10166. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL PRINZ MORITZ VON ANHALT-DESSAU.
Opotschno, 22. Juli 1758.
Nachdem Ich reiflich überleget habe, wie man die Oesterreicher zum besten attaquiren könnte, wann sie in der jetzigen Position stehen bleiben, so halte Ich vor gut, Ihnen généralement Meine Idee aufzusetzen:
Erstlich, wann man über die Elbe gehen muss, so ist wohl zu observiren, dass erstlich in Klein-Skalitz132-1 muss Posto gefasst werden; 2° die Dörfer Smirschitz, Plotischt,132-2 so auf jenseit der Elbe liegen, müssen stark besetzet werden;
2° muss recognoscirt werden, wie das Ufer jenseit der Elbe ist,<133> allwo noch ein Graben ist, wo es auch nöthig ist, dass Brücken gemacht werden;
3° muss die Expedition des Abends entrepreniret werden, die Infanterie und schwere Artillerie in 6 Colonnen über die Brücken defiliren, die Kavallerie durch die Gués.
Sowie alles in ordre de bataille herüber ist, so muss rechts abmarschirt werden, über Lochenitz auf denen Anhöhen längst, Nedelisti133-1 links gelassen, so dass unserer rechter Flügel Infanterie gegen den Busch zu stehen kommt, den Ich anno 45 verhacken lassen,133-2 und unser linker Flügel gegen Lochenitz an der Elbe gegen Skalitz über. Auf dieser Art machen wir uns alle diese Anhöhen zu Nutze, so wir anno 45 occupirt haben, und kommen dem Feind bei Chlum in der Flanke. Sollte der Feind in der jetzigen Position bleiben, so gestehe, dass es noch avantageuser wäre, wenn wir bei Klein-Skalitz die Elbe passiren könnten, indem man desto eher die Höhen gewinnet.
Indem Ich mit Mein Brief so weit gewesen bin, so kriege Ich den Ihrigen den Augenblick und werde also müssen bei Fouquéen das Arrangement machen, dass er mit dem General Lattorff133-3 so viele Wagens mitschicket, dass wir können 150,000 Portiones backen; denn es ist besser mehr als weniger.
Wegen den Projecten des Uebergang des Wassers, so ersehe Ich aus Ihrem Brief die Ohnmöglichkeit, solches bei Skalitz zu passiren; wird man also sich nothwendig, vornehmlich aber wegen der schweren Artillerie, an dem zweiten Project halten müssen.133-4 Nach dem aber doch, so weit der Feind seine Position zwischen der Zeit nicht ändert, wär' Mein Rath, uns doch sogleich rechts zu ziehen, die Höhen von Nadielisti133-5 zu gewinnen und das Grenadier[-Corps]133-6 vom Feinde bei Chlum zuerst zu attaquiren. Dieses setzt des Feindes Armee in die Necessität, entweder das Corps zu abandonniren, welches sie nicht thun können, oder zu souteniren. Wollen sie das Corps souteniren, so verlassen sie ihre Position von Libischan, und ist es alsdann so gut als eine Bataille, so man ihnen auf dem Marsch giebet. Aber marschirt man gerade auf Libischan, um solches zu attaquiren, so werden133-7 der Attaque das Corps, so bei Chlum postiret ist, in die Flanke und im Rücken der Attaque kommen.
Nun müssen Dieselben alles wohl überlegen und Mir melden, wo da was veränderliches vorgeht. Nur muss Ich darbeisetzen, dass, nun der Ort zum Uebergange bestimmet ist, so erfolget die Nothwendigkeit<134> daraus, dass man die Vorstadt von Königgrätz jenseit der Elbe etwas fortificiren lässet. Dies kann unter dem Prätexte geschehen, sowohl um die Bäckerei zu decken, als wie auch, dass man für einen Pandurenanfall besorget wäre.
Friderich.
Nach der Ausfertigung im Herzogl. Haus- und Staatsarchiv zu Zerbst.
132-1 Klein-Skalitz (in der Vorlage: Szalitz), 7/8 Meilen nordnordöstl. von Königgrätz, östlich der Elbe, Lochenitz gegenüber.
132-2 Plotischt, ½ Meile nordnordwestl. von Königgrätz.
133-1 D. i. Nedielischt, 1 1/8 Meilen nordnordwestl. von Königgrätz.
133-2 Der König lagerte im Jahre 1745 vom 19. Juli bis zum 23. August bei Chlum. Vergl. Bd. IV, 222—264.
133-3 Vergl. S. 110.
133-4 Prinz Moritz hatte, Königgrätz 21. Juli, zwei, in Berlin nicht mehr vorliegende Pläne zum Uebergang über die Elbe dem Könige zugesandt; der Prinz hatte erwartet, dass der König das zweite Project wählen werde.
133-5 Siehe oben.
133-6 Ein österreichisches Grenadiercorps war „als Avantgarde voraus detachirt“ .
133-7 So; statt „wird“ .