November.

A.

November 1749

Der König in Potsdam.

<176>

10. November 1749

An d'Arget:176-+

"Überlassen Sie sich nicht dem Schmerz! Sie sind weise, so müssen Sie erwägen, daß der Mensch nicht unsterblich und sein Leben kurz ist, und daß es bei der wenigen Zeit, die wir hier zubringen können, nicht der Mühe lohnt uns zu betrüben. Die Ereignisse liegen außer uns, und man handelt strafbar, wenn man als Philosoph über die Gesetze der Natur und als Christ über den Willen der Vorsicht murrt. Bedenken Sie, daß der Himmel Ihnen nur einen Theil von dem entreißt, was er Ihnen gegeben hat und daß Sie ihn beleidigen, wenn Sie alle die Gaben verachten, die er Ihnen noch läßt! Sie haben einen Sohn; es ist Ihre Pflicht ihn zu erziehen und für seine beste Ausbildung zu sorgen. All' Ihr Schmerz ist fruchtlos. Die gestorben sind, wissen davon nichts und die Lebenden fordern von Ihnen, daß sie ihm gehörige Schranken setzen, nachdem seine ersten Ausbrüche vorüber sind. Denken Sie lieber an Zerstreuung, als daß Sie sich so der Betrübniß überlassen! Wenn Sie das Erforderliche in Ordnung gebracht haben, so kommen Sie hieher! Ich verlange von Ihnen nichts weiter, als daß Sie sich aller ernsten<177> Betrachtungen entschlagen. Geboren werden und Sterben ist das Loos der Menschheit; wer in Erstaunen geräth, wenn sich diese beiden Ereignisse zutragen, beweis't, daß er über seinen Zustand nie nachgedacht hat. Reissen Sie mit Gewalt Ihre Augen von dem Gegenstand los, der Sie so niederschlägt, sehn Sie auf etwas Anderes.

Montague sagt sehr gut, jedes Ding in der Welt hat seine zwei Handhaben, eine gute und eine schlechte, je nachdem wir es nun anfassen, macht es Eindruck auf uns.

Ich fühle den Schmerz, der Sie niederdrückt, in seinem ganzen Umfange, dessenungeachtet halte ich dafür, daß Sie, bei Ihrem Geist, Zeit zum Trost gewinnen müssen. Wären wir nicht rechte Thoren, wenn wir darüber in Verzweiflung geriethen, daß der gestrige Tag verflossen ist! Es werden ihrer noch so viele verfließen und keiner davon zurückkehren. In diesem Augenblick müssen Sie zeigen, daß Sie Mann sind und Sich selbst überwinden. Die Schrift sagt: Wer seines Muthes Herr ist, ist besser, denn der Städte gewinnt. Leben Sie wohl mein guter Darget! Möchte doch mein Sermon Eindruck auf Ihr Herz machen und ihm die Ruhe wieder geben, deren es sicher so sehr bedarf."

In diesem Jahre erschien: Wahrhafter Plan, betreffend die Reforme der Justiz, welchen Se. Königl. Majestät von Preußen Selbst und durch Dero eigene Lumieres formirt haben, wornach alle Processe in Sr. Königl. Majestäten Provinzen tractiret und in drei Instanzen in einem Jahr geendigt werden.

Anmerkungen zum Jahre 1749.

