7442. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Potsdam, 19. April 1756.

Bei Gelegenheit dessen, was Ew. Excellenz heute an des Königs Majestät von dem Erbprinzen von Cassel gemeldet haben,279-3 und dessen heutiger Zurückreise nach Berlin, soll ich auf Höchstderoselben Befehl an Ew. Excellenz, jedoch nur zu Deroselben alleinigen Direction, von dem hiesigen Séjour gedachtes Prinzen melden, dass derselbe allererst ehegestern mit des Königs Majestät en particulier von seinen Umständen gesprochen und auf das beweglichste gebeten hat, dass Höchstdieselbe ihn aus der desolaten Situation, worin er sich bis dato gefunden habe, ziehen möchten; dabei er dann von seiner Religionsveränderung selbst zu sprechen angefangen und versichern wollen, dass er keine einzige andere Motive noch Absichten gehabt, als die, dass er geglaubt, seine Seligkeit nicht in der vorigen Religion, wohl aber in der katholischen Religion finden zu können; wonächst er aber unter den grossesten Eidschwüren und Contestationen versichert, dass er niemalen die Absicht gehabt, weder seine Frau, noch seine Kinder, noch diejenigen, so dereinsten seine Unterthanen werden würden, jemalen wegen der Religion im geringsten zu geniren noch zu verfolgen. Dabei er unter wieder<280>holten grössesten Contestationen versichert, wie er in seinem Leben nicht gestatten und zugeben werde, dass weder seine Familie, noch seine Unterthanen der Religion halber persecutiret werden sollten, und dass solches sein fester und ohnveränderlicher Vorsatz wäre. Was ihn hauptsächlich dabei schmerzete, wäre dieses, dass er darüber seines Herrn Vaters Gnade und Vertrauen verlieren müssen, und sei ihm unter allen diejenigen zwei Dispositiones am sensiblesten, so sein Herr Vater erstens wegen der Grafschaft Hanau280-1 und zweitens wegen der Truppen gemachet, dass diese nämlich an die dortige Regierung mit vereidet werden sollten. Welches alles er unter beständiger Vergiessung vieler Thränen des Königs Majestät repräsentiret hat. Höchstdieselbe haben gedachtem Prinzen darauf geantwortet, dass sein Herr Vater in allem, was er gethan, nicht zu viel gethan, sondern vielmehr noch mit grosser Moderation gegen ihn verfahren hätten, und dass ein anderer Vater vielleicht zu einer weit härteren Resolution geschritten wäre. Es müssten Se. Königl. Majestät auch [dahin] gestellet sein lassen, ob der Prinz bei seiner vorgenommenen Religionsveränderung alles wohl überleget und die Beschaffenheit der Religion, zu welcher er übergetreten, nebst denen daher folgenden fast ohnvermeidlichen Suiten genugsam eingesehen hätte, und hätte nothwendig daher unter andern erfolgen müssen, dass die dortigen Unterthanen, die den Verfolgungsgeist der römischen Religion und deren Intolérance aus den vorigen und modernen Exempeln sehr wohl kenneten, daher in Schrecken und Appréhension gerathen müssen. Da aber die Sache einmal geschehen und darauf zu gedenken wäre, was der Prinz nach dem begangenen Pas zu thun habe, um sich sowohl seines Herrn Vaters als seiner Unterthanen, auch derer dortigen Landen benachbarten evangelischen Fürsten Vertrauen wieder zu erwerben, so sei nichts anders übrig, als sich gegen seinen Herrn Vater respectueux und gehorsam und im übrigen alle Moderation zu bezeigen; wann er demnächst einmal zur Regierung gelangen werde, seiner Unterthanen Vertrauen dadurch zu gewinnen, dass er sich seines Herrn Vaters Arrangements gefallen liesse, seine Religion in seiner Schlosskapelle exercirte und alle öffentliche Processionen und dergleichen, so seinen Unterthanen Scandale oder Furcht geben könnte, verhinderte und dabei keine Persecutiones gestattete, auch wenn seine Stände und Unterthanen in ihren Religionssachen ihn um Einen Schritt bäten, selbigen Zwei zu bewilligen, damit endlich selbige, wann sie sähen, dass die Religionsveränderung von ihm nur sein personnelles Werk sei und sie wegen ihrer Religion nichts zu befürchten hätten, wiederum alles Vertrauen gegen ihn fasseten, zumalen da er versicherte, niemalen weder seine Frau noch Kinder wegen der Religion einigen Verdruss machen zu wollen. Wie aber auch wahr sei, dass, da niemand ohne begangene Jugendsünden wäre und bei reiferen und älteren Jahren man sich mit dem Himmel darüber<281> accommodiren wolle, auch sodann sich dergleichen Leute seiner Religion fänden, so solches dadurch facil machten, wenn man eine Anzahl Ketzer zur Religionsveränderung obligirete: so wäre es weder seinem Herrn Vater noch denen benachbarten evangelischen Prinzen zu verdenken, wann Sie wegen des daher erfolgenden Unheils gewisse Arrangements dagegen genommen hätten. Es sei wahr, dass es ihm alsdenn frei sein würde, andere katholische Prinzen deshalb zu Hülfe zu rufen, es sei aber auch wahr, dass alsdenn die evangelischen Prinzen sich ihrerseits zusammenthun würden, um die gemachte Arrangements zu souteniren, da dann die ohnausbleibliche Folge sei, dass sein Land beiden Theilen den Tisch dazu werde decken müssen, und endlich er und sein Land gänzlich ruiniret werden würde. Welches alles er aber durch ein mit Douceur moderirtes Betragen werde evitiren können. Was die Sache wegen der Grafschaft Hanau angehe, da werde sich dann wie dann schon ein Tempérament treffen lassen, und so viel den Eid derer Truppen anbetreffe, so werde es auch vor ihn convenable sein, wenn er es dabei zuforderst bewenden Hesse; die alten Officiers stürben nach und nach weg, und wann er seine Unterthanen von seiner Moderation überzeuget und deren und der Truppen Vertrauen wegen Sicherheit gegen alle Violences und Persecutionen gewonnen haben würde, so werde sich alles übrige deshalb von selbst geben.

