8775. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON WINTERFELDT IN LANDSHUT.
Winterfeldt schreibt, Landshut 22. Marz, „Abends um 8 Uhr“ : „Ew. Königl. Majestät übergebe hierbei in aller Unterthänigkeit unterschiedene eingezogene Nachrichten, als woraus zu ersehen, dass sich der Feind näher hierherwärts verstärkt und sich durch die Canons, so nach allen Postirungsplätzen geschickt worden, in mehrerem Defensionsstande setzt. Sowie denn auch ein gekommener Deserteur von Botta versichert, wie sie beständig wegen eines Ueberfalls in Sorgen wären. Je näher und stärker sie sich denn hierher gegen der Grenze zusammenziehen, desto eher können wir sie bei die Ohren kriegen und gleich aus ihren Dépôts mit speisen.
Wann dann Ew. Majestät die Gnade haben und auf dem proponirten Einfall414-2 reflectiren, so kann solcher aus dieser Gegend in zwei Colonnen geschehen, und zwar die eine, so die Avantgarte macht, den ersten Marsch gerade auf Arnau, den zweiten Marsch auf Neu-Paka, den dritten Marsch der Gegend Gitschin, den vierten gegen Bunzlau. Hier auf dieser Route findet man sowohl Dépôts als auch auf die Dörfer noch Fourage und Vivres. Die zweite Colonne, welche einen Marsch von der ersten linker Hand zurückbleibt, deckt dadurch die Flanke und den Rücken der ersten Colonne und marschirt über Trautenau, Königinhof und conjungirt sich mit der ersten in der Gegend Gitschin, um mit selbiger zusammen gegen Bunzlan zu marschiren. Wann nun alsdann auch zu gleicher Zeit das Corps aus der Lausnitz bis gegen Reichenberg vorrückte, so hätte es allda nicht allein schon die Communication mit dem schlesischen Corps, sondern könnte sich auch mit selbigem conjungiren, Der Feind darf nicht zwischen uns bleiben, sondern muss gleich fortlaufen. Will nun aber auch der Feldmarschall Browne mit seiner Armée sich dagegen opponiren, so gehen wir ihm mit 45,000 Mann, die wir durch die Conjunction gewiss zusammenbringen, auf den Hals und schlagen ihn. Denn hier bei diesen Umständen dependirt es nicht von ihm, sich avantageuse feste Posten zu choisiren, sondern er muss schlagen, das Terrain mag sein, wie es will.
Ew. Majestät wären alsdann ohne Résistance Meister von seinen Magazins zu Aussig, Leitmeritz und Lobositz. Er darf es also nicht wagen, sondern muss vor Ew. Majestät stehen bleiben. Kolowrat,414-3 der überdem schon durch unsern Einbruch in Confusion gekommen, darf es sich noch weniger unterstehen, sondern muss sich mit allem, was er in der Geschwindigkeit zusammenraffen kann, hinter Königgrätz im Winkel verkriechen. Wann aber alsdann, wie vorher erwähnt, es vor uns mit der Browne'schen Armée nichts zu thun giebt, so hindert alsdann dem Feldmarschall Schwerin ja nichts, dass er sich von Jung-Bunzlau wieder links drehet und in der Gegend Kolin die Elbe passirt. Kolowrat muss alsdann raufen, welches wir wünschen, oder aber auch gegen Mahren zurücklaufen, und welches ebenso gut, denn wir be<415>kommen doch seine grossen Magazine und. können ihm hernach mit Commodität nachfolgen.
Will nun Browne hieran Theil nehmen und solches verhindern, so marschiren ja Ew. Majestät demselben bis gegen Prag auf dem Fuss nach und finden unterwegens seine Magazine und Dépôts.
Falls nun Ew. Majestät dieses Project allergnädigst goutiren sollten, so bin ich gewiss versichert, der Feldmarschall Schwerin wird gleich anfangen, darauf zu denken, um die Ausführung desselben möglich zu machen, und dass es gegen den 20. April seinen Anfang nehmen kann. An Subsistance kann es uns auf drei Wochen nicht fehlen. In der Zeit aber sind wir mit der Expedition fertig und haben sowohl einen Theil ihrer Armée bei die Ohren als auch vieles von ihren Magazins. Auf 9 Tage Fourage und 18 Tage Brod können wir uns gleich versehen und mitnehmen, weil wir leicht marschiren und alle schwere Bagage zurücklassen. Die Zelter müssen wir aber mitnehmen. Wann es auch einige saure Tage geben sollte, so müssen wir solche standhaft übertragen, denn dieses ist die Epoque, so der ganzen Sache den Ausschlag giebt.
