7120. INSTRUCTION VOR DEN MARQUIS DE VARENNE, WORNACH SICH DERSELBE BEI SEINER SCHICKUNG NACH DER TÜRKEI UND NACH CONSTANTINOPEL ALLERUNTERTHÄNIGST ZU ACHTEN HAT. 420-1

Potsdam, 7. December 1755.

1. Die Commission, so Ich Euch auftrage, ist eine derer wichtigsten, so Ich jemanden anvertrauen kann, dahero Ihr alle Eure Geschicklichkeit, Prudence und Dextérité anwenden müsset, um Euch von solcher wohl zu acquittiren. Hauptsächlich erfordert solche das grösseste Secret, sodass vor völlig ausgemachter Sache niemand auf der Welt das allergeringste davon erfahren, noch einmal merken oder soupçonniren müsse; dahero Ihr selbige auf das sorgfältigste und mit grosser Vorsicht zu cachiren und auf Eure Ehre und Reputation das grösseste Geheimniss davon zu halten habt.

2. Sobald Ihr Eure völlige Abfertigung allhier erhalten haben werdet, so reiset Ihr von hier gerades Weges auf Strassburg und so weiter über Lyon nach Marseille.

Unterwegens müsset Ihr in einem dazu convenablen Orte, ohne dass es sonderlich remarquiret werde, von Kleidung changiren und Euch in einen ganz simpeln Aufzug setzen, um so wenig als möglich remarquiret zu werden, auch Euch nicht anders als vor einen reisenden Kaufmann oder aber vor einen Passagier, so zu seiner Curiosité reisen und das merkwürdige in fremden Ländern sehen will, ausgeben, zu dem Ende Ihr von Namen changiren oder Euch höchstens schlechtweg Varenne nennen müsset. Von Euren ordinairen Domestiquen müsset Ihr keinen mitnehmen, damit Ihr durch solchen nicht decouvriret oder durch dessen unbedachtsames Reden verrathen werden könnet; Ich werde aber davor sorgen, dass Ihr einen treuen und verschwiegenen Feldjäger mit bekommet, welcher unterwegens gleichfalls von Namen und von Kleidung changiren und sich ganz ohnerkannt halten muss, und welchem Ihr die ganze Zeit der Reise über und bis zu Eurer Zurückkunft gedoppeltes Tractament geben müsset.

Zu Lyon könnet Ihr allenfalls einen Domestiquen, so aber ein geborner Franzose sein muss, und zwar allererst einige Tage nach Eurer Ankunft, annehmen, damit solcher nicht wisse, woher und aus welchem Lande Ihr gekommen seid und also selbst nicht sagen könne, wer Ihr seid, noch wohin Ihr wollet und wie Eure Umstände seind.

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3. Zu Marseille habt Ihr Euch bei dem dortigen preussischen Consul Namens Le Clerc zu melden, um von demselben einen französischen Pass unter dem Namen Varenne abzufordern, als an welchen dieser Pass von Meinem Minister zu Paris, dem Baron von Knyphausen, geschicket werden wird.421-1 Ihr müsset Euch aber weiter in nichts gegen erwähnten Consul zu erkennen geben, sondern bloss dabei bleiben, dass Ihr als ein Reisender aus Curiosité nach Natolien gehen und eine Reise nach denen Morgenländern thun wollet, um das merkwürdige in solchen zu sehen.

4. Zu Marseille embarquiret Ihr Euch, um nach Smyrna zu reisen, und zwar allemal unter dem Prätext, die Reise aus Curiosité oder auch einiges Handels wegen nach der Levante und Natolien und vielleicht der Orten weiter zu thun. Ihr müsset zu Marseille die Précaution gebrauchen, Euch auf kein anderes als auf ein dänisches oder aber auf ein schwedisches Schiff zu embarquiren, denn auf englische Schiffe Ihr hasardiret erkannt zu werden und sonst grosse Inconveniencien zu haben; auf Schiffe von andern Nationen risquiret Ihr von Corsaires genommen zu werden, die französischen Schiffe aber seind auch in der mittelländischen See zu sehr exponiret von englischen Kriegesschiffen oder Armateurs genommen zu werden.

5. Bei Eurer Ankunft in Smyrna müsset Ihr Euch sofort bei dem dortigen französischen Consul melden421-2 und denselben um seine Protection ersuchen, als welches dorten nothwendig ist. Demnächst müsset Ihr alsdann sogleich an den schwedischen Minister zu Constantinopel, den von Celsing, zuerst und nur so viel schreiben, dass nach dem von ihm mit einem von Rexin genommenen Concert Ihr von Mir nach Smyrna geschicket worden wäret und Ihr ihm Eure Ankunft notificiren wollen, Euch auch allda unter dem vollkommensten Incognito aufhalten würdet, bis er Euch schreiben werde, nach Constantinopel zu kommen, wohin Ihr alsdann allererst gehen würdet. Zu der Correspondance mit diesem von Celsing müsset Ihr Euch des hierbei liegenden Chiffres sub num. 1 bedienen. Sechs oder acht Tage darauf, wenn Ihr an gedachten von Celsing geschrieben haben werdet, so müsset Ihr an den französischen Minister zu Constantinopel, den de Vergennes, schreiben und ihm weiter nichts melden, als dass Ihr zu Smyrna angekommen und ihm also Eure Ankunft notificiren sollen, Euch auch daselbst so lange incognito aufhalten würdet, bis er vor gut finden werde, Euch bekannt zu machen, dass Ihr nach Constantinopel überkommen solltet. Den französischen Consul zu Smyrna müsset Ihr ersuchen, Eure Briefe an den Sieur de Vergennes sicher unter seinem Couvert gehen zu lassen; im übrigen müsset Ihr die Précaution gebrauchen und sorgfältig vermeiden, dass Eure Domestiques nicht wissen noch merken, dass Ihr nach Constantinopel correspondiret, damit Eure Absichten nicht durch die Indiscrétion derselben verrathen werden.

