XXIV. INSTRUCTION, WELCHE DER KÖNIG IM BRESLAUER WINTERQUARTIER IN SEINEM ZIMMER DEN FELD-INGENIEURS DICTIRT HAT.[Titelblatt]
<254><255>INSTRUCTION, WELCHE DER KÖNIG IM BRESLAUER WINTERQUARTIER IN SEINEM ZIMMER DEN FELD-INGENIEURS DICTIRT HAT.
(Vollständig abgedruckt aus Müller's Nachgelassenen militairischen Schriften.)
Weil alles, was unmittelbar von diesem grossen Könige herrührt, aufbewahrt zu werden würdig ist, so schalten wir hier die Instruction ein, welche der König im Breslauer Winterquartier, den 13. December 1758, in seinem Zimmer den Feld-Ingenieurs dictirte, während dass er auf einem vor ihm ausgebreiteten Bogen Papier die dazu gehörigen Zeichnungen in unserer Gegenwart flüchtig mit der Feder hinwarf.
Es sollen künftig die Ingenieurs beständig im Hauptquartier logiren.
Beim Recognosciren haben sie Folgendes zu beobachten :
- 1. In wie viel Colonnen der Marsch geschehen kann und wie viel Brücken auf demselben zu machen oder zu repariren sind; es muss die Breite des Flusses, auch wie der Weg beschaffen, ob und wo er repariret werden muss, imgleichen wie viel Défilés auf demselben sind, angemerkt werden. <256>
- 2. Wenn der Marsch in des Feindes Nähe geschiehet und solcher in drei bis vier Colonnen geschehen könnte, so muss derselbe so eingerichtet werden, dass die Colonnen nur höchstens eine Viertelmeile aus einander sind.
- 3. Bei den Märschen muss beobachtet werden, ob und wo der Feind etwa Embuscaden oder anderer dergleichen Vortheile sich bedienen könnte.
- 4. Wenn die Ingenieurs mit Husaren recognosciren, so müssen sie die Gegend so gut als möglich aufzeichnen und alles, was sie bemerkenswerth finden, anmerken, auch die verschiedenen Läger, welche in dieser Gegend genommen werden können, darauf bezeichnen, alle Führten und Brücken übers Wasser, alle Défilés und alles, was Hinderniss und Vortheil verursachen kann, aufs genaueste darin andeuten.
- 5. Wenn die Ingenieurs das feindliche Lager und dessen Position recognosciren sollen, so müssen sie observiren, ob und wie man des Feindes Flanke beikommen kann, wie das Terrain beschaffen und sonderlich, ob Artillerie aufgeführt werden kann, ob sich in der Nähe Anhöhen befinden, von welchen der Feind kanonirt werden kann, und in wie breiter Fronte dem Feinde beizukommen sei, welches niemals mit weniger als zehn Bataillons geschehen muss.
- 6. Um seinen Endzweck beim Recognosciren des feindlichen Lagers zu erreichen, muss man einige Husaren mit den feindlichen Posten sprechen lassen, um solche mit allerlei List zu amusiren, damit der Ingenieur Zeit gewinnet, um so viel möglich alles zu beobachten und genauen Rapport davon abstatten zu können.
Beim Aufsuchen eines Platzes zum Lager ist Folgendes zu beobachten :- 1. Dass nicht mehr Terrain embrassiret wird, als nach Seiner Königlichen Majestät Intention nöthig ist und dass das Lager eher mehr Tiefe als Breite haben kann.
- 2. Dass der Lagerplatz von keiner Höhe dominiret werde, die näher als drei tausend Schritt ist.
- 3. Dass Holz, Wasser und Dörfer in der Nähe sind, um das Nöthige im Lager haben zu können. <257>
- 4. Dass keine grosse Défilés hinter dem Lager, sondern solche allezeit vorn und auf den Flanken bleiben müssen.
- 5. Wenn ein Lager im Angesicht des Feindes genommen wird, so darf solches nicht näher an demselben, als vier bis fünf tausend Schritt sein.
- 6. In Ebenen kann allezeit ein Lager genommen werden; nur müssen die Flügel stets gestützt sein, als an eine Stadt, Busch, Graben, Teich, Morast, Défilé, und, wenn nichts anders zu haben ist, an ein Dorf.
- 7. In buschigem Terrain kann campiret werden, wenn solches nicht gar zu dick, sondern hin und wieder mit Ebenen durchschnitten ist.
Als der König die vorstehenden sechs Puncte über das Recognosciren und sieben Bemerkungen, welche bei Wählung eines Lagers zu beobachten sind, den Ingenieurs zum Aufschreiben dictirt hatte, so zeichnete er nunmehr folgende fünf Arten des Campirens, ohne dabei etwas Zusammenhängendes zu dictiren.
