3598. ANDERWEITE SECRETE INSTRUCTION VOR DEN IN PREUSSEN COMMANDIRENDEN GENERAL VON DER INFANTERIE VON LEHWALDT, WIE SICH DERSELBE DASELBST ZU VERHALTEN HAT, DAFERNE ES DORTEN WIRKLICH ZU EINEM KRIEGE KOMMEN SOLLTE. 481-1

Potsdam, 9. April 1749.

Da Se. Königl. Majestät in Preussen etc. Dero General von der Infanterie von Lehwaldt bereits unter dem 6. des verwichenen Monates Martii mit einer secreten Instruction versehen haben, wie derselbe sich bei dem in Preussen ihm aufgetragenen Commando verhalten soll, da<482>ferne diese Provinz von den Russen feindlich angegriffen werden wollte, so beziehen Se. Königl. Majestät Sich zwar auf den mehreren Einhalt dieser Instruction; nachdem Sie aber vor nöthig gefunden, ihn über verschiedenes annoch mit einer näheren Instruction zu versehen, wie er sich zu verhalten habe, wann der Cas wirklich existiren sollte, dass es dorten von Seiten Russlandes zu einem Friedensbruch käme und dass öffentliche Hostilitäten gegen die dortige Provinz unternommen werden wollten, damit er alsdenn wisse, was er sogleich zu thun habe, um alles nach Sr. Königl. Majestät Intention zu dirigiren, — als machen Sie demselben nachstehendes zu seiner Verhaltung bekannt, und zwar:

1. Hat der General Lehwaldt wegen eines feindlichen Anfalls auf Preussen so lange nichts zu besorgen, bis dass, er erfähret, dass die russischen Truppen wirklich in Finnland eingefallen seind und die Schweden dorten angegriffen haben. Bevor solches nicht geschiehet, kann derselbe in Preussen ganz ruhig sein.

2. Sollte es aber geschehen, dass er von einem in Schwedisch-Finnland geschehenen Einfall derer Russen zuverlässige Nachricht bekäme, so muss er seines Ortes attent sein und mit denen ihm aufgegebenen Arrangements den Anfang machen, hierbei jedennoch wohl Acht haben, dass er nicht etwa auf eine verflogene Zeitung von einem in Finnland geschehenen russischen Einfall sofort traue und darauf zur Unzeit mit seinen Arrangements den Anfang mache, sondern bevor er wirklich zu diesen schreitet, so muss er von der Wahrheit des in Finnland geschehenen russischen Einfalls wohl versichert sein.

Würden Se. Königl. Majestät Dero Ortes noch eher in Erfahrung kommen, dass es zum wirklichen Bruch zwischen Schweden und Russland gerathen, so werden Sie den General. Lehwaldt sogleich davon avertiren und schreiben, was er seines Ortes weiter zu thun habe. Sollte er aber vorzüglich davon gewisse und sichere Nachricht bekommen, so muss er solches alsofort Sr. Königl. Majestät par Estafette, und zwar in einem nach beikommendem Chiffre durch und durch chiffrirten Schreiben, berichten, sein erstes Arrangement aber dahin machen, dass er das Rueschische Husarenregiment nacher Tilsit marschiren lasset.

Hierauf lässet er durch die dortige Regimenter, nach Einhalt des ersten Articul der ersten Instruction, [alle] bereits ausgeschriebene junge Mannschaft, so zum Gewehrtragen tüchtig, gleich einziehen.

Das sogenannte Königsbergische Garnisonregiment, so zufolge der ersteren Instruction nach Memel, Pilau und Friederichsburg geleget werden soll, vertheilet er sogleich und schicket es nach gedachten Festungen, ziehet aber dahergegen die 6 Garnisonbataillons von l'Hospital, Röder und Manteuffel sofort an sich nach Königsberg.

