7096. AN DEN GEHEIMEN RATH WARENDORFF IN BERLIN.
[Berlin], 24. November 1755.
Se. Königl. Majestät haben mir bei meiner letztern Anwesenheit in Potsdam, jedoch sub sigillo firmissimi secreti, allergnädigst eröffnet, welchergestalt Höchstdieselbe nach der Retour des p. von Rexin und denen von demselben überbrachten favorablen Antworten der Ottomanischen Pforte, wie die hiebeikommende drei Translate,393-1 welche mir aber hiernächst nebst dem beikommenden letztern Originalschreiben des Herrn Geheimen Rath Eichels393-2 wieder zurück erbitte, entschlossen wären, über Marseille und Smyrna einen anderweitigen Emissarium, dessen Namen und Qualität Dieselbe mir nicht nennen wollen, sondern mir befohlen, zu Supplirung desselben in den Expeditionen einen Raum von zwei Linien zu lassen, an die Pforte zu senden und denselben mit benöthigter Instruction, Credentialen und Vollmacht zu Schliessung einer Convention mit den Ministris der Pforte zu versehen, welches alles aber dergestalt secretiret werden sollte, dass alle diese Expeditiones mit eben derselben Secretesse wie die vor den von Rexin von des Herrn Geheimen Rath Warendorff Wohlgeboren, so viel die Concepte sowohl als Munda anbetrifft, verfertiget, und ausser Denselben, des Königlichen Wirklichen Geheimen Etats- und Cabinetsminister Herrn Grafen von Finckenstein Excellenz und mich, niemand in der Welt, er sei auch wer er wolle, sans exception, das allergeringste davon zu erfahren und zu sehen bekommen sollte, dahingegen nach des Herrn Geheimen Rath Eichel Aeusserung Se. Königl. Majestät hiezu wenigstens wegen der vielen Arbeit eine vierzehntägige Frist verstatten würden.
So viel demnach zuförderst die in französischer Sprache nach der Meinung des Herrn Geheimen Rath Eichels beliebigst zu expedirende Instruction vor diesen künftigen Emissarium anbetrifft, würde demselben wohl
<394>1. Sr. Königl. Majestät höchste Intention hierüber en gros bekannt zu machen sein, desgleichen was derselbe vor eine Route nehmen und wie er sich dabei betragen soll, dahero
2. Derselbe anzuweisen, sich von hier ins allergeheimste und unter dem Prätexte von domestiquen Angelegenheiten, Processe und Erbschaftssachen, nach Marseille verfügen und von dort aus nach Smyrna an den Bord eines guten schwedischen oder dänischen Schiffes, dergleichen nach des von Rexin Versicherung fast alle 14 Tage von Marseille nach Smyrna abgehen, in aller Stille dahin verfügen und unterwegens entweder vor einen Negocianten oder Reisenden aus Curiosität, um die Échelles de Levant und sämmtliche considerabele Seehäfen des orientalischen mittelländischen Meeres zu sehen, ausgeben und ganz geschlossen halten sollte.
Ein französisches Schiff sollte derselbe zu seinem Transport nach Smyrna nicht choisiren, weil solches leicht von den englischen in der mittelländischen See kreuzenden Kriegesschiffen aufgebracht und weggecapert werden könnte,394-1 desgleichen kein spanisches, holländisches, toscanisches, genuesisches oder anderer Nationen Schiffe, so mit denen Seeräubern in Krieg stehen, sondern er müsste sich absolute zu seiner Seereise nach Smyrna eines schwedischen oder dänischen Schiffes bedienen, welche so wenig von den Engelländern als denen Seeräubern etwas zu befürchten haben.
3. Sobald der p. in Smyrna angelanget, hat sich derselbe bei dem …394-2 Consul zu melden und unter dem Namen von einem Negocianten oder Curioso seine Protection bei demselben auszubitten, damit derselbe als einer von seiner Nation von ihm bei allen Gelegenheiten protegiret werden möge, ohne sich das allergeringste gegen ihn von seiner weitern Destination oder demselben committirten secreten Négociation merken zu lassen.
4. Es soll sich der p. vors erste in Smyrna ganz geschlossen halten, kurze Zeit darauf aber durch die sicherste Gelegenheit, die er vor sich finden kann, von Smyrna aus dem in Constantinopel befindlichen königlich französischen Botschafter Chevalier de Vergennes und dem königlich schwedischen Gesandten, dem Kanzeleirath von Celsing, von seiner Ankunft zu Smyrna, ohne jedoch von seiner aufhabenden secreten Commission und Negociation die geringste Eröffnung oder Erwähnung zu thun, schriftliche Nachricht geben, und dass, wenn es beide oder einer von ihnen gut und nöthig finden, auch ihm die Zeit deshalb zu bestimmen belieben wollten, er den Augenblick, aber auch nicht ehender, sich insgeheim von Smyrna nach Constantinopel verfügen und daselbst zu seiner weitern Instruction und Verhaltungsnachricht sich bei ihnen melden würde.
