1658. AN DIE KAISERIN VON ALLEN REUSSEN IN MOSKAU.

Berlin, 19. December 1744.

Ew. Kaiserl. Majestät können Wir in hergebrachtem Vertrauen nicht verhalten, wasmassen der wienerische Hof den Entschluss gefasset, sich der an Uns und Unser königliches Churhaus zu billigmässiger Genug<364>thuung vor Unsere und Unser glorwürdigsten Vorfahren an gedachten Hof gehabte gerechte Prätensionen durch den Breslauischen Friedenstractat abgetretenen ober- und niederschlesischen auch glatzischen Lande gewaffneter Hand wiederum zu bemeistern, unter dem Vorwand, dass solche Cessiones abgedrungen und folglich ohnkräftig, auch die Königin in Ungarn durch die von Uns des Römischen Kaisers Majestät geleistete Hülfe aller Verbindlichkeit gedachten Tractats vollkommen entlediget wäre, gestalt sie dann auch bereits zu Beförderung solcher ihrer Intention ein aufrührisches Patent an die schlesischen Stände und Unterthanen zu Wien durch den Druck bekannt machen und allenthalben ausstreuen lassen, um dieselben durch allerhand falsche Vorbildungen und unter gekrönten Häuptern und gesitteten Nationen bishero ungewöhnliche Expressionen gegen Uns aufzuwiegeln und anzureizen, Uns und Unsere Kriegsvölker als Feinde anzusehen, denen ihrigen hingegen zu Wiedereroberung des Landes allen Vorschub zu leisten.

Nun befremdet Uns zwar solch Betragen des wienerischen Hofes nicht im geringsten, inmassen Wir von seinem anjetzo an den Tag gelegten Vorhaben, sich an die Disposition der mit Uns errichteten Friedenstractaten in keine Wege zu binden, sondern die darinne an Uns abgetretene Lande Uns bei erster bequemer Gelegenheit wiederum zu entreissen, schon vor geraumer Zeit zuverlässig informiret gewesen und davon unwidersprechliche Zeugnisse in Händen haben, zu geschweigen dass weltbekannter Massen die Gewohnheit gedachten Hofes von je her gewesen, die von ihm geschehene Cessiones bei ersterem Anschein eines besseren Glückes vor abgedrungen und daher ungültig zu erklären und die Unterthanen gegen ihre rechtmässige Obrigkeit aufzuwiegeln, wie dann derselbe hievon noch in gegenwärtigem Jahr durch die im Königreich Neapolis bei Annäherung der österreichischen, unter Commando des Fürsten von Lobkowitz stehenden Armee ausgestreuete aufrührische Patente ein neues merkwürdiges Exempel gegeben.

Wir überlassen aber dabei der ganzen unparteiischen Welt Beurtheilung, von was vor gefährlichen Folgen vor die allgemeine Ruhe und Sicherheit der Possessionen einer jeden Potenz es sein müsse, wann man es einreissen lassen wollte, dass Cessiones, so durch feierliche Friedensschlüsse geschehen, aus dem Grunde weil sie abgedrungen worden, vor unkräftig gehalten werden dürften, massen wohl nicht leicht ein Exempel zu finden, dass eine Puissance jemals anders als aus dringender Noth dergleichen Cession zu thun resolviret hätte; nicht minder, welchergestalt das von dem wienerischen Hofe fernerweit geäusserte Principium anzusehen, dass er durch die von Uns des Römischen Kaisers Majestät zu Maintenirung seiner kaiserlichen Würde und Autorität und Verhütung der vorgehabten gänzlichen Exstirpirung seines Hauses von dem teutschen Boden Unserer reichsständischen Obüegenheit gemäss geleistete Hülfe, wobei Wir doch vor Uns nicht das geringste von der Königin in Ungarn zu acquirh-en verlanget und solches sowohl, als dass <365>Wir Uns jederzeit an dem Breslauischen Frieden lediglich halten würden, öffentlich und zu wiederholten Malen declariret, der Verbindung solches mit Uns geschlossenen Friedenstractats gänzlich entlediget und berechtiget zu sein glaubet, Uns und Unsere Lande feindlich anzugreifen; in mehrerem Betracht, dass durch dergleichen Principium der essentielle und durch allgemeine, von undenklichen Zeiten her bei allen gesitteten Völkern beobachtete Observanz festgesetzte Unterscheid zwischen einer Partie belligérante und einer Puissance auxiliatrice gänzlich aufgehoben und vernichtet und durch die daraus natürlich fliessende Consequentien, insonderheit in Ansehung der gegenwärtigen Conjuncturen und der differenten Liaisons, worinne sich fast alle europäische Mächte befinden, zu einer allgemeinen Combustion Thür und Thor eröffnet werden muss.

