich der Feind, im Fall man sie zu verlassen genöthigt ist, in dieselben nicht logiren könne.
<250>4.
Die Aussenwerke sollen so viel als möglich vor Surprisen und dem Angriff in der Kehle gesichert sein.
5.
Die Vertheidigung der Festungen muss nicht nur durch ein starkes Seitenfeuer, das sich vor den angegriffenen Werken häufig kreuzen muss, verstärkt werden, sondern es muss auch die Brustwehr der Werke dergestalt angelegt sein, dass das Feuer von derselben den attaquirenden Ort beständig in gerader Richtung beschiesse, weshalb der Talus der Brustwehr hierzu gehörig eingerichtet sein muss.
6.
Gegen die Enfiladen muss man sich vor allen Dingen in Sicherheit setzen, dergestalt, dass nirgends ausserhalb der Festung eine Linie der Länge nach beschossen, noch weniger im Rücken gesehen werden kann. Die Festungslinien müssen daher mit aller Vorsicht dagegen angelegt und diejenigen Oerter, wo dies unmöglich zu bewerkstelligen ist, mit Bonnets oder Traversen gedeckt, und wenn dieses nicht hilft, die Brustwehr zickzackförmig aufgeführt werden.
7.
Alle detachirte Werke, Tetes de pont und vorliegende Forts müssen mit der Hauptfestung eine gedeckte Communication haben.
8.
Der Commandant muss den Feind durch grosse detachirte Werke, es mögen Flechen, Redouten oder kleine Forts sein, in der Belagerung aufzuhalten suchen, so dass derselbe genöthigt ist, diese erstlich wegzunehmen, ehe er die Laufgräben gegen die Festung eröffnen <251>kann. Lässt der Feind aber diese vorpoussirten Werke unangetastet liegen, so müssen von denselben seine Approchen enfiliret werden.
9.
Wenn die Festung an einem Flusse lieget, so muss man sich die freie Passage über denselben durch eine gute Tete de pont zu erhalten suchen.
10.
Nach den Grundsätzen der Fortification sollen auch die Lager genommen und eingerichtet werden.
Ein festes Lager, was man eigentlich Poste solide nennt, soll auf solchen Höhen genommen werden, die von keinen andern vorliegenden Bergen besehen werden können; fänden sich aber dominirende Anhöhen vor dem Lager, so müssen solche wenigstens drei tausend Schritt von demselben abliegen.
11.
Auf einem Berge, der von keinem andern besehen ist, kommt das erste Treffen auf dem Hange desselben zu stehen und das zweite Treffen wird auf die oberste Höhe des Berges gestellt, damit, wenn das erste Treffen vom Feinde überwältigt wird, derselbe noch den grössten Widerstand vom zweiten Treffen zu erwarten hat. Man muss sich bei solchen Lägern das erste Treffen als Aussenwerk einer Festung vorstellen, nach dessen Einnahme der Feind noch immer den Hauptwall vor sich findet, welchen, bei einem Lager solcher Art, das zweite Treffen bildet.
12.
Die zwei ersten Treffen werden gemeiniglich von blosser Infanterie formirt, und die Cavallerie wird ausser dem feindlichen Feuer <252>entweder an solche Oerter gesetzt, wo sie dem Feinde beim Angriff in die Flanke fallen und ihn völlig zurückjagen kann, oder sie wird in ein drittes Treffen gestellt, wo sie keinen unnöthigen Schaden zu befürchten hat und demohngeachtet so placirt sein muss, dass sie kein beschwerliches Terrain an ihren Bewegungen bei einem Angriffe hindern kann.
13.
Die Batterien des ersten Treffens müssen so geordnet werden, dass sich das Feuer derselben am Fusse des Berges kreuze und dass sie das vorliegende Terrain flach beschiessen; wozu die sechspfündigen und andere kleine Regiments-Stücke am vorzüglichsten zu gebrauchen sind.
14.
Die schweren Kanonen werden beim zweiten Treffen auf die Crête des Berges placirt, damit durch dieselben die etwa vorliegenden Berge beschossen werden können.
15.
Sobald die Linien bestimmt sind, wo das Lager aufgeschlagen werden soll, müssen auch sogleich den Batterien und Feldwachen ihre Standörter angewiesen werden; wobei man vorzüglich dahin zu sehen hat, dass weder eine Batterie noch Feldwache von einer vorliegenden unbesetzten Höhe eingesehen noch enfilirt, wohl aber durch beides ein gutes kreuzendes Feuer vor der Fronte bewirkt werde.
16.
