12051. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Lager bei Meissen, 1. Mai 1760.

. . . Durch diejenige dechiffrirte Dépêche des Herrn von Viereck, so Ew. Excellenz mir zu communiciren geruhet,311-4 schienen des Königs Majestät in Dero Sentiment gestärket zu werden, dass es dem quästionirten Hofe311-5 an einer fermen Resolution fehlen werde, einen in der ersten Fougue vermuthlich aus Dépit genommenen Entschluss, wegen eines Refus in der holsteinischen Tausch- und in der schleswigschen Sache,311-6 standhaft zu verfolgen. Die emblematische Aeusserungen, so jedoch der von Bernstorff gegen gedachten Herrn von Viereck gethan,311-7 machen,<312> dass des Königs Majestät die näheren Nachrichten deshalb mit Ungeduld erwarten. Sie rechnen nicht auf die ganze Sache, Sie approbiren aber sehr, dass Ew. Excellenz an Dero Herrn Correspondenten312-1 geschrieben und über diese apparentliche Contradiction einiges Éclaircissement gefordert haben. Des Königs Majestät glauben, dass der grösseste Appât, so den Hof en question dahin bringen dörfte, eine Resolution von Fermeté zu fassen, die offerirten Subsides von 400000 Thaler sein dörften; daher Dero Intention ist, dass Ew. Excellenz nur gleich mit solchem herausgehen möchten.

Ich unterstehe mich, en passant hierbei zu erinnern, dass man unsererseits hierbei wegen der Münzsorten einige Précautions zu nehmen haben würde. Man wird hiesigerseits vermuthlich solche geben wollen, wie man sie hier hat, welches gegen die dortige sehr differiren dörfte. Das Geld dazu ist sonsten schon mit Anfang kommenden Monates parat und fertig. Ich vor mich glaube inzwischen, dass das wahre Interesse gedachter Krone noch dazukomme; denn wenn wider das, was wir hoffen wollen, die Russen ihr vastes Dessein, so sie aus Orgueil schon zu bloss gegeben, erreichen und sich Meister von dem königlichen und polnischen Preussen nebst Danzig, wornach sie schon so stark gefreiet haben, machen, überdem noch ihre Lisière über Colberg und Stettin längst der Oder auf Frankfurt ziehen sollten, alsdenn die nordischen Kronen nebst Polen ihnen wohl das Hommage leisten nnd Dänemark insonderheit wegen der herzoglich holsteinschen Possessionen eine geringe Rôle spielen würde. Ich erinnere mich, was mir der selige Feldmarschall von Keith deshalb ehemals gesaget hat, und dass solches schon zu Zeiten des Bestushew der Plan, wo nicht in totum, doch in tantum gewesen sei.

Das in Original anliegende Schreiben des von Bielfeld nebst dazu gehöriger Pièce312-2 ist Sr. Königl. Majestät just in dem Intervalle zugekommen, da Sie von Meissen nach Freiberg zurückkamen und Tages darauf mit Dero dortigem Corps hieher zum Lager aufbrechen wollten; daher Sie wegen anderer überhäufter Arbeit keine Attention darauf genommen und nichts deshalb geantwortet haben. Ich nehme mir die Freiheit, Ew. Excellenz solches mit zuzusenden. Nach meiner geringen Einsicht ist die Idee davon sehr gut und nöthig, denn es wohl ohnstreitig ist, dass diese Sache bei den mehristen noch immer ein Stein des Anstosses gewesen, dessen sich der Wiener Hof meisterlich bedient hat und noch bedienet, um das Publicum zu eblouiren. Ich weiss nicht, ob es schaden könnte, wenn der Herr von Bielfeld nach seiner Offerte dergleichen seines Ortes unter der Hand sowohl im Französischen als Teutschen drucken liesse, da Hamburg meines Ermessens immer der Ort ist, wo dergleichen am ersten durch Deutschland und auswärtig herumkommen kann. So viel ich seine Pièce in der Eil durchsehen können, so ist solche wohl in verschiedenen Stücken schwach, und, da er nicht vollständige Nachrichten haben können, in manchem mangelhaft; es wäre aber, wenn solche etwas rectificiret würde, immer ein Avantcoureur von einer durch eine gute und besser informirte Feder aufzusetzenden folgenden Pièce, die einem geschickten Verfasser, wenn er dazu authentique Nachrichten eingezogen, Ehre machen könnte.

