8956. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Hauptquartier vor Prag, 17. Mai 1757.

Ew. Excellenz beide letztere Schreiben vom 7. und vom 14. dieses habe zu ihrer Zeit wohl zu erhalten die Ehre gehabt und habe bisher angestanden, Dieselbe mit meinen ferneren Zuschreiben zu behelligen, da alles hier in derselben Assiette geblieben und nichts Dero Attention werthes vorgefallen ist.

Des Königs Majestät, welche, gottlob! bei alle Dero Sorgen und Fatiguen sich recht munter und wohl befinden, occupiren Sich jetzo hauptsächlich, die Früchte Dero Sieges zu ernten und die nöthige Anstalten wegen Prag zu machen; der Anherotransport der dazu benöthigten schweren Artillerie hat Dieselbe darunter alleine aufgehalten, sobald aber dieses veranstaltet sein wird, so wird sich auch zeigen müssen, wie weit es mit Prag und einer Garnison, so aus dem grössesten Theil der österreichischen Generalität, auch, wie man saget, 40,000 Mann bestehet, zu bringen sein wird. Und da man sich nicht Staat machen kann, dass der Hunger und Mangel in der Stadt den eingeschlossenen Feind zu einer baldigen Uebergabe bringen dörfte, obschon gar kein Ueberfluss darin ist und der Mangel an dem zur Subsistenz nothwendigsten sich ziemlich äussert, so dörfte dennoch die Zeit, den Effect von solchen Extremitäten abzuwarten, etwas zu kurz fallen, mithin die Gewalt mit zu Hülfe genommen werden müssen, um zu sehen, wie weit damit zum Zwecke zu kommen; unglücklich ist inzwischen ein Ort allemal, den dergleichen Schicksal trifft. Uebrigens wird sich<51> alles dieses mit Ablauf dieses oder doch gleich mit Anfang jenes Monates decidiret haben müssen. Dass es des Königs Majestät gefallen, gleich von Anfang dieses Krieges her alle Dero Relationes von denen vorgefallenen Évènements auf das modéréeste einrichten zu lassen und auch darin den Contre-pied derer Oesterreicher zu nehmen, davon habe Ew. Excellenz gleich von Anfang her avertiret;51-1 wie ich denn wohl sagen kann, dass noch verschiedene bei letzterer Bataille gehabte Avantages der Relation zugefüget werden können, wenn nicht die Hand des Meisters es selbst so gesetzet hätte, denn nicht zu gedenken, was ich wegen der weit mehreren Canons vorhin gemeldet,51-2 und dass auch denen sogenannten Trophäen ein und anderer zuzusetzen gewesen wäre, so seind in denen ersteren Tagen nach der Bataille tagtäglich sehr viele Gefangene eingebracht worden, so alle nicht bei der Relation ad computum gekommen, der grossen Menge von gefangenen Blessirten zu geschweigen, welche zu soigniren man weder gnugsame Feldschers, noch Leinwand zu Bandages und dergleichen bekommen kann, und die daher elendig verderben müssen.51-3 Wie schwer inzwischen denen Oesterreichern der durch die Bataille erhaltene Schlag gefallen sei, solches werden Ew. Excellenz aus einem Originalschreiben des Feldmarschall Graf Browne an dessen Frau Gemahlin nach Wien,51-4 so mir die Freiheit nehme hierbei zu legen, und welches er mit seinem Jäger durchzubringen gesucht, der aber von unsern Aussenposten aufgefangen worden, zu ersehen belieben. Ich ersuche aber Ew. Excellenz inständigst, dieses Schreiben an niemanden weiter zu communiciren, noch zum Vorschein kommen zu lassen, weil ich glaube, dass grosse Leute auch in ihrem Unglück zu respectiren und deren Amertumes nicht zu vermehren sein. Vielmehr bitte ich solches Schreiben nach dessen Durchlesen zu meinen andern königlichen Papieren, davon Ew. Excellenz zu chargiren Sich bemühet, zu legen und es dabei bewenden zu lassen, ohne dass davon weiter etwas transpirire. Das zweite beikommende Schreiben ist von dem Sohn des Feldmarschalls, das dritte aber einem Orientalen Wiener, so vermuthlich dem Feldmarschall attachiret sein muss, der aber das Lügen und Gasconniren, auch indem [er] über die Schläge weinet, nicht lassen kann. Da das Corps Oesterreicher, so bei Königgrätz vorhin gestanden und von dem Graf Leopold Daun commandiret worden, nicht mit bei der Bataille gewesen und nachher einige Mouvements gemachet, als ob es sich gegen die Bloquade von Prag nähern und denen in Prag Gelegenheit zu einer Retraite geben wollen, so haben des Königs Majestät den Herzog von Bevern mit einigem Corps solchem entgegen detachiret,<52> worauf sich selbiges auch wieder zurück und nach der Gegend Kuttenberg gezogen, und stehen des Herzog von Bevern Durchlaucht bei Kolin, um es zu observiren. Erwähntes Corps soll ohngefähr von 20,000 Mann stark sein, wozu sich noch einige von denen Flüchtlingen aus der Bataille geschlagen haben sollen. Das Sort von Prag dörfte auch von solchem decidiren. Wann aber die Nachrichten, so man hier als gewiss erhalten, gegründet seind, dass nämlich die Oesterreicher das, was sie noch an Magazinen in Böhmen übrig haben, nach Mähren zurücktransportiren lassen,52-1 so muss man es wohl als eine Marque annehmen, dass sie Böhmen vorerst als abandonniret ansehen. Einen Hauptverlust aber haben dieselben inzwischen wieder gelitten, der ihnen höchst sensibel fallen muss, und der alle ihre Projecte wegen Einführung derer baierschen und anderer Reichsfürsten auch französischer Truppen in Böhmen vernichtet, ihrer eigenen Subsistance in Böhmen mit den Coup de grâce giebt. Es hatten nämlich des Königs Majestät, sobald Dieselbe bei Dero Einmarsch Sich gegen Prag näherten, und noch vor der Bataille, die sage Précaution genommen und ein Detachement seitwärts ganz um Prag und um die österreichische Armee herum nach Pilsen geschicket, um zu sehen, ob es das dort sehr considerable Magazin ruiniren könne. Der Commandeur52-2 dieses Détachements hat sich auch darauf so adroit und so geschickt darunter zu nehmen gewusst, dass er ohnvermerkt und adroitement die Beraun passiret und auf einmal zuerst auf ein zu Zebrak angelegtes kleines Magazin gefallen und solches ruiniret, sodann den 8. dieses in Pilsen eingerücket ist und das dasige grosse Magazin, so seiner Anzeige nach in etlichen 40,000 Centner Mehl, 40,000 Scheffel Haber, 20,000 Weizen, Rocken und Gerste und einer sehr grossen Quantität Heu bestanden, gänzlich zu nichte [und] unbrauchbar gemachet, das Heu aber verbrannt hat, dabei er denn alle Mühlen in der Stadt und denen dortigen Gegenden herum, auf welchen vor die Armee beständig gemahlen, zerhauen und ausser Stande setzen lassen. Hierbei ist er noch nicht geblieben, sondern, da er erfahren, dass an einem Orte Namens Teinitz, gegen die Oberpfalz hin, vor die Baiern und andere dergleichen Völker ein ansehnliches Magazin aufgerichtet worden, hat er sich auch dahin gelenket und solches gleichfalls ruiniret. Er vermeinet den geschehenen Schaden auf 2 Millionen Ducaten zu schätzen, ich halte aber, dass der Anschlag zu hoch gemachet, indess solcher allemal in Égard, dass dadurch sich kein considérables Corps Truppen wegen fehlender Subsistance versammeln kann, gar sehr beträchtlich ist, und dem Feind, der von allen grossen und kostbaren Magazins, so er in Böhmen mit Anwendung erstaunender Summen Geldes amassiret hat, keine andere [mehr hat] als, ausser etwa dem wenigen so in Prag sein kann, die zu Königgrätz und was zu Budweis und nächst den mährischen Grenzen<53> noch stecken mag — [nichts] übrig lasset, mithin ihn selbst nach Mähren und denen mährischen Grenzen zurückwirft.