Bei Absteckung des Lagers muss man sich nach der Gegend richten, um die Vortheile, welche die Natur darbietet, gehörig zu be<253>nutzen; doch muss man dabei den Hauptgrundsatz der Castrametation, dass kein Bataillon, noch weniger eine ganze Linie, von umliegenden Höhen in die Flanken genommen werde, nie aus den Augen lassen.
17.
Wenn das Terrain es erlaubt, müssen die Bataillons zickzackförmig gestellt werden, damit hierdurch ein kreuzendes Feuer entstehe. Man muss daher bei Absteckung der Läger nie auf eine gerade Linie, sondern auf ein kreuzendes Feuer der Infanterie sehen.
18.
Wenn es das Terrain erlaubt, so muss man die Infanterie in der Mitte des Treffens in einen eingehenden Bogen stellen, damit der Feind, beim etwanigen Angriffe, hier ein concentrirtes Feuer findet und dadurch leichter und sicherer abgehalten und zurückgeschlagen werden kann, überdem auch gleichsam genöthigt wird, nur die Flügel anzugreifen, widrigen Falls er sich unbesonnener Weise einem grossen Verluste aussetzte.
19.
Wenn die Berge, auf welchen das Lager genommen ist, mit andern vorliegenden Bergen gleiche Höhe haben, so wird das erste Treffen auf die Crete des Berges und das zweite Treffen in einer solchen Entfernung dahinter gesetzt, dass es das erste Treffen im Fall der Noth sogleich unterstützen kann.
20.
Man mag im Gebirge oder flachen Lande campiren, so bleibt dennoch der Grundsatz der Lagerkunst unausgesetzt, die Fronte des Lagers so unwegsam und beschwerlich als möglich zu machen, <254>damit der Feind bei jedem Schritte des Angriffs neue Hindernisse findet.
21.
Es müssen keine Büsche vor der Fronte liegen, deren sich der Feind mit Vortheil bedienen könnte; wäre aber das Lager demohngeachtet nicht anders zu nehmen, so müssen sie zweckmässig mit leichten Truppen besetzt werden.
22.
Wenn ein vor der Fronte des Lagers liegender Wald lichtes Holz hat, so muss derselbe mit Infanterie oder mit besonders detachirten Feld- und Buschwachen besetzt werden, die man aber stets jenseits des Waldes am äussern Ende gegen den Feind postirt, um alles Eindringen zu verhindern und bald avertirt werden zu können.
23.
Ist der Wald aber dick mit Bäumen bewachsen, so muss quer durch eine Allee geschlagen und von den gefällten Bäumen ein Verhack gemacht werden, um die Busch wachen und leichte Infanterie dahinter stellen und dem Feinde dadurch das Vorrücken verwehren zu können.
24.
Der Rücken des Lagers muss frei sein, damit man bei etwanigen Umständen das Lager ungehindert verlassen kann. Ein Lager, aus dem man nur auf einem Wege zurückmarschiren kann, ist nachtheilig, weil der Feind solchen besetzen und entweder die Zufuhr oder gar den Rückzug abschneiden könnte.
<255>25.
Die Flügel der Armee müssen hauptsächlich vor jedem Angriffe sicher gestellt sein, damit sie der Feind nicht leicht über den Haufen werfen kann. Wird das Lager auf Bergen genommen, so müssen die Flanken desselben wo möglich an steile Gründe, stark escarpirte Berge oder an feste Verbacke angelehnt werden. Wählt man das Lager auf ebenem Felde, so müssen die Flügel an Moräste oder Flüsse, die nicht zu passiren sind, oder an Wälder gestützt werden, die sehr dichtes Holz haben, aus welchem man zu mehrerer Deckung einen starken Verhack machen kann.
26.
Ein solcher auf ebenem Felde anzulegender Verhack muss aber mit allem Fleisse gemacht werden. Die Bäume müssen dicht an und neben einander zu liegen kommen, die Stammenden einwärts, die Spitzen der Aeste aber abgestutzt, vorwärts gekehrt, und der Gestalt nach eine undurchdringliche Wand bilden. Nothwendig ist es auch, wenn nämlich Zeit genug übrig ist, eine Verschanzung hinter dem Verhacke aufzuwerfen, deren Besatzung den Verhack überall mit kleinem Gewehr bestreichen kann.
27.
Wenn sich ein Flügel der Armee an einen Fluss stützen soll, so muss derselbe nicht dicht an das Ufer angelehnt, sondern in einer solchen Entfernung angesetzt werden, dass das feindliche Feuer vom jenseitigen Ufer demselben keinen Schaden mit dem Geschütze zufügen kann.
28.
Wenn es möglich ist, dass vor der Fronte oder auf den Flügeln <256>ein kleiner Bach oder Fluss gestauet werden kann, so dass dessen ausgetretenes Wasser das Lager auf einer Seite fester macht, so muss dieser grosse Vortheil allemal benutzt werden.
