12991. AN DEN GENERALLIEUTENANT PRINZ FRIEDRICH EUGEN VON WÜRTTEMBERG.
Prinz Friedrich Eugen berichtet, Vorstadt Colberg 20. Juni: „Tottleben hat durch den Kaufmann Gotzkowski sowohl mündlich als auch selbst schriftlich mir eröffnet, dass er Ew. Königl. Majestät gänzlich attachiret seie und Höchstdero Schaden und Nachtheil auf alle Weise zu verhindern suche und ferner suchen werde. Ich erhalte Avertissements, dass, sobald Rumänzow in das jetzige Lager des Tottlebens rückte, Tottleben seinen Marsch über Schivelbein und Dramburg nehmen würde, und ich dann Rumänzow nur grade auf den Hals gehen, und, da er nur etwa 10000 Mann stark, ihn brav klopfen möchte . . . Rumänzow und mehrere hätte er sehr bange gemacht; ersterer würde vielleicht noch nicht in denen ersten Tagen vorrücken und die Flotte im künftigen Monat kommen. Auf Colberg sei der Russen Hauptplan gerichtet, welches sie haben wollten, wenn sie auch ihre ganze Armee hierher ziehen sollten. Er thäte alles dagegen, was er könne, und ohne ihn könnten sie nirgends offensive agiren, vielleicht, weil er alle leichte Truppen bei sich hat. Er wolle nichts serieuses gegen mich anfangen und gedächte an nichts, als Ew. Königl. Majestät Unterthanen zu schonen nnd seine Truppen ohne grosse Fatiguen in die künftige Winterquartiere zu bringen. Er würde mich auch von allem künftig avertiren. Obschon andere gute Nachrichten mich confirmiren, dass Tottleben in allem diesen die Wahrheit gesagt, und er überdem in Ew. Königl. Majestät Landen die schärfeste Mannszucht hält, und daher wahrscheinlich sei, dass er in dem mir gemeldeten sincère sei, so handele doch gegen ihn mit aller möglicher Vorsicht und suche bloss von seinen Avis zu profitiren, ohne dabei etwas zu risquiren. Mir scheinet nichts für Ew. Königl. Majestät Interesse vortheilhafter zu sein, als wann Rumänzow vorrückte und Tottleben dann wegmarschirete; dass ich sodann mit Rumänzow wenig Complimente mache, ihm gerade aufs Leder gehe und zu schlagen suche, indem es von vieler Wichtigkeit zu sein halte, wann die russische Armee dergestalt in Détail ruiniret werden könnte. Das übelste wäre, wann Rumänzow aus Angst gar nicht vorrückte und an Buturlin schreiben sollte, er könne hier nichts ausrichten. Ich glaube aber, wann ihnen der General Goltz die geringste Masque gegen der polnischen Seite machen könnte, dass alsdann Buturlin den Tottleben desto balder an sich ziehen würde, und Rumänzow allein in hiesiger Gegend bleiben, ich aber ihm sodann auf den Hals gehen, was rechts anhängen und aus Pommern jagen könnte . . .
P. S.
In diesem Moment schreibet mir Tottleben, dass er übermorgen bei Schivelbein sein würde, weil Rumänzow heute zu Pollnow wäre und seinen Marsch auf Cöslin dirigiren würde. Ich werde davon zu profitiren ohnermangeln.
Kunzendorf, 24. Juni 1761.
Ew. Liebden Schreiben vom 20. dieses hat Mir viel Vergnügen gemachet, und verspreche Ich Deroselben das höchste Secret von dessen Einhalt zu machen. Was Ew. Liebden Selbst daraus angehet, da werden<486> Sie aus Meinem letzteren Briefe vom [22.] dieses486-1 ersehen haben, wie der General Goltz das russische Corps bei Posen attaquiren wird, welches also schon die Execution des einen Theiles von Ew. Liebden Project ist. Was die andern Theile von Ew. Liebden Project angehet, da finde Ich, dass vieles dabei ist, so noch zu balanciren sein dürfte, und zwar erstlich, dass der Feind Ew. Liebden jetzt wirklich an Artillerie überlegen, wenn nämlich Dieselbe diejenige, so Sie jetzo aus Colberg genommen, dort müssen stehen lassen. Zweitens wissen Ew. Liebden, dass es bei Dero habenden Bataillons Infanterie an Officiers und an Stabsofficiers überall fehlet, und dass die Hälfte von denen Regimentern aus Rekruten bestehet. Drittens, dass Dero beste Kavallerie, so Dieselbe dort haben, die Wernersche Husaren seind, und Dero Regiment, so erst neu retabliret, noch nicht eingesetzet worden, mithin noch nicht auf dem Fuss ist, als Dero altes Regiment war. Es haben Ew. Liebden also zwar in einigen Stücken Avantage, wann Dieselbe den Feind dort attaquiren möchten; würden Dieselbe aber unglücklicher Weise geschlagen oder repoussiret, so könnte es mit Colberg sehr misslich aussehen. Dahergegen aber haben Dieselbe alle Avantage in Dero dortigem Retranchement, so dass eines gegen zehn zu pariren sein wird, dass, wenn der Feind Ew. Liebden darin attaquiret, solcher nicht nur affreux viel Leute verlieren muss, sondern auch dann geschlagen werden wird.
Mein Sentiment ist daher, dass ein Temperament zwischen der Partei, so Ew. Liebden zu nehmen vermeinen, und zwischen der Inaction zu nehmen, und zwar dahin, dass Dieselbe erst abzuwarten haben, wie die Sache mit dem General Goltz gehen wird. Ist Derselbe glücklich und hängt dem Buturlin eines an, so dass die Russen auf solcher Seite weglaufen müssen, so können Ew. Liebden alsdann schon ein mehreres hasardiren. Um aber doch mit Précaution zu gehen und von der Sache sicher zu sein, will ich Ew. Liebden rathen, keine affaire générale zu engagiren, sondern eher eine affaire d'arrière-garde, die, nachdem Ew. Liebden sehen, wie Sie damit reussiren, von Deroselben immer stärker gemachet werden kann.
Wann solches reussiret, und Ew. Liebden etwa drei dergleichen Affaires haben können, so verlieret der Feind dadurch so viel, und Ew. Liebden profitiren dabei wo nicht mehr, doch eben das, als wann Dieselbe eine bataille en forme gewonnen hätten. Kurz, es ist nicht Rath, gar zu viel auf einmal zu hasardiren; so aber, wie man siehet, dass auf einer Seite es gut gehet, so kann man auf der andern Seite immer dreister sein. Ich habe sonst auch dem General Goltz geschrieben, dass, wann es bei ihm gut gehet, er alles mögliche von der Welt thun soll, um durch Leute aus dem Lande Ew. Liebden gleich davon zu avertiren.
Haben Dieselbe die Gutheit und lesen diesen Meinen Brief dem<487> Generallieutenant von Werner vor, sprechen demnächst auch mit dem Generalmajor von Thadden davon, so glaube Ich, dass beide auch von Meinem Sentiment sein werden.
Friderich.
Nach der Ausfertigung im Königl. Haus- und Staatsarchiv zu Stuttgart.
486-1 Nr. 12982.