12468. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.
Cavertitz,58-1 6. November 1760.
Ew. Excellenz gnädiges Schreiben vom 1. dieses habe nur den Abend späte vor der Deroselben nunmehro schon bekannten, gottlob glücklich ausgeschlagenen Bataille erhalten. Ich kann die Güte des Allerhöchsten nicht genug preisen, dass dieselbe nicht nur einen so glücklichen Ausschlag von dieser ruden und höchst critiquen Affaire gegeben, sondern dass auch dieselbe unsern allergnädigsten Herrn bei der allergrössesten Gefahr, worin Sie Sich exponiret haben und exponiren müssen, conserviret und erhalten hat. Es ist nicht nur die Contusion von einer kleinen Kugel, so Höchstdieselbe auf der rechten Brust, jedoch gottlob ohne einige weitere Folgen noch Incommodité bekommen haben, sondern ich kann Ew. Excellenz, jedoch in besonderem Vertrauen, weil ich nicht gerne etwas mehreres propaliren mag, als was des Königs Majestät Selbst avouiren, [sagen,] dass eine Kanonenkugel dichte hinter des Königs Schultern weggegangen, einer Dero Pagen hinter Deroselben, ingleichen eines Dero Handpferde blessiret worden und Höchstdieselbe in dieser Action Sich wohl in mehrerer Gefahr wie jemalen befunden haben, anderer Gefährlichkeiten, so Deroselben sonst zugestossen, zu geschweigen.
Ich werde nicht nöthig haben, sonst in einiges Détail wegen dieser zwar meurtrièren, aber doch so importanten Bataille [zu entriren], da einestheils der Herr Hauptmann von Cocceji, der dabei überall gegenwärtig gewesen, von allem vorgefallenen am besten wird referiren können, anderntheils des Königs Majestät solches in Dero heutigem eigenhändigen Schreiben an Ew. Excellenz,58-2 hauptsächlich aber in der hierbei liegenden Relation58-3 umständlich berühret haben. Wegen welcher lezterer dann ich an Ew. Excellenz auf allergnädigsten Befehl des Königs Majestät zu melden habe, dass Dieselbe nach einer davon geschehenen recht guten Uebersetzung in das Teutsche, solche sogleich französisch und teutsch drucken [zu] lassen und davon zuvorderst die königliche auswärtige Herrn Ministres, sowie auch des Prinz Heinrich Hoheit, desgleichen den Etatsminister von Schlabrendorff und M. Mitchell mit einigen gedruckten Exemplarien [zu] versehen, auch darauf solche in das Publicum gehen zu<59> lassen hätten. Die darin angeführte specielle Liste derer österreichischen kriegesgefangenen Officiers, ingleichen die [der] von unsern Officiers bei dieser Action gebliebenen und blessirten, bin ich noch nicht im Stande zu übersenden, da wegen der ersteren deren Anzahl sich noch täglich und stündlich vermehret, und viele österreichische blessirte Officiers, so auf denen Dörfern herumliegen, sich noch selbst als Kriegesgefangene angeben, und wegen der zweiten sich die Listen noch täglich ändern, da mancher Officier, der als todt angegeben worden, sich nur blessiret oder gar nunmehro praesens findet und was dergleichen Veränderungen mehr seind. Ich werde aber sehr darauf pressiren und sehen, es dahin zu bringen, dass Ew. Excellenz beide Listen nach Vermessung von ein oder zwei Tagen zusenden kann, da denn solche noch als ein Anhang oder Beilage zu der Relation sogleich nachgedrucket, gehöriger Orten nachgeschicket und alsdenn dem Public überlassen [werden] können.