29.
Wenn auf ebenem Felde der eine Flügel der Armee durch einen Morast oder durch sonst etwas gedeckt wäre, der andere Flügel aber in freier Gegend stände, so kann man hinter dem Moraste Detachements setzen, die Linie aber mit dem andern Flügel zurückziehen; wobei man aber die Fronte und vorzüglich den blossen Flügel wohl verschanzen muss.
30.
Die Cavallerie muss in einem Lager stets so gestellt werden, dass sie in jeder Art frei agiren kann und durch Keine Terrain-Hindernisse an ihrer Bewegung gelähmt wird. Sie darf daher weder sumpfige Wiesen, noch weniger tiefe Ravins vor sich haben. Auch ist die Cavallerie grösstentheils mit mehrerem Vortheile im zweiten als im ersten Treffen zu placiren, weil sie daselbst mehr vor dem feindlichen Feuer gedeckt ist, dem fliehenden Feinde desto geschwinder nachsetzen und den etwanigen Rückzug der vor sich habenden ersten Infanterie-Linie um so eher schützen kann.
31.
Die Flügel einer Armee müssen niemals an ein Dorf angelehnt werden, weil solche sonst dem feindlichen Feuer zu sehr ausgesetzt wären; überdem sind die Dörfer grösstentheils so elend gebaut, dass sie bei einem heftigen Angriffe nicht behauptet werden können. Wenn sich der Fall aber demohngeachtet ereignet, dass nahe bei einem Flügel ein Dorf läge, so muss dasselbe in einer gewissen Distance vor oder hinter dem Flügel gelassen werden, und wenn dies dem <257>Terrain nach auch nicht zu bewerkstelligen wäre, so muss jenseits des Dorfes eine Verschanzung für wenigstens vier Bataillons aufgeworfen werden. Diese Verschanzung muss aber so weit vom Dorfe abliegen, dass wenn das Dorf angesteckt wird, es die Mannschaft im Retranchement nicht hindert, die Brustwehr zu vertheidigen.
32.
Wenn aber die Natur keinen Vortheil darbietet, woran die Flügel gestützt werden können, so muss man suchen dieselben durch gute Verschanzungen in Sicherheit zu setzen. Erfordert die Lage der Sachen ein geschlossenes Werk, so muss es stark mit Artillerie besetzt und mit Pallisaden und andern Vertheidigungsmitteln wohl versehen sein. Lieget das Retranchement einige hundert Schritt vor der Linie, so müssen zwischen der Verschanzung und der Armee Dragoner und Husaren postirt werden, welche dem Feinde gleich auf den Hals fallen können, wenn er beim Angriff durch Kartätschenfeuer in Unordnung gebracht worden ist.
33.
Wenn man keine Zeit zu grossen Verschanzungen hat, so müssen Redouten en échiquier aufgeworfen werden, welche man bei mehrerer Zeit mit Linien von schwächerem Profile zusammenhängen kann; wie denn auch jederzeit bei Verschanzung eines Lagers die Batterien und Hauptverschanzungen zuerst angelegt und die Communications-Linien zuletzt gemacht werden müssen.
34.
Die vor der Armee liegenden Dörfer müssen mit Dorfwachen besetzt und, so viel als möglich ist, gut befestigt werden.
Um noch einige Avertissements-Posten zu haben, muss man noch einige weiter vorwärts liegende Dörfer mit leichten Truppen be<258>setzen, die sich bei einem zu befürchtenden Angriffe zurückziehen und die Armee von dem Anmärsche des Feindes benachrichtigen; doch kann man auch entfernt, aber gut liegende Oerter fortificiren und dieselben wo möglich behaupten lassen.
35.
Alle Wege, sowohl vor der Fronte als auf den Flügeln, müssen auf das genaueste untersucht und diejenigen, auf welchen sich der Feind zum Angriff herannahen könnte, auf das schleunigste verdorben werden, damit er sich derselben nicht bedienen kann; sollte dieses aber nicht möglich sein, so müssen solche mit guten Verschanzungen gesichert werden, um dem Feinde das Anrücken wenigstens zu erschweren.
36.
Ueberhaupt muss die vorliegende Gegend des Lagers auf allen Seiten genau untersucht werden. Man wird bei näherer Uebersicht täglich mehrere Fehler entdecken, welchen sogleich abgeholfen werden muss. Am bemerkbarsten werden uns die Schwächen des Lagers und die Oerter, wo der Feind etwa eindringen könnte, wenn man beim Recognosciren selbst einen Angriff entwirft, wo man am sichersten die Puncte entdecken wird, welche einer bessern Defension bedürfen.
