8202. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON WINTERFELDT IM LAGER BEI SEDLITZ.
Winterfeldt berichtet, Lager bei Sedlitz, 12. October Nachmittags 1 Uhr: „Diese Nacht haben [die Sachsen] angefangen, [die Pontonbrücke] zu schlagen, und sind gegen morgen, wie der Obriste Finck rapportirt, damit fertig geworden, haben auch gleich jenseits, aber nur unten am Ufer, mit 200 Mann Posto gefasst. Dieses embarrassirt mir aber gar nicht; denn nachdem ich gestern mit dem Fürst Moritz da gewesen und alle Winkels genau nachgesehen, so brauchen sie 48 Stunden, ehe sie durchklettern können, wann auch niemand da wäre. Sobald aber das Défilé beim Ziegenrücken und das bei Porsdorf besetzt ist, so können sie gar nicht durch, sondern sind in dem Kessel auf einen Klumpen eingesperrt.
Als wir gestern Nachmittag um 4 Uhr von Waltersdorf, allwo der Obriste Finck mit seinem und dem Kanitz'schen Grenadierbataillon steht, wieder wegritten, hörten wir zehn Kanonschüsse gegen Mittelndorf zu und erfuhren auch gleich darauf noch unterwegens, dass der General Meyerinck mit seinen unter sich habenden 5 Bataillons, als 3 unter General Forcade, so er von Krippen an sich gezogen, nebst seinem eigenen Regiment vorgerückt wäre, um Warnery, den sie delogirt, zu decken. Anfänglich hiess es nur, dass es Husaren und Panduren; in der Nacht kamen aber die Rapports vom General Meyerinck an General Lestwitz, dass auch regulirte Cavallerie und Infanterie dabei, überhaupt aber ein Corps von 12,000 Mann wäre. Der General<530> Lestwitz hat dann sogleich den Generalmajor Manteuffel mit 2 Bataillons von seinem Corps dahin detachirt, als welcher auch heute früh und ehe sie wieder angefangen, ihm zu attaquiren, angekommen und von dem General Meyerinck an der sogenannten Wendischen Fähre postirt ist. Obrist Königsmarck ist auch zu gleicher Zeit mit 300 Mann von Wehlstädtel angekommen. Mit dem 2. Bataillon Forcade, welches diese Nacht von hier abgeschickt, ist der Generallieutenant Lestwitz auch selbst dahin abgegangen. Heute früh erhielte ich beikommenden Rapport von Obrist Warnery; laut Inhalt werden denn Ew. Majestät mit mehreren ersehen, was gestern vorgefallen und dass sich General Meyerinck wiederum bei Schandau an der Elbe heruntergezogen, woran er gar nicht wohl gethan, und mir bis jetzo, da ich erfahren, dass Manteuffel noch nicht coupirt gewesen, sondern bis an der Wend'schen Fähre glücklich herangekommen, nicht wohl zu Muthe gewesen und deshalb auch noch das Grenadierbataillon Bandemer und 2. Bataillon Moritz nebst dem Prinz Württemberg und 3 Escadrons nachgeschickt worden. Nun hat es also nichts zu sagen, wann sie pich nur recht postiren, als welches der General Lestwitz schon besorgen wird, und kann auch Finck und Kanitz mit ihre beide Grenadierbataillons desto sicherer an ihrem Verhack stehen bleiben und die Sachsen verhindern, solchen nicht aufräumen zu können. Alleweile, da ich dieses schreibe, erhalte ich gleichfalls die Beilage vom General Meyerinck, woraus Ew. Majestät ersehen werden, dass er noch unten in Schandau, die Panduren aber nur allein die Redoute oben attaquiren. Der General Lestwitz ist also mit dem 2. Bataillon Forcade noch nicht heran gewesen, muss aber dennoch bald darauf gekommen sein.
Ich sorge indessen vor Meyerincken anjetzo nicht mehr, sondern bin nur besorgt und attent, dass der Feind sie nicht mit einem Theil amusiren und unterdessen ein 6 bis 8.000 Mann über Neustadt530-1 herumschicken und sich der Neustadt-Dresden, welche fast gar nicht besetzt, ausser unser Magazin, bemeistern möge. Ich habe also des Markgraf Karl's Hoheiten gebeten, dem General Wylich sogleich aufzugeben, dass er die Neustadt-Dresden stark besetzen und lieber die Altstadt ledig lassen soll, weil solche auf diesseits der Elbe liegt und von uns mit gedeckt ist. Ich habe auch gleich nach Hohenstein und Neustadt fortgeschickt, um zu erfahren, ob sich dahin schon was vorgezogen, und sobald die geringste Nachricht einläuft, soll sich der Generalmajor Flemming sogleich mit seine beide Bataillons vorlängst der Elbe durch dem Thal von Pillnitz in der Neustadt-Dresden hereinwerfen, und wir wollen von hier die Redouten besetzen.
Das Gros von die Sachsen hat sich schon gestern Abend bis gegen Struppen herangezogen, allwo sie auch eine Wagenburg von ihrer schweren Equipage gemacht haben. Ihre Posten gegen uns stehen indessen noch ungerührt wie bisher. So lange sie noch Hoffnung haben, dass ihnen die Oesterreicher jenseit Königstein, welches aber, will's Gott, fehlschlagen wird, Luft machen werden, denken sie auf nichts anders als dahin. Welches auch alle Briefe, so mir gestern Abend in die Hände gerathen, confirmiren, als auch zugleich, dass sie aus Desperation wegen Hunger alles probiren und ein Loch suchen müssten, sie wüssten aber noch keines. Gelingt es ihnen aber nicht bei Königstein, so gehen sie bei Hennersdorf durch und vornehmlich die Cavallerie … Es fängt hier an bunt zu werden und müssen wir uns brave tummeln.“
[Lobositz,] 13. October 1756].
Sobald ich Seinen Brief gekriegt habe, so schickete ich sofort Ordre am General Truchsess, mit die 10 Escadrons von Baireuth aufzubrechen und so zu marschiren, dass er morgen beim Prinz Moritz eintreffen mag, der ihn schicken kann, wor es nöthig ist. Ich kann nicht begreifen, wor die Leute herkommen, und glaube, Piccolomini<531> und Browne sind halbpart gewesen, das Detachement zu machen; ich denke, das Regiment von Baireuth kömmt noch a tempo. Wegen Meyerinck seine Position kann ich nichts sagen, weilen ich nicht in Schandau gewesen bin, ich hoffe aber, der Lestwitz wird alles besorgen. Wegen Dresden, so ist noch das Bataillon Lengenfeld,531-1 das kann ja entweder nach Sedlitz oder in Dresden bleiben, alsdann hat es da nichts zu sagen. Ich gestehe, dass, weilen ich nicht selber sehen kann, was da passiret, dass mir das Herze recht benauet ist.
Infanterie kann ich unter 3 Tage nicht schicken, und käme zu spät. Wegen des Lagers von Lestwitz wird auch gut seind, dass Sie auf ihrer Hut seind; ich glaube, dass die Oesterreicher suchen werden, eine Diversion zu machen, um dass die Sachsen an einem Ort Luft kriegen, durchzukommen; alleine, weil mir das Terrain bei Meyerinck nicht bekannt ist, so besorge, dass sie ihm können in Rücken kommen.
Adieu. Auf diese wenige Tage kömmt nun alles an; ich bitte mir nur, wenn es auch nur zwei Worte seind, alle Tage Zeitungen aus.
Friderich.
Nach der Ausfertigung. Eigenhändig.
530-1 Neustadt-Hohnstein.
531-1 Vergl. S. 512.