9134. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT IM LAGER BEI INSTERBURG.
[Gastorf,]189-3 26. Juni 1757.
Mir ist Euer Schreiben vom 18. dieses wohl eingeliefert worden. Auf welches Ich Euch denn melden muss, wie dass die Sachen sich<190> hier inzwischen in etwas geändert haben, und zwar dadurch, dass, als Ich die sichere Nachricht erhielt, dass der Marschall Leopold Daun die positiveste Ordre erhalten, den Entsatz auf Prag, weil es mit der Garnison darin auf das letzte gekommen wäre, à tout hasard zu wagen, derselbe auch deshalb, nachdem er sowohl das Corps unter Nadasdy als auch alles, was an österreichischen Truppen in Mähren und Oberschlesien geblieben, nebst der ganzen Artillerie aus Olmütz an sich gezogen, er auch verschiedene Mouvements machte, aus welchen Ich dessen Absichten wegen eines Entsatzes auf Prag gar leicht beurtheilen konnte, Ich also die Partie nahm, den 13. dieses mit einigen Bataillons und Escadrons von der Armee bei Prag zu dem Corps des Herzogs von Bevern zu marschiren, um dem Daun auf den Halse zu gehen und solchen zu attaquiren, ehe er nahe an Prag kommen könnte.
Ich bin also den 18. dieses auf ihn marschiret, da ihn in einer avantageusen Position auf denen Bergen in der Gegend Kolin fand; weil Ich aber glaubete, dass keine Zeit weiter zu verlieren wäre, so attaquirete Ich ihn des Nachmittages um 3 Uhr mit Meinem linken auf seinem rechten Flügel. Nachdem wir ihm zwei Batterien genommen, auch aus zwei mit Infanterie stark besetzten Dörfern delogiret, ward der linke Flügel durch des Feindes ganz ausserordentliches Kanonen- und Kartätschenfeuer repoussiret und wir obligiret, uns gegen Nimburg zurückzuziehen. Der Feind hatte drei garnirte Posten auf den Bergen hinter einander, so stark mit schwerer Artillerie besetzet waren; zwei davon hatten wir emportiret, mit dem dritten aber wollte es nicht reussiren, weil die Bataillons zur Attaque und die, so selbige soutenireten, durch das heftige Kanonen- und Kartätschenfeuer so stark gelitten hatten, dass das Treffen auf diesem Posten sich aus Mangel derer, so solches continuiren könnten, endigte.
Auf unserem rechten Flügel ward der Feind zweimal repoussiret, und die Sache würde nach Wunsch ausgeschlagen sein, wenn Mein linker Flügel nicht so sehr gelitten hätte und die Bataillons dadurch sehr delabriret worden wären, auch verschiedene von denen Regimentern Cavallerie ihr Devoir gehörig gethan hätten. Der Feind hat inzwischen gleichfalls einen grossen Verlust dabei gehabt, der so stark gewesen, dass er sich auch nicht unterstehen dörfen, aus seinem Posten zu rücken, noch uns zu verfolgen und auf unserer Retraite im geringsten zu inquietiren.
Ich schreibe Euch hier die reine Wahrheit, wie die Sache gewesen, ohne Meine Avantages zu vergrössern, noch Meinen Verlust zu verringern, und werdet Ihr daraus sehen, dass das Unglück, so geschehen, weiter eigentlich nichts gewesen, als dass wir einen schweren Posten attaquiret haben, da wir repoussiret worden seind.
Das übelste davon ist dieses gewesen, dass Ich dadurch gezwungen worden bin, die Belagerung von Prag aufzuheben, und dass Ich viele brave Officiers und Soldaten bei dem bei Mich gehabten Corps verloren.<191> Ausserdem seind dadurch Meine Sachen hier gar nicht in einem desperaten Zustande gerathen, wie sonder Zweifel die Oesterreicher es ausschreien und viel Aufhebens davon machen werden. Ich bin jetzo im Begriff, Meinen gehabten Verlust zu repariren und Mich mit der Armee unter dem Feldmarschall Keith zu conjungiren, da Ich denn mit Gottes Hülfe Mittel zu finden verhoffe, den jetzigen nach acht auf einander gewonnenen Bataillen gehabten Échec zu repariren, wovon Ich Euch bald gute Nachrichten zu geben verhoffe.
Da Ihr in Preussen dergleichen hohe und steile Berge, als die gewesen, worauf der Feind dieses Mal hier postiret gestanden, nicht habet, so habt Ihr auch dergleichen Unglück nicht zu besorgen, vielmehr nur ferner [bei] Eurem Entschluss zu bleiben, den dortigen Feind zu attaquiren, wo Ihr ihn findet.191-1
Inzwischen kommet es mir so vor, als wenn die Russen von einer Zeit zur andern die Sachen verzögern, und dass also es noch wohl leicht geschehen könnte, dass sie es bei dem Drohen lassen.
Friderich.
Nach dem Concept.
189-3 In der Vorlage „Lissa“ über einem durchstrichenen „Leitmeritz“ . Der König befand sich in Lissa nur bis zum 24. Juni (vergl. S. 183. 184), in Leitmeritz kam er am 27. an.
191-1 Vergl. S. 168.