37.
Die Vielheit der Schanzen schwächt die Armee und erfordert eine Menge unnützer Arbeit, welche erspart werden kann, wenn man nur die wichtigsten Oerter verschanzt und einen guten Durchschnitt bei den Verschanzungen annimmt, dergestalt, dass die Brustwehr immer so stark angelegt wird, dass keine Kanonenkugel durchdringen kann und der Graben so tief gemacht wird, dass der Feind <259>nicht ohne Gefahr hineinspringen kann und zu dessen Eroberung künstliche Mittel anwenden muss, welche Zeit und Menschen erfordern.
38.
Das Bette eines kleinen Flusses, der beim Lager vorbeifliesst, darf niemals ununtersucht bleiben. Ist dasselbe schlammig oder von Triebsand, so kann man wegen eines feindlichen Durchsetzens unbesorgt sein; hat das Bette aber festen Boden, so muss man sich vor einem feindlichen Anfalle nicht sicher glauben und gehörige Gegenanstalten treffen.
39.
Nahe beim Lager muss auch das nöthige Trinkwasser und Brennholz vorhanden sein, damit die Cavallerie sowohl als die Infanterie es nicht zu weit holen dürfen. Es muss daher in den Dörfern nach der Quantität der Brunnen gesehen und untersucht werden, ob sie hinlängliches Wasser geben, um darnach die Brigaden zum Wasserholen zu assigniren.
40.
In jedem Lager muss eine Reserve vorhanden sein, welche zur Seite oder hinter der Armee campirt und zum Soutien des attaquirten Postens, oder auch zu Detachements gebraucht werden kann.
41.
Das Lager muss keinen grössern Raum haben, als man mit den Truppen einnehmen kann; es wäre denn, dass die Beschaffenheit der Gegend dem Feinde nur an gewissen Oertern das Lager anzugreifen verstattete; wie zum Beispiel das Lager zwischen Meissen und Pretz<260>schendorf war,260-a wo man bloss die gewöhnlichen Debouches wohl zu besetzen hatte, um gegen feindliche Anfälle in Sicherheit zu sein.
42.
Man darf die Attaquen in ebenem Felde keinesweges deshalb für so leicht halten, weil das Feuer in demselben rasanter als im gebirgigen Boden ist, sondern muss vielmehr auf alle mögliche Hülfsmittel sinnen, den sich vorgesetzten Endzweck zu erreichen.
43.
Man muss niemals die ganze Armee zum Gefechte bringen, weil alsdann nichts mehr zur Deckung des Rückzuges übrig bliebe, hinter dem sich der geschlagene Heertheil wieder setzen könnte.
44.
Der erste Angriff muss stets als verloren angesehen werden; daher man hinter der Brigade, die zuerst angreift, andere Truppen bereit hält, um mit diesen, wenn der Feind etwa die Zurückweichenden verfolgt, oder wenn der erste Angriff durchaus gelingen soll, das Gefecht von neuem zu beginnen.
45.
Die vordersten, welche den ersten Angriff unternehmen sollen, dürfen eben nicht die besten Truppen sein; man kann hiezu die Frei-Bataillons oder andere schlechte Bataillons nehmen, auf die man allenfalls selber feuern kann, wenn sie zurückgehen oder nicht beherzt angreifen wollen.
46.
Ehe man den Feind angreift, muss man vor allen Dingen auf seine <261>eigene Deckung bedacht sein, damit der Feind weder unsere Flanken anfallen, noch uns in den Rücken kommen könne, weil ersteres den grössten Schaden verursacht, und letzteres den gemeinen Mann völlig in Verwirrung bringt. Es finden sich immer hole Wege, tiefe Gründe oder irgend ein anderer günstiger Gegenstand, an den man seine Flügel stützen kann; hiebei muss man sich aber wohl in Acht nehmen, in Ansehung der eigenen Sicherheit nicht etwa Gefahr zu laufen.
47.
Wenn der Feind an Truppenzahl stärker ist als wir, so muss man gegen ihn zu manœuvriren suchen, um ihm eine schwache Seite abzugewinnen, wo man durchdringen, ihn theilen und das Abgeschnittene schlagen kann; oder versuchen, ihn in die Flanke und in den Rücken zu nehmen, damit unser Angriff seiner Gegenwehr überlegen werde; oder endlich wenigstens auf eine solche Angriffsart sinnen, dass der Feind von seiner Uebermacht keinen Gebrauch machen könne und wir also gleichsam in das Verhältniss der gleichen Mannschaftszahl mit ihm treten, welches letztere besonders alsdann Statt findet, wenn man in einer schrägen Linie attaquirt.