Graf Ernst Christoph von Manteuffel, geboren den 22. Juli/2. August 1676 hatte in seiner Eltern Hause einen vorzüglichen Privatunterricht genossen und nachher in Leipzig die akademischen Studien vollendet. 1697 ging er auf Reisen und erhielt nach seiner Rückkunft 1700 die Stelle eines Kammerjunkers bei dem damaligen Churfürsten von Brandenburg, Friedrich III., dessen Krönung er in Königsberg beiwohnte. Bald nachher forderte er seine Entlassung und trat als Legationsrath in Sächsische Dienste,<178> wo er als Gesandter an verschiedenen Höfen verschickt und in vielen wichtigen Staatsgeschäften gebraucht wurde. 1715 ging er als außerordentlicher Gesandter nach Berlin. 1716 wurde er nach Dresden zurückgerufen und zum Geh. Kabinets-Minister ernannt. 1719 erhob ihn Karl VI. in den Grafenstand. Bei dem Besuch, welchen der König von Preußen Friedrich Wilhelm I. mit dem Kronprinzen in Dresden ablegte, wurde er diesem zuerst bekannt. Als später der König von Polen und Churfürst von Sachsen den Besuch in Berlin erwiederte, begleitete ihn Manteuffel dahin. Der Tod seines Schwiegervaters, des Baron Bludowsky und andere Umstände, auch seine geschwächte Gesundheit brachten ihn zu dem Entschluß, sich in das Privatleben zurückzuziehen. Er nahm also seinen Abschied und begab sich auf seine väterlichen Güter nach Pommern, wo er sich ein Lusthaus erbaute, dem er dem Namen Kummerfrei gab. Hier erhielt er einen Besuch Friedrich Wilhelm's I., dem der Ort so wohl gefiel, daß er 2 Tage daselbst verweilte. 1733 zog ihn die Liebe zu den Wissenschaften nach Berlin, wo er im Umgang mit den Gelehrten, besonders dem Probst Reinbeck, sein einziges Vergnügen fand. 1736 stiftete er eine besondere Gesellschaft von Gelehrten, die er Societatem Aletophilorum oder Gesellschaft der Liebhaber der Wahrheit nannte. Sie bestand aus einigen, theils zu Berlin theils auswärts wohnenden, Verehrern der Wolf'schen Philosophie. Es wurde darauf eine Medaille geprägt, welche auf der einen Seite das Brustbild der Minerva, mit zwei Köpfen auf dem Helm, Leibnitz und Wolf vorstellend, zeigt, mit der Umschrift aus dem Horaz: Sapere aude. Der Revers enthält die Inschrift: Societas Aletophilorum ab Ern. Christophoro S. R. J. Comite de Manteufel instituta. Berol. MDCCXXXVI. Er hat mehrere Predigten seines hochverehrten Freundes, des Probstes Reinbeck und dessen kleine Schriften in's Französische übersetzt, auch eine Gedächtnißmünze auf ihn entworfen, welche nachher die Herzogin von Sachsen-Gotha hat ausprägen lassen. Die Abbildung davon ist der, von M. herausgegebenen, Übersetzung der kleinen Schriften Reinbeck's vorgesetzt. In demselben Jahre wandte er sich nach dem Wunsche seiner Gemalin, welche das Rittergut, Lauer<179> bei Leipzig besaß, nach dieser Stadt und feierte hier 1743 das 50jährige Jubiläum seiner Aufnahme als akademischer Bürger, welches Fest durch eine, ihm zur Ehre geschlagene, Medaille verherrlicht wurde. 1748 wurde er auf Empfehlung des Prinzen von Wallis zum Mitgliede der Königl. Societät der Wissenschaften in London aufgenommen. Er hat nur Töchter aber keinen Sohn hinterlassen und ist mit ihm das gräfliche Geschlecht seines Namens erloschen. Sein Leichnam ruht in seinem Erbbegräbniß zu Gautsch.

