12894. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.
Kunzendorf bei Schweidnitz, 20. Mai399-2 1761.
Der König hat die Berichte vom 13. und 24. April erhalten.
Dass Ihr den Freundschaftstractat in einer solennen Audienz mit dem Grossvezier gezeichnet habt, ist an sich ganz gut; die besondere Freude aber, so Ihr deshalb gegen Mich bezeuget, ist noch zu frühzeitig, indem Ihr bei reiferer Einsicht selbst ermessen werdet, dass dergleichen Tractat an sich so wenig etwas reelles mit sich führet als Mir in Meiner jetzigen Situation und Umständen einiges Soulagement noch Hülfe zuwege bringen kann, mithin solcher eigentlich von Mir nicht anders als eine eclatante Chimère anzusehen ist, die im Grunde so viel wie nichts nach sich führet und wodurch Ich nichts gewinne, daferne nicht gleich darauf etwas reelleres erfolget. Wenn Ihr vor drei oder vier Jahren hättet reussiren mögen, dergleichen Tractat zu schliessen, so hätte solches zuwege bringen können, dass in der darauf bis hieher gefolgten Zeit auch der Defensivtractat zu Stande gebracht worden und Ich Mich also währendem diesem Kriege wenigstens in dieser critiquen Campagne einer reellen Hülfe von der Pforte und einer puissanten Diversion von ihr gegen Meine Feinde versichert halten können. Jetzo aber, da der Krieg auf das höchste getrieben und es auf dem Point stehet, dass eine neue Campagne eröffnet werden wird, wo Ich wegen der Mir in der Anzahl so sehr überlegenen Macht derer Feinde eine reelle Hülfe der Pforte und deren Diversion gegen Meine Feinde am<400> allernothwendigsten gehabt hätte, so sehe Ich nicht ab, was Mir durch den jetzt geschlossenen Tractat, ausser der Satisfaction, mit der Pforte in Freundschaft zu stehen, in gegenwärtigem Kriege geholfen sein wird, wenn zumalen der darauf zu erfolgende Defensivtractat, wozu Euch die Pforte den Anschein von einer Hoffnung gegeben, wieder mit so vielen Weitläuftigkeiten, als vorhin der jetzt gezeichnete gehabt, begleitet werden sollte: es wäre dann, dass Ihr die Pforte und deren Minister noch dahin bringen könntet, Mir aus diesem Tractat eine solide und reelle Hülfe auf ein- oder die andere Art auf das schleunigste zuwege zu bringen; und dieses ist es, worauf Ihr und Eure dortige Freunde noch ohnablässig und mit allem Eifer arbeiten müsset.
Ihr müsset wissen, dass Meine Feinde, nachdem Ich den Krieg gegen sie die letzteren fünf Jahre her ohnerachtet ihrer so sehr überlegenen Macht mit Gott und durch Meine Standhaftigkeit gegen sie ziemlich glücklich souteniret habe, entschlossen seind und das Concert getroffen haben, alle ihre letzte und stärkste Efforts anzuwenden, um Mich in gegenwärtiger Campagne mit allen ihren Forces an allen Enden und Orten zugleich und auf einmal zu attaquiren, dadurch unter ihre Füsse zu bringen und Mich von Meinen mehristen Provinzien zu depouilliren. Die Russen alleine wollen nach ihrem Operationsplan Mich in kommendem Monate Junii mit ihren Forces von drei Seiten zugleich angreifen, nämlich mit einem Corps die Stadt Colberg in Pommern belagern, mit dem Gros ihrer Armee nach der Neumark und in Schlesien nach der Seite von Glogau gehen und ein drittes Corps von ohngefähr 20000 Mann durch Polen nach der Gegend von Oberschlesien detachiren, um sich der Orten mit dem österreichschen General Laudon zu conjungiren, der sich alsdenn vorgenommen, Neisse und Cosel zu belagern, auch prahlerischer Weise der Königin von Ungern versprochen haben soll, ihr ganz Schlesien im Monat August zu überliefern, ob er schon, da Ich mit einem Corps d'armée hieher gegangen, um Schlesien zu decken, gleich das schlesische Gebirge, so er vorhin occupiret hatte, schleunig verlassen und sich nach Böhmen zurückgezogen.