48.
Wenn man den Feind mit einem Flügel angreift, so muss der andere stets refusirt bleiben, um mit demselben entweder den Angriff zu unterstützen, oder, im Fall des Misslingens desselben, den Rückzug der Geschlagenen zu decken.
49.
Wenn man den Feind aus der Mitte angreifen will, so muss die Attaque von beiden Seiten durch eine starke Artillerie und Reserve unterstützt werden. Die Pflicht der Infanterie hiebei ist, auf den <262>Feind bloss mit dem Baionnette loszugehen und also ohne zu feuern in ihn einzudringen. Es ist auch nothwendig, einige Cavallerie in der Nähe zu haben, welche den weichenden Feind sogleich verfolgen, vollends in Unordnung bringen und wo möglich eine gänzliche Niederlage unter demselben anrichten muss.
50.
Mit der Infanterie muss behutsam verfolgt werden, indem es nach einem mit ihr geschehenen Angriffe nothwendig ist, dass sie in sich selbst wieder gerichtet und geschlossen fortgeführt werde. Ihre Einrichtung verstattet es nicht, mit der Geschwindigkeit auf den Feind loszugehen, mit der die Cavallerie dieses bewerkstelligen kann; noch weniger ist das Fussvolk fähig, nach einem missrathenen Angriffe sich mit der Schnelligkeit zurück zu ziehen, als dies die Reiterei vermag, daher man mit der Infanterie äusserst vorsichtig agiren muss.
51.
In einer völligen Plaine oder durch lichtes Holz muss man den Feind so lange, als es nur möglich ist, verfolgen, weil hierdurch grosse Vortheile erlangt werden; allein durch dick bewachsene Wälder, durch von Morästen, Sümpfen oder Canälen durchschnittene Wälder ist es nicht rathsam, dem Feinde sehr weit nachzusetzen.
52.
Von zu attaquirenden Anhöhen muss man den schwächsten Theil derselben ausfindig zu machen suchen und solchen zum Angriff wählen, wenn nämlich durch einen glücklichen Erfolg desselben die Sache für uns entschieden wird. Im Fall aber der Feind beim Verluste einiger Posten noch stärkere übrig behält, vermöge welcher er sich noch in seinem Hauptposten erhalten kann, so muss besonders <263>gegen diesen der Angriff unternommen werden, weil mit dessen Wegnahme sofort alles gewonnen ist.
53.
Um eine vom Feinde besetzte Gegend nach ihrer Stärke und Schwäche zu erforschen, muss man sich gleichsam in die Lage des Feindes versetzen und beurtheilen, wie man wohl selbst verfahren würde, wenn man eine der vorgesetzten Kriegsabsicht gemässe Stellung in diesem Terrain nehmen sollte. Erst nach einer solchen Supposition kann der Angriff angeordnet werden.
54.
Von der Gegend, in welcher der Feind stehet, muss man sich durch Spione, durch Landleute, bei Parole-Gesprächen, oder nach entworfenen Karten und Planen (die nach den Erzählungen der Landeseinwohner angefertigt und verbessert sind) zu unterrichten suchen. Dem Gesichte ist bei Terrain-Untersuchungen wenig zu trauen, weil sich in gebirgigen Gegenden die Gründe, holen Wege und Precipices den Augen öfters gänzlich verbergen oder wenigstens anders darstellen, als man sie bei näherer Ansicht wirklich findet.
55.
Allzu hohe steile Berge muss man nicht mit Infanterie attaquiren lassen, weil der Soldat auf dieselben nicht anders als athemlos hinaufkommen kann; ein solcher Angriff kann aber der Natur der Sache nach unmöglich glücklich ablaufen.
56.
Diejenigen Berge hingegen, welche Absätze haben, können, wenn gleich nicht mit Artillerie passirt, doch mit Fussvolk angegriffen werden; denn der Soldat erholt sich da, wo er ausser dem Feuer ist, <264>und nachdem er einen Augenblick wieder zu Kräften gekommen ist, kann er die Attaque nun mit Nachdruck fortsetzen.
57.
Man muss zum Angriff stets die höchsten Anhöhen wählen, weil nach deren Wegnahme die andern von selbst verlassen werden. Ueberdem erfordern gerade jene höchsten Berge den stärksten Angriff, der nur am Anfang des Gefechts Statt finden kann, wo die Truppen noch bei vollem Muthe sind und die Bataillons mit geschlossenen Gliedern den Feind nachdrücklicher angreifen können. Dieser tapfere Anfall ist aber dann nicht mehr möglich, wenn sich bei uns schon etwas Nachtheiliges ereignet hat und die Getrennten und viele Verwundete an dem guten Ausgange der Sache zweifeln lassen.
