Diese Schrift, an welcher der Herausgeber seit 1820 gesammelt, war von ihm ursprünglich nur unternommen worden, um verschiedene wahre und erdichtete Erzählungen und Anekdoten aus dem Leben Friedrichs des Großen zu prüfen und zu verificiren, und hatte allein zum Zweck: die jedesmaligen Aufenthaltsorte des Königs auszumitteln, wie schon Ösfeld in dem, von ihm herausgegebenen, militärischen Kalender auf das Jahr 1800 mit den Hauptquartieren des Königs aus der Zeit des siebenjährigen Krieges einen Versuch gemacht hatte.3-+ Bei der großen Menge von Schriften, welche der Herausgeber dabei durchsuchen mußte, stieß er aber auf so viele, für die Geschichte des Königs merkwürdige und oft höchst interessante Einzelnheiten, daß er sich nicht versagen konnte, alle diese Notizen mit in seine Sammlung aufzunehmen, wodurch denn selbige ihm gleichsam, wie man zu sagen pflegt, unter der Feder wuchs und so die Ansicht gewährte, daß sie auch wohl dereinst einem Biographen des Königs von Nutzen sein könnte, weshalb er denn eifrigst zu sammeln fortfuhr und die Sammlung zum Druck bestimmte, diesen jedoch immer verschob, weil sich immer mehr Quellen öffneten, sie zu vervollständigen. Inzwischen hat sie auch ihre Nützlichkeit bereits vollkommen bewährt, und bei Bearbeitung der Lebensgeschichte Friedrichs des Großen vom Professor Dr. J. D. E. Preuß sehr gute Dienste geleistet, wie in diesem Werke auch anerkannt worden ist (Th. 1, S. 423 und Th. 2, S. 402. Note 3), wobei nur zu bemerken unterlassen worden, daß die Sammlung kein trockenes Namensverzeichniß von Städten und Dörfern, wo Friedrich sich aufgehalten hat, ist, wie man aus jener Note schließen könnte, sondern daß es au<4>ßerdem eine Menge historische, biographische und charakteristische Nachrichten, Notizen und Berichtigungen enthalt, welche ganz besonders bei Abfassung obgedachter Lebensgeschichte von Nutzen gewesen und wovon viele darin wörtlich aufgenommen worden sind.
Bedarf je eine Schrift einer Vorrede und Apologie, so möchte es wohl dieser Versuch sein; denn es ist gar nicht zweifelhaft, daß Viele, welche sie in die Hand nehmen, darin zu wenig, und vielleicht noch Mehrere, darin zu viel finden werden. Jene werden z. B. Anekdoten, Geschichtchen, überhaupt Unterhaltung für die Langeweile vergeblich darin suchen. Diese, denen es mehr um eine gründliche und umfassende Darstellung des Geistes dieses großen Mannes zu thun ist und die in den, von allen seinen Verehrern schon längst ausgesprochenen, Wunsch, daß endlich einmal die Geschichte Friedrichs ausführlich und wahr und ganz seiner würdig geschrieben werden möchte, übereinstimmen, werden diesen Versuch mit einer Menge Kleinigkeiten überladen finden, die ihnen theils längst bekannt sind, theils zu wissen, ganz unnütz scheinen. Daher ist es nothwendig, dem Leser den eigentlichen Zweck dieser Schrift noch etwas umständlicher, als auf dem Titel geschehen konnte, anzugeben.
Der Verfasser, der sich übrigens sehr wohl zu bescheiden weiß, daß seine Leistung hauptsächlich nur das Werk seiner Augen und Finger ist, hat nämlich durch Ausarbeitung dieses Versuchs den Verehrern Friedrichs des Großen und den Lesern der Schriften von ihm und über ihn einen kleinen Dienst leisten zu können geglaubt.4-+
Nicht in der Meinung, als würde es Allen gleich wichtig und wünschenswerth sein, zu wissen, wo Friedrich an diesem oder jenem Tage sich aufgehalten und was er gethan und geschrieben hat (denn es ist ihm recht wohl bekannt, wie sehr der verstorbene Büsching getadelt und sogar oft lächerlich gemacht<5> worden ist, weil er in seiner Charakteristik so viele Kleinigkeiten von Friedrich dem Großen erzählt hat), sondern aus folgenden Gründen:
Es ist gewiß Allen, welche die Schriften, die bisher über diesen großen König erschienen sind, gelesen haben, bekannt, daß viel Widersprechendes, Zweifelhaftes und Unwahres von ihm erzählt wird, und daß oft aller Zweifel beseitigt und die Wahrheit oder Unwahrheit der Erzählung erwiesen werden könnte, wenn man bestimmt anzugeben wüßte, wo Friedrich der Große zu der Zeit, in welche das von ihm Erzählte fällt, sich aufgehalten hat.
Aber unter tausend Lesern ist oft nicht einer im Stande, dies ohne viel Mühe und Zeitaufwand auszumitteln. So erzählt z. B. ein Herr A. L. Crelle in der Zeitung für die elegante Welt, Jahrg. 1801, No. 65 Folgendes:
In Magdeburg hörte ich unlängst eine Anekdote, die interessant genug zu sein scheint, um öffentlich nacherzählt zu werden.