Wegen der Relation selbst muss nur noch mit wenigem anführen, dass solche in allen Stücken, bis vielleicht auf das Compliment, so dem Feldmarschall Daun darin gemachet worden, dergestalt véridique und modeste geschrieben ist, dass manches, so noch zu unserer Avantage gesaget werden können, auch insonderheit bei den Trophées, darin zurückgeblieben und supprimiret worden, um denen Lästerern nicht die geringste Gelegenheit zu ihrem gewöhnlichen Calomniiren zu geben. Mein Gott, wenn die Oesterreicher Gelegenheit hätten, dergleichen Relation zu publiciren, was vor eine Étalage und Galimatias würde nicht davon und bis zum kleinsten Exploit des geringsten Fähnrichs gemachet werden! Der Herr Hauptmann von Cocceji wird unter andern sagen können, was auf dem Marsch nach Kemberg und nachher passiret und wie viel Gefangene gemachet worden, davon in der Relation nichts befindlich.
Bei allem diesen betrübet mich nichts mehr als das Désastre, so Ew. Excellenz Herr Bruder gehabt, gefangen zu werden, wiewohl solches auf eine vor ihn honorable Art geschehen, da es bei einem Choc der Kavallerie unter seiner Anführung vorgefallen, da ihm das Pferd unter dem Leibe todtgeschossen worden und er sogleich nicht ein anders bekommen, noch sich sauviren können. Wohergegen andere, als unser gute Herr General Bülow, durch die Finsterniss der Nacht von der Bataille und da sie auf österreichsche Truppen gestossen, da sie solche vor unsrige gehalten, in solchen Cas gerathen seind.
Ich entrire weiter in diese Affaire, als ich thun sollte, um so weniger, als ich gar nicht dabei gewesen und nur erst den Morgen nachher wieder zu des Königs Majestät gekommen bin, da Dieselbe vor gut gefunden, mich auf dem Marsche zur Bataille nebst andern auf anderthalb Meilen seitwärts zu lassen; dabei wir von der ganzen Bataille, obgleich in solcher von beiden Seiten 4 à 500 bouches à feu gebrauchet worden, nicht einen einigen Kanonenschuss wegen des abstehenden Windes gehöret haben, so dass wir geglaubet haben, dass die Affaire sich erst den folgenden Tag engagiren würde.
Des Königs Majestät poussiren nunmehro weiter vor gegen Dresden, und heute hat sich allererst gezeiget, wie die österreichsche Armee die Nacht nach der Bataille nicht die Zeit gehabt, gänzlich über ihre drei bei Torgau geschlagene Brücken zu passiren, sondern solches nur von einem und vermuthlich grössesten Theil derselben<60> jenseits der Elbe unter dem Feldmarschall Daun geschehen, ein anderer Theil derselben aber unter dem Lacy sich diesseits der Elbe auf Strehla und Riesa retiriret hat, von welchem letzteren Orte sie auf Annäherung des voraus detachirten Generallieutenant Graf Wied sich weiter auf Lommatzsch zurückgezogen hat und der Apparence nach so weiter hin gegen Dresden ziehen oder es zu thun genöthiget werden wird. Ich muss Ew. Excellenz Geduld und Zeit respectiren, und da morgen wieder ganz früh von hier marschiret wird, so muss mir vorbehalten, von dem weiteren Success, insonderheit aber auf obgedachtes Ew. Excellenz gnädiges Schreiben ein mehreres zu melden.
Eichel.
P. S.
Da wir hoffen müssen, dass das hiesige horrible Wetter die diesjährige Campagne baldigst endigen und die Truppen in die Winterquartiere kommen sollen, des Königs Majestät aber alsdenn die von Deroselben gefertigte Bulletins und Relations von der ganzen Campagne zu haben verlangen möchten, so habe Ew. Excellenz gehorsamst ersuchen wollen, diese Bulletins dazu in Zeiten präpariren und zusammen, auch etwa die im vorigen Januario zu Freiberg gefertigte Hauptrelation von der vorjährigen Campagne60-1 dabei legen zu lassen, um solche, wenn des Königs Majestät solche zusammen verlangen sollten, bald anhero haben zu können.
Nach der Ausfertigung.
58-1 Westnordwestl. von Strehla.
58-2 Nr. 12466.
58-3 Nr. 12467.
60-1 Vergl. Bd. XIX, 55. 57.