58.
Beim Angriff der Höhen muss man sich mehr des Wurfgeschützes als der Kanonen bedienen, weil ein Kanonenschuss, nach der Höhe gerichtet, selten trifft, eine Granate aber, wenn sie auf dem Berge crepirt, eher beschädigt und unter dem Feinde mehr Verwirrung anrichtet.
59.
Die Haubitzen und Mortiers müssen bei solchen Angriffen etwas verdeckt, entweder in einen holen Weg, oder hinter eine aufgeworfene Brustwehr gestellt werden, weil die feindlichen Kanoniere gewöhnlich nach den Batterien am heftigsten hinfeuern; folglich, wenn das Wurfgeschütz unbedeckt stände, unsere Artilleristen in der Folge nicht mehr mit gehöriger Aufmerksamkeit laden, richten und werfen würden.
<265>60.
Man muss nach Ersteigung der höchsten Anhöhe sich zuerst auf dieser festsetzen, bevor der Angriff fortgesetzt werden kann, aber auch mehrere Truppen vorrücken lassen, theils um das gewonnene Terrain zu behaupten, theils um von neuem den Angriff zu unternehmen, ehe der Feind vermögend ist, die ursprüngliche Ordnung wieder herzustellen oder uns frische Streiter entgegen zu setzen.
61.
Die Cavallerie soll in festen Posten niemals in das erste oder zweite Treffen gestellt werden, sondern in den Lägern, in welchen man sich angreifen lassen will, stets in das dritte Treffen zu stehen kommen, um sie jederzeit ausser dem Feuer halten zu können, gegen welches sie sich ihrer Einrichtung nach nicht vertheidigen kann. Ueberdem ist ja die Reiterei vermöge ihrer Geschwindigkeit im Stande, nach Erforderniss der Umstände schnell genug vorzurücken.
62.
Alle Posten, die der Feind etwa angreifen könnte, müssen durch gut angebrachtes Seitenfeuer und durch frische Streiter wohl unterstützt werden; daher darf weder Infanterie noch Cavallerie so dicht an einen Fluss oder an ein Précipice gestellt werden, dass es den ihnen zur Verstärkung zugesandten Truppen, und zur Wiederformirung der in Unordnung gekommenen oder zum Weichen gebrachten, nicht an zur Bewegung gehörigem Räume fehlt.
63.
Wenn in einem zu beginnenden Gefechte der Feind schon anrückt, darf in der Disposition der im Lager stehenden Truppen nichts Wesentliches mehr verändert, wohl aber vorher genau erwogen<266> werden, wo und wie jede Waffe am besten agiren könne. Sind einmal die Truppen gehörig gestellt worden, so muss die getroffene Anordnung während des Anmarsches des Feindes, wenigstens im Ganzen, das Gefecht hindurch beibehalten werden, weil missverstandene Ordres, unrecht gemachte Bewegungen der Truppen, oder anderweitige nicht gleich befolgte Befehle die Sache höchst gefährlich machen können.
64.
Die Angriffspuncte müssen vorzüglich gut befestigt und mit hinlänglicher Artillerie, als ihrer wichtigsten Unterstützung, versehen sein, welche letztere man, wie schon bemerkt, so zu placiren sucht, dass ihr Feuer sich vor der Fronte der angegriffenen Truppen kreuzt.
65.
Das kreuzende Feuer ist alsdann am stärksten, wenn die Batterien nur in einer solchen Entfernung von einander slehen, dass ihr Kartätschenfeuer vor dem attaquirten Orte die möglichst grösste Wirkung hervorbringen kann; denn gegen das mit Kanonenkugeln bewerkstelligte Flankenfeuer ist noch allenfalls anzukommen, da hingegen ein Ort äusserst schwer überwältigt werden kann, der durch ein kreuzendes Kartätschenfeuer vertheidigt wird.
66.
Wenn ein Flügel der Armee an einen Fluss angelehnt ist, so muss man suchen jenseits desselben, oder auf einer in demselben befindlichen Insel, eine Batterie zu errichten, deren Feuer den feindlichen Angriff in die Flanke nimmt.
67.
Ueberhaupt muss man stets bedacht sein, die feindlichen Linien,<267> wo es nur möglich ist, zu enfiliren, weil dies den feindlichen Angriff in Unordnung bringt und dadurch dem Gegner weit mehr Schaden zufügt, als es ohnedem geschehen würde.
68.
Den feindlichen Flügel, welchen man angreifen will, muss man soviel als möglich zu überflügeln suchen, damit derselbe von allen Seiten und also gleichsam mit einem concentrirten Feuer beschossen werden könne.
69.
