8911. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Weleslawin, 7. Mai 1757.

Ew. Excellenz ganz gnädiges Schreiben vom 3. dieses12-1 habe ich soeben um 7 Uhr Morgens allhier erhalten und werde nicht ermangeln, dessen Einlage sogleich zu besorgen, sobald ich nur zu des Königs Majestät wieder gelangen werde, als welche ich seit der Zeit des gestrigen, Gott sei ewig Preis und Dank dafür! grossen und glücklichen Tages noch nicht wieder gesehen habe, da Selbige noch in beständiger Occupation seind, um von Dero herrlichen und completen Victoire alle Avantage zu ziehen.

Was wegen der dabei geschehenen Vorfallenheiten bis dato bekannt geworden, solches wird zum Theil der zu Berlin als Courier bereits angekommene Herr Hauptmann von Forcade an Ew. Excellenz schon mündlich referiret haben, zum Theil beziehe ich mich auf das wenige, so heute in der Eil an des Herrn Grafen von Finckenstein Excellenz schreiben können.12-2

Der Allerhöchste gebe nur ferner allen erwünschten Success zu dieser decisiven Bataille, von der ich mich flattire, dass solche auch bei Sr. Königl. Majestät übrigen Feinden grosse Impression machen und letztere12-3 mehr à pas comptés gehen sollen,12-4 da nicht nur des Königs Majestät dadurch mehr freiere Hand bekommen, binnen kurzem auch en faveur Dero Freunde und Alliirten auch anderer Orten agiren zu lassen,12-5 sondern man raisonnablement auch glauben muss, dass eine französische Armee zwei- und mehrmal daran denken werde, ehe sie sich sehr weit vor aventurire, weilen bei einem fast nicht zu zweifelnden Success dieselbe eine so elende, difficile und ruineuse Retraite haben würde, dass solche gänzlich dissipiret und aneantiret werden müsste. Wer den Zustand dieser in den Zeitungsblättern so formidable ausgeschrienen Armee kennet und ihre Misere, schlechtes Volk an Infanterie und Cavallerie, Confusión, Désordre, schlechte und miserable Offcier weiss, wird der Königin von Polen vollkommen Beifall geben, als die sich deshalb letzthin noch an eine ihrer Vertrauten geäussert hat, dass mit solchen nichts auszurichten, und sie nicht weiter vorgehen würden, als wie sie, ohne einigen Widerstand zu finden, [kämen].

Was des Königs Majestät sonsten von Dero bisherigem Successe in Böhmen Sich promittiren, ist im Reiche, und dass übelgesinnete Reichsstände vorsichtiger, wohlgesinnete aber mit mehrerem Muth wie bisher gehen werden.12-6 Da nun der, gottlob! so glücklich und complet erfolgete Sieg dazugetreten, so zweifele ich fast nicht, dass Sr. Königl. Majestät Erwarten darunter dörfte erfüllet werden, als es allenfalls auch an Mitteln nicht fehlen dörfte, es gegen sehr übelgesinnete zu ressentiren,<13> wenn zumalen französischerseits man noch das Projet continuiren wollte, Truppen nach Böhmen oder nach Erfurt zu schicken.13-1

Es haben des Königs Majestät mir auch daher zwei oder drei Tage vor der Bataille, als ich das letztere Mal Dieselbe gesprochen, befohlen, wie bei dermaligen schon guten Successen der p. von Plotho instruiret werden sollte, seines Ortes hoch zu sprechen und alle zeither begangene Illegalitäten oder vielmehr Brutalitäten gegen Se. Königl. Majestät und Dero Mitstände, auch dass der Kaiser auf eine so offenbare Weise die von ihm beschworene Wahlcapitulation gebrochen — wenn er und seine Clique fremde Völker, so man sonst allemal als Reichsfeinde angesehen, in das Reich eingeführet und conniviret, dass von solche Reichsstädte wie Köln surpreniret und von denen Reichslanden schwere und unerschwingliche Lieferungen oder Prästationen an Oelde, wie im Clevischen,13-2 Kölnischen, Pfälzischen, Münsterschen geschehen, gefordert, Garnisons eigenmächtig eingeleget, und dadurch öffentlich alle Freiheit derer teutschen Fürsten und Stände unter die Füsse [getreten worden]13-3 — sehr und stark releviren sollte, ohne weiter kleinen Mund darüber zu machen.13-4