Alle insolente Reichshofrathspublicata schreien von einem ausgeraubten, geplünderten und gänzlich ausgesogenen Sachsen, und die sächsischen Federn haben das ihrige auch durch die grobesten Lügen redlich dazu beigetragen. Des in Berlin<313> jetzo befindlichen Herrn von Borcke Excellenz313-1 werden Ew. Excellenz sagen können, was denn eigentlich der König aus Sachsen währendem Kriege gezogen hat, und ich offerire mich, solches noch aus denen Rechnungen des Oberdirectorii nachzuweisen. Es ist bekannt, dass Sachsen vorhin seinem Landesherren 7 bis 8 Millionen aufbringen müssen. In dem ersten Jahre des Krieges, Anno 1756, da des Königs Majestät Meister von den ganzen Landen waren, haben Dieselbe an Gelde, da Sie Sich mit den ordinären Revenus begnügen Hessen, nicht 300 oder 400000 Thaler daraus bekommen, vielmehr das Magazin vor Dero Armee aus Dero eigenem Beutel gemachet und vor Dero Geld in Sachsen erkaufet, so Deroselben, wie der Geheime Rath Schimmelmann am besten weiss, über 4 Millionen von Dero eigenem Gelde gekostet hat, davon das mehriste in Sachsen geblieben. In Anno 57 werden des Königs Majestät nicht viel über 2 Millionen aus Sachsen bekommen haben, und ist in solchem wiederum denen Unterthanen die vor die Truppen gelieferte Fourage und Getreide zu denen Magazins bezahlet worden. Bei denen beiden Jahren von 58 und 59, da des Herrn von Borcke Excellenz mit [denen Ständen Conventions auf ein gewisses Quantum von 5 und respective 6 Millionen überhaupt getroffen, seind denen sächsischen Unterthanen wiederum alle Lieferungen sowohl zu denen Magazins als vor die Armee und auf Märschen — wiewohl mit der Modification, dass es nach der Kammertaxe, statt der hohen Marktpreise, so ihnen vorhin bezahlet worden, geschehen, welches allemal ein Quantum von anderthalb bis zwei Millionen betragen — von dem Conventionsquanto bezahlet worden, welche ihnen noch dazu gleich auf die erstere Monate von der Contribution abgerechnet und vergütet worden, ehe sie fast einen Thaler auf die currente Contribution bezahlet; daher dann auch die be[deutende] Reste entstanden, wenn die Umstände durch Einrücken feindlicher Truppen in den folgenden Monaten verwirret worden, da die sächsische Unterthanen gar nichts mehr an den König bezahlet haben. Wenn ich also hierzu rechne, was an Verpflegungsgeldern vor die Truppen baar nach Sachsen gegangen, so glaube ich, dass bei einer zu ziehenden Balance Sachsen mehr Geld von dem König gezogen, als er daraus erhalten hat. Welches auch die Churprinzessin der verstorbenen Königin sehr handgreiflich gemachet und dargethan hat, wie in Sachsen niemalen so viel baares Geld gewesen, als zur Zeit des jetzigen Krieges.

Was Leipzig vor sich apart bezahlen müssen, solches rechne nicht mit, und seind besondere Ursachen dazu gewesen.313-2 Dass aber die sächsischen Stände sich ihrer Autorité, da ihnen die Subrepartition des königlichen Contributionsquanti soutane überlassen worden, gemissbrauchet und weit höhere Summen auf das Land ausgeschlagen haben, die nachher nach Warschau, nach Dresden und zu Verpflegung der von uns desertirten sächsischen Regimenter heimlich gegangen, auch wohl in Privatbeutel gekommen seind, davon habe ich des Herrn von Borcke Excellenz einige Beweisthümer geschicket, ohne zu wissen, ob darauf reflectiret worden; jetzo nicht zu erwähnen, was die Oesterreicher an Gelde aus Sachsen gezogen, und der violenten Mittel, so sie sich zu deren Beilreibung bedienet haben. Ich bitte Ew. Excellenz sehr um Vergebung dieser weitläufigen Digression; ich habe Deroselben nur eine ganz legère Idee von der so ausgeschrieenen sächsischen Financirung geben wollen, und [wie] wenig des Königs Majestät dabei interessiret haben.

Ich wünschete nur noch, wie ich immer gethan, dass dem Publico von Zeit zu Zeit das Gedächtniss von den wahren Ursachen des Krieges durch kleine, aber wohl ausgearbeitete Pièces volantes möchte rafraichiret werden, damit der Wienersche Hof nicht das Calumniare audacter so gar impunément durch unsere zu grosse Modestie exerciren und durch die insolente und an sich nichts bedeutende Worte von Empörung und Vergewaltthätigung dem Publico Sand in [die] Augen werfen möchte, ohne dass dieses jemals mehr desabusiret werde.

Eichel.

Auszug aus der Ausfertigung.

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311-4 D. d. Kopenhagen 22. April.

311-5 Dem dänischen Hofe. Vergl. Nr. 12045.

311-6 Vergl. Schäfer a. a. O. Bd. II. 1, S. 30 ff., Bd. II. 2, S. 489.

311-7 Viereck hatte berichtet, dass sowohl er, als auch der englische und der hannoversche Gesandte den Minister Bernstorff ersucht hätten, „de vouloir bien nous dire ce que nous avions à écrire à nos cours respectives sur une nouvelle aussi extraordinaire, vu que les ministres des cours ennemies commençaient déjà à triompher d'un changement total du système de Sa Majesté Danoise“ ; Bernstorff habe ihm darauf die Antwort erlheilt, „que la chose faisait beaucoup plus de bruit qu'elle ne méritait, qu'il pouvait m'assurer qu'il n'y avait pas encore neuf ou dix mois où il n'avait pas cru qu'elle serait possible, mais qu'il s'était passé depuis quelque temps en Russie des choses qu'on n'avait pas pu prévoir“ .

312-1 Münchhausen. Vergl. S. 305.

312-2 Bielfeld hatte, Hamburg 17. April, den Entwurf einer Broschüre über die Entschädigung Sachsens eingesandt. Dieser Entwurf liegt nicht mehr vor.

313-1 Der Präsident des Feldkriegsdirectoriums in Sachsen.

313-2 Die Leipziger hatten die Reichsarmee begünstigt.