Die Cavallerie, welche zur Unterstützung der Angreifenden bestimmt ist, muss so lange verdeckt gehalten werden, bis der zum Einhauen ihr günstige Moment eintritt. Dieses anfängliche Verbergen der Reiterei kann dadurch bewirkt werden, wenn man sie hinter Anhöhen, in einem Grunde, oder in solcher Entfernung placirt, dass sie vor dem feindlichen Kanonenfeuer gesichert ist.
70.
Hinter Batterien muss man niemals Cavallerie stellen, denn die Artilleristen haben die Gewohnheit, ihr Feuer vorzüglich auf die Stückbetten zu richten. Die Kanonenkugeln fliegen daher in diese Gegend am häufigsten hin, gehen dabei öfters über die Batterie weg und beschädigen die dahinter stehende Cavallerie, die also, auf diese Art gestellt, viele Menschen und Pferde verlieren würde.
71.
Unsere beim Angriff des Feindes zu treffenden Gegenanstalten müssen demselben so lange als möglich verborgen bleiben und daher sämmtliche Truppen, wenn es das Terrain erlaubt, verdeckt gehalten werden, weil der Gegner alsdann unsere Vertheidigungsmass<268>regeln nicht vorhersehen und seinen Angriff darnach anordnen kann, das Unvermuthete aber bei ihm die grösste Verwirrung verursacht.
72
In gebirgigen Gegenden deckt man seine Flügel durch Seiten-Corps, die ihre Communication mit der Armee durch nahe liegende besetzte Oerter, Magazine und Posten erhalten, den etwanigen feindlichen Angriff in die Flanke nehmen und zur Unterstützung des angegriffenen Heertheils dienen.
Geschiehet die feindliche Attaque gegen unsern rechten Flügel, so ziehet sich das rechte Seiten-Corps auf diesen Flügel zurück und sucht, wenn es angeht, den Feind zu tourniren; das andere Flanken-Corps stösst ebenfalls zur Armee und wird als Reserve gebraucht. Es muss aber diesen Seiten-Corps deutlich bekannt gemacht werden, wohin und auf welche Art sie sich in den verschiedenen möglich einzutretenden Fällen hinziehen sollen, zu welcher Unternehmung sie eigentlich bestimmt sind, und wenn etwa eines von ihnen den Rückenhalt des Heeres formiren soll, wo es sich stellen muss, damit der commandirende General weiss, wo er es gewiss findet.
73.
In einem befestigten Lager müssen die vorliegenden Schanzen geschlossen sein, wenn sie sich gehörig halten sollen, weil sie gegentheils durch einen feindlichen Angriff in der Kehle sehr leicht zu erobern sind.
74.
Es muss kein Grund oder holer Weg, er mag so klein sein als er will, unversperrt oder wenigstens ohne Verteidigung bleiben. Durch Vernachlässigung dieser Regel ging die Schlacht bei Turin verloren.268-a
<269>75.
Wenn eine Verschanzung erstiegen ist, so muss man sich zuerst hinter der Brustwehr derselben wieder formiren und auf der Berme festsetzen, wie auch die Ankunft der Truppenverstärkungen und des eigentlichen Haupt-Corps abwarten, bevor man weiter angreift; widrigen Falls das schon Gewonnene sehr leicht verloren gehen könnte.
76.
Die Vorposten müssen im flachen Lande mit vieler Vorsicht ausgesetzt werden; die des Fussvolks dürfen niemals über eine Stunde weit vom Lager abstehen, weil sie sonst sehr leicht aufgehoben werden könnten. In Ansehung ihrer Postirung richtet man sich nach dem Terrain; man stellt sie daher in Dörfer, Vorwerke, Büsche und dergleichen.
Mit der Cavallerie und besonders mit der leichten Reiterei verhält es sich anders. Diese kann erforderlichen Falls geschwinde genug zurückgehen und deswegen auch näher gegen den Feind stehen. In gebirgigen Gegenden werden indess die Infanterie-Vorposten ebenfalls weiter vorgesetzt, weil die Gründe und Defiles ihren Rücken hier besser decken und sie daher bei einem etwanigen Rückzüge sich mit Sicherheit an die Armee heranziehen können.
77.
Wenn eine Avantgarde vor der Armee postirt wird, so muss dieselbe um ein Viertel näher gegen unser, als das feindliche Lager zu stehen kommen. Gesetzt, der Feind wäre zwei Meilen von uns entfernt, so darf unsere Avantgarde (die in einem besondern Lager vorgesetzt worden ist) nur eine Stunde weit von der Armee abstehen , weil ihr alsdann der Feind nichts anhaben kann; würde sie aber <270>weiter vorpoussirt, so liefe sie Gefahr angegriffen und geschlagen zu werden; denn der Feind hat mehr als eine Stunde voraus, nach welcher Zeit nämlich erst die Armee Nachricht von seiner Annäherung erhalten kann. Der der Avantgarde zuzusendende Succurs bedarf zu seinem Marsche eben so viel Zeit und kommt daher zu spät.
