7443. AN DEN LANDGRAFEN VON HESSEN-CASSEL IN CASSEL.
Potsdam, 19. April 1756.
Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ew. Durchlaucht an Mich unter dem 12. dieses Monats erlassenes Schreiben ist Mir richtig eingehändiget worden, und kann Ich nicht in Abrede sein, dass es Mir einige Freude verursachet, als Ich daraus ersehen, wie Ew. Durchlaucht das Vergnügen gehabt, dass die Absichten, so der dort befindliche österreichische General von Pretlack ausser allem Zweifel geführet, wenn derselbe Dero Erbprinzen Liebden noch selbst gesprochen haben würde, durch des letzteren prompte Abreise hieher vereitelt worden und also ersterer sich in allen seinen intendirten Manœuvres blousiret gefunden.283-1
Es seind sonsten des Erbprinzen Liebden bei Mir allhier283-2 den 15. dieses angekommen und haben endlich von Selbst angefangen, Sich gegen Mich über alle dero jetzige Umstände vertraulich zu expliciren. Ich kann dabei zuforderst sagen, dass Ich Dieselbe sehr betrübt gefunden und Dero grössester Chagrin insonderheit gewesen, Ew. Durchlaucht, als seinen Herrn Vater, erzürnet zu haben. Da demnächst des Prinzen Liebden Mir von allen Dero Umständen mit vieler Aufrichtigkeit gesprochen, so habe Ich auch Deroselben mit gleicher Aufrichtigkeit geantwortet, und kann Ich dabei Ew. Durchlaucht der Wahrheit gemäss versichern, dass Ich den Prinzen von besseren und modéréeren Sentiments gefunden, als Ich vorhin besorget gewesen bin, dass Ich ihn nicht finden könnte noch würde. Er hat Mir von freien Stücken, und sonder dass Ich ihn darüber befraget, unter denen grossesten Contestationen versichert, wie er, wann künftig einmal die Landesregierung an ihn kommen sollte, weder dessen Gemahlin noch Kinder, sowie auch Unterthanen, nicht im allergeringsten der Religion halber geniren und verfolgen, noch auch jemalen zugeben würde, dass denen Landeseingesessenen und Unterthanen der Religion halber die allergeringste Persecution widerfahren solle. Ich bin dannenhero auch der ohnvorgreiflichen Meinung, wie es zu des Prinzen grosser Beruhigung dienen dörfte, wenn es Ew. Durchlaucht gefällig sein würde, denselben mit einem väterlichen Schreiben in gütigen und gnädigen Terminis zu consoliren. Ich lasse die Hoffnung noch nicht fallen, sondern bin vielmehr persuadiret, dass, daferne sonsten nur des Prinzen Liebden nicht in die Hände von übel intentionirten Leuten verfallen, welche Dieselbe zu gewinnen suchen, man Selbige noch in vielen Stücken auf rechte und gute Wege werde bringen können; nur kann Ich gegen Ew. Durchlaucht nicht in Abrede sein, wie Ich glaube, dass ein grosser Mépris denselben nicht bessern, sondern dass durch ein mit Douceur temperirtes Bezeigen gegen ihn annoch am weitesten mit demselben zu kommen sein werde.
<284>Ew. Durchlaucht werden es lediglich Meiner wahren Freundschaft gegen Dieselbe attribuiren, wenn Mich darunter, nach Meiner jetzigen Einsicht, mit aller Cordialité explicire, dabei Dieselbe versichert sein können, wie von Mir nichts vergessen, noch jemalen unterlassen werden wird, was zu Dero und Deroselben Hauses und Lande, auch zu Maintenirung der darin eingeführten evangelischen Religion abzwecken, auch endlich selbst zu Dero Erbprinzen wahren und eigenen Besten dienen kann; wie Ich dann allemal mit der sinceresten Freundschaft und vollenkommensten Hochachtung beharren werde Ew. Durchlaucht freundwilliger Vetter
Friderich.
Nach dem Concept.
283-1 Vergl. Nr. 7442.
283-2 In Potsdam. Vergl. S. 268.