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I. INSTRUCTION FÜR DEN OBERST-LIEUTENANT VOM CORPS CADETS DEN VON OELSNITZ.[Titelblatt]

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INSTRUCTION FÜR DEN OBERST-LIEUTENANT VOM CORPS CADETS DEN VON OELSNITZ.

1.

Die erste und vornehmste Sache, worauf der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz und die bei dem Corps bestellten Capitains arbeiten müssen, soll sein, den Cadets eine vernünftige Ambition beizubringen; demnächst aber ihnen, gleichsam von der ersten Jugend an, eine gewisse Liebe und Hochachtung für den preussischen Dienst einzuprägen, dergestalt, dass die Idee, als ob kein besserer Dienst in der Welt sei wie der preussische, gleichsam mit ihnen aufwachse und ihnen fest imprimiret werde.

2.

Das Fuchteln der Cadets und die bisherigen Arten von Strafen sollen hinfüro gänzlich unterbleiben;3-a hergegen diejenigen, so sich negligiren oder etwas Unrechtes begehen, mit Arrest bei Wasser und Brod gestrafet werden. Wenn zum Exempel ein Cadet seine Stunde versäumet, so soll derselbe auf einen Tag oder was bei Wasser und Brod in das Stockhaus gesetzet, aber <4>nicht mehr geschlossen werden. Fängt ein Cadet ungebührliche Händel an, oder passiren Kinderstreiche, dass etwa ein Cadet dem andern in die Haare fället, so muss ein solcher Cadet zweimal vier und zwanzig Stunden bei Wasser und Brod sitzen; jedoch muss zugleich auf das Alter und die Constitution des Cadets gesehen und die Strafe darnach proportionirt werden. Was Bagatellen sind, die sollen nicht anders als mit Reprimanden gestrafet werden.

3.

Der Dienst muss den Cadets gelehret werden wie es Soldaten gehöret und gebühret; der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz aber muss dabei nie aus dem Sinne lassen, dass die Cadets keine Musketiere von Profession sind, sondern dass solche Officiere werden sollen, und ob sie schon den Dienst mit aller Exactitude erlernen und das Exerciren noch besser wie die andern Regimenter thun müssen, so sollen sie doch dabei nicht stehen bleiben, sondern solches so erlernen, wie Leute, welche dereinsten commandiren sollen.

4.

Alle Abend kurz vor dem Schlafengehen sollen zwei Unter-Officiere von den Cadets alle Kammern zu visitiren gehen, die Cadets, so darin liegen, abrufen und zusehen ob noch alles richtig ist, worauf sie an den Oberst-Lieutenant von Oelsnitz ordentlich rapportiren müssen. Des Morgens, eine halbe Stunde vor dem Aufstehen, soll das Visitiren von den beiden Unter-Officieren von den Cadets wieder geschehen und dem Oberst-Lieutenant davon gehöriger Rapport gethan werden.

5.

Mit den kleinen Montirungs-Stücken und was sonsten die Cadets, besonders die armen, zur Beihülfe bekommen, soll gute Ordnung gehalten werden, dergestalt, dass ein jeder Cadet sein eigenes Buch haben soll, in welches, so oft er etwas von kleinen Montirungs-Stücken oder sonsten bekommet, solche jedesmal <5>eingeschrieben werden sollen; der Capitain von der Compagnie aber soll ein Buch dagegen halten und darein richtig eintragen, was die Cadets bekommen, mit welchen Büchern hiernächst dergleichen Ausgaben in der jährlichen Rechnung beleget werden sollen. Die Rechnung soll alle Jahre den 1. oder 2. October durch einen Stabs-Officier, welchen Seine Königliche Majestät dazu beordern wollen, abgenommen werden.

6.

Soll der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz auf die Küche mit Acht haben, dergestalt, dass er sorge, damit die Cadets jedesmal gut, reinlich und propre gespeiset werden müssen, zu welchem Ende denn auch ein ordentlicher Küchenzettel gemachet und darin benennet werden soll, was für Essen an jedem Tage in der Woche den Cadets gegeben werden müssen.

7.

Wenn die Cadets essen, soll allemal währender Mahlzeit in jedem Zimmer wo gespeiset wird, ein oder auch zwei Cadets nach einander ein Stück oder Capitel, entweder aus der brandenburgischen Historie,5-a oder auch aus des Feuquieres Kriegskunst, in das Deutsche übersetzet,6-a laut und deutlich herlesen, <6>währenden welchen Lesens die andern Cadets alle stille sein und zuhören müssen. Der Cadet so lieset, bekommt nachher zu essen.

8.

