12859. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.
Meissen, 30. April 1761.
Ich hoffe, dass Ew. Excellenz mein gestriges unterthäniges Schreiben,1 so ich annoch über Leipzig gehen lassen, richtig zugekommen sein werde. Gegenwärtiges dirigire ich über Wittenberg, weil die Regimenter sich nunmehro in den Marsch setzen, um sich in denen Lagern zusammenzuziehen, wie dann auch die Regimenter, 50 den Winter über in Leipzig gestanden, morgen von dar aufbrechen werden, und also dorten nichts weiter als die ordinäre Garnison unter dem Major von Keller bleibet: daher dann zu erwarten stehet, wie weit die Wege daherum sicher bleiben werden oder nicht. Des Königs Majestät dürften morgen von hier nach Schlettau gehen, daselbst ein paar Tage noch bleiben und alsdann Dero Ew. Excellenz bekanntes Vorhaben2 weiter poussiren. Ich hätte sehr gewünschet, dass Se. Königl. Majestät vor Dero Abgang von hier noch einige interessante Briefe aus Engelland bekommen hätten; ich bescheide mich aber auch, dass sich solches nicht zwingen lasset und also solches nicht eher als nach der von Demselben gestern an Ew. Excellenz gegebenen Direction von Glogau aus wird geschehen können. Der Allerhöchste gebe nur, dass inzwischen alles überall wohl gehe und Sr. Königl. Majestät Wunsch und Intention erreichet werde. Das Oberdirectorium, Feldcommissariat nebst allen Kassen werden heute vermuthlich schon nach Torgau gehen, als wohin ihnen der Ort ihres weiteren Aufenthaltes vorerst angewiesen worden.
In Schlesien fänget sich alles schon an zu regen. Da sich der General Laudon bei Braunau zusammenzuziehen angefangen und also der Generallieutenant Goltz auch sein Corps näher zusammenhalten, mithin Landeshut und das schlesische Gebirge, weil er alles nicht zugleich defendiren kann, verlassen und sich in der Gegend von Schweidnitz halten müssen, so hat gedachter General Laudon die Stadt Landeshut und dasige Gebirgsgegenden wiederum occupiren lassen und vermeinet der General Goltz nicht davor zu repondiren, dass ersterer sich ganz genau an die zwischen ihnen getroffene Neutralitätsconvention binden werde, die sonsten auf eine illimitirete Zeit errichtet worden, doch so, dass dabei stipuliret ist, wie auf den Fall ein oder anderer Theil nicht mehr von seiner Convenience fände, die Convention zu continuiren, er solche fünf Tage vorher dem andern aufkündigen wolle. Der Generallieutenant von Werner, der ein grosses dadurch hasardiret hat, dass er selbst nach Stolpe gereiset ist, um sich daselbst mit dem General Tottleben zu besprechen, von wo er aber schon den 22. dieses nach Cöslin zurückgekommen, hat die sonst im Monat Mai zu Ende gehende dortige Neutralitätsconvention bis zum 1. Juni, als wozu der General Tottleben von seinem Hofe autorisiret zu sein declariret hat, prolongiret; ersterer vermeinet solche noch bis zum 15. Juni zu bringen, und wird jetzo die Prolongation darüber erwartet. Inzwischen die Russen mit ihren Präparatorien zur Campagne continuiren und meinen, den 15. Mai aus ihren Quartieren sich zusammenziehen zu können. Ob es nun dabei bleiben oder aber ob die Dépêches aus London, so der Prinz Galizin mit dem Courier, welcher den 20. dieses zu Stettin retour passiret ist, [nach Petersburg geschicket,] bessere Impressiones auf den Petersburgischen Hof machen werden, solches muss sich in kurzem aus denen Bewegungen derer Russen zeigen. Ich wollte daher fast anräthig sein, dass ohnvorgreiflich Ew. Excellenz einige Correspondance mit des Herzog von Bevern Durchlaucht zu Stettin etablireten, um von dem dort vorfallenden zeitig informiret zu sein, wenn es auch nöthigen Falls en chiffres geschehen sollte . . . Wenn die pacifiquen Sentiments des russischen Hofes continuiren sollten und dasjenige richtig ist, was der p. von Plotho in seinem Ew. Excellenz von mir gestern zugesandten chiffrirten Schreiben meldet, hergegen aber auch das, was der Champeaux in seinem zugleich an Dieselbe mit eingesandten
1 Nr. 12856.
2 Vergl. S. 368.