10613. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Breslau, 26. December 1758.

Der König spricht die Hoffnung aus, dass Rexin die an ihn gesandten Immediaterlasse und die Mittheilungen über den Fortgang der Kriegsoperationen richtig erhalten habe. Die aus der Türkei bisher eingetroffenen Meldungen „seind lauter ungewisse Sachen, die zwar anzeigen, als ob bei der Pforte etwas remuiret werde, worauf aber nicht im geringsten gerechnet werden kann“ . Trotz der grossen Uebermacht der Gegner sei die diesjährige Campagne glücklich beendet worden; die Feinde haben die Belagerungen, die sie unternommen, „mit Verlust und Schaden wieder aufheben und sich schleunig und mit Schande wieder dahin zurückziehen müssen, woher sie zu Anfang der Campagne gekommen, ohne weiter das geringste gegen Mich ausgerichtet zu haben, als dass sie hier und da in Meinen Provinzen geplündert haben, wonebst sie jedoch einen starken Verlust an Truppen und Geld erlitten“ .

Ich bin auch, gottlob! noch im Stande, Mich gegen Meine Feinde zu souteniren und die künftige Campagne zu operiren; da aber deren Macht gross, und sie Mir überall an der Zahl supérieur seind, so werdet Ihr selbst erachten, dass solches auf die Länge nicht gehen kann und Ich wegen ihrer übergrossen Zahl endlich unterliegen muss, woferne die Pforte Mir nicht etwas Luft und in dem kommenden Frühjahre eine Diversion machet. Ich muss Euch also im Vertrauen, jedoch auch zugleich ganz natürlich sagen, dass, wenn es nicht geschiehet, dass die Pforte im kommenden Jahre entweder mit denen Russen oder mit denen Oesterreichern bricht, als welches Mir einerlei ist, Ich, wie gedacht, endlich succombiren und übern Haufen gehen muss, da denn demnächst die Pforte es sich selbst wird zuschreiben müssen, wenn sie sich so lange einschläfern lassen, bis man Mich erst überwältiget hat, und alsdenn die Russen sowohl als die Oesterreicher ihr desto freier zu Halse gehen, ihr Gesetze vorschreiben und sie, wo nicht ganz, doch grössesten Theils aus Europa treiben werden.

Ihr sollet also nunmehro alle Euer Vermögen anwenden und alle Kräfte anspannen, um es dahin zu bringen, dass die Pforte kommendes Frühjahr ohnfehlbar, es sei mit denen Russen oder mit denen Oesterreichern, breche und einen oder andern den Krieg declarire; zu dem Ende Ihr kein Geld gehörigen Ortes sparen und nicht nur die dazu baar destinirte 200,000, sondern auch noch die übrigen 100,000 dazu<439> anwenden sollet, wenn Ihr sehet, dass es dadurch auszurichten. Sollte es auch nicht anders sein können und Ihr gewiss sein, was reelles zuwege zu bringen, so werde Ich vorgedachte Eure Fonds noch mit 100,000 verstärken, als worüber Ich Euren Bericht erwarte. Ihr müsset Mir aber nunmehro was recht positives schreiben, dass Ich Meinen Staat darauf machen kann, und Mich nicht länger in ungewisser Furcht und Hoffnung lassen; daher Ihr auch den Courier bis ein Tag oder achte da behalten könnet; alsdenn Ihr Mir aber mit ihm was gewisses schreiben müsset, denn Ich Euch noch einmal sage, dass, wenn die Türken still sitzen und in kommendem Jahre nicht agiren, so ist alles vergebens und aus mit uns. Ich recommandire Euch also, nicht Fleiss, noch Mühe und Adresse und nichts zu sparen und es zu Meinem Zweck zu bringen. Ich werde dagegen aber gewiss sein Euer gnädiger König und dankbarer Herr

Friderich.

Nach dem Concept.439-1



439-1 Dem Boten, der obiges Schreiben nach Konstantinopel überbringen sollte, wurden Empfehlungsschreiben des Königs an den Starosten von Kaniow, Graf Potocki, und an den englischen Gesandten Porter mitgegeben, d. d. Breslau 24. December. Graf Potocki, dessen Besitzungen an der moldauschen Grenze lagen, sollte dem Boten einen Pass zur Weiterreise durch die Türkei ausstellen.