- 1.Hiebei wird gezeigt, dass eine Armee, wenn sie hinter einem Flusse campirt, wenigstens vier hundert Schritt von demselben entfernt sein muss, um sich gehörig bewegen zu können; jedoch müssen die Flügel gedeckt sein. <258>
- 2.Wenn die Armee Anhöhen vor sich hat, so kann sie hinter denselben campiren; auf den Höhen aber müssen starke Piquets sein, damit sich die Armee dahinauf in Bataille setzen kann.
- 3.Kommt die Armee in offenes Feld, so kann sie, in dem Falle wenn die Flügel gedeckt sind, in einem Zirkel campiren. <259>
- 4.Hiemit zeigte der König ein Lager, welches der Feind nur mit schmaler Fronte angreifen konnte.
- 5.Hiemit war gezeigt, wie das erste Treffen am Fusse, das zweite aber auf und auch mit sammt der Cavallerie hinter dem Berge gestellt werden könnte.
<260>Man sieht aus diesen fünf Beispielen nur zu offenbar, dass der König seinen Ingenieurs in dieser Instruction abermals, so wie im Jahre 1756 bei Roth-Schönberg, den ängstlichen Begriff von der Regularität der Lager noch mehr benehmen wollte, und dass man bei ihrer Absteckung vielmehr auf die jedesmalige Lage des Terrains Rücksicht nehmen müsse.
DAS LAGER BEI ROTH-SCHÖNBERG. (Aus Müller's Nachgelassenen militairischen Schriften.)
Als aber in dem Zeiträume, welcher zwischen diese beiden (ersten Schlesischen) Kriege und den siebenjährigen fällt, Friedrich II. über die wichtigsten Theile der Kriegskunst mehr nachgedacht hatte, so gab er bei dem ersten Lager, welches seine Armee 1756 drei Meilen unterhalb Dresden bei Roth-Schönberg beziehen sollte,285-a das erste Beispiel, wie den Regimentern künftighin das Lager gegeben werden sollte, auf nachstehende Art.
Da dieses Lager hinter einen breiten und tiefen Landgrund, der sich in verschiedenen Krümmungen nach der Elbe hinabzieht, zu stehen kommen sollte, so ritt der König vom linken Flügel des Lagers, mit dem linken Grundrande beständig gleichlaufend und in dessen Abstande von ohngefähr drei hundert Schritt, längs der Fronte des ersten Treffens bis zum rechten Flügel hin; die Regiments-Quartiermeister wurden nach der gegebenen Schlachtordnung aufgerufen, von welchen einer nach dem andern hinter des Königs Pferde herschreiten und sich die damals vor der Augmentation benöthigte Distance von hundert sechzig Schritt, zusammt der Intervalle für jedes Bataillon, selbst abzählen musste; wenn nun dieser seine Schrille vollzählig hatte, so musste er seine Feldflagge, welche er mit sich führte, einstecken und der folgende seine nöthigen Schritte hinter dem langsam reitenden Könige auch wiederum selbst abzählen. Solcher Art ward nun dem ganzen ersten Treffen das Lager gegeben, während der General-Quartiermeister-Lieutenant Major von Oelsnitz das zweite Treffen auf drei hundert Schritt Abstand mit dem ersten gleichlaufend auf <261>die nämliche Weise von den Regiments-Quartiermeistern abschreiten liess.
Als der König auf dem rechten Flügel geendiget hatte, rief er die daselbst anwesenden Generale und Officiere zusammen und befahl, dass künftighin alle Läger einzig und allein nach dem jedesmaligen Terrain gewählt und auf eben vollbrachte Art abgesteckt werden sollten, ohne dabei auf die gerade Richtung mehrerer Bataillons und Regimenter in einer Linie Rücksicht zu nehmen; dass er aber künftighin nur allein die Anbindungs-Puncte der beiden Flügel des ersten Treffens bestimmen und dabei befehlen würde, welche Regimenter und Bataillons aus der Linie herausgenommen und in die von ihm angewiesenen nächsten Städte und Dörfer in Cantonnirung verlegt werden sollten; ferner, dass das zweite Treffen Infanterie, wenn nichts hinderte, drei hundert Schritt hinter dem ersten und, soviel als sich thun lassen wolle, mit diesem gleichlaufend, und wenn es weniger Bataillons als das erste enthielte, dafür mit grösseren Intervallen abgesteckt werden sollte; dass er endlich jedesmal befehlen würde, ob auch die Reiterei nach der Schlachtordnung auf den Flügeln, oder im dritten Treffen hinter dem Fussvolke, oder irgendwo theilweise mit in der Linie oder den Treffen campiren sollte.
Aus dieser Anordnung war bereits zur Genüge einzusehen, dass der König künftighin bei den Lägern von aller ängstlichen Gleichheit und allen genauen Ebenmassen abgehen wollte, damit die Lagerplätze der einzelnen Regimenter und Bataillons dem jedesmaligen Terrain desto besser angepasst werden könnten.
285-a Die Armee stand vom 6. bis 8. September 1756 in diesem Lager bei Roth-Schönberg. woselbst das Hauptquartier war.