8122. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Sedlitz, 26. September 1756.

Ich kann von hier aus Ew. Excellenz noch nicht das geringste weiter neues melden, als dass, wenn ich mich so ausdrücken darf, wir uns noch allhier mit der Bloquade derer sächsischen Truppen morfondiren, von denen zwar alle Welt, sowie auch die daher kommende Déserteurs sagen, dass der Mangel an Lebensmitteln sehr überhand nimmet, inzwischen es sich damit doch noch beständig trainiret und ich meines Ortes noch nicht absehe, wie und wenn solches endigen wird, nachdem die ganze sächsische Generalität bei diesen Truppen ist und das allerletzte abzuwarten scheinet, vielleicht in der Hoffnung, von hier oder dort einigen Secours zu erhalten, welches sich doch bald<462> zeigen muss. Einmal ist es wohl gewiss, dass nunmehro des Königs Majestät die sächsischen Truppen nicht hinler Sich lassen können, sondern von solchen Meister sein müssen, da sonst solches von den allerübelsten Suiten von der Welt sein würde.

Was ich mir die Freiheit genommen, Ew. Excellenz wegen der immediaten Correspondance zwischen Sr. Königl. Majestät und des Königs von Polen Majestät zu melden,462-1 hat wohl keine andere Absicht gehabt, als etwa einem oder anderen Sr. Königl. Majestät auswärtigen Minister462-2 dasjenige daraus zu communiciren, was etwa vor Höchstderoselben Sache daraus favorable sein könnte, dass nämlich es an Deroselben gar nicht gelegen, wenn der König von Polen den Reichstag zu Warschau nicht abgewartet, da anfänglich Sie die verlangte Relais, dahin zu reisen, ganz willig accordiret haben, als aber der König von Polen vor gut gefunden, durch seine Minister zu Berlin declariren zu lassen,462-3 wie der Reichstag abgeschrieben und es keiner Relais nöthig habe, da der König präferirete, bei seinen Truppen in Sachsen zu bleiben, so hätten Se. Königl. Majestät nochmalen declariret, wie Sie weder das geringste gegen die Freiheit des Königs von Polen, noch gegen Dero Familie intendireten und selbiger mitten durch die Armée, wohin er verlangete, reisen könne, was aber die sächsischen Truppen angehe, des Königs Majestät declariren müssten, wie Sie zur Sicherheit Dero Staats ohnmöglich eine Armée hinter Sich im Rücken lassen könnten, die, wenn Sie weiter vorwärts wären, Deroselben das grösseste Unglück zuwege bringen könnte; und obschon des Königs von Polen Majestät über ein Accommodement tractiren, Otages und einige Plätze von Sicherheit geben und sonst alle Neutralité versprechen wollen, so wären erstere doch wohl nicht zureichend, die Plätze von Sicherheit, als Pirna, Torgau und Wittenberg, fast offene Orte und bei einem Minister, der bei seinem Herrn tout-puissant wäre und schon vorhin so viele Marquen von üblem Willen und Complots gegen Se. Königl. Majestät gegeben, eine Versicherung von Neutralité, bei einer von ihm, wenn er erst wieder freie Hände habe, leicht zu machenden Exception, dass man dazu mit dem Degen in der Seite gezwungen worden, von seichtem Grunde; wie wenig auch darauf zu bauen, erhelle selbst aus denen nachherigen Antworten des Königs von Polen, da eben deshalb das Accommodement rompiret worden, weil dieser geglaubet, sich von seinen Engagements mit denen Oesterreichern nicht losmachen zu können, und gar deutlich zu verstehen gegeben, dass man ihn tatiret habe, seine Truppen in Böhmen zu werfen und mit denen Oesterreichern zu conjungiren. Da auch nachher der König von Polen wieder nach Polen gehen wollen, so hätte des Königs Majestät wohl nicht verdacht werden können, wenn Sie gewünschet, dass zuforderst das Accommodement wegen der Truppen zugleich geendiget<463> werde, da solches durch dessen Entfernung sehr aufgehalten, mithin alle weitere Operationes Sr. Königl. Majestät dadurch sistiret werden würden.