Wir erachten auch um so mehr vor überflüssig, die Unstatthaftigkeit dieses gefährlichen Principii anjetzo weitläuftig zu declariren, als Ew. Kaiserl. Majestät Dero erlauchtes Sentiment darüber dadurch klärlich zu erkennen gegeben, da Sie die von der Kron Frankreich gegen den König von Grossbritannien wegen dessen an die Königin von Ungarn geschehene Hülfsleistung ergangene Kriegsdeclaration, ohngeachtet Ihro Grossbritannische Majestät in Verfolg solcher Assistenz die französische Lande zuerst angegriffen, nichts desto weniger vor einen Casum des zwischen Ew. Kaiserl. Majestät und der Krone Engelland getroffenen Defensivbündnisses anerkannt und der letztern die darinne versprochene Volkshülfe bedürfenden Falls zuzusenden Sich anheischig gemacht.

Wir verhoffen nun zwar zuförderst durch Unsere eigene Kräfte unter göttlicher Hülfe hinlänglich im Stande zu sein, denen feindlichen Unternehmungen des wienerischen Hofes wider Unsere Lande kräftigen Widerstand zu thun und desselben weitaussehende Absichten zu vernichtigen ; gleichwie Wir aber zugleich billig darauf bedacht sind, gegen alle unvorsehene Fälle, insonderheit daferne Wir sowohl in obgedachten Unsem schlesischen Landen, als auch in andern Unsern Provinzen von gedachtem Hofe und desselben Bundesgenossen und Helfershelfern zu gleicher Zeit angegriffen werden sollten, Uns der Assistenz Unserer Alliirten zu versichern, und Wir Uns dann hiebei vor allen andern des mit Ew. Kaiserl. Majestät im letztverwichenen Jahre glücklich geschlossenen Defensivbündnisses und generalen Garantie aller Unserer beiderseitigen Lande mit vielem Vergnügen erinnern, so ersuchen Wir Dieselbe hiedurch freundbrüderlich, Uns die darinne versprochene Assistenz gegen die anjetzo wider Uns intendirte feindliche Ueberziehung nach dem deshalb festgesetzten Masse nachdrücklich angedeihen zu lassen, mithin nicht nur sofort den wienerischen Hof und dessen Alliirte von dergleichen Unternehmungen ernstlich zu dehortiren, und dass Ew. Kaiserl. Majestät, daferne Dero Abmahnung nicht attendiret werden wollte, Uns kräftig beizustehen Sich nicht entbrechen könnten noch würden, deutlich zu declariren, sondern auch die in vorerwähntem Bündniss stipulirte Volkshülfe dergestalt in Bereitschaft zu halten, damit selbige, daferne Wir es <366>vor nöthig erachten sollten, ohne Verzug zu Unserer Assistenz marschiren könne.

Wir versehen Uns um so viel zuversichtlicher, dass Ew. Kaiserl. Majestät Uns in gegenwärtigem Frangenti mit einer willfährigen und allianzmässigen Erklärung erfreuen werden, als Wir Uns nicht vorzustellen vermögen, dass Ew. Kaiserl. Majestät Intention sein könne, einem Alliirten und Nachbaren, dessen Interesse durch natürliche Bande mit dem Interesse des russischen Reichs verknüpfet ist, der auch demselben von undenklichen Jahren her mit unverbrüchlicher Freundschaft und aufrichtigem Attachement in guten und misslichen Zeiten zugethan gewesen, dessen Wohlergehen und Agrandissement treulich gesuchet und befördern helfen und sich von solchen Sentiments durch nichts in der Welt abwendig machen lassen, diejenige Willfährigkeit zu versagen, welche Sie solchen Puissancen, so die russische Freundschaft niemals anders als zu Beförderung ihrer eigenen, von dem Interesse des russischen Reichs weit abgehenden Absichten gesuchet, die von demselben empfangene Wohlthaten mit dem gröbsten Undank vergolten, dem Anwachs der russischen Macht alle nur ersinnliche Hindernisse in den Weg geleget und ihre Jalousie dagegen selbst in solchen Conjuncturen, da sie in denen dem äusserlichen Schein nach allergenauesten Verbindungen mit Russland gestanden und dessen Assistenz zu ihrer eigenen Conservation unumgänglich benöthiget gewesen, niemals bergen können, so grossmüthig angedeihen lassen.

Ew. Kaiserl. Majestät können Sich hinwiederum von Unserer unveränderlichen aufrichtigen Freundschaft und danknehmigsten vollkommenen Ergebenheit ganz zuverlässig versichert halten, und festen Staat machen, dass Wir es Unsers Orts an keinem Stücke erwinden lassen werden, wodurch Wir Dieselbe zu überzeugen vermögen, mit was besonderer Hochachtung Wir beständig und unausgesetzt sein und bleiben etc.

Friderich.

H. Graf von Podewils. C. W. Borcke.

Nach dem Concept.366-1



366-1 Weitere Schreiben in dieser Angelegenheit ergingen unter dem 19. December: an den König von Schweden qua Landgraf von Hessen - Cassel und an den Prinzen-Statthalter von Hessen-Cassel, auf Grund des Vertrages vom 23. März 1743; ferner an den Churfürsten von der Pfalz auf Grund des Vertrages vom 24. December 1741; unter dem 22. December : an den Herzog von Württemberg auf Grund des Vertrages vom 31. Januar 1744, sowie an den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel auf Grund des am 6. September 1732 erneuerten Fœdus perpetunm vom 11. April 1692.