3513. AN DEN GENERAL VON DER INFANTERIE VON LEHWALDT IN KÖNIGSBERG.
Potsdam, 6. März 1749.
Ich kann nicht länger anstehen, Euch wegen des in Euch jederzeit gesetzten Vertrauens ingeheim und unter dem Siegel des grössesten Secrets hierdurch bekannt zu machen, dass ohneracht Ich bisher alles, was menschmöglich ist, gethan habe, auch noch zu thun fortfahre, die Ruhe in Norden zu erhalten und alle daselbst besorgliche und aufsteigende Ungewitter zu conjuriren, dennoch alle Meine einkommende Nachrichten mehr und mehr confirmiren, wie nach aller Apparence die Russen in nächstkommendem Frühjahre nicht nur die Schweden in Finnland, sondern auch Mich in Preussen, obschon ohne die allergeringste dazu gegebene Ursache, attaquiren und offensive agiren werden, wobei die Oesterreicher zugleich (als durch deren Trames die Russen lediglich instigiret worden) Mir eine puissante Diversion in Schlesien und hiesigen Meinen Landen zu machen suchen dörften.
Bei solchen ganz besonderen Umständen nun, da Ich nicht alle Meine von einander entlegene Provinzen zugleich decken kann, woferne Ich dadurch nicht alles verlieren will, sehe Ich Mich genöthiget, dass, wenn ein Corps russischer Truppen auf Preussen marschiren sollte, um daselbst einzufallen, auch die Oesterreicher sich gegen Mich zugleich bewegen wollten, die in Preussen stehende sämmtliche Regimenter, auch Garnison-Regimenter, in Summa das ganze dort befindliche Corps, als welches Ich hier sodann ohnumgänglich nöthig habe, unter Eurem Commando anher zu ziehen, um Meinen Feinden mit Force resistiren und ihnen mit göttlicher Hülfe den mit ganz offenbarem Unrecht wider Mich angefangenen Krieg bald gereuen machen zu können.
Damit aber das Herausziehen Meines in Preussen stehenden Corps Truppen mit möglichster Ordnung geschehen, auch dabei alle Umstände, so in dergleichen Sachen nothwendig zu beobachten seind, beobachtet werden mögen, so habe Ich aus ganz besonderem in Euch gesetzten gnädigsten Vertrauen Euch zuvorderst das völlige Commando über die Regimenter nicht nur, sondern auch, sobald es nöthig sein wird, über die sämmtliche dortige Collegia gegeben. An erstere erhaltet Ihr hierbei die deshalb erforderliche versiegelte Ordres, davon die Abschrift zugleich erfolget, wegen der letzteren aber erhaltet Ihr hierbei eine offene Ordre, welche Ihr jedennoch nicht eher bekannt machen sollet, bevor Ich Euch nicht die Ordre, aus Preussen aufzubrechen, zugesandt haben werde.
<407>Demnächst schicke Ich Euch anhegend eine secrete Instruction, wie Ihr Euch auf den Fall eines Aufbruches aus Preussen in den allernothwendigsten Stücken verhalten sollet, welche Ihr dann inzwischen äusserst geheim halten, jedennoch Euch wohl bekannt machen sollet, damit Ihr solche zu seiner Zeit und wenn es die Nothwendigkeit erfordert, Ihr auch Meine mehrgemeldete Ordre zum Aufbruch bekommen werdet, auf das bestmöglichste executiren könnet, als worunter Ich Mich auf Eure Mir gnugsam bekannte Treue, Vorsicht und Savoir-Faire bestens reposire.
Solltet Ihr jedennoch nöthig finden, über ein und anderes in solche geheime Instruction einschlagendes anzufragen, so werde Ich gerne sehen, wenn Ihr zu mehrerer Beobachtung des annoch ohnumgänglich nöthigen Secrets solches durch eigenhändige Schreiben an Mich thun werdet. Uebrigens habt Ihr von allen Mouvements derer russischen Truppen in Livland und Kurland, auch wegen der dort errichteten und annoch zu errichtenden Magazins und übrigen Veranstaltungen, unter der Hand die bestmöglichsten Nachrichten beständighin einzuziehen und Mir alles, was Ihr davon in Erfahrung bringet, baldigst zu communiciren.
