9891. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.
Quartier Kloster Grüssau, 4. April [1758].351-1
Ueber Warschau aus habe Ich Euer Schreiben vom 6. Januarii gestern durch den Benoît erhalten. Ihr erwähnet darin, dass Ihr solches durch einen Courier schicket, es seind aber zwei armenianische Kaufleute gewesen, welche in der Suite des zu Warschau angekommenen türkischen Gesandten mitgekommen, und die Euer Schreiben dort abgegeben haben.351-2 Welches Ich Euch hierbei, doch nur nachrichllich, melde, auch nur noch gleich mit beifüge, dass, da diese Leute bei Abgebung Eures Schreibens einen Recompens, auch die Kosten zur Rückreise gefordert, ihnen deshalb in Warschau 130 Ducaten gegeben und sie wegen des ersteren an Euch verwiesen worden.351-3
Diesemnächst muss Ich Euch antworten, wie Ich nicht gerne sehe, dass Ihr Euch mit dem Minister Porter brouilliret;351-4 es mag derselbe sein, wie er will, und seine Fehler haben, so erfordert es dennoch Mein Dienst und Interesse, dass Ihr mit solchem in einem guten Vernehmen lebet, ihn von keinem Verdacht gegen ihn etwas blicken lasset, sondern ihm vielmehr höflich begegnet und seine Freundschaft zu unterhalten suchet; denn Ihr denken müsset, dass wenn Ihr Euch auch diesen Mann alieniret, Ihr alsdenn gar keine Protection dort habet, und also alles, was dorten von fremden Ministern sich findet, gegen Euch ist. Demohnerachtet könnet Ihr doch Eure Sachen apart in der Stille mit Euren Freunden machen, nur dass Ihr Euch mit Porter'n nicht brouilliren müsset.
Was Ich jetzo von Euch verlange, und woran Mir zum höchsten gelegen ist, das ist dieses, dass Ihr es dahin bringet, damit die Pforte noch in diesem Jahre mit einem oder anderm der kaiserlichen Höfe breche.351-5 Ihr meldet etwas deshalb; dass aber der Sultan das Arsenal besehen, zeiget wenig an, sondern ob und wo er Magazins vor die Armee mache, dieses ist der wahre Barometer, ob sie dieses Jahr was thun wollen oder nicht. Bei den jetzigen Umständen ist Mir, wie Ich Euch im Januario dieses Jahres schon geschrieben,351-6 mit keinem kostbaren Commercientractat gedienet; wenn Ihr aber die Pforte zum Bruch bringen könnet, alsdenn müsset Ihr weder Geld noch nichts sparen und alles dazu anwenden. Ihr müsset durch Eure Freunde deshalb an den Orten, wo es nützlich ist, vorstellen lassen und sie damit zu engagiren suchen, dass die Alliance zwischen dem russischen und Wienerschen<352> Hofe der Pforte sehr gefährlich wäre, dass nach einem geheimen Articul352-1 von solcher man erst nur mit Mir fertig sein und die Pforte so lange einschläfern wollte, dass alsdenn aber die Oesterreicher und Russen zusammen der Pforte auf den Hals fallen und solche herunterbringen wollten. Mit welchem Concert es so weit gegangen, dass Frankreich ihnen versprechen müssen, wie dass, sobald man mit Mir erst fertig sein und alsdenn die Pforte attaquiren würde, Frankreich sich gar nicht von solchem Kriege gegen die Pforte mehren wollte.
Ihr müsset weiter insinuiren lassen, dass jetzo das rechte Moment wäre, da die Pforte sich freie Hände von solcher Allianz machen könne. Ich hätte die ganze österreichische Armee in letzterem Monat December totaliter bei Lissa in Schlesien geschlagen, dass mehr als über die Hälfte davon verloren gegangen; Ungern wäre jetzo von allen Truppen entblösset, und die Oesterreicher hätten nicht so viel Truppen, dass sie Mir Tête machen und auch zugleich Hungern defendiren könnten, daher die Pforte freie Hände daselbst haben, mit denen Russen aber, die jetzo fast alle ihre Forces in Polen und nach der Weichsel gezogen, auch hoffentlich fertig werden würde. Die französische Armee sei theils durch die Bataille bei Rossbach, wo Ich sie im November vorigen Jahres geschlagen, theils aber auch, da sie jetzo in grössester Confusion aus Teutschland über den Rhein gejaget würden, sehr delabriret worden, dass also überall es jetzo das beste Moment vor die Pforte wäre, wenn sie noch dies Jahr agirte, sich von einer ihr so schädlichen Alliance, wie obgedacht, in Sicherheit zu setzen.
Durch dieses und wenn Ihr solches zu rechter Zeit mit Geld secondiret, müsset Ihr die Türken zu engagiren suchen, und, wenn Ihr solches ausrichtet, so werde Ich sehr von Euch zufrieden sein. Arbeitet nur, so viel möglich ist, fleissig darauf.
Friderich.
Wir seind jetzo dabei, denen Oesterreichern die Festung Schweidnitz wegzunehmen, mit welcher Ich hoffe, dass es bald geschehen sein soll; denn werde Ich die Oesterreicher weiter pressiren und zugleich sehen, was Ich gegen die Russen zu thun habe.
Nach dem Concept.
351-1 Vorlage: 1756.
351-2 Vergl. Nr. 9890.
351-3 Am 4. April übersendet der König obiges Schreiben an Benoît und giebt Verhaltungsbefehle für die weitere Beförderung: es soll durch die beiden armenischen Kaufleute als ein wichtiger Handelsbrief unter der Adresse des Kaufmanns Jean du Four in Saloniki nach Constantinopel überbracht werden. Zugleich empfängt Benoît Befehl, dem türkischen Gesandten in Warschau (vergl. Nr. 9890) in ähnlicher Weise Aufklärung und Rath zu geben, wie es Rexin in Constantinopel thun soll.
351-4 Vergl. S. 238.
351-5 Vergl. S. 237. 261.
351-6 Vergl. S. 236 mit Anm. 5.
352-1 Vergl. den Articulus Secretissimus der österreichisch-russischen Allianz vom 22. Mai 1746 st. vet. (Martens, Traités conclus par la Russie. 1874 Bd. I. S. 160), der sich jedoch nur auf den Angriff der Pforte gegen eine der Kaisermächte bezieht.