Gabrielle Emilie Le Tonnelier de Breteuil war die Tochter des Baron de Breteuil, geboren 1706. Sie wurde sehr jung an den Marquis du Châtelet-Lamont, General-Lieutenant in französischen Diensten und Obermarschall bei dem König Stanislaus, verheirathet. Ein Schriftsteller sagt bei ihrem Tode von ihr: Die Galanterie und die gelehrte Welt litten durch ihren Tod einen gleichen Verlust. In beiden hatte sie sich einen vorzüglichen Namen erworben. Den Schauplatz der galanten Welt betrat sie im Frühling ihres Alters und nachdem sie ihre Rolle vortrefflich gespielt und von diesem eiteln Zeitvertreibe zu sich selbst gekommen war, überließ sie sich den Werken des Geistes und den schönen Wissenschaften, und der Umgang mit geistreichen und gelehrten Männern ward ihre herrschende Leidenschaft. Maupertuis und andere Gelehrte dieses Ranges, besonders Voltaire, hatten das Glück, ihr zu gefallen. - Indessen hat sie doch nicht immer philosophirt. Sie ward schwanger, nachdem sie 20 Jahr in unfruchtbarer und eben nicht vergnügter Ehe gelebt hatte. Gleich nachdem sie von einem Sohn entbunden worden, setzte sie sich an ihren Schreibtisch, um eine angefangene philosophische Abhandlung fortzusetzen. Hier wurde sie von einem Fieber und andern Zufällen befallen, die ihr den Tod brachten. Ihr Mann war dabei ganz gleichgültig, aber Voltaire, welcher sich ebenfalls in Lüneville, wo sie starb, befand, war ganz untröstlich. - Von ihrer Person macht jener Schriftsteller folgende Beschreibung: "Man stelle sich," sagt er, "ein hageres Frauenzimmer, mit großen Armen und langen Beinen, einem kleinen Kopfe und einem Gesicht vor, welches sich in einen weiten Kopfputz verliert; man setze eine spitzige Nase,<180> zwei kleine grünliche Augen, eine schwärzliche Farbe und einen flachen Mund hinzu, so hat man das Bild der Châtelet, die Voltaire bis zu den Sternen erhebt. Mit Bändern, Spitzen, Schminckpflästerchen, Steinen und andern Zierrathen dieser Art war sie bis zur Verschwendung umgeben, und da sie dem Glücke zum Trotz prächtig und der Natur zum Verdruß schön sein wollte; so mußte sie sich vieles an den nöthigsten Dingen abbrechen, um diesen Tand anzuschaffen. Dem Bilde dieser Muse setze man das lange, dürre Bild Voltaire's, dieses Gerippes vom Apoll an die Seite; so wird man sich wohl kein schöneres Nachtstück von zwei verliebten Personen denken können."
     

Voltaire hat ihr folgende Grabschrift gesetzt:

L'Univers a perdu la sublime Emilie
Elle aima les plaisirs, les arts, la verité
Les Dieux, en lui donnat leur âme et leur genie,
N'avaient gardé pour eux que l'immortalité

Die, eines andern Dichters lautet etwas anders, nämlich:

Ci git, qui perdit la vie
Dans le double accouchement
D'un Traité de Phlosophie
Et d'un malheureux enfant.
On ne sait précisement :
Lequel des deux l'a ravie.
Sur ce funeste évènement
Quelle opinion doit on suivre?
S***. L***. s'en prend au Livre
Voltaire, s'en prend à l'Enfant.

<181>

19. November 1749

Der König aus Potsdam nach Berlin, speiset bei der Königin Mutter.

20. November 1749

Nach Potsdam.

26. November 1749

General Fouqué nach Potsdam zum König.

B.

11. November 1749

Starb in Königsberg der General-Feldmarschall Gouverneur von Berlin, Herzog Friedrich Wilhelm von Holstein-Beck, Ritter des schwarzen Adlerordens etc., 63 Jahr alt.


176-+ D'Arget war Secretair des französischen Gesandten Valori, als dieser den König in den zweiten schlesischen Krieg nach Böhmen begleitete. Im August 1745 wohnte Valori in der Vorstadt von Jaromirtz. Der östreichische Partheigänger, Oberst Franchini, der dies erfuhr, beschloß ihn aufzuheben und überfiel den Ort. Als die Panduren sich der Wohnung des Gesandten näherten, ging ihnen d'Arget entgegen und gab sich für den Gesandten ans, welcher indeß Zeit gewann sich zu flüchten, während d'Arget als Gefangener fortgeführt wurde. Den König belustigte dieses Abentheuer sehr und gab ihm die Veranlassung, das Palladium, ein burleskes Gedicht zu schreiben.
      Als d'Arget ausgewechselt war, erbat sich ihn der König von Valori und machte ihn zu seinem Vorleser. Er liebte ihn sehr und sah es ungern, als er seiner Gesundheit wegen (1752) nach Frankreich zurückkehrte. Der König schrieb oft und im Tone der herzlichsten Theilnahme an ihn. Zu vorstehendem Trostbrief war der Tod von d'Argets Frau die Veranlassung.