9351. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT.364-1

Quartier Kerspleben, bei Erfurt, 21. September 1757.

Ich habe Eure beide Schreiben vom 13. und vom 14. dieses richtig erhalten, von deren Einhalt Ich dann, so viel alle Eure darin gemeldete Operationes und Mouvements anbetrifft, alle Zufriedenheit habe, da Ich gar zu wohl begreife und einsehe, dass Ihr Euch darunter nach denen Bewegungen des Feindes richten müsset. Was die Zeitung angehet, als ob der Feind Miene mache, sich wiederum aus Preussen zurückzuziehen, so habe Ich noch Mühe, zu glauben, dass solches geschehen werde, soupçonnire auch fast, das es ein Aussprengen von ihm sei, um Euch etwa eine Feinte zu machen. Sollte es sich aber noch mehr confirmiren und der Rückmarsch wirklich geschehen, so wäre solches gewiss recht sehr gut und ein Évènement, davon Ich die Ursache noch nicht weiss, noch begreifen kann.

Gesetzt nun, dass es geschähe und die feindliche Armee zurückginge, so würde Euch solches die Gelegenheit geben, noch schöne Coups, insonderheit auf die, so sie in Preussen zurücklassen würden, zu machen und diese glatt aus Preussen zu jagen, auch viel Gefangene zu machen.

Worüber Ihr von neuem zu Eurer Verhaltung auf einen gewissen Fall des Feindes anfragen wollen, da muss Ich Euch in Antwort ertheilen, wie Ich Euch364-2 vorhin schon ein vor allemal übergeben und autorisiret habe, alles dasjenige zu thun, was Ihr à propos und nöthig finden werdet, dabei Ich es auch um so mehr bewenden lasse, als die Évènements von einem Tag zum andern changiren, und es Mir also ohnmöglich ist, Euch deshalb was vorzuschreiben.364-3

Was die von Euch verlangte anderweite Hülfe in mehrerern Geldfonds zu Bestreitung derer von Euch angezeigten nothwendigen Ausgaben anlanget, da habe Ich zu solchen das Quantum von 800,000 Thaler ausgesetzet. Wie aber die baare Remittirung in jetzigen Umständen nicht möglich ist und es also durch Wechsel gehen muss, so habe Ich den Koppen zu Berlin beordert, sich sogleich mit dem Raufmann Split<365>gerber zu concertiren, dass derselbe Euch zuvorderst die Hälfte davon mit 400,000 Thaler, als höher dieser solches auf einmal nicht zwingen kann, durch Wechsel, wo möglich binnen den nächsten vier Wochen, übermache, alsdenn aber Ich wegen der übrigen 400,000 weiter sorgen werde.

Uebrigens hoffe Ich, dass der Obristlieutenant von Stutterheim365-1 einmal bei Euch angekommen sein werde.

Friderich.

P. S.

23. September.

Nachdem Ich Meinen Brief an Euch bereits abgeschlossen, bekomme Ich ein Schreiben eines Particuliers aus Preussen an jemanden allhier zu sehen, welches meldet, wie er Bürger aus Angerburg gesprochen, so zu der Zeit bei der russischen Armee gewesen, als der Courier aus Russland [kam], nach dessen Ankunft Apraxin den Rückmarsch resolviret hat, und die positiv versichern wollen, dass die russische Kaiserin todt sei.365-2 Dieser Umstand meritiret Eure besondere Attention, und befehle Ich daher, dass wenn Ihr zuvorderst gewiss wissen werdet, dass das Évènement von dem Tode der bisherigen russischen Kaiserin wahr und die Nachricht davon gegründet ist, Ihr alsdenn sogleich an den Generalfeldmarschall Apraxin schreiben, den Brief allenfalls auch mit einem Trompeter schicken und denselben ersuchen sollet, Mir vor einen Meiner Officiers einen Passeport zu schicken, den Ich nach Petersburg senden wolle, damit derselbe sicher dahin reisen könne. Ihr habt dieses bestens zu beobachten.365-3

Nach dem Concept.



364-1 Lehwaldt datirt seine Berichte vom 13. und 14. September aus dem Lager bei Borchersdorf, vom 16. aus dem Lager bei Petersdorf, vom 24. aus dem Lager bei Auluwöhnen (letzteres 2½ Ml. n.w.n. von Insterburg).

364-2 Die folgenden Worte bis zum Schluss des Absatzes waren vom Könige eigenhändig in dorso des Lehwaldt'- schen Berichts vom 13. September bemerkt und sind von dort in das Concept übernommen worden.

364-3 Vergl. Bd. XII, 450. 451.

365-1 Vergl. S. 333. 337.

365-2 Vergl. S. 141; Bd. XIV, 557.

365-3 In dem folgenden Cabinetserlass an Lehwaldt, d. d. Kerspleben 24. September, spricht der König seine Freude aus über die weitere Bestätigung der Nachrichten vom Rückmärsche der Russen; er wünsche, dass „das Geschmeisse bald zum Lande heraus sein und bis zum Ende derer Zeiten nie wieder dahin kommen möge“ . Der König erklärt sich zufrieden, dass Lehwaldt sein „Verlangen in Verfolgung der russischen Arrière-garde präveniret und alles sofort deshalb disponiret habe“ .