Müssen die Cadets vor allen Dingen bei jeder Compagnie in gewisse Classen eingetheilet werden, und zwar nach ihren Jahren und Begriffen, so dass die Kinder und Anfänger, welche erst lesen und schreiben lernen, à part seien; diejenigen, so schon weiter sind, müssen eine andere Classe machen und die Geographie, Historie, das Französische, die Geometrie, das Tanzen, Fechten, Voltigiren, u. s. w. lernen, und so ferner.

Seine Königliche Majestät sind gewillet, dem Corps Cadets noch vier Leute zu halten, welche den Cadets die Logique lehren sollen, und welche ihnen, sobald sie lesen und schreiben können, gelehret werden soll, damit sie von Jugend auf zum vernünftigen und ordentlichen Denken und Beurtheilen angewöhnet werden.6-b

9.

Insbesondere muss der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz auf die Genies der Cadets wohl Acht geben, wozu sie etwa Lust haben und was für besonders gute Köpfe unter ihnen sind, oder die zu dieser oder jener Science besondere Talents haben, anmerken, auch solche Seiner Königlichen Majestät anzeigen. Er muss sich aber dabei wohl in Acht nehmen, dass hierunter keine Uebereilung noch Passion vorgehe, denn Seine Königliche Majestät selbst genau examiniren werden, ob die angezeigten Cadets auch von dem angegebenen Genie sind, oder aber, ob hergegen gute Köpfe und profonde Talents vergessen und zurückgelassen <7>worden, auf welchen letzteren Fall der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz sich sehr schlecht recommandiren würde.

10.

Muss hinfüro mehr auf die Reinlichkeit und Propreté gehalten werden, damit künftig unter den Cadets keine Krätze weiter sei, als die unter solchem Corps nicht sein muss. Weil auch alles gegeben wird was zur Propreté gehöret, so würde es des Oberst-Lieutenants von Oelsnitz und der Capitains Schuld sein, wenn sie solches alles nicht observireten.

11.

Von den Feldwebeln, welche bis Dato bei den Cadets stehen, sind Seine Königliche Majestät nicht zufrieden, daher der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz darauf denken und Vorschläge thun soll, wie solche sonsten unterzubringen. So lange aber die jetzigen Feldwebel noch bei dem Corps sein werden, soll der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz dafür responsable sein, dass sie keine plumpe noch bäurische Manieren gegen die Cadets haben, die wie Edelleute und künftige Officiere, nicht aber wie Bauerknechte tractiret werden sollen. Mit den Capitains vom Corps hat es zum Theil gleiche Bewandniss, daher der Oberst-Lieutenant von Oelsnitz solche anhalten soll, mit den Cadets honnet und vernünftig umzugehen, und diesen durch ihre eigene Conduite gute Exemples zu geben.

12.

Uebrigens und da Seine Königliche Majestät selbst öfters nach den Cadets sehen werden,8-a so soll derselbe versichert sein. dass, <8>wenn Höchstdieselben jedesmal alles in recht guter Ordnung, Propreté und Accuratesse finden werden, so dass sie davon zufrieden zu sein Ursache haben, solches Deroselben zu besonderem Gefallen gereichen und Sie es gegen mehrgedachten Oberst-Lieutenant gnädigst erkennen werden: dahergegen aber und wenn wider Verhoffen darunter manquiret werden sollte, er auch gewiss zu gewärtigen hat, dass Seine Königliche Majestät sich deshalb scharf an ihn halten werden.

Charlottenburg, den 30. Juni 1740.

(L. S.)Friderich.

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ANHANG. AN DEN OBERST-LIEUTENANT VOM CORPS CADETS DEN VON OELSNITZ.

Charlottenburg, den 28. Juni 1740.



Mein lieber Oberst-Lieutenant von Oelsnitz,

Den mit Eurer Vorstellung vom 19. dieses eingesandten Verpflegungs-Etat vom Corps Cadets habe Ich erhalten, und, nachdem Ich dessen Einrichtung mit mehrerm ersehen, darauf resolviret, dass zuvörderst der bisherige Profoss abgeschaffet und dessen Tractament und Montirungs-Gelder von nächstkünftigem Monat an gänzlich cessiren sollen.

Die für die Speisung der Cadets ausgesetzte Summe im Etat beträget jährlich über zehn tausend Thaler; weil aber verlauten will, als ob die Cadets für solches Geld nur schlecht gespeiset würden, so sollet Ihr auf Eure Pflicht wohl überlegen, ob nicht für dieses so considerable Geld die Cadets besser gespeiset werden können; zu welchem Ende Ihr einen ordentlichen Tageszettel machen sollet, was für Essen den Cadets an jedem Tage der Woche gegeben werden muss, und sollet Ihr Mir insbesondere dafür responsable sein, dass die Cadets jedesmal gut, auch propre und reinlich gespeiset werden. So muss auch bei der Küche wohl auf die Propreté gesehen und das Zimmer reinlich gehalten und öfters gescheuert werden.