Wozu denn noch der Hauptumstand, nämlich das Avertissement, so der Herr von Klinggräffen aus Wien gegeben,463-1 tritt, nach welchem der Plan gewesen sein soll, dass Sachsen den König mit der Armée tranquillement nach Böhmen durchlassen solle, wenn aber solche in Böhmen oder Schlesien erst enfonciret wäre, alsdenn, aller gegebenen Sûretés ohnerachtet, die sächsischen Truppen sich mit einigen leichten österreichischen Truppen conjungiren und gerade nach der Churmark und Berlin gehen sollten. Welche Originaldépêche von dem Herrn von Klinggräffen sich bei Ew. Excellenz [befindet]. Dieses ist ohngefähr, wie ich mir envisagire, dass aus oberwähnter Correspondance einiger Gebrauch gemachet werden könne,463-2 indess Ew. Excellenz ich tausendmal um Vergebung bitte, wenn mich unterstehe, meine crasse Idées Deroselben vorzulegen, und submittire ich alles Dero weiterem Gutfinden.

Des Königs Majestät pressiren sonsten sehr auf den Druck und Publication einiger derer von Dresden nach Berlin geschickten Dépêches463-3 und haben mir noch sogleich jetzo befohlen, bei Ew. Excellenz einige Erinnerung deshalb zu thun, zu dem Ende Dieselbe von dem Herrn Geheimen Rath von Hertzberg noch alle diejenige Dépêches und Pièces von dem Geheimen Rath Maltzahn abfordern und an Sich nehmen möchten, so ersterer vorhin gebrauchet hat, um vor Sr. Königl. Majestät zwei Extracte daraus zu fertigen,463-4 darüber ihm bisher ein ohnverbrüchliches Secret eingebunden worden, welche Originalberichte des Herrn von Maltzahn aber Ew. Excellenz nunmehro nur von dem Herrn von Hertzberg463-5 abfordern und mit denen dresdenschen combiniren möchten, nachdem nunmehro kein Secret davon, ausser nur einig und allein wegen des Canals, sein könnte, weshalb dann auch die andern Paquete als die königlichen Antworten an den p. von Maltzahn und dergleichen versiegelt bleiben könnten. Welches also hierdurch schuldigst melde. Uebrigens füge nur noch hierbei, dass seit dem letzteren Schreiben zwischen Sr. Königl. Majestät und dem König von Polen,463-6 so Ew. Excellenz bereits communiciret habe, nicht das geringste weiter von einiger Correspondance desfalls vorgefallen ist.

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Ew. Excellenz werden übrigens nicht ungnädig nehmen, wenn mich unterstehe, nochmalen hierbei ein Paquet mit einigen expedirten Sachen apart beizulegen und gehorsamst zu bitten, solches inzwischen und bis zu meiner Retour etwa reponiren zu lassen. Dass Ew. Excellenz das letzthin übersandte geöffnet haben, daran ist wohl auf der Welt nichts versehen gewesen, und würde ich gar kein Bedenken tragen, solches ganz offen zu schicken, daferne ich nicht ein und anderes wieder in einige Ordnung bringen wollte, wenn Gott mir hiernächst Zeit und Leben dazu giebet.

Eichel.

P. S.

Auch soll auf allergnädigsten Befehl Ew. Excellenz einliegendes Bulletin464-1 von dem hier zeithero vorgefallenen zusenden, um solches sowohl denen dortigen teutschen als auch französischen Zeitungen inseriren zu lassen.

Aus dem Hauptquartier zu Gross-Sedlitz, vom 26. September.

