6722. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.
Potsdam, 6. April 1755.
Dass Ew. Excellenz die letzthin gethane kleine Excursion wohl bekommen sein möge, wünsche aus vollkommenster Devotion, und würde es mir wohl besonders erfreulich sein, wann Dieselbe Dero gefasseten Entschluss nach bei der guten Saison zu Conservation Dero unschätzbaren Gesundheit damit wöchentlich zu continuiren belieben wollten, da<110> ich dann allezeit bereit sein würde, dasjenige, was Ew. Excellenz bei solchen Gelegenheiten committiren werden, auf das getreulichste auszurichten. Was den Articul angehet, welchen der Herr von Klinggräffen in seiner vorletzteren Relation wegen der Berlinschen Zeitung und der in solcher befindlich gewesenen Passage von den ungrischen Aufruhren berühret hat,110-1 so kann Ew. Excellenz ich zuforderst versichern, dass des Königs Majestät nicht die allergeringste Attention darauf genommen haben. Es muss derselbe auch von dem, was andere teutsche Zeitungen davon gemeldet haben, sehr übel informiret sein, indem ich selbst attestiren kann, solchen Articul fast verbotenus vorher bereits in den Frankfurter Reichszeitungen und andern mehr gelesen zu haben, ehe das geringste davon denen Berliner Zeitungen inseriret worden, wie dann alle auswärtige heutige französische Zeitungen davon voll sein, mir auch bekannt ist, dass der wienersche Hof vorhin schon per Circulare alle seine Minister an auswärtigen Höfen instruiret hat, dass dieselben solches in das Publicum glissiren sollen, so dass ich fast geglaubet habe, es hätte Graf Puebla oder der alte Weingarten dem berlinschen Zeitungsschreiber den Articulum quaestionis selbst suppeditiret110-2 …
In gleichmässiger Confidence habe Ew. Excellenz vermelden wollen, wie Ich heute einen Brief von einem Officier aus Schlesien erhalten habe, der ohnlängst wegen Pferdeeinkaufs durch Chocim gegangen und mir schreibet, wie er den 25. Februar einen von Rexin zu Chocim gesprochen und von ihm vernommen habe, wie er, um Pferde zu kaufen, nach der Türkei gehe, sich aber in Chocim noch wohl ein 14 Tage werde aufhalten müssen, weil der dortige Bassa seinetwegen nach Constantinopel geschrieben. Inzwischen habe nurerwähnter Bassa den von Rexin sehr wohl aufgenommen und bei sich in seinem Palais logiret, woselbst ihm mit vieler Distinction begegnet werde. Aus welchem dann zu vermuthen stehet, dass letzterer nunmehro bereits glücklich zu Constantinopel angekommen sein werde. Ich habe des Königs Majestät das gehörige deshalb hinterbracht, unterstehe mich aber nochmalen, Ew. Excellenz um das Secret von diesem allen zu bitten.110-3 …
Die Passeports vor den dresdenschen Hof haben des Königs Majestät gestern zwar bereits unterschrieben, nur aber solche annoch etwas zurückzuhalten befohlen, welchem dann auch nachleben müssen.110-4
Aus denen mit denen heutigen Posten eingelaufenen Berichten judiciren des Königs Majestät überall, dass der Krieg zwischen Frankreich<111> und Engelland gewiss und so gut als declariret, auch ganz nahe sei.111-1 Die göttliche Providence wolle nur verhüten, dass des Königs Majestät, auch wider Dero Willen und Vorsatz darin nicht mit eingeflochten werde. Ew. Excellenz bitte unterthänig um Vergebung meines lang ausgefallenen Schreibens.
Eichel.
Nach der Ausfertigung.
110-1 Klinggräffen hatte, Wien 26. März, berichtet: „Il faut s'étonner, au reste, avec combien de secret cette révolte se traite et aucune gazette, excepté celle de Berlin, n'en fait mention.“
110-2 folgt eine confidentielle Mittheilung über die Weisung an Klinggräffen vom 5. April, die Sendung Rexin's betreffend (Nr. 6720).
110-3 Es folgt eine Mittheilung über die Weisung an Klinggräffen vom 5. April, den Marquis d'Aubeterre betreffend.
110-4 Vergl. Nr. 6721.
111-1 Vergl. Nr. 6725.