In der Gegend von Magdeburg nämlich lebt ein alter Offizier, der in früher Jugend um den großen König von Preußen und bald nach dem siebenjährigen Kriege in dessen Gefolge war. Im Sommer des Jahres 1769 befand sich der König in Breslau, der Offizier hatte eines Tages die Wache in den Zimmern des Königs und dieser hatte befohlen, ihn morgens um 5 Uhr zu wecken. Der König schläft um diese Stunde noch fest, und niemand unternimmt es den Befehl zu erfüllen, weil der König ungemein mißgelaunt sich zur Ruhe gelegt hatte.
Der Adjudant allein hält sich an den Befehl des Königs und tritt dreist vor sein Bette; Friedrich erwacht, aber wider Vermuthen äußerst heiter.
"Kann er Träume deuten?" fragte der König den Offizier "Nein!" war die Antwort, "ich verstehe mich nicht darauf." "Nun so merk' er sich doch den Traum, welchen ich in dieser Nacht hatte, wir wollen einmal sehen, welche Begebenheit der Zufall damit zusammenführt. Mir träumte, als sähe ich einen hellen Stern sich herabsenken auf die Erde, der mit wunderbarem überschwenglichen Lichte sie umschloß und bedeckte, dergestalt,<6> daß ich, umhüllt davon, durch seinen unendlichen Glanz kaum mich hindurch arbeiten konnte."
So sprach der König, der Offizier merkte den Traum und die Zeit genau, und - in derselben Nacht ward Napoleon geboren.6-+
Diese Anekdote trägt nun zwar schon zu sehr das Gepräge der Erdichtung an sich, als daß sie viel Glauben gefunden haben könnte; doch ist sie nachher mehrere Mal gedruckt erschienen, auch in der Hamburger Zeitung, wo als damaliger Aufenthaltsort des Königs gar Berlin genannt wird. Ferner in einem Volkskalender etc.
Nun aber ergiebt sich aus dem 97sten Stück der Berliner Zeitung vom Jahre 1769, daß Friedrich um diese Zeit weder in Berlin noch in Breslau sich befand. Er war am 12. August von Charlottenburg nach Schlesien abgereißt und traf den 14. August in Schweidnitz ein; von hier ging er nach Neiße, wo am 25. August die bekannte Zusammenkunft mit dem Kaiser Joseph statt hatte. Erst den 28. August kam er in Breslau an.
Außer dem Prinzen von Preußen und dem Prinzen Heinrich bestand das Gefolge des Königs aus nachstehenden Personen: dem General-Lieutenant von Lentulus (der beim König im Wagen saß) den Obersten von Anhalt, von Roßier und von Lengefeld, den Oberst-Lieutenants von Knobloch und von Schlegel und dem Rittmeister von Boser.
Auf gleiche Art wie diese Anekdote möchte noch Manches mittels dieses Itinerarii berichtigt werden können. Es wird auch dazu dienen, die, bei vielen gedruckten Briefen Friedrichs des<7> Großen fehlenden, Angaben des Orts und der Zeit zu ergänzen, auch wohl den Inhalt mancher Briefe selbst zu erläutern und diesen oder jenen darin vorkommenden Umstand aufzuklären, wenigstens wird es nicht uninteressant sein, Ort und Umstände angeführt zu finden, wo und unter welchen Umständen Friedrich dies und jenes schrieb, urtheilte, seine Ansichten und Gefühle schilderte u.s.w.
Denen, welche die Gegenden und Städte besuchen oder bewohnen, die unmittelbar Zeugen des thatenreichen Lebens des großen Königs waren, wird es gewiß angenehm sein, das Haus, oft die Hütte kennen zu lernen, wo der große Mann weilte, wo er das Wohl seines Landes erwog, Pläne zu Schlachten und Siegen entwarf, nach heißem Kampfe, nach glücklichen oder unglücklichen Ereignissen seine Gefühle den entfernten Freunden in Briefen mittheilte oder mit den ihn Umgebenden das Angenehme einer geistreichen Unterhaltung genoß.