Friderich.
Secrete Instruction vor den General von Lehwaldt, wie derselbe bei gewissen Conjoncturen und bei dem ihm aufgetragenen Generalcommando in Preussen sich verhalten soll.
1. Wird demselben hierdurch anbefohlen, dass er zuvorderst durch die in Preussen stehende Regimenter Infanterie, Cavallerie, Husaren und Garnisonregimenter bei entstehendem Kriege alle junge Mannschaft in ihren dortigen Cantons, die königliche Cantons mitgerechnet, auch die einzelne Söhne in diesem Fall nicht ausgenommen, welche zu Kriegesdiensten, es sei bei Feld- oder Garnisonregimentern, capable seind und das Gewehr tragen können, unter der Hand notiren lassen soll, in der Absicht, dass wenn Se. Königl. Majestät ihm die Ordre schicken werden, mit denen gesammten Regimentern aus Preussen zu marschiren, sodann jedes von solchen Regimentern von dergleichen junger Mannschaft 400, 500 bis 600 mit sich nehmen könne.
2. Wenn er die Ordre bekommet, mit allen Regimentern aus Preussen nach Pommern, oder wohin es ihm befohlen werden wird, zu marschiren, so muss er allen dort befindlichen Proviant, auch Regimentswagen, mit sich nehmen und mit völligem Sack und Pack ausmarschiren, zugleich aber nicht nur die dazu erforderliche Pferde und Knechte ausschreiben, sondern überdem sich so viel noch von dem Lande hefern lassen, dass er doppelt, auch wohl dreifach so viele Pferde zusammen bekommen und mit sich nehmen kann, als sonsten die dortigen Regimenter ordinär zu einem Marsch in das Feld gebrauchen, damit diese<408> Pferde demnächst hiesiger Orten noch zur Feldartillerie, und zwar sowohl vor seine unterhabende Regimenter, als auch zum Theil bei anderen Regimentern der Armee, nicht weniger zum Proviantfuhrwesen employiret werden können, hauptsächlich aber auch in der Consideration, dass sonst ein einfallender Feind in Preussen sich derer nicht bemächtigen, noch solche mit sich wegschleppen möge.
Vor solche Pferde wird von ihm dem Lande nichts bezahlet, wohl aber die bündigste Versicherung gegeben, dass selbigem alles nachher ganz gewiss bezahlet und vergütigt werden soll.
3. Muss er alsdann mit allen in Preussen stehenden Regimentern, es sei Infanterie, Cavallerie, Husaren, auch Garnisonregimentern, nach den Orten, wohin es ihm anbefohlen werden wird, aufbrechen und nicht das geringste, so zu denen Regimentern gehöret, dorren zurücklassen.
4. Von dem dort jetzo vorräthigen Pulver und Blei in denen dasigen Festungen, als Memel, Pillau und Königsberg, muss er indistinctement sofort Patronen machen lassen und bei dem Ausmarsch solche zum Theil unter die Regimenter vertheilen, die davon übrig bleibende aber auf Wagens mitnehmen, zu deren Fortbringen er sich der vorgedachten Pferde bedienen kann. Damit er auch das Publicum durch die Anfertigung der Patronen nicht zu frühzeitig allarmire, so muss er solches als eine auf allen Fall nöthige Anstalt zur Defension ausgeben.
5. Muss er die Officiers von denen Regimentern avertiren, dass solche von ihren Effecten, insonderheit aber von denen, so Regimentssachen seind, nichts dorten zurücklassen, sondern alles mitnehmen müssen; zu deren Transport er die übrigen Pferde, so er von dem Lande ausgezogen hat, nehmen kann.