Bei den Maitres urtheile Ich, dass deren von der einen Art zu viel, von andern aber zu wenig sind. Es ist nämlich ohnmöglich, dass der eine Ingenieur-Major Frauendorff die Cadets hinlänglich mit Information versehen könne, dahero Ich dem Obersten von Walrave9-a bereits Ordre gegeben habe, noch zwei Conducteurs vorzuschlagen, <10>welche unter dem Major Frauendorff mit informiren, jeder von ihnen aber das gewöhnliche Conducteur-Tractament, à acht Thaler monatlich, auf den Etat des Corps des Cadets bekommen soll. Hergegen sollet Ihr wohl examiniren, ob nicht zu viel Schreib- und Schulmeister10-a bisher gehalten worden. und für das künftige einige von ihnen retranchiret werden können. Zu französischen Sprachmeistern müssen keine schlechte Leute und die man dadurch etwa nur zu versorgen gedenket, sondern recht tüchtige und fleissige Leute genommen werden, und muss bei jeder Compagnie ein Sprachmeister sein, damit die Cadets in dieser Sprache hinfüro mehr profitiren, als bisher nicht geschehen. Zu der noch unbesetzten Tanzmeisterstelle sollet Ihr Mir nächstens ein geschicktes Subjectum vorschlagen. Ueberhaupt desiderire Ich bei der ganzen Information, dass solche mit den Cadets pêle-mêle geschehen und darunter kein genügsamer Unterschied gemachet worden; daher denn Mein Wille ist, dass hinfüro jede Compagnie bei der Information in gewisse Classen eingetheilet werden soll, so wie solches in andern Schulen gebräuchlich ist, und müssen diejenigen, so in einer Wissenschaft schon was erlernet haben, oder welche ein besonderes Genie dazu bezeigen, in einer besondern Classe informiret werden, diejenigen aber so nur mittelmässige Profectus haben, in einer aparten Classe instruiret, und endlich die Anfänger wieder besonders in einer Classe angeführet werden, bis sie weiter kommen und in die folgende Classe gesetzet werden können.

Mit den kleinen Montirungs-Stücken und demjenigen, so zur Unterhaltung des Gewehres, imgleichen was den Pauvren zur Beihülfe gegeben worden, soll auch von nun an mehrere Ordnung gehalten werden, dergestalt dass jeder Cadet sein eigenes Buch haben soll, in welches, so oft er etwas an kleinen Montirungs-Stücken oder sonst etwas bekommet, solches jedesmal sogleich eingeschrieben werden soll; der Capitain von der Compagnie aber soll ein Buch dagegen halten und alles richtig eintragen, mit welchen Büchern hiernächst diese Ausgaben in der jährlichen Rechnung beleget werden sollen. Die Rechnung aber soll alle Jahre den 1. oder 2. October durch einen Stabs-Officier abgenommen werden, welchen Ich dazu beordern will, und weswegen jedesmal zur rechten Zeit von Euch Erinnerung geschehen muss.

Zur Reparation des Exercitien-Hauses10-b sind im Etat bisher vier <11>hundert drei und fünfzig Thaler ausgesetzet worden; hinfüro aber soll deshalb nicht mehr passiren als hundert drei und fünfzig Thaler jährlich, mit welcher Summe, ein Jahr in das andere gerechnet, gedachte Reparation bestritten werden muss. Endlich sollet Ihr auch die Disposition machen, damit auf jede Kammer der Cadets ein Gewisses an Puder und was sonsten zur Reinlichkeit und zur Propreté gehöret gegeben werde, denn die Cadets in allen Stücken propre sein müssen, damit die Eltern Lust bekommen, ihre Kinder unter das Corps zu schicken. Nur gedachte Ausgabe aber für Puder und dergleichen soll aus dem Bestande bezahlet werden, und die Cadets von ihrem Gelde nichts dazu geben.

Uebrigens ist Meine Intention, dass die Cadets wohl und durch Ambition gezogen, nicht aber durch die Feldwebel auf brutale Art, wie bisher wohl geschehen sein mag, tractiret werden sollen, und wird zu deren guten Erziehung vieles beitragen, wenn die Feldwebel sich gegen selbige vernünftig conduisiren, die Capitains aber mit guten Manieren und geschickter Aufführung ihnen zum Exempel dienen.

