12005. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.
Freiberg, 13. April265-1 1760.
[Eichel dankt dem Minister für das Schreiben vom 10. April.]
Von dem, was Ew. Excellenz in Dero Bericht vom selbigen Dato des Königs Majestät geschrieben haben,265-2 seind Höchstdieselbe überall um so mehr zufrieden gewesen, als es mit Sr. Königl. Majestät Denkensart völlig harmoniret; Sie haben vor diesesmal noch nicht darauf geantwortet, weil Sie solches Anstand geben wollen, bis Sie zugleich etwas interessantes schreiben können.
Hier ist bis dato noch alles in den vorigen ruhigen Umständen, und werden von beiden Theilen nur hier und da einige kleine Mouvements gemachet, um sich de longus main zu der zu eröffnenden Campagne zu arrangiren. Heute Vormittag hat der Feind eine starke Recognoscirung gegen den hiesigen Posten von der Seite von Frauenstein vornehmen wollen, und ein gewisser österreichscher General, dessen Namen ich nicht weiss, ist deshalb auf den Posten von Burkersdorf, ohngefähr zwei Stunden von hier, mit einem Commando von 350 Husaren und Dragoner gestossen. Der auf gedachtem Posten stehende Obristlieutenant Kleistschen Regiments von Röell, so ohngefähr an 250 Husaren bei sich hat, ist allerte gewesen und hat, ohne sich zu zeigen, seine Vorposten von dem Feinde in Burkersdorf hereinjagen lassen; da er aber demselben gleich darauf auf einmal auf den Hals gefallen, hat er solchen ganz auseinandergesprenget und durch die daselbst befindliche übele Défilés geiaget. dass er sich in grossester Eil und Confusion nach den Gegenden von Dippoldiswalde mit Hinterlassung verschiedener Todten retiriret, auch seine Fiucht so pressiret hat, dass man nur 2 Officiers, 2 Unterofficiers und 4 Gemeine, Husaren und Dragoner, die mehrentheils blessiret gewesen, bekommen und hieherschicken können.
Des Königs Majestät haben nunmehro Dero Campagne dergestalt reguliret, dass Sie hier in Sachsen bei der Armee bleiben, des Prinz Heinrich Hoheit das gegen die Russen sich formirende Corps d'armée an der Oder oder in Pommern commandiren werden, der General von Fouqué aber mit einem aparten Corps in Schlesien gegen die Oesterreicher stehen bleiben wird. Die Ursache, so des Königs Majestät bewogen, von Dero sonst gefasseten Resolution, die Armee gegen die Russen Selbst zu commandiren, zu ändern, ist, dass bei denen jetzigen überall critiquen Umständen von Krieges- und Friedensaffaires Sie hier gleichsam in der Mitte und mehr à portée seind, sowohl eine Connexion mit des Prinzen Ferdinand von Braunschweig Durchlaucht zu unterhalten, als auch, nachdem die Évènements gehen und es an die Hand geben werden, Sich [mit] einem erforderlichen Corps Truppen als Selbst Kriegesherr gleich auf die oder jene Seite zu werfen, wohin es erfordert wird, und endlich auch wegen derer Negociationen, so vermuthlich doch immer continuiren werden, desgleichen, falls, wie es scheinet, die Oesterreicher vor dieses Jahr ihre grösseste Efforts auf Schlesien thun und Daun selbst en force sich dahin ziehen wollte, gleich bei der Hand zu sein: welches alles nicht so mit der gehörigen Promptitude geschehen mögen, wenn wegen der Russen die Umstände es etwa erfordert hätten, dass des Königs Majestät, wenn Sie jenes Corps commandiret, mit solchem nach Hinterpommern, um Colberg zu souteniren, rücken müssen. Des Prinz Heinrich Hoheit scheinen auch solches Commando mit Plaisir übernommen zu haben, und des Königs Majestät setzen Dero Corps so, dass der Prinz allemal dein Feinde damit auf den Hals rücken und glorieuse Coups gegen solchen machen kann.
<266>Ich muss nunmehro wohl zu der Hauptcommission kommen, von welcher mich des Königs Majestät nur sogleich an Ew. Excellenz chargiret haben. Ew. Excellenz werden erachten, dass der König mit Deroselben über einen Secours von der Pforte gleiche Idées haben. Wir wünschen und hoffen, dass die Couriers, welche Sr. Königl. Majestät letztere Dépêche an den von R[exin]266-1 nebst denen beiden von Ew. Excellenz expedirten Schreiben überbringen, glücklich ankommen mögen. Sie zweifeln alsdann nicht, dass, da Dero letztere Instructions vor den R[exin] so ample und auf alle nur ersinnliche Fälle gerichtet sein, bei dem Empressement, so der Grossvezier nach der letzteren Dépêche selbst bezeiget hat, alsdann der Alliancetractat nicht sofort gezeichnet und weiter zur Sache geschritten werden sollte. Damit aber durch die Sr. Königl. Majestät Meinung nach erforderliche Ratification des Tractats die Sache nicht neue Anicroches bekomme, wenn wider Verhoffen der Grossvezier auch solche noch berichtiget und ausgewechselt haben wollte, so ist Sr. Königl. Majestät Intention, dass Ew. Excellenz dergleichen Ratification in lateinischer Sprache sogleich völlig ausfertigen und Anfang und Ende mit den gewöhnlichen Formalien, goldenen Buchstaben und wie es sonst überall sein muss, in das Reine schreiben, auch mit dem erforderlichen grossen Siegel versehen lassen möchten.