Der Feind ist in dieser Zeit weder mit Rekruten als Remonten noch nicht in Ordnung, dieses aber auch schon ein grosses vor uns gewonnen.“
Lockwitz, 25. März 1757.
Mein lieber Generallieutenant von Winterfeldt. Nachdem Ich Euch den Generalmajor von Goltz415-1 abgeschicket hatte, ist Mir Euer Schreiben vom 22. dieses eingeliefert worden; Ich zweifele auch nicht, es werde gedachter Generalmajor seinen besten Fleiss thun, um bald bei Euch einzutreffen und Euch alles dasjenige zu communiciren, was Ich ihm über den bewussten Plan415-2 gesaget habe.
Ich sehe solches Euer Projet vor sehr interessant und gut an, nach der Position zu rechnen, worin der Feind jetzo stehet. Gehet derselbe aber bald und, wie Meine Nachrichten lauten, den 1. April in die Kantonirquartiere, so besorge Ich, dass es damit zu späte sein dörfte, da der Feind sich alsdenn bald und in kurzer Zeit, wohin er will, wenden kann; mithin und da wir vor dem 10. April nichts thun können, so bin Ich bange, dass er um die Zeit schon kantonirt und wir in unserm Vorhaben nichts ausrichten werden. Ich wünschete es wohl gar sehr, dass es geschehen könnte, und in denen jetzigen Umständen zumalen wäre es vor uns admirabel; consideriret aber selbst, wie es zu machen sei, dass wir mit unserer Disposition fertig seind, ehe der Feind in die Kantonirquartiere gehet, da alsdenn wir darunter nichts mehr mit ihm ausrichten können. Wir müssen auch nicht glauben, dass, wenn auch der Feldmarschall Browne 30,000 Mann detachiret, Ich deshalb gleich nach Lobositz kommen könne, dann der Posten von Pashcopolo so ist, dass man mit 30,000 Mann 50,000 abhalten kann; dass wir aber bei Aussig, Teplitz und Karbitz eine Ravage machen können, solches ist ganz möglich.
Sowie alle Meine bisherige Nachrichten lauten, so wird sich das grosse Corps vom Feinde bei Budin zusammenziehen. Wenn ferner<416> der Feind auch siehet, dass wir mit 50,000 Mann dastehen, so habe Ich noch den Zweifel, ob wir sie dadurch hindern werden, dass sie nicht 30,000 Mann nach Kolin detachiren.
Ihr werdet selbst zugeben, dass eine solche Entreprise wie diese eine sehr grosse Ueberlegung aller dabei vorkommenden Umstände erfordert, um nicht gleich zu Anfang der Campagne einen faux pas zu thun; wir kommen gewiss hinein, wir müssen aber bedenken, wie wir nachher subsistiren, damit, wenn es dem Feinde gefallen sollte, ein paar seiner uns zu abandonnirenden Magazine zu verbrennen, wir dadurch nicht in den Nothzwang gesetzet werden, uns geschwind nach denen Grenzen wieder zurückzuziehen,416-1 welchem Umstände wir uns jetzo nicht exponiren müssen.
Dieses alles hat Mich auch bewogen, Euch den Generalmajor von Goltz hinzusenden, um Euch alle diese Schwierigkeiten zu machen und mit Euch zu discutiren, und kann Ich Mich auch zu nichts eher determiniren, bevor Mir diese Difficultäten nicht gehoben werden und Ich gewiss weiss, dass wenn die Sache einschlaget, dabei zehnmal mehr zu gewinnen, als zu verlieren.
Von Bunzlau nach Kolin zu marschiren, ist gut, aber es ist sehr nahe an Frag und viel risquiret; Ich vermeinete also, dass die Elbe lieber zwischen Pardubitz und Prag zu passiren und Pontons deshalb mitzunehmen, um nicht so nahe an Prag zu kommen. Um auch von denen Höhen bei Kolin Avantage zu ziehen, müssten Mortiers und Bomben mitgenommen werden, welches aber den Marsch langsamer machet.