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6. Wenn Euch demnächst der von Celsing und der de Vergennes schreiben werden nach Constantinopel zu kommen, so gehet Ihr, und zwar noch beständig in dem grössesten Incognito, dahin und meldet Euch bei jedem dererselben, an welche Ihr sodann auch Eure mitbekommende Recommandationsschreiben422-1 convenablement abgebet; da Ihr Euch dann simplement nach deren Gutfinden und denen Anleitungen, so Euch dieselbe geben werden, richten müsset. Ihr habt auch denenselben die bei Euch habende Schreiben und Credentiales an den Grosssultan sowohl als an den Grossvezier, nebst Eurer Vollmacht, einen Tractat zu schliessen und zu zeichnen, sehen zu lassen und vorzuzeigen und Euch sodann weiter zu informiren, was Ihr nach den sodann gegenwärtigen Umständen der Ottomanischen Pforte und nach denen dasigen Landesgebräuchen weiter zu thun habet.

7. Zu Euren Reisekosten, und zwar sowohl hin- und demnächst wieder zurück, werdet Ihr allhier 4,000 Rthlr. in Friderichsd'or empfangen. Da solche aber in Frankreich und auf Euren weiteren Reisen nicht in Cours sein, so müsset Ihr Euch unterwegens deshalb näher erkundigen und Euch so einrichten, dass Ihr mit denen begebigen Münzen in denen Ländern, wodurch Ihr passiret oder Euch aufhaltet, versehen seid.

8. Weilen auch zu Constantinopel und bei der Ottomanischen Pforte nothwendig allerhand Präsente und Corruptiones gemachet werden müssen, so empfanget Ihr noch einen aparten Creditbrief von 6,000 Rthlr. in Ducaten auf gewisse Banquiers in Constantinopel, um solche zum Behuf von Präsenten und dergleichen nach Erforderniss derer Umstände erheben und gebrauchen zu können. Wohin und wie Ihr eigentlich die Präsente zu geben habet, davon werden Euch vorgedachte Ministres von Celsing und de Vergennes weitere Handleitung geben, als bei welchen und sonderlich dem von Celsing Ihr Euch deshalb als auch wegen aller anderen dort üblichen Ceremonien und Gebräuche wohl informiren müsset.

9. Wann Ihr in Constantinopel angekommen sein und gesehen haben werdet, was die Sachen vor einen Pli nehmen, oder aber auch, wenn es zur Zeichnung des Tractats mit der Pforte kommen sollte, so müsset Ihr Mir Euren Bericht davon, und zwar durch und durch in Chiffres gesetzet und sehr wohl und accurat chiffriret, erstatten und solchen Euren Bericht alsdann mit dem bei Euch habenden Feldjäger en courrier, und zwar durch Polen auf Warschau, schicken, der denn solchen allda an Meinen zu Warschau habenden Legationssecrétaire Benoît abgeben muss, als an welchen Ich die Ordre stellen werde, dass er Mir solchen Bericht alsdenn mit einem Expressen weiter anhero durch Schlesien senden muss.422-2 Wie Mir versichert worden, so muss die Absendung eines dergleichen Couriers mit Bewilligung der Pforte geschehen,<423> auch der Courier sich vor einen schwedischen oder französischen ausgeben und mit einem Pass von einem dieser Botschafter versehen sein, alsdann die Briefe in 25 bis 30 Tagen hier sein könnten, auch des Courier halber nichts zu besorgen sei; wovon Ihr die weitern Umstände von mehrgedachten beiden Ministres erfahren werdet. Alle Eure Berichte aber müsset Ihr Mir immediate adressiren.

10. Wann Ihr Euch demnächst dorten gänzlich expediret haben werdet, um Eure Rückreise wiederum antreten zu können, so überlasse Ich alsdenn Eurer eigenen Ueberlegung und wie Ihr es am convenablesten finden werdet, ob Ihr nämlich Euren Rückweg durch Polen hieher nehmen oder aber wiederum zur See auf Marseille oder einen andern dergleichen Hafen gehen wollet, nur allein müsset Ihr durchaus nicht die österreichische Länder oder Staaten, sie mögen belegen seind, wo sie wollen, berühren, sondern solche vielmehr mit aller Sorgfalt gänzlich evitiren. (L. S.)

Friderich.

Nach der Ausfertigung.



420-1 Immediatinstruction neben der im Ministerium ausgearbeiteten Instruction, d. d. Berlin 8. December. Vergl. Nr. 7096 S. 393; Nr. 7109 S. 407.

421-1 Vergl. S. 426.

421-2 Vergl. Nr. 7121,

422-1 Vergl. Nr. 7122 und 7123.

422-2 Vergl. S. 82.