Da ich aber mir die Freiheit genommen, zu erinnern, dass, so viel ich wüsste, es usuel sei, dass in dergleichen Ratificationsinstrument allemal der Tractat selbst von Wort zu Wort inseriret werden müsste, wir aber gegenwärtig noch nicht einmal eigentlich wüssten, aus wie vielen Articuln und worin eigentlich diese bestehen werden, so haben des Königs Majestät solches Obstacle dadurch heben wollen, dass
1) bei Ew. Excellenz das dem R[exin] mitgegebene Projet des Tractats sei und also man solches zum Grunde nehmen, selbiges in Lateinisch übersetzen nnd alsdenn in dem Original-Ratificationsinstrument zwischen Anfang und Schluss ohngefähr so viel Platz gelassen werden müsste, dass dieselbe Hand, so das andere von der Ratification geschrieben, [wann] der Rexin die Articuls dem König eingeschicket haben würde, solche alsdann noch inseriren könne... An diesem Ratificationsinstrument möchten also Ew. Excellenz nur alsofort arbeiten und es vorstehender Maassen in das Reine setzen, auch mit dem gehörigen Siegel versehen lassen, auch, sobald es fertig sein würde, nur sofort an Se. Königl. Majestät durch denjenigen, der das Mundum geschrieben, anhero überschicken, welchen ich dann so lange, bis des R[exin] Tractat oder Bericht angekommen sein würde, bei mir behalten sollte, damit er alsdenn das Vacuum in dem Instrument ausfüllen, Se. Königl. Majestät aber solches sogleich unterschreiben und von dem Orte ab, wo Sie Sich der Zeit befinden werden, geradesweges nach Konstantinopel oder sonst schicken können. Denjenigen, der es mundiret hat,<267> werden Se. Königl. Majestät alsdenn an Ew. Excellenz unter aller behöriger Sicherheit wieder zurücksenden.
Es finden Höchstdieselbe alle vorgedachte Umstände, und dass das verlangte Instrument Deroselben so bald als möglich befohlener Maassen zugesandt werde, um so nothwendiger, als es geschehen könnte, dass, wenn etwa Daun mit einem starken Corps oder dem grössesten Theil seiner Armee sich auf Schlesien ziehen wollte, um eine Belagerung von Neisse oder dergleichen, so wahrscheinlich der Laudon mit einem aparten Corps unternehmen wird, zu souteniren, und also des Königs Majestät gleichfalls mit einem proportionirten Corps d'armée dahin zu gehen Sich pressiren müssten, um den General Fouqué zu souteniren, es geschehen könnte, dass alsdenn die erwartete Dépêches von R[exin] mit dem Tractat oder Copie davon ankämen, da dann Se. Königl. Majestät von Ew. Excellenz sehr weit entfernet, auch vielleicht eben gar keine Communication mit Deroselben zur sichern und zuverlässigen Correspondance haben würden, mithin eine so importante Sache, als diese ist, dadurch, wo nicht gar aufgehalten, doch sehr embarrassiret werden könnte. Deshalb des Königs Majestät alles lieber völlig präpariret bei Sich haben wollen.
Sie überlassen auch Ew. Excellenz Einsicht, ob es nicht gut sein dörfte, dass Ew. Excellenz noch ein Schreiben an den Sultan und eins an den Grossvezier eventualiter präpariren lassen und mitschicken wollten, um etwa dem Sultan und letzterem über den gezeichneten Tractat ein convenables Compliment zu machen und nochmalen sie der beständigen Freundschaft und Observanz des Tractats p. zu versichern, auf den Fall etwa R[exin] dergleichen wieder verlangen möchte.
Endlich haben des Königs Majestät noch von Ew. Excellenz verlanget, dass Dieselbe darauf denken und Sich zuverlässig informiren möchten, ob es bei der Pforte [usuel sei, dass] bei Schliessung dergleichen Tractats nicht nur dem Grossvezier, sondern auch dem Sultan selbst nach der Etiquette Präsente gemachet werden müssten . . . Ich habe nicht ermangeln sollen, Ew. Excellenz alles ganz fidèlement so zu melden, wie es mir aufgetragen worden.
Es folgen Bemerkungen aber die Sprache, in welcher der Tractat abgefasst werden solle, über die Form des Siegels u. s. w.
Was ich übrigens mit Zuverlässigkeit melden kann, ist, dass des Königs Majestät wohl gegen den 21. oder 22. dieses mit einem Theil Dero Truppen von hier aufbrechen und sich in das schon präparirte Lager hinter den Fluss die Triebsche bei Meissen setzen dörften. Wenn Ew. Excellenz vernehmen werden, dass solches geschehen, so wollen Dieselbe daraus nicht judiciren, als ob des Königs Majestät Sich zurückziehen müssten oder vom Feinde dazu obligiret worden, sondern es geschiehet bloss deshalb, dass solches ein festes Lager, aus welchem Se. Königl. Majestät allemal, wohin Sie es nöthig finden, detachiren können; dass Sie in solchem vermittelst Meissen und dasiger Brücke<268> eine freie Communication über die Elbe behalten und endlich Dero Truppen enger zusammen haben.
Eichel.
P. S.
Nachdem der Feind sich von hier stark nach Schlesien drehen wird und daselbst seine Efforts wird thun wollen, kann es leicht geschehen, dass des Königs Majestät schon den 8. oder 15. Maji in Schlesien seind.
Auszug aus der Ausfertigung.
265-1 Vom 13. April ein Schreiben an dArgens in den Œuvres Bd. 19. S. 153. Daselbst S. 150 und S. 156 Schreiben an d'Argens aus dem April ohne Tagesdatum.
265-2 Finckenstein hatte seine Entrüstung über die „tournure indécente“ geäussert, weiche man der Gegendeclaration (vergl. S. 261) gegeben habe.
266-1 Nr. 11954.