7472. AN DEN LANDGRAFEN VON HESSEN-CASSEL IN CASSEL.

Potsdam, 3. Mai 1756.

Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ew. Durchlaucht Schreiben vom 29.307-2 des letztverwichenen Monates April ist Mir richtig eingeliefert worden, und bezeige ich hierdurch Deroselben alle Meine Danknehmigkeit vor die darin Mir gegebene vertraute Nachrichten, des Erbprinzen Liebden betreffend, als von welchen Ich allen guten Gebrauch zu Meiner alleinigen Direction machen werde.

Indess kann nicht umhin, Ew. Durchlaucht von dem neuen Vorfall, so wegen des Erbprinzen Liebden vor wenigen Tagen geschehen, dahin zu benachrichtigen, dass, da vermuthlich der General von Pretlack von der Antwort, so Ew. Durchlaucht demselben bei dem Antrage eines von dem Erbprinzen genommenen Engagements mit dem wienerschen Hofe [ertheilet],307-3 nicht zufrieden gewesen ist, er die Partie genommen, seinen Adjutanten, den Rittmeister von Rall,307-4 nach Berlin zu senden, so dann auch den 28. voriges daselbst angekommen und sofort die Gelegenheit gesuchet hat, den Erbprinzen zu sprechen, um ihm ein Schreiben von dem General Pretlack selbst zu überreichen. Da Ich aus der von Ew. Durchlaucht Mir vorhin schon gegebenen Nachricht von letzterem Antrage gar leicht urtheilen können, was die Schickung des von Rall vor ein Objet haben müsse, so habe Ich unter verhoffter Genehmhaltung von Ew. Durchlaucht Meinem Minister Graf von Podewils aufgetragen,307-5 des Erbprinzen Liebden zu besprechen und Dieselbe über die von gedachtem General Pretlack gethane Aeusserungen von einem von Deroselben mit dem wienerschen Hofe genommenen Engagement zu sondiren. Worauf aber des Erbprinzen Liebden freimüthig und sonder einiges Déguisement declariret haben,307-6 wie zu Ende des vorigen Jahres,<308> und da Dieselbe das Vorhaben gehabt, Sich von Hersfeld zu retiriren, Sie nach allerhand Intriguen und Chipoterien des wienerschen Hofes der Prinzessin von Hessen-Rothenburg geschrieben hätten, dass, da Sie nicht länger in Dero besten Jahren müssig bleiben könnten, Sie entschlossen wären, in auswärtige Militärdienste zu treten, und also gedachte Prinzessin nach Wien schreiben könnte, dass, wann man ihn dort zu haben verlange, er die Stelle eines Generalfeldzeugmeisters, jedoch mit der Ancienneté seines dort habenden Patents von 1747, annehmen wolle. Sobald aber Dero Evasion ausgebrochen und Dieselbe sich mit Ew. Durchlaucht ausgesöhnet habe, so hätten Dieselbe auch vorgedachter Prinzessin sogleich geschrieben, dass vor ihn nichts weiter mit dem österreichischen Dienst zu thun wäre, und man die ganze Negociation davon fallen lassen müsste, da er fest entschlossen sei, nachdem er mit seinem Herrn Vater reconciliiret wäre, niemalen ohne dessen expresse Einwilligung in einige fremde Dienste zu gehen; wobei er versichert, dass dieses die reine Wahrheit sei, worauf Ich rechnen könne. Sonsten habe auch der General Pretlack jetzo seinen Adjutanten, den Capitain von Rall, nach Berlin gesandt und selbigen mit einem grossen Paquet Briefen an ihn chargiret, [welcher] auch sich bereits, um selbige an ihn selbst zu überreichen, melden lassen, dem er aber in Antwort bekannt machen lassen, dass er ihn nicht sehen, noch Briefe von ihm annehmen könnte, auch übrigens niemalen einige Démarche unternehmen werde, ohne seines Herrn Vaters Consens dazu zu haben, als in welchem Entschluss er ohnveränderlich beharren würde; wie er dann gar wohl einsähe, dass dieses eine neue Intrigue und Tracasserie des wienerschen Hofes sei, als welcher Himmel und Erden zu bewegen schiene, um zu verhindern, dass er in keine andere als dortige Dienste gehe. Ich kann auch an der Richtigkeit dieser Erklärung, so des Erbprinzen Liebden [gethan], um so weniger zweifeln, als Mir sonst bekannt ist, dass Dieselbe von gedachtem Hauptmann Rall nichts von Briefen annehmen wollen, so dass dieser den I.308-1 dieses Monates ganz ohnverrichteter Sache wiederum von Berlin abgereiset ist.

Ich habe Meiner Schuldigkeit zu sein erachtet, Ew. Durchlaucht alle Umstände dieses Vorfalles zu melden, und erwarte Ich nur die tagtäglich vermuthete Ankunft des an Meinem Hofe geschickten englischen Minister Mitchell, um, wie gegen Ew. Durchlaucht in Meinem vorigen erwähnet,308-2 denselben über die Gedenkensart des Königs von Engelland über das Vorhaben des Erbprinzen Liebden, in hiesige Dienste zu treten, besprechen und sodann gegen Ew. Durchlaucht Mich näher darüber expliciren zu können. Der mit der vollenkommensten Hochachtung ohnausgesetzet bleibe Ew. Durchlaucht freundwilliger Vetter

Friderich.

Nach dem Concept.

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307-2 In der Vorlage verschrieben: 24.

307-3 Vergl. S. 305.

307-4 Vergl. S. 303.

307-5 Vergl. Nr. 7468.

307-6 Das Folgende beruht au dem bezüglichen Berichte Podewils' vom 1. Mai, der Antwort auf den Erlass vom 30. April.

308-1 Rapport des Generalmajors von Meyerinck, Berlin 2. Mai. Vergl. dagegen S. 312.

308-2 Vergl. Nr. 7465.