Die beigefügten Notizen, an sich oft unbedeutend scheinend, Werden doch einem aufmerksamen Leser Stoff genug zu höchst interessanten Bemerkungen über Friedrichs Charakter und Eigenheiten darbieten und auch außerdem Vieles ins Gedächtniß zurückbringen, was dieser rastlos thatige Regent für sein Land, sein Volk und für seine Residenz that; sowie überhaupt das Ganze dem Freunde der vaterländischen Geschichte zu einer chronologischen Übersicht der wichtigsten Thaten Friedrichs des Großen dienen kann. Ob ich in der Wahl dieser Notizen und der charakteristischen Auszüge aus seinen Werken glücklich gewesen bin und das rechte Maaß gehalten, muß ich Anderen zur Entscheidung überlassen; sie zeigen übrigens nicht allein, wie sein Charakter sich nach und nach gestaltete, wie sein Geist sich ausbildete und welchen Gang er nahm, und wie seine Ansichten von Gott, Religion, Welt und Menschen sich änderten; sondern sie zeigen auch seine jedesmalige Gemüthsstimmung in den wichtigsten wie in blos merkwürdigen und kritischen Verhältnissen seines Lebens.7-+ Daß hierzu auch Kleinigkeiten dienen und oft<8> sehr wichtig und bedeutend sind, so gleichgültig und unwichtig sie scheinen, wird man wohl nicht bestreiten. Aber freilich werden, nicht alle Leser dieses Buchs so urtheilen. Man wird Vieles tadeln und Mancher wird dies als eine gute Gelegenheit ergreifen, seinen Witz glänzen zu lassen. Nur für wahre innige Verehrer des großen Mannes werden auch Kleinigkeiten Werth haben, ihnen wird es nicht entgehen, welche Saiten im Charakter Friedrichs sie berühren.8-++
Daß übrigens eine Arbeit wie diese nicht gleich ganz vollständig und ohne Fehler sein kann, wird Jedermann einsehen; doch muß ich bitten ein Datum nicht sofort für irrig zu halten, wenn es irgendwo anders angegeben ist, denn ich habe meine Quellen nicht ohne Vorsicht und die verschiedenm Angaben nicht ohne sorgfältige Prüfung und Vergleichung untereinander benutzt. Es finden sich z. Vergleich im Anfange über Friedrichs des Kronprinzen Ankunft in Potsdam 1740 dreierlei Angaben. Die Lettres familières de Bielefeld geben den 27sten, die Memoires de Pöllnitz den 28. Mai und die Gesandtschaftsbe<9>richte in der Berliner Monatsschrift, Jahrg. 1804, S. 82 den 29. Mai an. Ich bin aber der ersten Angabe gefolgt, womit nicht nur Friedrichs eigener Brief an Voltaire sondern auch mehrere andere Umstände übereinstimmen. So ist auch das, was in den Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichten der Mark Brandenburg 1797, Th. I. S. 263 über die damalige Ankunft des Königs und der Königin in Berlin gesagt wird, nach meiner Angabe zu berichtigen. Da jedoch bei aller Sorgfalt Irren hier um so leichter ist, weil die vorhandenen Nachrichten oft von einander abweichen und einem Menschen allein unmöglich alle Hilfsmittel, die Wahrheit herauszufinden, zugänglich sein können; so wird jede Berichtigung und Vervollständigung mit größtem Danke angenommen und in einem kleinen Nachtrag geliefert werden.
3-+ Er enthält besonders bei dem Jahre 1762 viel unrichtige Angaben.
4-+ Vielleicht wird er auch für einen künftigen Biographen nicht ohne Nutzen sein. Schiller sagt: das Kleine selbst gewinnt Größe unter seiner (des philosophischen Kopfes) Hand, da er dabei immer das Große im Auge hat, dem es dienet.
6-+ Ein Aufsatz über Napoleon in den Zwickauer Erinnerungsblättern. Jahrgang 1822, p. 178 enthält dieselbe Anekdote; da der Verfasser aber behauptet, daß Napoleon am 5. Februar 1769 geboren worden, so verlegt er auch den Traum auf dieses Datum, und die Rolle des Adjudanten spielt hier ein Page. Der Ort ist nicht angegeben. Friedrich war am 5. Februar in Potsdam und muß also Napoleon wirklich am 5. Februar geboren sein, wenn der Traum und seine Deutung ihre Richtigkeit haben sollte, was denn die Genealogen und Traumdeuter unter sich ausmachen mögen!
7-+ Schon Nicolai sagt im 2ten Heft seiner Anekdoten, S. 163: "Wenn man einen Abdruck seiner (der königlichen) kleinen poetischen Schriften (man darf wohl hinzusetzen: und seiner vorzüglichen Briefe etc.) in chronologischer Ordnung hätte, so würde die Folge derselben in den verschiedenen Zeiten, wo er sie schrieb, sehr lehrreich sein. Diese Ideen vollständig auszuführen, wurde ein eigenes Werk erfordern und kann also bei vorliegender Schrift unser Zweck nicht sein. Wir glauben aber doch, daß auch das Wenige, was wir hier davon geben, interessant und lehrreich sein wird."
8-++ Ich bin weit entfernt, Micrologien ohne Ausnahme und unter allen Umständen für nützlich und zweckmäßig erklären zu wollen. Nur diejenigen meiner Leser, welche ihnen allen Werth und Nutzen absprechen, will ich auf das Motto und auf die Urtheile anderer achtbaren Männer verweisen, z. B. sie Reimanns Einleitung in die historische Literatur, Theil I. No. 144. Schiller in dem Aufsatze: Was heißt und zu welchem Ende studirt man Universalgeschichte) S. 8 des 16. Bandes der Tübinger Ausgabe. Ferner:
Gesner. Isagoge in Eruditionem Tom I. p. 529.
Morhof. Polyhistor lib. I. Cap. 19.
Bayle historisch kritisches Wörterbuch. Th. I. S. 593. Art. unter Blondel.
Gedike, Berliner Monatsschrift. Jahrg. 1783. 3tes Stück, desgl. auch Montagne und mehrere.