Ich muss bekennen, dass, so sehr gerne Ich wünschete, dem Feind einen grossen Schaden anhaben zu können, Ich dennoch bis dato das Projet von fast ohnübersteiglichen Schwierigkeiten finde.
Dabei Ich Euch nicht verhalten kann, dass der Feind, wenn Ich auch wenig sage, 20,000 Mann in der Lausnitz herumstehen hat, und dass mit 16,000 Mann dagegen offensive zu agiren, schon sehr schwer halten wird, zu geschweigen, dass unsere Rekruten noch nicht im Stande seind, offensive zu agiren. Ihr müsset hierbei noch consideriren, wie difficil es angehe, aus der Spitze von Zittau zu detachiren, ohne zu risquiren, dass uns der Feind von Rumburg oder der Orten tournire und dass, wenn derselbe sein Corps bei Reichenberg zusammenziehet, uns es schwer werde, die Fourage und Subsistance nach zu bekommen. In Sachsen seind ausserdem nicht mehr als 5000 Wagens Vorspann, auf welche jedoch nicht einmal völlig gerechnet werden kann. Wann wir bei jetzigen Zeiten mit der Armée agiren wollen, so können wir solches, unter 8000 Wagens Vorspann zu haben, nicht thun, da dann gleich 3000 ausfallen, ohne was sonst abgehet. Dieses alles meritiret, in Consideration gezogen zu werden.
<417>Mit der Armée den 20. April zu campiren, gehet ohnmöglich an, wohl aber eine Expedition vorzunehmen, nur noch nicht die Campagne.
Es kann Eure Rechnung wegen Schlesien seine sehr gute Richtigkeit haben, was nämlich von daher geschehen kann. Ihr werdet aber selbst conveniren, dass solches Mir auch wegen dessen, so von hier aus geschehen soll, gewiesen werden muss, ehe Ich darauf entriren kann, absonderlich, wenn Ich über alles vorstehende rechne, dass Ende Mai oder Anfangs Juni ein starkes Corps Franzosen in der Gegend Erfurt sein kann.417-1
Ueber alles dieses werde Ich Eure Éclaircissements erwarten und bin übrigens Euer wohlaffectionirter König
Ich finde, je mehr ich daran gedenke, das Dessein impracticabel. Wie wollen Sie, wann Sie das Magazin von Jung-Bunzlau haben, solches bewahren? Marschiren Sie nach Kolin, so nimmt Ihnen der Feind sein Magazin wieder ab; verbrennen Sie es, so ist dann Zeit, sich wieder zurücke zu ziehen und nicht so weit hinein zu laufen.
Friderich.
P. S.
Damit Ihr auch sehet, wohin Ich Meine Attention überall zu richten habe, so lasse Ich Euch, obwohl unter dem Siegel des grössesten Geheimnisses, hierbei zur Nachricht communiciren, was Mir sowohl wegen des Marsches derer Franzosen als auch wegen derer Russen, und dass selbige noch immer ein Dessein haben sollen, ein Auxiliärcorps nach Schlesien durchzuschicken, gemeldet werden wollen. Ihr werdet selbst daraus erachten, wie sehr Ich Meine Augen auf alles zu richten, und was vor bedachtsame Praecautiones Ich zu nehmen habe, ob Ich gleich weiss, dass bei allen solchen in denen Nachrichten enthaltenen Angaben viel Fanfaronnades, auch, was sonderlich die angegebene grosse Anzahl der russischen Truppen, sehr outriret ist. Ich bin Ew. wohlaffectionirter König
Friderich.
Nach der Ausfertigung. Der Zusatz zu dem Hauptschreiben eigenhändig.
Man417-2 hat beiliegende Liste der Armée des Feldmarschalls Apraxin, so wie selbige, wenn sie in complettem Stande, sein wird, den 19. Februar communiciret. Es seind darunter begriffen nicht nur die Truppen, welche wiederum in Kurland einrücken werden, wenn sich die Armée des Feldmarschalls Apraxin wird auf den Marsch begeben haben, sondern auch diejenigen, welche auf denen Galeeren sollen eingeschiffet werden.