6. Se. Königl. Majestät adressiren ihm hierbei eine offene Ordre an alle dortige Collegia und Dicastères, worin diese überhaupt an seine Ordres verwiesen werden, welche Ordre aber er nicht eher bekannt zu machen hat, als bis er die Ordre zum Ausmarsch aus Preussen bekommen haben wird. Sobald er aber diese erhalten wird, so muss er alsofort die dortige Kammern und alle dortige Kassenrendanten ohne Distinction, sie haben Namen wie sie wollen, ernstlichst anhalten, dass solche ohnverzüglich ihre unterhabende Kassen abschliessen, die Pensiones sistiren und alles und jedes befindliche Geld, es mag solches bestehen in currenten Gefällen, ordinär oder extraordinär, eisernen Beständen, Depositengelder oder wie es sonst heissen mag, an um gegen seine Quittung abliefern müssen, welche Gelder er alsdenn sämmtlich mitnehmen soll.
7. Der Regierung und der Kammer alsdenn von Sr. Königl. Majestät wegen declariren, dass, da die Umstände ohnumgänglich erforderten, dass die Truppen aus Preussen zur Armee gezogen werden müssten, und wohl nicht anders zu vermuthen wäre, als dass darauf russische Truppen einrücken dörften, also sollten sie sich solchenfalls denenselben<409> nicht opponiren, vielmehr dasjenige, so von ihnen gefordert werden würde, gutwillig erlegen, dabei aber es nur dahin zu bringen suchen, dass die Ausschreibungen der Contribution und deren Eintreibung einigermaassen mit Ordnung geschähe und das Land nicht total ruiniret werde.
Wann einige Districte in Preussen bleiben sollten, wohin die Russen nicht kämen, so müssen alsdenn die Kammern sehen, die Revenus aus solchen Districten mit guter Manier und dergestalt zu ziehen, dass so viel als es nur möglich sein wird, davon eingetrieben und darauf nach Berlin zu denen Generalkassen eingesandt werden müsse.
8. Denen dortigen von Adel, Landeseinwohnern und Landleuten muss convenablement bekannt gemachet werden, dass sie sich bei solchem Unglück nur ganz ruhig verhalten, dabei aber gewiss versichert sein sollten, dass Se. Königl. Majestät sie gewiss nicht abandonniren, sondern suchen würden, ihnen ohnfehlbar zu rechter Zeit mit allem Nachdruck beizuspringen und ihnen zu Hülfe zu eilen, bis dahin sie sich nur gedulden und in der Sr. Königl. Majestät schuldigen Treue und Gehorsam unverbrüchlich beharren sollten.
P. S.
Was das königsbergische Garnisonregiment anlanget, so der Obristlieutenant von Hülsen commandiret, so soll solches mit Ende des Monates April zusammenkommen, und wann hiernächst an den General von Lehwaldt die Ordre zum wirklichen Ausmarsch kommet, sodann in drei Theile eingetheilet werden, davon ein Theil in Friedrichsburg, ein Theil in Memel und ein Theil in Pillau geleget werden. Hierbei aber ist alsdenn zugleich ohnumgänglich nöthig, dass jeder Theil von diesem Garnisonregiment an dem Orte, wohin es kommet, auf ein Jahr mit Brod, Fleisch, Mehl, Branntwein und was sonsten nöthig ist, providiret werde.
Diesen Garnisonen muss alsdenn wohl eingebunden werden, sich in denen Festungen, wo sie liegen, bestens zu defendiren, zu dem Ende ihnen denn auch in jeder Festung die nöthigen Canons nebst Pulver und Kugeln gelassen werden müssen. Können selbige sich souteniren, so behalten Se. Königl. Majestät einen Fuss im Lande; können sie sich aber nicht bis dahin defendiren, so halten sie doch den Feind etwas auf, damit er nicht sogleich weiter gehen kann.
Welches alles der General Lehwaldt wohl zu disponiren hat.
Nach dem Concept.
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