12553. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.
Meissen, 28. November 1760.
Niemalen ist mir ein Schreiben mehr à propos, wenn ich mich so ausdrücken darf, als dasjenige, mit welchem mich Ew. Excellenz unter dem 26. dieses begnadiget haben, gekommen, so mir der Courier Knorre mit dem von Deroselben an des Königs Majestät gestern gegen Abend abgeliefert hat. Ich hatte soeben zu meiner grossen Surprise ein eigenhändiges Schreiben von des Prinz Eugène von Württemberg Durchlaucht erhalten,125-1 welches, weil es die Zeit nicht leidet extrahiren zu können, in Original beilege, jedoch es nach davon gemachtem Gebrauch mir zu rermittiren ganz gehorsamst bitte, über dessen Einhalt ich etwas embarrassiret war und daher gedachtes Prinzen Durchlaucht nicht anders antworten konnte, als dass eigentlich dergleichen nicht von meinem Ressort wäre und die Gelegenheit, bei des Königs Majestät etwas davon anzubringen, um so schwerer schiene, als Dieselbe Dero Hauptattention in jetzigen Conjoncturen nicht eben auf die schwedischen Sachen richten mochten, überdem von dem Anbringen derer kriegesgefangenen schwedischen Herrn Officiers rebutiret sein könnten, da vorhin schon einige dererselben, die viel darunter versprochen und deshalb auf ihre parole d'honneur nach Schweden erlassen, nicht nur nach ihrer Dahinkunft ganz das contraire [gethan], sondern überdem noch sich von ganz indignen Sachen chargiren wollen. Indess ich doch nicht ermangeln würde, Ew. Excellenz um so mehr von allem Communication zu thun, als ich glaubete, dass Deroselben vorhin schon etwas von dem Projet des in des Prinzen Schreiben angeführeten von Schwerin bekannt wäre, ich auch nicht zweifelte, es würden Ew. Excellenz an ihn, den Prinzen, darüber Selbst zu schreiben Gelegenheit nehmen, daferne Dieselbe in gedachtem Projet etwas reelles fänden. Ich zweifele fast nicht, dass nicht auch gedachtes Prinzen Durchlaucht vorhin an Ew. Excellenz darüber geschrieben haben sollten, und muss Deroselben dahero überlassen, wie weit Dieselbe darüber mit ihm entriren wollen. Da aber des Königs Majestät dasjenige, so Ew. Excellenz in Dero Schreiben wegen der schwedischen Sachen proponiret, in anliegender Antwort 125-2 so sehr goutiret haben, so glaube ich, dass man vielleicht von dem von dem Prinzen genannten Rittmeister von Schwartzer, wann dessen Caractère dergestalt ist, wie ersterer ihn beschreibet, einen guten Gebrauch würde machen können.
Ich wünschete von Herzen, dass diese Sache in einen guten Train gebracht und das Eisen geschmiedet werden könnte, weil es jetzo noch heiss ist. Des Königs Majestät seind zwar in der anzuwendenden Summe von der, so in des Prinzen Briefe<126> enthalten, noch stark different; wie aber, wenn ich es sagen darf, eine Summe von 50 à 100000 Thaler in solcher importanten Sache auch wenig sagen will und dabei nicht zu lesiniren ist, in Consideration derer Summen, so Frankreich in solchen Fällen anwendet, auch des Königs Majestät Selbst in Dero Schreiben an Ew. Excellenz diese Sache der Mühe und aller Attention werth halten, so hoffe ich noch immer, dass Dieselbe ein Quantum von wenigstens 250000 Thaler nicht ansehen werden, um es vorerst zu employiren, da es vielleicht von der Zeit und nach dem Berichte des Herrn von Borcke der Graf Horn bald mit seinen Fonds à sec ist, bis man die Zeit gewonnen, vielleicht das englische Ministère zu disponiren, bei Anschein eines guten Fortganges von der Sache den Rest zu suppliren. Ich, nach meiner faiblen Einsicht, würde es vor einen Coup de parti halten, wenn die Sache zur Réussite gebracht werden könnte. Nicht nur würde man dadurch des, obschon schlechten Volkes los, so doch schon mehr als einmal Berlin menaciret und vielleicht schon mehr als eine Million im Lande Schaden gethan hat; nicht zu gedenken, was es126-1 noch vor Schaden thun könnte, wenn sich einmal, wie es schon auf dem Tapis gewesen, ein Corps Russen oder Oesterreicher, obschon letzteres schwer sein würde, mit ihnen vereinigen und eine aparte Diversion formiren sollte; sondern es gewönnen auch des Königs Majestät ein Corps Dero Truppen von