Dieses ist ohngefähr, was des Königs Majestät mir die Gnade gethan, in der Eil von solchem Entretien zu sagen, und was ich davon memoriren können; vor das übrige haben des Königs Majestät den Prinzen umständlich von denen Inconvenienzien der von ihm angenommenen Religion in Absicht auf die Politique, Regierung und dann auch wegen der Absichten des wienerschen Hofes auf ihn und derer schlechten Folgen vor denselben gesprochen. Des Königs Majestät haben den Prinzen bei allen diesen von weit mehrerer Moderation und vernünftiger Einsicht gefunden, als Sie Sich vorher davon persuadiren können; es seind auch dannenhero Höchstdieselbe nicht sonder Hoffnung, dass in vielen Stücken noch was gutes bei ihm auszurichten sein werde, dafern er nicht wieder in die Hände von übel intentionirten Leuten verfallet, die ihn durch übele Insinuationes zu gewinnen suchen. Inzwischen des Königs Majestät doch, so viel convenablement geschehen kann, darauf arbeiten werden, den Landgrafen in etwas gegen den Prinzen zu adouciren. Da des Königs Majestät morgen nach Berlin kommen werden, um dasige Regimenter zu sehen und den Tag darauf wieder hier einzutreffen, so zweifele fast nicht, dass Höchstdieselbe nicht Ew. Excellenz davon weiter sprechen sollten, Die ich inzwischen ganz gehorsamst bitte, mit meiner sehr ohnvollkommenen Nachricht zufrieden zu sein.

Ich kann schliesslichen Ew. Excellenz vor mich eine kleine Anekdote, so mit dem General Pretlack vorgegangen ist, nicht verhalten,281-1<282> welche demselben eine ohnendliche Mortification zuwege gebracht haben muss, nämlich da derselbe sich einige Tage zu Cassel aufgehalten und endlich einem derer dortigen Minister declariret hat, dass seine Commission auch auf den Erbprinzen und selbigen zu sprechen gerichtet sei, und er deshalb solchen zu sprechen verlange, ist ihm darauf von dem casselschen Minister zur Antwort geworden, dass der Prinz sich zu Hersfeld aufhalte, man aber nicht zuverlässig wissen könne, ob nicht derselbe seine nach Berlin mit Agrément des Landgrafen vorhabende Reise dahin schon angetreten habe, wie fast zu vermuthen sei. Da der General Pretlack dieses als eine Tour genommen, um ihn zu behindern, den Prinzen zu sprechen, hat er Tages darauf in aller Frühe einen seiner Adjudanten282-1 nach Hersfeld geschicket, um sich darnach zu erkundigen und sich zugleich bei dem Prinzen melden zu lassen, dessen Retour er aber nicht abgewartet, sondern in dem Soupçon, dass man ihn den Prinzen nicht sehen lassen wolle, einige Stunden darauf selbst nach Hersfeld gereiset ist, so ist ihm ohngefähr eine Stunde Weges von Cassel sein Adjudant begegnet mit der Nachricht, dass der Erbprinz, sehr vergnügt über das Agrément seines Herrn Vaters zur Reise nach Berlin, schon Tages vorher gerades Weges dahin abgereiset wäre, dass also gedachter General sich in seinem Manœuvre sehr deroutiret gesehen und wieder nach Cassel zurückgehen müssen.

Den gestern in der Eil bei dem Zumachen derer Sachen an Ew. Excellenz begangenen Fehler habe gleich darauf wahrgenommen und ermangele nicht solchen zu redressiren und deshalb das Postscriptum des Benoît nebst denen completen Beilagen hierbei zu remittiren.

Weilen auch gestern der Chargé d'affaires Michell die Réplique des englischen Ministerii auf die vorige französische Antwort, betreffend ein Accommodement zwischen beiden Kronen wegen der amerikanischen Streitigkeiten, per Courier eingesandt hat,282-2 und ich fast zweifele, dass an Ew. Excellenz ein Duplicat davon gekommen, so lege eine Abschrift davon hierbei, falls des Königs Majestät etwa auch Ew. Excellenz davon sprechen oder etwas deshalb an den Marquis de Valory zu sagen committiren sollten; indess solche des Königs Majestät auch gestern bereits nach Frankreich an den von Knyphausen communiciret haben. Falls Ew. Excellenz kein Duplicat der Michelischen Dépêche erhalten haben sollten, so werde gerne eine Abschrift davon fertigen lassen, welches aber gestern und heute zu thun wegen der vielen Sachen eine wahre Ohnmöglichkeit gewesen.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.

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279-3 Podewils berichtet, Berlin 18. April [in der Vorlage verschrieben: janvier], dass er für den Aufenhalt des Erbprinzen von Cassel die unter dem 10. April vom Könige ihm befohlenen Veranstaltungen treffen werde. Vergl. Nr. 7413.

280-1 Der Erbprinz sollte nach dem 4. Artikel der Assecurationsacte (vergl. Bd. X, 532) die Grafschaft Hanau-Münzenberg seinem ältesten Sohne Wilhelm abtreten.

281-1 Das Folgende nach dem Schreiben des Landgrafen an den König, d. d. Cassel 12. April. Vergl. Nr. 7443.

282-1 Rail.

282-2 Vergl. Nr. 7437.