<395>5. Der …soll in Smyrna die Antwort dieser beiden Ministers oder von einem von ihnen geruhig abwarten und nicht ehender sich von dort begeben; sobald er aber von einem von ihnen avertiret werden wird, sich in Constantinopel einzufinden, muss er, ohne Zeit zu verlieren, dahin auf einem sichern Schiffe abgehen und sich bei seiner Ankunft bei gedachten Ministers melden und denselben von der Absicht seiner Reise und der ihm aufgegebenen Negociation mit Communicirung seiner Creditive, Vollmachten und andern Piècen, so ihnen hiernächst zu communiciren nöthig sein möchten, Nachricht ertheilen und ihre Assistenz und Direction in diesem Negocio sich ausbitten, auch ohne derselben Beirath nichts vornehmen.
6. Seind vor den …drei Creditive auszufertigen, als eines an den itzigen türkischen Kaiser Osman III., das andere, und falls derselbe inzwischen mit Tode abgegangen oder aber durch eine Revolution vom Throne gestossen sein [sollte],395-1 mit dem Namen des Kaisers in blanco, und das dritte an den türkischen Grossvezier, dessen Namen wegen der öfteren vorfallenden Veränderungen395-2 gleichfalls in blanco zu lassen, auszufertigen, deren Namen bei seiner Ankunft in Constantinopel entweder von dem königlich französischen Ambassadeur von Vergennes oder dem königlich schwedischen Ministro von Celsing sodenn, wie er sie darum zu ersuchen, zu suppliren sein würden.
7. Würde in solchen Creditiven wohl das besondere Vergnügen und die Verbindlichkeit Sr. Königl. Majestät über die gute Aufnahme des von Rexin von der Pforte und dererselben obligeanter Antwort an Se. Königl. Majestät in den affectueusesten Terminis zu erkennen zu geben sein, desgleichen dass Se. Königl. Majestät, um von denen guten Gesinnungen der Pforte und deren geneigten Aeusserungen zu profitiren und das Band der Freundschaft und eine étroite Correspondenz noch mehr zu resserriren, diese Abschickung vor sich gehen lassen, nicht zweifelnd, dass solche der Pforte besonders angenehm sein, und solche daraus Sr. Königl. Majestät unendliche Hochachtung vor dieselbe und ihre Freundschaft, auch das Verlangen, solche noch mehr zu befestigen und zu resserriren, ersehen würde.
In eben solchen Terminis würde auch ungefähr die Vollmacht zur Schliessung eines Tractats oder Convention mit der Pforte vor den … zu expediren sein.
8. Weil es sich auch leicht zutragen könnte, dass, noch ehe der …zu Constantinopel eintreffen sollte, entweder durch den Tod oder Deposition des itzigen türkischen Kaisers eine gänzliche Veränderung in der Regierung dieses grossen Reichs vorgefallen, so würde in demjenigen Creditiv an den Sultan, von welchem der Namen und NB. das Datum in blanco zu lassen, eine convenable Gratulation an den neuen Kaiser einzurücken, auch der guten Gesinnung seines letzten Praedecessoris<396> darin Erwähnung zu thun und die Continuation derselben abzubitten sein.
9. Wohin Sr. Königl. Majestät höchste Intention und Willensmeinung bei einer mit der Pforte zu schliessenden defensiven Allianz, Freundschaft und Commercientractat gehet, wird der …aus beifolgenden beiden Projecten396-1 von dergleichen Tractaten und Convention sub litt. A et litt. B mit mehrern ersehen.
Ob nun gleich Se. Königl. Majestät hoffen wollen, dass sich der …mit Beihülfe und Assistenz obgedachter französisch- und schwedischer Ministri alle Mühe in der Welt geben wird, beide zum glücklichen Schluss zu bringen, so hat er doch, wenn es wider alles Vermuthen nicht möglich und practicabel sein sollte, beide zu gleicher Zeit zu schliessen, wenigstens einen derselben, und zwar den Freundschaftsund Defensive-Alliance-Tractat sub A vorzüglich, und wenn mit solchem nicht durchzudringen, doch wenigstens die Commercienconvention sub B zum Schluss zu befördern zu suchen.