Nachdem die Armée des Königs den 7. September zu Roth-Schömberg Rasttag gehalten hatte, so bezog selbige den 8. das Lager bei Wilsdruff, begab sich des folgenden Tages auf das Schlachtfeld bei Kesselsdorf und lagerte sich in dem Plauener Grunde so, dass der rechte Flügel an Korbitz und der linke an die Vorstadt von Dresden stiess. Eben des Tages rückte der Generalmajor Herr Baron von Wylich an der Spitze von 4 Bataillons in Dresden ein und übernahm das Commando daselbst. Den to. blieb die Armée unter dem Commando Sr. Königl. Hoheit des Prinzen und Markgrafen Karls bei Dresden, und die Avantgarde unter dem Commando Sr. Majestät bezog das Lager bei Gross-Sedlitz. Wir befinden uns der sächsischen Armée, die sich zwischen Pirna und Königsstein bis an die Zähne verschanzt hat, gerade gegenüber. Der Prinz von Bevern behauptet an der Spitze seines Corps die Anhöhen gegen Sonnenstein jenseits der Elbe und hat sein Hauptquartier zu Doberzeit. Das Corps des Prinzen Ferdinand von Braunschweig, welches zu Cotta, gegen Königstein über, campirte, brach auf, um sich der Défilée von Peterswalde, welche uns den Eingang in Böhmen versichert, zu bemächtigen. Das zu Dresden gebliebene Corps d'armée setzte sich vorgestern an das Lager, welches der Prinz Ferdinand von Braunschweig verliess. Durch diese verschiedenen Posten und durch die von uns den Sachsen abgeschnittene Communication mit der Elbe haben gedachte Sachsen in ihrem Lager nur noch auf wenige Tage Lebensmittel, da hingegen bei uns an allen Sachen ein Ueberfluss ist. Den 23. empfingen wir die Nachricht von<465> der Einrückung der schlesischen Armée in Böhmen. Der Herr Feldmarschall Graf von Schwerin säumte nicht, Merkmale von seinem besonderen Muth und seiner grossen Tapferkeit abzulegen. Er warf in der Gegend von Königgrätz ein Corps unter dem Commando des Generals Buccow über den Haufen und machte 124 Dragoner und Husaren zu Gefangenen. Wir erwarten den Erfolg von seinen Unternehmungen mil Ungeduld. Den 23. ward das Schloss Tetschen durch den Generalmajor von Manstein weggenommen und die darinnen gelegenen Truppen wurden zu Kriegsgefangenen gemacht. Durch die Besetzung dieses Schlosses ist der sächsischen Armée vollends aller Succurs abgeschnitten. Unsere Observationsarmee, die der Feldmarschall Herr von Keith commandirt, steht bei Aussig.


Nach der Ausfertigung.



462-1 Vergl. Nr. 8068.

462-2 Vergl. schon Nr. 8107.

462-3 Vergl. S. 446. 447.

463-1 Vergl. S. 377. 378.

463-2 Demgemäss Ministerialerlasse, d. d. Berlin 2. October, an Michell, Plotho, Benoît, Solms, Feriet.

463-3 Vergl. Nr. 8019. 8068 S. 411. 412.

463-4 Dem „Memoire raisonné“ liegen zwei von Hertzberg gefertigte Entwürfe zu Grunde, ein Précis de quelques découvertes faites touchant les intrigues et les machinations pernicieuses que les ministres de la cour de Saxe n'ont pas cessé de tramer contre le Roi depuis le traité de paix de Dresde“ und ein „Précis de quelques découvertes faites touchant les machinations et les intrigues que les ministres de la cour de Vienne n'ont pas cessé de tramer contre le Roi depuis la paix de Dresde“ .

463-5 In der Vorlage verschrieben: Maltzahn.

463-6 Nr. 8069.

464-1 Gedruckt unter anderem in den „Berlinischen „Nachrichten“ vom 30. September (Nr. 118), als Fortsetzung des oben S. 355 gegebenen Bulletins.