wenigstens 8000 Mann, vor welches ein apartes Magazin zu formiren, jährlich über 300 à 400000 Thaler kostet, welche Sie mit vielem Nutzen an andern Orten Dero Feinde opponiren könnten; zu geschweigen, dass ich mich persuadire, wie die Sache, wenn sie bald und glücklich reussiren sollte, in Frankreich selbst grosse Impression machen und denen Partisans vom Frieden Gelegenheit geben würde, um so mehr auf dessen Schluss zu dringen. Selbst in Russland und vielleicht gar zu Wien dörfte es Gedanken machen über die Suiten, so daher erfolgen könnten, zumalen wenn man letzteren Ortes erst die Schmerzen des gehabten Verlustes am 3, dieses empfinden wird, den die österreichschen Officiers in Dresden nach guten Nachrichten von daher selbst und ohne einen kleinen Mund darüber zu machen, auf 29000 Mann ihrerseits angeben.126-2
Ich wünsche dannenhero höchlich, dass diese Sache bei des Königs Majestät weiteren Ingress haben und bald und nachdrücklich zu ihrer Réussite gebracht werden möge. Die grossesten Évènements in der Welt haben sich gemeiniglich aus einem kleinen Anfang originiret, und wenn in einer ohnedem so übel zusammenhängenden Alliance, wie die jetzige feindliche Alliance ist, nur erst ein, obgleich der kleineste, ausscheidet, so fanget doch dadurch ein jeder derer andern an, auf sich selbst zu gedenken; die Jalousie und Méfiance meliret sich darauf davon, und ein anderer, dem es nicht nach dem Sinne gehet, glaubet sich autorisiret zu sein, einem schon vor sich habenden Exempel zu folgen. Ich gestehe aber, dass ich über die beiden Articuls, worüber des Königs Majestät von Ew. Excellenz Bericht verlangen, embarrassiret bin. Ueber den einen dörfte vielleicht der Herr Schickler Auskunft geben können, woferne es die Zeit litte; zu dem andern weiss ich gar nichts zu sagen. Wenn die Sache erst in ihrem Train wäre, würde der jüngere Herr von Maltzahn, woferne er sonsten wieder heranzubringen wäre, gute Dienste leisten können; was aber inzwischen zu thun, solches verstehe ich nicht, da ich die Personen gar nicht kenne...
Wie sehr sich die Herrn Oesterreicher peiniret, um die rechte Stunde des Daunschen von Torgau depechirten Couriers anzugeben, die sie zuerst den 4. um 10 Uhr Vormittages, nachher den 3. um 10 Uhr Abends dem Publico angegeben, ist bekannt. Ew. Excellenz werden aus meinen deshalb von Torgau eingezogenen Nachrichten einige Umstände deshalb zu ersehen geruhen. Der ganzen Armee ist bekannt, dass um 9 1/4 Abends wegen der stockfinstern Nacht alles vorbei und der Berg quaestionis126-3 schon von dem König emportiret gewesen. Wenn also auch um 10 Uhr Abends Daun seinen Courier mit einer Nachricht von einem erhaltenen Siege<127> abgefertiget hat, so muss er solches als einen nöthigen Umstand angesehen haben, um seinen Hof nicht auf einmal zu sehr zu effrayiren. Ich bin ohnendlich charmiret, dass des Königs Majestät eine so wahre und véridique Relation127-1 davon publiciren lassen, und muss nur noch bitten, dessen eigenhändig corrigirete Relation sorgfältig bei Sich zu asserviren.
[Eichel theilt dem Minister den Inhalt des königlichen Schreibens an Mitchell (Nr. 12551) mit und übersendet eine Abschrift der eigenhändigen Antwort an den König von England (Nr. 12550).]
Eichel.
Ich glaube, dass des Königs Séjour allhier nicht mehr lange dauren dörfte, da heute Dero hiesige Grenadiercompagnie Ordre erhalten hat, den 1. December nach Leipzig zu marschiren.
Auszug aus der Ausfertigung.
125-1 D. d. Schwedt 23. November. Der Prinz schreibt darin, er habe durch einen gefangenen schwedischen Rittmeister von Schwartzer erfahren, „dass man mit einer Summe von 500000 Thaler den schwedischen Reichstag könnte so favorable wie möglich vor die Hofpartei machen. . . Man müsste diesem gefangenen Rittmeister von Schwartzer auf Parole Urlaub nach Stockholm geben, um daselbst mit demjenigen schwedisch-pommerschen Cavalier, Namens von Schwerin (vergl. Bd. XIX, 641), welcher auch jetzo in Stockholm ist, alles zu arrangiren.“
125-2 Nr. 12552.
126-1 In der Vorlage: „er“ .
126-2 Vergl. dazu S. 121. Anm. 3.
126-3 Die Süptitzer Berge.
127-1 Nr. 12467.