Der Maréchal Daun stehet zwar noch in Sachsen bei Dresden mit seiner Armee, der Ich Meinen Bruder den Prinz Heinrich mit einem Corps entgegengesetzet habe. Ersterer aber hat zum Theil schon den General Lacy durch die Lausnitz gegen Schlesien detachiret, und ist kein Zweifel, dass er nächstens mit dem grössesten Theil seiner Armee dahin folgen und Ich alsdenn daselbst drei feindliche Armeen gegen Mich haben werde, als die von dem Daun, die von den Russen bei Glogau und die von dem Laudon nebst denen zu ihm gestossenen russischen Völkern, ausser was in Pommern von den dahin gehenden Russen, auch vielleicht von denen Franzosen passiren wird, welche Miene machen, ein Corps nach Sachsen zu detachiren, um sich daselbst mit denen Reichs- und sächsischen Truppen und was etwa Daun von<401> Oesterreichern da noch zurücklasset, zu conjungiren und wider Mich zu agiren.
Urtheilet selber als ein Officier,401-1 ob es Mir fast möglich sei, auf diese Art überall mit Success Face zu machen. Wird es der Gloire der Pforte und deren Treu und Glauben gemäss sein, wenn sie einen wahren Freund von ihr, den sie jetzo durch einen solennen Tractat in ihre Freundschaft zu nehmen declariret, in jetziger Crise mit Indifférence unterdrücken liesse, da sie denselben durch ihre bereit habende Macht und durch reelle Diversiones gegen Ungern und gegen die Russen ohne alles Risico, vielmehr mit ihrer grossen Avantage retten und sich dadurch eines beständigen und soliden Freundes und Gegenbeistandes versichern kann? Welches alles aber keinen Aufschub leidet. Ich überlasse Euch, zu judiciren, ob Ihr der Pforte nicht unter andern convenablement mit insinuiren und nicht die Reflexion bei ihr gelten machen könnet, dass, nachdem sie einmal den Schritt wegen Euch verstatteter publiquen Audienz und mit dem Grossvezier unterzeichneten Freundschaftstractat gethan, ihr Interesse erfordere, auch nunmehro den zweiten durch reelle Diversion zu Meinem Faveur zu thun und [da]durch ihre eigene Sicherheit und Avantage zu befördern, weil nichts gewissers sei, als dass die Oesterreicher und Russen der Pforte gedachten ersten Schritt nicht vergeben, sondern, wenn sie zuvor ihre Absicht erreichet, Mich unter ihre Füsse zu bringen, hernach mit vereinigten Kräften es ressentiren und auf die Pforte fallen würden.
Wenn Ihr meinet, dass der jetzige Tractat, weil die Pforte solchen keinem derer dortigen feindlichen Minister communiciren lassen, sehr imponiren und Ombrage aus Beisorge secreter Articul geben werde, so betrüget Ihr Euch, indem Benoît Mir unter dem 15. dieses schreibet, dass man schon Briefe aus Konstantinopel von Eurer Audienz und einem von Euch mit dem Grossvezier den 2. April gezeichneten Tractat habe,401-2 weil man aber schon wisse, dass es nur ein simpler Freundschaftstractat sei, sich darüber ganz ruhig bezeigete.
Das beste, so Ich in Euren jetzigen Berichten finde, ist der Vorschlag, welchen Euch der Kesseder-Aga401-3 wegen des Chan der Tartaren gethan;401-4 versäumet also nicht einen Augenblick, durch die Euch bekannte Personen, Mittel und Wege darauf zu arbeiten, dass dieses fordersamst effectuiret werde. Das Geld, so erfordert wird, um den Chan zu disponiren, müsset Ihr nur sogleich aus denen Posten nehmen, worauf Ich Euch vorhin schon zu Soutenirung Eurer Negociation Credit machen lassen — eine andere neue Remise deshalb würde zu weitläuftig sein und zu spät kommen —, da Ich Eure Fonds nöthigen Falls immer wieder refraichiren kann. Ich schreibe sogleich an den Benoît, dass derselbe deshalb mit dem von Euch genannten polnischen Starosten<402> insgeheim und ohne dass Ich äusserlich dabei erscheine, correspondiren und, wenn die Sache succediret, die vor den Chan zum Losbrechen erforderliche Summe auf Euch assigniren soll. Arrangiret Euch also cito mit dem Benoît deshalb und assistiret ihn mit Eurem guten Rath und Beistand.
Meinem Minister Graf von Finckenstein habe Ich schon die Ordre gegeben,402-1 die von Euch verlangete Danksagungsschreiben an den Sultan und an den Grossvezier, desgleichen auch das neue Ratificationsinstrument über jetzigen Tractat in allen Stücken, so wie Ihr es verlanget habet, auszufertigen und Euch darin den Charakter Meines Envoyé extraordinaire an die Pforte beizulegen. Um alles darunter so besser beobachten zu können, habe Ich ihm Eure beide Berichte communiciret.
