8452. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT IN KÖNIGSBERG.
Dresden, 19. December 1756.
Den Einhalt Eures unter dem 10. dieses Monates mir erstatteten sehr interessanten Berichtes habe Ich mit mehrern ersehen, und dienet Euch darauf in Antwort, wie es bis dato noch ohnmöglich ist, Euch zu sagen, was man sich von Russland noch zu vermuthen hat. Sollte das Évènement erfolgen, dass die Kaiserin bald manquirete, so könnet Ihr gewiss versichert sein, dass die Russen nichts thun werden, bleibt sie aber am Leben, so kann nur pur ein Hasard davon decidiren.
Es ist jetzo viel österreichisch Geld zu Petersburg angekommen,151-1 dieser Umstand wird wieder viel Motus machen und also können wir his dato noch nicht sehen, ob wir mit dem russischen Hof durchkommen werden oder nicht; jedoch wenn die Russen zu einer Operation resolviren, so glaube Ich noch zur Zeit, dass, wenn sie was thun, sie sich contentiren werden, ein Corps von 30 à 40,000 Mann nach Schlesien zu schicken.151-2
Alsdenn wird es problématique sein, wo und wie Ihr helfen könnet. Lasse Ich Euch dort stehen, so wird Mir das ganze dortige Corps unnütze; ziehe Ich Euch mit dem Corps aus Preussen heraus, so sitzen<152> die Russen gleich darein und ist die Provinz vorerst und auf eine Zeitlang verloren; lasse Ich Euch gegen Kurland agiren, so kann man zwar die Russen dort attaquiren, es wird sich aber alsdenn ihre übrige Macht so stark dahin ziehen, dass Ich nicht sehe, was man dabei gewinnen würde.
Ich halte vielmehr, dass wenn Noth am Mann gehet, Ich die sicherste Partie nehme, wenn Ich Mich vorerst hier zusammenconcentrire, mithin vorerst die Extremitäten abandonnire, um das Corps zu defendiren und zu souteniren, denn alsdenn die Extremitäten wieder zu bekommen seind. Ich bitte Euch, dieses reiflich zu erwägen und Mir Eure Gedanken darüber pflichtmässig zu schreiben.
Wegen der von Euch zu Completirung derer dasigen Magazine noch verlangten 80,000 Thaler habt Ihr Mir zu melden, ob Ihr solche noch gebrauchet, nachdem nunmehr die zehn Escadrons des Seydlitzschen Husarenregiments, nebst denen pommerschen eilf Bataillons, so Ich zusammen hieher an Mich gezogen,152-1 von Eurem Corps in Preussen abgehen und also vor selbige keine Vorräthe weiter bei denen dasigen Magazinen angeschaffet werden dörfen; als worüber Ich deutlich eclairciret sein muss, und auf wie viel Bataillons und Escadrons der Major Goltz152-2 das Magazin gerechnet hat, um noch 80,000 Thaler nöthig zu haben.
Friderich.
Nach dem Concept.
151-1 Nr. 8449.
151-2 Vergl. S. 37.
152-1 Vergl. S. 115.
152-2 Vergl. Bd. XIII, 136. 255.