11017. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON MANTEUFFEL.273-1
Reich-Hennersdorf, 1. Juni 1759.
Ich schicke Euch hier anliegend eine Aussage eines Menschen aus Polen, die er Mir mündlich erstattet hat. Er versichert, alles selbst gesehen zu haben. Der Major Reitzenstein von Zieten, so der Gegend von Glogau stehet,273-2 und mit dem Ihr correspondiren könnet, hat noch zwei Leute, so er ausgeschicket hat;273-3 nach deren Zurückkunft wird er an Euch schreiben.
Ihr werdet bald sehen können, inwieweit die Zeitungen wahr sind. Denn ist es gewiss, so müsset Ihr es dorten wissen. Dass die Russen nicht gegen Pommern mit einem Detachement agiren sollten, ist nicht zu vermuthen. Wann es sich dorten von allen Seiten confirmiren sollte, dass von denen Russen sich alles gegen die Warthe ziehet, so müsset Ihr sonder Zeitverlust nach Landsberg marschiren, und werde Ich das<274> Corps von Meines Bruders Armee, so über Torgau marschiret, beordern, seinen Weg auf Frankfurt an der Oder zu nehmen, auf dass es desto eher im Stande seie, zu Euch zu stossen. Sollte es nun geschehen, dass die Russen die Belagerung von Glogau wirklich vornähmen,274-1 so könnte auf solchen Fall von zwei Sachen hernach eine unternommen werden. Die erste wäre, gerade nach Posen zu marschiren, um dem Feinde seine Magazine daselbst zu nehmen, die andere, auf jenseit der Oder den Feind zu attaquiren, und hätte er, wenn er da geschlagen sein würde, diesseits der Oder keine Retraite mehr offen. Gegen den 8. Juni sollen sie anfangen zu agiren, wie es heisset, und wird man, wenn nur erst etwas von obigem eintrifft, judiciren können, ob das andere auch eintreffen wird.
Es wird ohnumgänglich nöthig seind, in Küstrin sofort vor die Subsistance der Armee zu sorgen und sofort von Stettin allda was hinzuschaffen. So ich was mehreres erfahre, werde es gleich hinschreiben.
Friderich.
Nach der Ausfertigung im Kriegsarchiv des Königl. Grossen Generalstabs zu Berlin. Der Zusatz eigenhändig.
Aussage eines angekommenen Canonicus von Gnesen.
Der Canonicus hat ausgesagt, er sei am 29. Mai von Posen abgegangen, wo es von russischen Officieren und Leuten gewimmelt habe. Den 28. sei Fürst Gallitzin mit dem Corps von Thorn, mit 6000 Mann, bei Posen angekommen.
„Den 2. Juni soll der General Fermor mit der ganzen Armee zu Posen ankommen, und soll die ganze Armee noch vor dem 8. diesseit Posen campiren.
„Sie hätten ihren Anschlag auf Glogau, und hätten die Officier durchgängig gesprochen, dass, wenn sie nur Glogau hätten, alsdann Schlesien ihre wäre.
„Er wüsste gewiss, weil er sehr viel gute Freunde unter denen Officiers, welche ihm alle versichert, dass alles abgeredet wäre zwischen Fermor und Daun, dass sie auf einen Tag anrücken und attaquiren wollten, und man dahero nicht dabei den Widerstand thun und abhalten könnte.274-2
„Er wüsste gewiss, dass längst der polnischen Grenze sehr viele Contracte sowohl mit Juden als mit andern Leuten gemacht wären, so binnen acht Tage Frist Fourage und Mehl liefern müssten nach Kaiisch . . . 50000 Mann schätze man die russische Armee, und wäre sehr wenig, was gegen der Neumark stände, sondern die Hauptarmee sollte hier mit Daun, wie alles abgeredet wäre, zugleich agiren . . .
„Die polnische Juden spionirten sehr, sowohl in Glogau als in ganz Schlesien, und hätten die Russen davon die besten Nachrichten immer.“
<275>273-1 Manteuffel befand sich im Monat Juni nach seinen vorliegenden Berichten bis zum 6. in Stargard, am 9. in Soldin, am 12. und 14. in Landsberg a. d. Warthe.
273-2 Vergl. S. 241.
273-3 Der Major von Reitzenstein sandte, Lerchenberg 31. Mai, an den König den Pater von Gondkowsky, der dem Könige alles, was er über die küssen wisse, mündlich sagen werde. Auf dem Bericht Reitzenstein's finden sich Weisungen [Bleinotizen] zur Antwort : „. . . Ich hätte sehr oft gesehen, dass der Mensch falsche Zeitungen und was närrsch gesagt hätte; es wäre positiv, dass die küssen nicht stärker als 42000 Mann reguläre Truppen wären und dann 8 oder 9000 Kosacken. Dass die Leute mit solchem schwachen Corps sich theilen sollten, könnte Ich Mir nicht vorstellen.“
274-1 Auch dem Commandanten von Glogau, Oberst von Hacke, übersendet der König am 1. Juni die „Aussagen“ des Canonicus; er fügt hinzu: „Ich sollte unterdessen nicht glauben, dass die Russen gegen Glogau agiren wollten; indessen habe Ich Meine Mesures doch schon so genommen, dass Ich dem Feinde hierunter werde begegnen können; nnr habet Ihr Euch bei denen Umständen vor allem Ueberfall auf das sorgsamste zu hüten.“
274-2 So.