Ich würde mein, Ew. Excellenz vermuthlich schon sehr annuyantes Schreiben schon abgeschlossen haben, da ich aber noch ein neues Blatt angefangen, so habe nur zu Dero Nachricht noch so viel melden wollen, dass des Königs Majestät dieserwegen gar nicht vergessen, an andere Dero Freunde und Alliirte zu denken; es ist aber sogleich zu detachiren eine wahre Ohnmöglichkeit, denn eine Enceinte von anderthalb bis zwei Meilen zu besetzen, dass nichts heraus, noch auch mit Force perciren kann, und zugleich ein feindliches Corps à part en échec zu halten, solches erfordert Truppen. Es muss sich aber die Sache wegen Prag auf eine oder die andere Art bald decidiren, sobald nur die Arrangements dazu fertig seind, und welchen Weg es auch ausschlage, so werden gewiss des Königs Majestät alsdenn Sich dahin tourniren, wo es Dero und Dero Freunde Umstände erfordern, und es an Vigueur nicht fehlen lassen. Gott erhalte Dieselbe nur und segne Dero Entreprisen und Absichten ferner, die auf nichts anders als auf einen redlichen und sicheren Frieden und zugleich, dass das Reich nicht auf eine so vilaine Weise tractiret werden müsse,53-1 [gerichtet seind].

Ein von den Oesterreichern von dem Leopold Daun'schen Corps gefangener Capitän, so sonst ein sehr vernünftiger Mann zu sein schiene, hat hier fort et ferme versichern wollen, dass jüngsthin der Graf Kaunitz bei gedachtem Grafen Daun und dessen Corps d'armée sich aufgehalten habe.53-2 Dergleichen Erscheinung allda wäre etwas rar und etwas ohnbegreiflich, es müsste dann sein, dass die über Regensburg gekommene Zeitung von einer zu Wien letzthin gewesenen starken Emeute unter dem Volk über den jetzigen Krieg und dessen Suites gegründet wäre und zu dergleichen Corvée des Grafen Kaunitz Gelegenheit gegeben habe, auch die Motive sei, worum der Maréchal Browne seiner Gemahlin eine Retraite nach Linz recommandiret. Der Höchste lenke nur die Évènements nach Sr. Königl. Majestät justen und billigen Absichten.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



51-1 Vergl. S. 18; Bd. XIII, 539; XIV, 376.

51-2 Vergl. S. 21 und hierzu S. 10 u. 14.

51-3 Vergl. S. 49.

51-4 Dieses und die im Folgenden erwähnten Schreiben liegen nicht mehr vor.

52-1 Vergl. Nr. 8955 S. 50.

52-2 Oberstlieutenant von Mayr. Vergl. S. 30. 43.

53-1 Vergl. Bd. XIV, 557.

53-2 Vergl. S. 31. 33.