Ihr habt demnach alles Vorstehendermassen einzurichten, über dasjenige aber, so zu völliger Regulirung des Etats annoch desideriret worden, zu seiner Zeit Euren Bericht einzuschicken. Ich bin

Euer wohlaffectionirter König.
Friderich.


10-a Die Kalligraphen unterrichteten auch in wissenschaftlichen Gegenständen, z. B. in der Geschichte und Geographie; die drei Schulmeister hatten es nur mit den vielen Anfängern zu thun, welche lesen und schreiben lernten. So ist es wesentlich bis 1765 geblieben. Siehe Bd. VI., S. 110 und 111.

10-b Damit ist das Cadetten-Haus gemeint. Im Jahre 1776 wurde das jetzige Cadetten-Haus, mit der Inschrift Martis Et Minervae Alumnis, erbaut.

3-a Siehe Band IX., Seite 96 und 97.

5-a Wir wüssten für den angegebenen Zweck nur Johann Hübners Kurze Fragen aus der politischen Historia, Band VI., zu nennen. Die Geographie desselben Verfassers empfiehlt der König. Band IX., Seite 92 , zum Gebrauche in der Aeademie des nobles. Vielleicht wäre auch an Caspar Abels Preussische und Brandenburgische Reichs- und Staats-Historie, oder an die Biographien der einzelnen Regenten von Gundling, Pufendorf (im Auszuge von Erdmann Uhse) und an Fassmann, endlich auch an das Theatrum europaeum zu denken, aus welchem Friedrich selbst (Bd. XXVII in, S. 8 und 9) seinen ersten Geschichtsunterricht geschöpft hat. Die lateinischen Lebensbeschreibungen der Kurfürsten von Joh. Cernitius und die französische Uebersetzung derselben von Antoine Teissier waren wohl nicht anwendbar.

6-a Geheime und sonderbare Kriegsnachrichten des Marggrafen von Feuquieres, Königl. Französischen General-Lieutenants, Leipzig, 1788. zwei Theile in 4, mit Kupfern. Der zweite Theil ist betitelt Historische und Militairische Nachrichten. In Betreff dieses Werks schreibt der König an den Prinzen Leopold von Anhalt-Dessau, Breslau, den 9. November 1741: « Ich habe dem Buchführer Korn befohlen, an Ew. Liebden fünf und zwanzig Exemplare von des Feuquieres Kriegsnachrichten zu senden. Ew. Liebden haben solche an die unter Dero Commando stehenden Regimenter zu vertheilen, mit dem Bedeuten, wie es den Officiers nützlich sei und Mir zum gnädigen Gefallen gereiche, wenn sie dieses Buch mit Fleiss und Nachdenken lesen. » Siehe Bd. XXVIII, S. 112 und 170.

6-b Siehe Bd. XXVII. III, S. 277, 278, 279, 280 und 281.

8-a Der König hat das Cadetten-Corps am 30. Juni 1740, von welchem Tage die Instruction für dasselbe datirt ist, in Charlottenburg gemustert und in dem Orangerie-Hause speisen lassen. Besucht hat er das Cadetten-Haus den 23. November 1741, den 29. Januar 1744, den 20. December 1752, den 12. April 1763 und den 19. August 1764, wahrscheinlich auch nachher noch. Von dem Besuche im Jahre 1764 sagt die Haudesche Zeitung, Nr. 100: « Am Sonntage, den 19. August, Vormittags begaben sich Seine Majestät der König zu Pferde nach dem hiesigen Cadetten-Hof und hatten die Gnade, die in demselben befindlichen jungen Edelleute im Voltigiren, Zeichnen, Reiten und andern Kriegswissenschaften Allerhöchst zu prüfen, selbige Dero Königlichen Huld und Vorsorge zu versichern, u. s. w. » Mehrmals liess der König auch Cadetten auf das Berliner Schloss kommen, um den Bedarf für die Regimenter auszuwählen.
     Ein grosser Schatz von (ungedruckten) Cabinets-Ordres zeigt, dass Friedrich bis an seinen Tod in ununterbrochener Verbindung mit dem Cadetten-Corps geblieben, und dass er immer die Seele desselben gewesen.
     Band I., S. 174, spricht Friedrich, zum Lobe seines Vaters, über das Cadetten-Corps, dessen Chef er selbst, von der Stiftung, 1717, an bis 1730, gewesen ist. Siehe Bd. XXVII. III, S. 3 ff.; auch J. D. E. Preuss, Die militairische Richtung in Friedrichs Jugendlehen, S. 7 und 8.

9-a Siehe Bd. XXVI., S. 116.