Die jetzigen Kommandanten gedachter dreier Festungen müssen insgesammt jeder auf seinem Posten bleiben, der General Lehwaldt aber muss besorgen, dass alsdenn die Garnisons darin mit allen erforderlichen Provisionen von Mehl, Branntwein, geräuchert und gesalztem Fleisch und<483> anderen nöthigen Lebensmitteln mehr versorget werden; ferner muss derselbe alsdenn dahin sehen, damit er aus der dortigen Provinz einige verabscheidete gute, alte und brave Officiers bekommen könne, welche er in nurgedachte drei Festungen mit eintheilen und verlegen soll, damit er sich um so mehr darauf verlassen könne, dass keiner von diesen Plätzen eher übergeben werde, bis der Feind nicht nur Tranchées davor eröffnet, sondern auch Bresche darauf geleget habe, oder aber sonst besondere Umstände vorkämen, dass es nämlich der Garnison darin ganz und gar an Pulver oder auch an allen Lebensmitteln gefehlet habe. Ausser welchen Umständen der Garnison wohl einzubinden ist, dass sie sich durchaus nicht geben sollen.

Dem Vermuthen nach werden die beiden Festungen Memel und Pillau den Marsch der Russen sehr aufhalten; indem, wann sie solche belagern, sie die grosse Ceremonie werden davor machen müssen, welches Zeit erfordert. Belagern sie aber solche nicht, so werden sie auch keine Galeeren weder in das Kursche noch in das Frische Haff einbringen können, indem Se. Königl. Majestät supponiren, dass die Situation dieser Festungen so sei, dass man aus denenselben die Entrées beider Haffe mit Canons bestreichen und bis zu dem gegenüber gelegenen Ufer schiessen könne, sodass nichts von Galeeren in das Haff eingehen kann, ohne die Canons der Festung zu passiren.

Wollte hergegen der Feind seinen Marsch landwärts nehmen, so als wenn er gerade auf Tilsit marschiren wollte, so muss derselbe eine entsetzliche Menge von Bagage mitnehmen, sodass solcher der Orten mit seinen Pferden ohnmöglich wird subsistiren können.

3. Empfänget der General Lehwaldt das Detail von denen Pferden hierbei, welche er alsdann aus dem Lande ausschreiben und zusammenbringen lassen muss, daher er in Zeiten seine Repartition zu machen hat, wie er solche erforderlichen Falls ausschreiben lassen und gleich zusammenhaben kann. Dass sonsten Se. Königl. Majestät eine so grosse Menge Pferde aus dem Lande nehmen, geschiehet einentheils, um dem Feind die Difficultäten von seinem Marsch zu verdoppeln, anderntheils aber, weil doch das Land alsdenn seinem Ruin exponiret ist und es allemal besser, dass solche Pferde zu Sr. Königl. Majestät Dienst kommen, als dass der Feind selbige nehme.

4. Alle und jede Gelder, so in denen dortigen königlichen Kassen alsdenn befindlich seind, oder dahin noch einkommen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, muss er alsdenn einziehen und gegen seine Quittung zu sich nehmen, auch seine Kriegskasse daraus formiren.

5. Demnächst aber muss er sich mit allen denen Regimentern, so in Königsberg stehen, incl. dem Schorlemerschen Regiment, denen nach Königsberg gekommenen drei Garnisonregimentern, desgleichen mit den Ruesch'schen und Stoschischen Regimentern, auch mit dem Billerbeckschen Husarenregiment, sich hinter den Pregelfluss, zwischen Wehlau und Insterburg setzen; die Regimenter von Schlichting und Kalnein aber<484> müssen nach Marienwerder marschiren und diesen Ort besetzen, wozu dann auch die beiden Dragonerregimenter von Möllendorff und Holstein stossen, welche das Magazin allda durch Ausschreiben vom Lande vergrössern, auch Haber, Heu und Stroh nebst anderm benöthigten vom Lande dahin liefern lassen müssen.

Weil auch der General Lehwaldt eine grosse Anzahl Pferde mit sich hat, so kann er die Menge von Mehl in Fässern gepacket von Königsberg aus mit sich nehmen und die Wagens zum Transport desselben vom Lande liefern lassen; wie er denn überhaupt sein ganz Proviantfuhrwerk aus Baurwagens, so vom Lande zu hefern, formiren muss.