Es wird aber Mühe haben, Euch diese Expeditiones durch Polen, so bald wie Ich wünsche, in jetzigen Umständen sicher durchzubringen. Hier soll es an Fleiss nicht fehlen; nur schreibe Ich Euch dieses, wenn etwa diese Instrumente länger, als Ich wünsche, ausblieben und die Minister der Pforte darüber Ungeduld bezeigen wollten.
Die Bestellung und Besorgung derer Präsente vor den Sultan, Grossvezier und übrige Bediente von der Pforte, so zu dem jetzigen Tractat concurriret, habe Ich gleichfalls gedachtem Grafen von Finckenstein zu besorgen aufgetragen ; Ihr werdet aber selbst ermessen, dass in diesen Umständen es nicht möglich sein wird, solche durch Polen, noch weniger durch Teutschland an Euch durchzubringen, und dass mithin kein Weg dazu übrig bleibet als der zur See mit englischen oder holländischen Schiffen. Indess werden solche gewiss erfolgen, nur müsset Ihr den Verzug nöthigen Falls mit gedachten gegründeten Ursachen entschuldigen. Vor den Dolmetscher der Pforte und den Panajodor402-2 will alsdenn auch convenablement gesorget werden. Was den Barcker402-3 und den Secretär des englischen Gesandten anlanget, da kann Ich wegen dieses Tractats nicht an ganz Konstantinopel Präsente geben. Nach Engelland werde Ich durch den Grafen von Finckenstein schreiben lassen, um von dem dortigen Hofe der Pforte einige Politesses wegen des geschlossenen Tractats bezeigen zu lassen; Ich zweifele aber an dem Success davon.
Ist es möglich, so arbeitet inzwischen bei der Pforte an baldigstem Schluss der Defensivalliance und, was noch besser, dieselbe zu einer prompten und schleunigen Diversion gegen die Oesterreicher und Russen, da es Zeit davon ist, zu disponiren. Hier ist jetzo prompte und reelle Hülfe nöthig, Versprechungen helfen Mir nichts, wenn sie auch von dem Grossvezier selbst kommen.
Vermuthlich wird dorten in Konstantinopel jetzt viel von einem bevorstehenden Frieden und Congress gesprochen werden. Ich schreibe<403> Euch die wahren Umstände davon zu Eurer Direction. Nachdem Frankreich durch die grossen Successe, so die Engelländer über dessen Seemacht und ihre Conqueten in denen beiden Indien gehabt, dahin gebracht worden, dass solches sein mehreres Commerce ruiniret gesehen und ihm die Fonds zur Fortsetzung des Krieges sehr abgegangen, hat [es] sich ravisiret und bei seinen Alliirten sehr ernstlich auf eine prompte Herstellung des Friedens, auch einen baldigen Waffenstillstand antragen lassen. Der wienersche Hof, der dadurch alle seine vaste Concepte auf einmal verrücket gesehen, ist darüber in sich sehr empfindlich gewesen; aus Furcht aber, dass Frankreich solchen nicht plantiren [und] nicht seinen Particulärfrieden machen, auch die Russen mit dazu entrainiren möchte, hat [er] dissimuliret und sich gestellet, als ob er dem Frieden nicht ganz entgegen wäre. Daher denn endlich die fünf alliirte Höfe eine generale Declaration zu Londen durch den russischen Minister thun und ihre Neigung zum Frieden bezeigen, auch die Stadt Augsburg zum Orte des Congresses vorschlagen lassen. Beides ist von Engelland und von Mir durch eine generale Gegendeclaration angenommen worden; der wienersche Hof aber, um seinen Absichten gemäss diese Friedenshandelung auf eine indirecte Weise zu hintertreiben, hat es adroitement in Frankreich und in Russland so zu incamminiren die Mittel gefunden, dass von einem Stillstand der Waffen gar keine Rede noch Frage gewesen, weil gedachter Hof wohl eingesehen, dass ohne zuvor regulirten Waffenstillstand ein Congress nicht bestehen noch etwas darauf festgestellet werden könne. Und dieses ist die Ursache, worum der wienersche Hof in vorstehender Campagne noch alle seine letzte Efforts anwenden will, um seine Absichten wo möglich auszuführen, und wozu er seine Alliirten gleichfalls aufgesprenget hat. Ihr könnet also sicher glauben, dass alles, was man von einem noch bevorstehenden Friedenscongress saget, nichts anders als Vorspiegelungen des wienerschen Hofes seind, theils um seine Alliirten noch weiter in den Krieg mit zu entrainiren, theils um diejenige Puissances, wovor er sich fürchtet, durch diese Illusion zurückzuhalten. Gewiss und ohnfehlbar ist es, dass dieses Jahr die Campagne noch geschehen und vor deren völligen Endigung es zu keinem Friedenscongress kommen, noch was von Bestände auf solchem geschehen wird.
