9111. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.
Lager bei Böhmisch-Lissa, 21. Juni 1757.
Ich zweifele fast nicht, dass das Gerüchte von dem unglücklichen Tag, welchen wir den 18. dieses Monates [gehabt], und der übel ausgeschlagenen Bataille, so an demselben Tage gegen den Marschall Graf Daun gegeben worden, dieses mein Schreiben an Ew. Excellenz nicht präveniret haben werde. Ew. Excellenz werden den Verlauf davon aus beiliegender Abschrift sowohl eines höchsteigenhändigen Schreibens an des Königs von Engelland Majestät,177-1 als auch aus der Abschrift dessen, so an den Michell und von Hellen deshalb vorerst geschrieben worden,177-2 mit mehrern zu ersehen geruhen, als worauf mich der Kürze halber beziehe und dieses alles ist, was man in so kurzer Zeit nach der Bataille hat melden können.
Aus gleicher Ursach ist es auch noch nicht möglich gewesen, unsern eigentlichen Verlust zu wissen, da man von denen Regimentern noch nicht die völlige Nachrichten deshalb haben können. Bei verschiedenen dererselben muss solcher gar gross und beträchtlich sein, weil dieselbe, da die ganze feindliche Infanterie in drei Treffen auf der Höhe eines steilen und unten gegen den Fuss des Berges mit vielen Ravins und Défilés coupirten Berges, so ausserordentlich mehrentheils mit Batteriestücken garniret gewesen, [aufgestellet], insonderheit als sie den dritten Posten emportiren sollen, durch ein grausames continuirliches Kartätschenfeuer gar sehr gelitten haben und zusammengeschossen worden seind; wozu gekommen, dass vielen von denen Cavallerieregimentern gleich anfänglich der Kopf gedrehet hat, dass solche gar nicht zu ihrem Devoir zu bringen gewesen seind, welches der feindlichen Cavallerie, die unten theils in den Gründen am Fuss des Berges, theils hinter dem Berge postiret und ausserdem an Anzahl der unsrigen sehr supérieure gewesen, Gelegenheit gegeben, verschiedene Regimenter Infanterie sehr zu molestiren.
Dahergegen unsere Husaren und einige wenige Cavallerieregimenter desto braver gethan, und erstere insonderheit alles von feindlichen Cuirassier, Dragoner p., Infanterie, worauf sie getroffen, übern Haufen geworfen und ruiniret haben, welches aber nicht alles ausrichten können, da das Gros von der Cavallerie sie nicht souteniret hat und ein fast ohnerhörtes Kanonenfeuer dazugekommen.
Ob ich gleich vor dieses Mal ein Zeuge von dieser unglücklichen Affaire sein und mich hinter dem zweiten Treffen aufhalten müssen, so bin doch nicht im Stande, Ew. Excellenz einen deutlichen und ordentlichen Rapport von der Affaire zu erstatten, da einestheils es nicht von meinem Métier ist, anderntheils ich von den vielen Tagemärschen, so seit dem 13. dieses Monates mit thun müssen, und denen mehrentheils<178> ganz schlatlosen Nächten so fatiguiret bin, dass ich Mühe habe, einige Gedanken in Connexion zu sammlen.
Des Königs Majestät seind inzwischen, aller ausgestandenen Gefahr ohnerachtet, gesund und ohne allen Schaden geblieben.
Der Feind hat indess bei dieser Affaire gleichfalls sehr stark gelitten und sowohl an Infanterie als Cavallerie sehr viel verloren, obschon die Infanterie wenig und nicht über die Hälfte des Berges heruntergekommen ist. Man hält auch dieses vor die Ursache, warum er bei der Retraite unseres Corps d'armee solches gar nicht verfolget noch inquietiret hat.
Die Bloquade von Prag hat aufgehoben werden müssen, da gestern das Corps, so diesseits der Moldau gestanden, aufgebrochen ist und sich hieherwärts und gegen Melnik genähert hat, das Corps jenseits der Moldau unter Commando des Generalfeldmarschall Keith aber ist noch stehen geblieben, um zuvorderst alle grosse Artillerie, Pontons und dergleichen in Sicherheit zu setzen, dörfte aber auch heute aufbrechen und sich gleichfalls näher hieherwärts ziehen.
Ew. Excellenz werden erlauben, dass vor dieses Mal mein ganz confuses Schreiben wegen grosser Müdigkeit abbrechen muss.“ Im weiteren ersucht Eichel den Minister noch, die Schreiben an den König von England, an Michell und Hellen178-1 schleunigst befördern zu lassen. Dann aber von Neuem auf die Schlacht zurückkommend, meldet er, dass von der Bagage der Königl. Armee nur wenig verloren gegangen sei „. . . dass also in diesem Articul wenig und fast gar kein Verlust gewesen ist, ein Beweis mit ist, wie viel der Feind gelitten haben muss. Gott gebe, dass wir das andere bald wieder ersetzen können, um diesen erlittenen Schaden auszuwetzen. Man kann nicht sagen, dass der Feind das Champ de bataille durch seine Truppen, wohl aber durch dessen nie erhörtes Kanonenfeuer, so dem zu Prage weit vorgegangen, behalten, wie er dann auch an Fahnen, Canons und dergleichen Brimborions de guerre nichts genommen, wohl aber von ersteren nach der Retraite auf dem Wahlplatz viele, davon ehrliche Leute todtgeschossen worden, und von letzteren, davon Affûts und Räder entzwei geschossen worden, gefunden haben mag.
Eichel.
Des Königs Majestät haben Sich gestern zu zwei wiederholten Malen erinnert, an der Königin Frau Mutter Majestät Selbst zu schreiben,178-2 Sie haben aber vor grosser Müdigkeit von allen extremen Fatiguen und heute wegen der ohnendlichen Arrangements, so zu machen seind, nicht dazu gelangen können, werden es aber, wo es auf der Welt mög<179>lieh, noch heute thun, da dann das Schreiben mit nächster Estafette erfolgen wird.
Nach der Ausfertigung.
177-1 Vergl. Nr. 9108.
177-2 Vergl. Nr. 9109.
178-1 Vergl. Nr. 9107. 9108 u. S. 175 Anm. 1.
178-2 Ein solches Schreiben liegt nicht mehr vor.