Nach neuern Berichten vom 26. Februar soll der Marsch dieser Truppen noch immer durch Polen Statt haben, vermittelst der Publication eines Manifests vom Feldmarschall Apraxin, dass diese Armée bloss eine Auxiliärarmée wäre,417-3 und vermittelst eines andern Manifests in Preussen,417-4 dass man allda so verfahren werde, wie es Se. Preussische Majestät in Sachsen thun werden,
<418>Diejenige, so in Petersburg von allem diesen gute Kundschaft zu haben muthmaassen, die versichern noch immer, dass die Russen ihre Opérations aufschieben werden, bis man sehen kann, wie es bei Oeffnung der Campagne zwischen denen Preussen und Oesterreichern ablaufen werde.
Nach der Liste, und wenn alles complett ist, geben sie sich aus:
reguläre Cavallerie | 20,027 |
irreguläre " | 17,541 |
Infanterie | 91,509 |
129,076.418-1 |
Der wienerische Hof fähret fort, alles möglichste vorzukehren, um Se. Grossbritannische Majestät zu Annehmung der Neutralité für dero Staaten in Teutschland zu bewegen,418-2 unter der Bedingung, Sr. Königl. Majestät in Preussen auf keinerlei Weise beizustehen und denen Truppen des Königs von Frankreich einen freien Durchmarsch zu gestatten. Auf diesen Fall sollte ein Corps von 54,000 Franzosen, zu welchen 6000 Mann pfälzischer Truppen stossen würden, in die Herzogthümer Cleve und Geldern einrücken, Wesel einnehmen und weiter nach Magdeburg fortrücken, um solches zu belagern.
Die französische Truppen sollen, wie die Worte eigentlich lauten, in denen preussischen Landen strenge Repressalien in Ansehung dessen, so in Sachsen sich zugetragen hat, ausüben. Auf den Fall aber, dass Se. Grossbritannische Majestät die Neutralité, so ihnen angetragen wird, nicht annnehmen wollten, welches man von Seiten des französischen Hofes zu wünschen scheinet, so wird man jedoch nichts desto weniger sich von Wesel Meister machen, von da aus nach dem Hannöverischen marschiren, daselbst dieselben Repressalien ausüben und hiernächst die Winterquartiere in diesen Churlanden nehmen.
Während dieser Expedition soll ein Observationscorps von etwa 50,000 Mann an den Ufern des Rheins campiren, theils um die teutschen Fürsten in Respect zu erhalten, theils auch nach Erforderniss der Umstände agiren zu können.
Die Truppen werden den 15. Martii in Bewegung sein, damit sie sämmtlich den 30. ejusdem auf denen Rendezvous derer verschiedenen Divisionen eintreffen können, und werden nachgehends ungesäumt den Marsch nach Düsseldorf antreten, welcher Ort, wie die Rede gehet, der Generalsammelplatz obgedachter Truppen sein wird.
Die Fürsten, bei welchen man um den Durchmarsch angehalten, haben solchen bereits verstattet.
Der Maréchal von Estrees, so die Armée commandiren wird, wird den 20. Martii von Wien zurück erwartet.418-3 Er wird sofort nach Erhaltung seiner Instructionen aufbrechen. Der Prinz von Soubise führet die Avantgarde, und der Herzog von Orléans wird ein detachirtes Corps commandiren.
414-2 Vergl. Nr. 8757.
414-3 Der Commandeur des ehemals Piccolomini'schen Corps. Vergl. S. 287. 400. 422.
415-1 Goltz wurde an Stelle von Oelsnitz abgesandt. Vergl. S. 400. 401. 418. 438.
415-2 Vergl. Nr. 8757.
416-1 Vergl. S. 400.
417-1 Vergl. S. 392.
417-2 Die folgenden Mittheilungen über Russland stammen aus dem Schreiben der Prinzessin von Oranien, d. d. Haag 19. März. Vergl. Nr. 8784.
417-3 Vergl. S. 355.
417-4 Vergl. S. 301. 352. 353.
418-1 Sic.
418-2 Vergl. Nr. 8711 S. 360.
418-3 Vergl. S. 339.