Welches dann auch des Königs Majestät an Ew. Excellenz zu melden mir dermalen befohlen, damit Dieselbe gedachtem Herrn von Plotho alle Umstände dazu in allem ihren Detail adminiculireten, auch ihm allenfalls deshalb eine Estafette schicken möchten. Von erstgedachter Sr. Königl. Majestät Willensmeinung ist der Herr von Plotho noch gedachten Tages sogleich per Estafette en chiffres informiret worden, die dazwischen gekommene Bataille aber hat verhindert, dass ich mich nicht eher gegen Ew. Excellenz von dem, so des Königs Majestät mir aufgetragen, acquittiren können.

Da der Höchste inzwischen Deroselben einen so gesegneten Sieg gegeben hat, so bin ich der ohnvorgreiflichen Meinung, dass es wohl sehr gut und heilsam sein dörfte, wenn Ew. Excellenz geruheten, alle Sr. Königl. Majestät auswärtige Minister, auch insonders die im Reiche, als zu Frankfurt a. M., Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Köln,13-5 par Estafettes davon zu informiren, wenn es auch nur en gros wäre,13-6 bis hiernächst das weitere Detail und eine förmliche Relation davon erfolgete, welches nicht nur in Teutschland einen guten Effect thun, sondern auch selbst in Frankreich und der Orten, wo französische Truppen stehen, transpiriren, sondern auch jedermann auf die folgende Relation sehr attent und curieux machen würde, so dass die Oesterreicher ihrer Gewohnheit nach nicht solche supprimiren könnten. Der Sieg ist, Gott sei Dank! so, dass letztere kein Glaucoma machen können. Die Armee von ihnen ist totaliter geschlagen, zum aller<14>grössesten [Theil] dissipiret, von aller Equipage und Zeltern entblösset, und soeben sagt mir ein Officier aus des Königs Lager, dass die Anzahl der genommenen feindlichen Canons bereits auf 250 angewachsen, ein anderer aber, der den champ de bataille mit grosse Attention durchgeritten, versichert mir, dass er gesehen, wie die Anzahl der Todten von uns bei weitem nicht so beträchtlich wäre, als man solche in der Bataille wegen des grossen Fracas von denen Canons anfänglich geglaubet hätte, und noch bei weitem nicht die Anzahl derer bei Kesselsdorf gebliebenen14-1 erreichete. Des Königs Majestät lassen mir soeben befehlen, dass ich zu Deroselben kommen soll, daher das übrige bis zur nächsten Gelegenheit aussetzen muss, inzwischen Ew. Excellenz mich ganz gehorsamst empfehle.

Eichel.

Wegen des Generallieutenant Winterfeldt14-2 bekomme ich sogleich die angenehme Nachricht, dass dessen Blessuren nicht letal seind, und er sich ganz erträglich finden soll.

Nach der Ausfertigung.



12-1 Das Schreiben von Podewils und die Einlage sind nicht nachweisbar.

12-2 Nr. 8910.

12-3 In der Vorlage „Erstere“ .

12-4 Vergl. Bd. XIV, 428. 466. 512.

12-5 Vergl. Bd. XIV, 429. 466. 488. 493. 518.

12-6 Vergl. Bd. XIV, 197. 466.

13-1 Vergl. Bd. XIV, 552.

13-2 Vergl. Bd. XIV, 524. 525.

13-3 In der Vorlage: träten.

13-4 Vergl. Nr. 8903.

13-5 Es sind dies: Freytag, Buirette, Gulmann, Plotho, Ammon. Vergl. das Personenregister.

13-6 Demgemäss Circularrescript an die prenssischen Gesandten, d. d. Berlin 10. Mai.

14-1 Vergl. Bd. IV, 381. 383. Bei Kesselsdorf hatten die Preussen einen Verlust von 3200 Verwundeten und 1600 Todten. Vergl. Droysen, Preuss. Politik V, 2, p. 632. Vergl. dagegen S. 17 und 21.

14-2 Vergl. S. II.