78.
Zur mehreren Sicherheit der Vorposten thut man wohl daran, zwischen denselben und der Armee eine Avantgarde campiren zu lassen, auf die sich die Vorposten repliiren können: es ist aber nothwendig, sich hierbei nach dem Terrain und den übrigen obwaltenden Umständen zu richten.
79.
Beim Anrücken einer überlegenen feindlichen Macht ist es rathsamer, die aus leichten Truppen bestehenden Vorposten mit möglichster Sicherheit zurück zu ziehen, als sie in der Absicht, dass sie sich gegen den Feind behaupten sollen, zu unterstützen, weil sie ja nur zum Avertiren dienen sollen.
80.
In ebenen Ländern dürfen die Frei-Bataillons nicht in zu weit vom Lager entlegene Oerter gestellt werden, weil sie sonst Gefahr liefen, sich bei Anwesenheit vieler feindlicher Cavallerie mit Verlust zurück zu ziehen. Wäre indess dieses weitere Vorsetzen der leichten Infanterie im flachen Lande nothwendig, so muss ihr Cavallerie beigesellt werden, damit diese jener den Rückzug decken könne.
81.
Wenn der Feind sehr nahe steht und zwischen den beiderseitigen Armeen kleine Gewässer liegen, so muss man längs denselben <271>schwache Posten ausstellen. Ein Officier mit zwanzig Mann, dann einige Unter-Officiere mit zwölf Mann, und abermals eine kleine Officierwache mit zwanzig Mann, hernach wieder etliche Unter-Officierposten, u. s. f., sind hinlänglich, die Chaine zu besetzen und des Nachts auf alle Bewegungen des Feindes und besonders auf seine Annäherung ein wachsames Auge zu haben.
82.
Wenn ein grosser Wald oder Busch dem Lager nahe läge, oder wohl gar an dasselbe stiesse, so muss entweder der ganze Wald, oder wenigstens ein grosser Theil desselben, besonders der uns zunächst liegende, besetzt werden, damit durch den Busch sich nichts unbemerkt ans Lager schleichen und der Soldat sicher nach Holz gehen kann. Wenn der Wald klein ist, so braucht man bloss dessen äussern Rand zu besetzen.
83.
In freien Gegenden muss man die Vorposten der Cavallerie, so weit es sich thun lässt, vorsetzen, damit diese, im Stande sich dem Feinde mehr als das Fussvolk zu nähern, auf des Feindes Bewegungen besser Acht geben könne. Ist sie noch dazu auf den Seiten einigermassen gedeckt, so wird sie vermöge dieser Deckung und ihrer eigenthümlichen Geschwindigkeit jederzeit sicher zurückkommen.
84.
Wenn man offensive gehet, müssen die Défilés hinter dem Lager gelassen werden und dieses jenseits desselben genommen werden.
Wird der Krieg aber defensive geführt, ist es eine Hauptregel, dass die Défilés, Flüsse, Gründe und dergleichen andere Terrain-Hindernisse vor dem Lager liegen bleiben.
<272>85.
Die Cavallerie muss die Défilés vor sich lassen, damit der Feind bei seinem Vorrücken Hindernisse findet, die Reiterei nicht leicht überfallen, und die Vorposten, bei einer herannahenden feindlichen Uebermacht durch keinen Terrain-Gegenstand aufgehalten, frei und rasch zurückgezogen werden können.
86.
Diejenigen Läger, welche einen Angriffspunct haben und wo man ein Seiten-Corps in einem Busche verstecken kann, das des Feindes Attaque in die Flanke nimmt und von ihm selbst, beschützt durch die Batterien der Armee, nicht wohl angegriffen werden kann, sind die besten.
87.
Ein guter Verhack muss so breit sein, dass der Feind ihn weder übersteigen, noch verdeckt gegen denselben anrücken kann. Daher müssen vor dem Verhacke, von der Brustwehr an gerechnet, wenigstens drei hundert Schritt frei sein, damit der Feind bei seinem Vorrücken aus dem Walde (das überdem nur getrennt geschehen kann) genöthigt ist, sich unter unserem Musketenfeuer zu formiren. Ein wohleingerichteter und vertheidigter Verhack ist demnach nur äusserst schwer zu ersteigen.
260-a Siehe Band V., S. 35, 196 ff., und 230-233.
268-a Siehe Band I., S. 131.