Alles, was an Haber, Heu und Stroh, auch Mehl und dergleichen Lebensmittel, zwischen Tilsit, Insterburg, Labiau, Wehlau und in dem ganzen District, so vor ihm heget, befindlich ist, muss er sich alles zuführen lassen, um dem Feind die Consumtion zu benehmen und ihm den Marsch schwer zu machen. Das Regiment von Ruesch zu Tilsit muss sich von jener Seite der Tilse oder der Russ, so vor ihm heget, ernähren und sich alles von daher zuschleppen lassen.

Wenn die Festungen Memel, Pillau und Friedrichsburg hinlänglich mit eisernen Canons zur Defension versehen sein und der General Lehwaldt die in solchen überdem befindliche metallene Canons mit fortbringen kann, so muss er solche auch mit sich nehmen.

7. Durch die Patrollen vom Ruesch'schen Husarenregiment muss er seine Nachrichten vom Feinde einziehen lassen, danebst aber auch allerhand Leute vom Lande, als Priester und andere Landeseinwohner, gebrauchen, um beständig von dem geringsten Mouvement, so der Feind machet, informiret zu sein.

8. Den Feind muss er beständig vier Märsche vor sich lassen und, so wie solcher weiter vorrücket, sich immer langsam vor ihm zurückziehen.

9. Das Regiment von Ruesch muss die Hostilitäten nicht anfangen und soll es denen Leuten von solchem scharf verboten werden, nicht eher auf den Feind zu schiessen, bis solcher auf sie zu schiessen den Anfang gemachet haben wird.

Wann hiernächst das Regiment sich von Tilsit auf lnsterburg zurückziehen muss, so muss der General Lehwaldt solches erst über den Pregel kommen lassen, bevor er weiter zurückgehet.

Alsdenn kann er sich auf Schippenbeil ziehen und den kleinen Fluss daselbst vor sich nehmen. Wann derselbe dergestalt den Feind immer vier Märsche vor sich lässet, so wird er vermuthlich nach Anfang der Hostilitäten noch eine geraume Zeit in Preussen auf Discretion leben können, welches desto nöthiger sein wird, weil er dem Feind dadurch nicht nur viele Subsistance benimmt, sondern auch Sr. Königl. Majestät viele Kosten sparet.

10. Es haben Se. Königl. Majestät fast Ursach zu glauben, dass der Feind nicht viel weiter als bis Königsberg zu gehen sich getrauen<485> dörfte. Sollte derselbe jedennoch weiter gehen wollen, so ist nicht wohl abzusehen, wie selbiger werde subsistiren können, daferne er sich nicht immer zunächst der Seeküste hält.

Geschiehet solches nun, so kann der General Lehwaldt zu Marienwerder vollenkommen abwarten, bis die Russen in Elbing sein werden, bevor dass er nöthig hat von dar wegzugehen. Wann aber solches geschehen muss, so muss er alsdenn den nächsten Marsch nach Pommern, und zwar gegen Wutzkow, Lupow und dergleichen Orten, nehmen. Bei seinem Marsch durch Polen muss er an Lebensmitteln alles, was er nur kann, mitnehmen.

11. Das allerhauptsächlichste, so derselbe bei allen diesen Begebenheiten zu beobachten haben wird, ist, dass er allemal sehr gute Nachrichten vom Feinde habe und von seinen Bewegungen accurat instruiret sei. Weil aber der General Lehwaldt nicht nur die Einwohner des ganzen Landes vor sich hat, auch die beiden Husarenregimenter zu seiner Disposition seind, so wird es ihm ganz leicht sein, davon Nachrichten zu bekommen und durch beide nurgedachte Mittel zu erfahren, was er zu wissen nöthig hat, ohne dass der Feind im Stande sein wird, es zu behindern.

12. Se. Königl. Majestät werden ihn hiernächst auch benachrichtigen, was vor ein General das Kommando über das in Pommern zu formirende Corps bekommen wird, welchem Sie alsdenn auch den Chiffre, so ihm, dem General Lehwaldt, gegeben worden, communiciren werden, auf dass er mit demselben in Chiffres correspondiren kann.