10. Die nöthige Formalitäten zu dem Ingressen und Schluss beider Tractaten, nach dem Stylo der übrigen Tractaten mit der Pforte, werden ihm die dortige königlich französische und schwedische Ministri wohl zu fourniren geruhen. Von einem jeden würden zwei Exemplare auszufertigen, und das eine von dem …zu zeichnen und mit seinem Petschaft zu besiegeln, das andere aber von der Pforte nach der dortigen gewöhnlichen Art dem …unterschrieben zuzustellen und gegen einander auszuwechseln sein, jedoch würde, wenn das türkische Exemplar in türkischer Sprache ausgefertiget, ein accurates und fideles Translat in französischer oder lateinischer Sprache von der Pforte beizufügen und von dem königlich französischen oder schwedischen Ministro unten zu attestiren sein, dass solches Translat mit dem Original vollenkommen übereinkomme.
11. Wie es wegen Reciprocität der ersten Benennung Sr. Königl. Majestät und des Sultans in solchem Tractat zu halten und zum Exempel in dem Exemplar, welches der …unterschreibet und auswechselt, Sr. Königl. Majestät zuerst Erwähnung zu thun, eben wie des Sultans in dem türkischen Exemplar ohne Zweifel zuerst und vor Sr. Königl. Majestät höchstem Namen Meldung gethan werden wird, solches werden die dortige französische und schwedische Ministri nach dem Exempel der Tractaten, so zwischen ihren Höfen und der Pforte geschlossen worden, am besten an die Hand zu geben wissen und darunter Sr. Königl. Majestät höchste Dignität und Gloire zu salviren nach dem Exempel ihrer Höfe zu besorgen geruhen.
12. Weil auch zur Schliessung solcher Tractate eine Vollmacht<397> vonnöthen ist, so empfanget der …solche in originali hierbei und hat solche bei den obigen Ministris vorzuzeigen, auch den Gebrauch davon zu machen, so dieselbe gut und nöthig finden werden.
13. Alles übrige und was bei dieser importanten Negociation, und umb selbige zu einer glücklichen Endschaft zu bringen nöthig sein dürfte, und welchergestalt der …sich wegen Ueberreichung seiner Creditive und Audienzen bei dem Sultan oder Grossvezier und sonst überall währendes seines Sejours in Constantinopel zu betragen haben möchte, wird der …ausser der besonderen secreten Instruction, so ihm annoch von Sr. Königl. Majestät ertheilet werden möchte,397-1 wohl von der Direction und Unterricht obgenannter königlich französischen und schwedischen Ministers zu erwarten haben und sich darnach in allen Stücken vollenkommen richten müssen.
14. Zu seiner, des …, secreten Correspondenz und Berichte an Se. Königl. Majestät von dem Success seiner Negociation empfanget derselbe hierbei einen Chiffre chiffrant und déchiffrant, dessen sich derselbe jederzeit bei wichtigen Sachen zu bedienen und solchen, damit er nicht in andere oder gar unrechte Hände gerathe, sorgfältig in Acht nehmen soll.
15. Was der …vor einen Canal zu sicherer Uebermachung seiner Depeschen an Se. Königl. Majestät gebrauchen solle, darüber werden Höchstdieselbe ihn immediate instruiren lassen.
16. Alle andern in die Generalia seiner secreten Mission an die Ottomanische Pforte einschlagende und Sr. Königl. Majestät höchste Attention meritirende Punkte können aus den Articuln des hierbeigehenden Concepts der Instruction vor den p. von Rexin, und zwar vornehmlich aus dem 5., 6. und 7. mutatis mutandis genommen werden.397-2
17. Sollten hiernächst von dem Herrn Rexin noch einige Éclaircissements über das Sujet des Herrn von Celsing fourniret werden, wie der Herr Geheime Rath Eichel in beiliegendem Billet vom beutigen Dato397-3 dazu Hoffnung zu geben scheinet, so würde allemal davon noch loco congruo in dem Project der Instruction vor den neuen Emissarium Gebrauch gemacht werden können. s.m.
Heinrich Graf von Podewils.
Nach der Ausfertigung.
393-1 a) Schreiben des Sultan Osman an den König von Preussen; b) Schreiben des Grossveziers an den König von Preussen; c) „Réponse à notre ami, l'envoyé de Suède.“
393-2 Nr. 7095.
394-1 Vergl. S. 317.
394-2 Der Minister bemerkt am Rande: „Der Name der Nation des Consuls in Smyrna ist vors erste noch in blanco zu lassen.“
395-1 Vergl. S. 323. 376.
395-2 Vergl. S. 3S4.
396-1 Der Minister bemerkt am Rande: „Diese beide Projecte haben Se. Königl. Majestät dergestalt, wie sie gefasset, von dem p. von Rexin einrichten lassen und ihm mitgegeben, daher solche auch wohl allhier beizubehalten sein werden.“ Vergl. S. 22—24.
397-1 Vergl. Nr. 7120.
397-2 Vergl. S. 7. 8. Die durch Eichel übermittelten „Weisungen 1., 2. und 3. entsprechen dem Artikel 7 der Instruction, Artikel 5 und 6 enthalten ceremonielle Bestimmungen.
397-3 Nr. 7095.