Bei dieser Gelegenheit aber habe Ich Euch dennoch dahin instruiren wollen, dass, auf den Fall es ganz und gar nicht möglich wäre, die Pforte in dieser Campagne zu einer reellen Diversion zu meinem Faveur zu disponiren, und dann nach geendigter Campagne es noch zu einem Friedenscongress kommen sollte, Ihr auf solchen Fall bei der Pforte dahin arbeiten sollet, damit Ich wenigstens aus dem mit ihr jetzo geschlossenen Freundschaftstractat die einzige Avantage ziehe, dass nämlich die Pforte bei Eröffnung des Congresses denen Ministern derer Puissances, so jetzo gegen [Mich] feindlich agiren, catégoriquement declariren liesse, wie wegen des Freundschaftstractates, worin die Pforte<404> mit Mir stünde, sie nicht zugeben könnte noch werde, dass einige von Meinen Provinzien, so Ich vor dem gegenwärtigen Kriege besessen, von Meinem Staate abgerissen würden, sondern die Pforte vielmehr darauf bestünde, dass nichts von Meinen Provinzien dismembriret, vielmehr alles in integrum wie vorhin restituiret werden müsste. Dergleichen Declaration von der Pforte Mir alsdenn ganz vorthelhaft sein und Ich doch einige Avantage von Meinem jetzigen Tractat mit ihr haben würde.
Es hat Mich sonsten befremdet, dass Ihr in Euren beiden jetzigen Berichten nicht ein Wort von denen jetzigen grossen Zurüstungen derer Türken zur See und zu Lande, wovon doch alle öffentliche Zeitungen, sowie von einer Entreprise auf Malta, voll sein, erwähnet habet. Wovon Ich Euren Bericht noch erwarten will, und Ihr künftig dergleichen nicht zu vergessen, insonderheit mit zu melden habet, ob die Pforte Truppen aus Asien ziehe.
Lasset Euch von die Complimenten derer Türken, als ob Ich das österreichsche Haus zu Grunde richten und Kaiser in Deutschland werden wollte, nicht verführen, und nehmet sie vor das, was sie seind, nämlich vor malicieuse Insinuations derer Oesterreicher, so sie denen Türken thun, um ihnen Jalousie gegen Mich zu geben.
In der Sache wegen des Verlustes derer Türken, so ein Armateur unter Meiner Flagge ihnen verursachet, müsset Ihr mit dem Minister Graf Finckenstein correspondiren. Ich habe schon befohlen, dass denen Türken deshalb Justice geschehen und sie von Euch bezahlet werden sollen.
Schreibet bald und öfters wieder, mit Auslassung aller unnöthigen Weitläuftigkeit.
Ich recommandire Euch die Sache wegen Eurer Correspondance mit dem Benoît über die Entreprise des Chan auf das höchste, sowie Ich es auch an den Benoît gethan habe,404-1 und destinire dazu eine Summe von 300 000 Rthlr., um den Chan im Stande zu setzen, gleich loszubrechen; worauf Ihr Euch also arrangiren und solche gleich parat halten müsset.
Zum Schluss erinnere Ich Euch noch, dass Ihr überlegen sollet, wenn Ihr einige Disposition der Pforte nur noch währender dieser Campagne zu einiger Diversion gegen Meine Feinde merket, ob Ihr nicht zu Coupirung aller grossen Weitläuftigkeiten, so bei Negotiirung eines Defensivtractats fast ohnvermeidlich seind, von dem 8. Articul404-2 des jetzigen Freundschaftstractats Gebrauch machen und zufolge dessen durch einen secreten und separaten Articul mit der Pforte über eine prompt zu machende Diversion in Conformité aller Meiner Euch vorhin schon ertheileten Instructionen conveniren könnet. Ich wiederhole aber nochmals, dass, was zu Meiner Hülfe geschehen soll, pressant ist und prompt geschehen muss.
Friderich.
Nach dem Coccept.
<405>399-2 Vom 20. Mai ein Schreiben an d'Argens, Œuvres, Bd. 19, S. 229.
401-1 Rexin war früher Lieutenant und Flügeladjutant gewesen, vergl. Bd. XI, 7.
401-2 Vergl. Nr. 12895.
401-3 D. i. Chasinedar-Aga.
401-4 Vergl. Nr. 12895.
402-1 Schreiben an Finckenstein, d. d. Kunzendorf 20. Mai
402-2 Giodorus Niecobolus, vergl. Bd. XIX, 216.
402-3 Ein englischer Bankier in Konstantinopel.
404-1 Vergl. Nr. 12895.
404-2 Vergl. 12631.