13. Obwohl nach der jetzigen Situation derer Affairen zu vermuthen ist, dass die Ruhe in Norden noch werde erhalten werden können, und dass wenigstens Se. Königl. Majestät noch allemal Zeit genug haben werden, ihn informiren zu können, was er zu thun hat, sodass derselbe sich mit allen vorermeldeten Arrangements nicht übereilen darf, so haben Höchstdieselbe dennoch vor gut gefunden, ihm indess Dero Capitain und Flügeladjutanten von Goltz zuzusenden, auf dass dieser ihm darunter in allen Stücken an die Hand gehen und er denselben, insonderheit bei denen Ausschreibungen der Pferde und Knechte vom Lande, ingleichen bei den auszuschreibenden Proviantlieferungen und bei allen denen übrigen Veranstaltungen bestens assistiren könne.

Und da Se. Königl. Majestät nur ermeldetem Capitain von Goltz nicht nur diese schriftliche Instruction mitgeben, sondern ihn auch über alle Umstände mündlich instruiret haben, dabei von seiner Capacité und Dextérité vollenkommen versichert seind, als kann der General Lehwaldt mit demselben von allem und jedem, so in seinen Ordres und geheimen Instructionen enthalten, ganz vertrauet sprechen; ausser demselben aber muss der General Lehwaldt an keinen Menschen auf der Welt, er sei wer er wolle, das allergeringste von allen diesen Sachen sagen, noch sich etwas davon äussern, vielmehr alles zum höchsten geheim halten. Es ist auch nöthig, dass der General Lehwaldt sich mit dem p. von<486> Goltz zusammenthue und durch ihn vorläufig alle Ausrechnungen, Dispositiones und Ordres von denen zu machenden Ausschreibungen, sowohl von Recruten, Knechten, Pferden als von denen Proviantlieferungen zu seinem Corps Truppen, nicht weniger wegen Versorgung der dortigen drei Festungen, und alles was sonsten mehr ist, machen, ingleichen das nöthige vorläufig expediren lasse, damit, wann der Cas arrivirte, dass solches exequiret werden müsste, alsdenn schon alles vorhin ausgearbeitet und präpariret sei, sodass es nur abgeschicket und zur Execution gebracht werden dörfe; dahergegen, wenn gedachtes alles erst auf die letzte Stunde geschehen sollte, es alsdenn ohnmöglich sonder Uebereilung geschehen kann, auch eines das andere hindern und aufhalten muss.

14. Uebrigens hat sich der General Lehwaldt von denen in österreichischen Landen gestandenen russischen Truppen auf dem Rückmarsch nach Kurland nicht das geringste zu besorgen. Es wird auch gesaget, dass diese Truppen, wenn sie in Kurland zurückgekommen sein würden, ein Lager zwischen Mietau und Libau oder Riga formiren sollen. Wann auch solches geschähe, so hat sich der General Lehwaldt davon gar nicht zu allarmiren, maassen solches nichts zu bedeuten haben wird; es wäre dann, dass er vernähme, dass die Oesterreicher Auxiliärvölker dahin schickten. Dabei er überhaupt versichert sein kann, dass, sobald der geringste Umstand zu Sr. Königl. Majestät Wissenschaft gelangen wird, welcher Deroselben einigermassen bedenklich schiene, Sie ihn davon gewiss avertiren werden. Ueber welches alles Se. Königl. Majestät ihm sagen wollten, wie noch zur Zeit alle Apparences seind, dass ohnerachtet der russischen Ostentationen dennoch der Friede in Norden conserviret bleiben und es vor der Hand wenigstens zu keiner Ruptur gelangen dörfte, sodass, wenn Se. Königl. Majestät den General Lehwaldt jetzo wegen aller vorermeldeten Arrangements instruiren, solches nur allein in der Absicht geschiehet, damit, wann etwa sich dennoch gewisse Événements ereigneten, so man nicht zum Voraus sehen kann, derselbe sodann präpariret sei und wisse, was er auf solchen Fall zu thun habe, und dass alle Arrangements, so er seiner Instruction gemäss machet, von Sr. Königl. Majestät gewiss werden approbiret werden.

Nach dem Concept.



481-1 Vergl. Nr. 3513 S. 407.